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Lokales
Institut für vergleichende Irrelevanz (IvI) in Frankfurt/M durch die Polizei geräumt
„Wir werden nicht aufgeben“
Von Peter Kleinert

Mit einem Polizeigroßaufgebot begann am Montagmorgen gegen 7.30 Uhr die Räumung des besetzten "Instituts für vergleichende Irrelevanz" (IvI) in Frankfurt/M, das vor 10 Jahren im Rahmen der StudentInnenproteste besetzt worden war. Dafür wurde die gesamte Senckenberganlage zwischen Bockenheimer Landstraße und Messekreisel abgesperrt. Absperrgitter wurden auch um das Haus im Kettenhofweg 130 gezogen und die ca. 300 UnterstützerInnen des Projektes nach und nach vom Gebäude weg gedrängt.

Am Dienstag durch die Polizei geräumt – Institut für vergleichende Irrelevanz
Quelle: wikipedia
 
Die AktivistInnen hatten Hinweise auf die anstehende Räumung erhalten und sich drei Stunden vorher am IvI versammelt. Sie errichteten Barrikaden auf dem Kettenhofweg und in der Senckenberganlage und setzten und stellten sich in den Hof und vor den Eingang des IvI, um das Haus zu blockieren. Auch im Haus blieben einige AktivistInnen, um das Gebäude passiv zu verteidigen. Bei der Räumung der friedlich auf dem Gelände sitzenden Leute kam es vereinzelt zu Gewaltausbrüchen von Seiten der Polizei, 3 IvI-UnterstützerInnen wurden durch brutale Polizisten verletzt. Die Räumung wurde vom Vorsitzenden der Immobilienfirma Franconofurt AG, Christian Wolf, beobachtet, der auch die vor dem Haus Protestierenden gegen ihren Willen filmte.
 
„Das Polizeiaufgebot und das martialische Auftreten der Staatsgewalt ist vollkommen unverhältnismäßig. Dass unsere Arbeit in der Art von der Polizei und Franconofurt kriminalisiert wird, macht uns einfach nur wütend. Für das IvI hätte es eine politische Lösung geben müssen und keine polizeiliche“, sagte Sarah Schneider. „Von den Kosten, die dieser Polizeieinsatz verursachte, hätten mindestens 2 Jahre die Miete und die Arbeit des Institutes in einem Ersatzobjekt finanziert werden können.“ so IvI-Sprecherin weiter.
 

IvI-Aufruf zu Demonstrationen
Durch diese Räumung demotivieren lassen wird sich wohl niemand. Die ganze Woche über soll es Aktionen für den Erhalt des nichtkommerziellen Kultur- und Bildungs-projektes geben. Bereits am Dienstagabend starteten am Kaisersack Demonstrationen, für die das IvI schon seit Monaten seit einem Gerichtsurteil wirbt. Auch für Donnerstag sind parallel zur Stadtverord-netenversammlung, auf der ein Antrag zur Unterstützung des IvI von Piraten, Linken und SPD-Fraktion verhandelt werden soll, Aktionen in der Innenstadt geplant.
 
„Wir werden nicht aufgeben“, erklärte Oliver Sonnenschein vom IvI. „Auch wenn bisher wenig Unterstützung von Seiten der Politik kommt und die Polizei hart gegen neue Besetzungen vorgeht, werden wir nicht aufhören für selbstorganisierte Räume zu kämpfen. Ein Ort wie das IvI ist und bleibt notwendig in dieser Stadt und wir werden so lange weiter besetzen bis wir ein adäquates Ersatzobjekt haben.“
 
Bereits am 15.2.2013 hatte auf Antrag der stadtbekannten Immobilienfirma Franconofurt AG eine Gerichtsverhandlung gegen die erfundene GbR IvI stattgefunden. Die Verhandlung dauerte fünfzehn Minuten und endete mit einem Versäumnisurteil gegen die nicht erschienene GbR, das eine sofortige Räumung des seit 2003 besetzten IvI-Hauses ermöglichte. Seit der Besetzung 2003 hatten hier unter dem Motto "Theorie*Praxis*Party" autonome Tutorien und Lesekreise, Veranstaltungen zu verschiedensten Themen, aber auch Barabende, Partys und Konzerte stattgefunden. Fast zehn Jahre lang hatten hier viele Menschen einen Raum gefunden, in dem sie sich gerne aufhielten. Im Februar 2012 war durch die Uni Frankfurt bekannt geworden, dass das Gebäude an die Franconofurt AG für den Spottpreis von ca. einer Million Euro verkauft worden war.
 
Die Immobilienfirma ist in Frankfurt laut einer Pressemitteilung des IvI dafür bekannt, "Häuser zu kaufen, sie dann zu sanieren und umzubauen und dadurch die Mieten ins Unermessliche steigen zu lassen. So werden eben alle, die nicht das Geld dazu haben, aus ihren Wohnungen und Häusern verdrängt und sind gezwungen in Randstadtteile zu ziehen, die im Rahmen von Stadtumstrukturierung noch nicht “aufgewertet” wurden", heißt es in dem Text unter der Überschrift "IvI geht weiter". Und: "Selbstverwaltete Projekte mit soziokulturellem Anspruch wie das IvI finden in Frankfurt kaum noch Raum. Sie passen nicht in das scheinheilige, gepflegte Bild der Stadt. Mehrere Tausend Zwangsräumungen in den vergangenen Jahren, der Bau der neuen EZB und der Umzug des Campus Bockenheim auf den IG-Farben Campus zeigen wo es hingehen soll. Doch wir werden weiter für unsere Sache einstehen, gegen Gentrifizierung, für autonome Zentren, eben gegen die Gesamtscheiße!" (PK)


Online-Flyer Nr. 403  vom 24.04.2013



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