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Sport
Edoardo Delille traf ein Jahr vor Olympia in Bethlehem eine Fußballerin
Frauenfußball kennt keine Grenzen
Von Bernd J.R. Henke und Johann Blaha

Auf dem Weg nach Bethlehem muss man durch eine hohe Mauer. Eine rundum angelegte israelische Separationsmauer umzingelt die palästinensische Stadt, dort wo die Weltchristenheit alljährlich zu Weihnachten den Fremdenverkehr aufblühen lässt. Mit neun Metern Höhe ist der “separation wall” doppelt so hoch wie einst die Berliner Mauer. Während der Beton auf Israels Seite noch völlig blank ist, haben auf der palästinensischen Seite Künstler und Bewohner einzigartige Graffitis verewigt. Die Mauer sorgt für Ruhe. Aber löst sie auch Probleme?

Alle Fotos: Edoardo Delille
 
Wenn Fußballerin Jackline Jazrawi allein oder mit der Freundin trainiert, findet man sie häufig an der Mauer der Besatzer. Die aufgesprayten kreativen Bilder, Worte und Muster bedeuten für die palästinensische Jugend einen Ausdruck ihres Unwillens sowie einen Teil emotionaler Aufarbeitung der nackten Realität des Eingesperrtseins. Unweigerlich fragen sich die Israel-Besucher: “Welche Mauer ist schöner?” Ironie kennt keine Grenzen.
 
Der einflussreiche Weltfußballverband FIFA beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema der Reisefreihit für die palästinensischen Spielerinnen und Spieler. "Wir wissen, dass Palästina eine außerordentliche Situation für die FIFA darstellt, und daher müssen wir auch nach außergewöhnlichen Lösungen suchen. Wir tun unser Bestes, um zu helfen, denn Fußball kennt keine Grenzen", so der international erfahrene FIFA-Präsident Joseph F. Blatter bei seinem Besuch der palästinensischen Autonomiegebiete im Oktober 2008 in Ramallah. Trotz "Fussball kennt keine Grenzen".

Jetzt fragt der Leser wohl, wer ist Edoardo Delille, der knapp ein Jahr vor Olympia 2012 eine palästinensische Nationalspielerin traf? Der italienische Starfotograf Edoardo Demille, Schöpfer bekannter Titelbilder internationaler Sportmagazine und Trendsetter im Fotodesign für Fashion Magazine und intelligente Produktwerbung, besuchte Ende August 2011 Palästina. Er durchstreifte Bethlehem, die eingekesselte Stadt in Zone C mit israelischer Verwaltung sowie israelischer Polizei und Kontrollkräften. Sein geschultes Auge - sein Sinn für Ästhetik - schuf Fotografien, die für sich selber sprechen und zum Nachdenken anregen.

Am Nachmittag des 29. August 2011 fand die Session mit der palästinensischen Nationalspielerin an der Mauer der Separation statt - dem steinernen Werkzeug vorsätzlicher Isolationshaft - dem Betongold, das im Sozialhaushalt des Staates Israel fehlt. Kunst kennt keine Grenzen.

Jackline Jazrawi erzählte uns dabei folgendes: “Der separating wall wurde gebaut, um uns ein Leben in Freiheit zu verbieten, aber trotz alledem werden wir niemals aufhören mit Leidenschaft zu leben. Durch den Fußball können wir überall hin reisen und diese Mauer überwinden. Wenn wir ein leistungsstarkes Team mit hoher Motivation sind, werden wir alle zusammen reisen und im Ausland die Freiheit erleben können, fern der Mauer und dem Rassismus, den die Besatzung hier erzeugt. 

Trotz etlicher Schwierigkeiten werden ich und mein Team weitermachen unsere Leidenschaft zu leben und Fußball zu spielen. Nur der Himmel ist unser Limit. Meine derzeitige sportliche Karriere erfülle ich als Trainerin für Frauenfußball und Basketball sowie als Sportkoordinatorin für meinen Club Diyar women's club. Ich habe mehr als 25 internationale Spiele für das Nationalteam von Palästina bestritten und bin inzwischen 26 Jahre alt."

Mein Ziel ist mein Studium weiterzuführen mit dem Ziel eines Magistergrades im Sportmanagement oder in der Sportorganisation, so dass wir uns hier in Palästina mit professioneller Methodik weiterentwickeln, speziell den Frauenfußball ausbreiten und jungen Frauen und talentierten Mädchen helfen können ihre Fertigkeiten zu verbessern."

Jackline Jazrawi spielt im Mittelfeld der Nationalmannschaft. Sie ist Christin. Die Torjägerin und Stürmerin Nevine Al Kolayb ist Muslima. Sie ist zwei Jahre älter als ihre Mannschaftskollegin und beherrscht zur Verwunderung der Männer alle technischen Fußballtricks. Nevine Al Kolayb: "Der Frauenfußball bietet den Frauen einen Rahmen, in dem sie ihren Lebensalltag für eine Weile vergessen können. Wir gehen menschlich miteinander um und vergessen auf dem Spielfeld Religion und Parteipolitik."

Weiter sagte sie uns: "Die Mädels im Team warten nicht nur darauf, dass irgendein Ehemann sie mit Kindern versorge. Viele Männer wollen nach der Heirat nicht, dass ihre Ehefrauen Sport treiben. Dem Team sind so schon einige gute Spielerinnen abhanden gekommen. Im Durchschnitt heiraten palästinensische Frauen im Alter von 19 Jahren. Und noch immer wird in konservativen Kreisen die Heirat als sinnvollere Investition in die Zukunft eines Mädchens angesehen als etwa eine gute Ausbildung. In unserem Team glauben wir an die Kraft der Frauen zur Veränderung."

Der Fotodesigner Edoardo Delille aus Mailand widmet die Fotoserie dem internationalen Frauenfußball und den mutigen Fußballerinnen aus Palästina. Er besitzt Ateliers in den USA, in Mailand und im Libanon. Er stellt die Fotos der Sportredaktion der NRhZ exklusiv im Jahr der Londoner Olympischen Spiele 2012 zur Verfügung. Der olympische Geist kennt keine Grenzen, und der Frauenfußball ist ein sichtbarer Teil des arabischen Frühlings und ein Beispiel, dass Sport ein verbindendes Kulturgut ist.
 
Selbst die hässliche Mauer in Israel gewinnt an Schönheit, vor allem bei Sonnenuntergang im Heiligen Land. Die Zukunft des Fußballs ist weiblich. Der feminine Beitrag zur Überwindung von Krieg und Hass kennt keine Grenzen. (PK)
 
Hier finden Sie weitere Bilder und Informationen:
http://www.facebook.com/#!/diyarwomenssoccer
http://www.diyar.ps/
www.edoardodelille.com
 
Fotobearbeitung Dietmar Tietzmann, Frankfurt. Er gehört seit Anfang 2012 als Fotograf zur NRhZ Frauenfußball-Sportredaktion.


Online-Flyer Nr. 366  vom 08.08.2012



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