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Glossen
John Kerry und die Chemiewaffen in Syrien und in den USA
Ein Kinn für die Freiheit
Von Ulrich Gellermann

Politiker in den USA haben alle denselben Friseur. Oder es gibt eine Politiker-Frisur-Dienstanweisung. Denn nahezu alle US-Politiker tragen ihre Silberlocken sorgsam hochgeföhnt und mit Haarspray fixiert, leicht gescheitelt und nach hinten gekämmt. Auch und gerade John Kerry trägt diese, wie mit der Laubsäge modellierte Haartracht. Politiker in den USA haben alle ein ausgeprägtes Kinn. Energisch nach vorne geschwungen, tatkräftig in die internationalen Stürme gereckt, ragt das normierte US-Politiker-Kinn hinaus in die Freiheit, die es jederzeit und an jedem Punkt der Erde zu verteidigen gilt. Doch niemand kann mit dem Freiheits-Kinn des John Kerry konkurrieren.
 

John Kerry
NRhZ-Archiv
"Ich bin durch Vietnam belehrt, aber nicht gefangen", schreibt der Außenminister der USA in der Zeitung DIE WELT und meint damit, er lasse sich keineswegs von einem Krieg gegen Syrien abbringen. Nur weil er als junger Mensch mal gegen den Vietnam-Krieg war, nachdem er vorher im selben Krieg als Kommandant eines Schnellbootes einen Orden nach dem anderen eingesackt hatte. Zwar haben Syrien und Russland seinen nur "rhetorisch" gemeinten Vorschlag, Assad könne einem Angriff entgehen - wenn er "sämtliche" Chemiewaffen der internationalen Gemeinschaft übergebe - aufgegriffen und so dem drohenden Krieg eine Atempause verschafft. Aber immer noch wollen die USA dem befreundeten Katar eine Gas-Pipeline zum Mittelmeer verschaffen. Und immer noch stört bei diesem Vorhaben der russische Militärstützpunkt in Syrien sehr. Der internationale Krieg, in den dann auch der Iran und Israel verwickelt wären, ist aufgeschoben. Er ist noch begrenzt auf die internationale Hilfe für die Rebellen: Drei Milliarden Dollar hat Katar schon investiert, die Saudis liefern Waffen aller Art, und die USA leiten über die CIA die Logistik. Auch deshalb lohnt es sich, John Kerry unter die Lupe zu nehmen.
 
"Und auch der Irak hat mir eine Lektion erteilt, ohne mich zu lähmen", schreibt Kerry weiter in seinem WELT-Artikel und meint jene scheinbare Gehirnlähmung, die mit den vorgeblichen irakischen "Massenvernichtungswaffen" den Irak-Krieg begründete. Ein Krieg, dem Kerry selbstverständlich damals zugestimmt hat. Denn Kerry gehört zu jener dünnen Oberschicht in den USA, die wie eine Ölpest auf dem Meer der amerikanischen Bevölkerung schwimmt, jeden Ansatz echter Demokratie erstickend. John Kerry ist in den Reichtum hineingeboren: Sein Vater war amerikanischer Diplomat, seine Mutter gehörte dem Ostküsten-Adel an, jenen Schwerreichen, die seit Jahr und Tag untereinander heiraten, damit Geld und Einfluss in der Familie bleiben. Es versteht sich, dass der junge Kerry an der 1701 gegründeten Yale-Universität studiert hat und dort Mitglied der exklusiven Studentenverbindung Skull & Bones (Schädel und Knochen) war, ein Klub, dem die Kinder der Superreichen angehören und dessen Karriere-Netzwerk wie Mehltau auf dem ganzen Land lastet.
 
Es ist kein Witz, es ist die übliche üble Wahrheit: Im US-Präsidentschafts-Wahlkampf 2004 standen sich mit John Kerry und George W. Bush zwei Mitglieder von Skull & Bones gegenüber. Beide haben auf die Frage desselben TV-Moderators nach der studentischen Geheimgesellschaft identisch geantwortet: Das alles sei geheim. Dabei ist es wirklich kein Geheimnis, dass dieser universitäre Elitezirkel einen Einheitstyp der US-Politik hervorbringt. Die gleiche Frisur, die gleiche Gesinnung: Man gibt den eigenen Vorteil als das Wohl des Landes aus. Auch die Kosten des damaligen Wahlkampfes, um die 600 Millionen Dollar, weisen auf die Nutznießer hin: Nur mit viel, viel Geld ist ein Wahlkampf in den USA zu gewinnen. Mehr als 200 Unternehmen haben den Kerry-Wahlkampf gesponsert. Unter ihnen die Citigroup, Apple und das Whiskey-Imperium Brown-Forman (Jack Daniels). Der damalige Chef von Goldman-Sachs wusste über Kerry: "John Kerry ist gut für die Wirtschaft und daher auch gut für die Märkte."
 
Immer noch wartet der US-Energiemarkt auf eine für ihn vorteilhafte Pipeline-Lösung in Syrien. Deshalb hat der US-Außenminister seine durch nichts bewiesene Behauptung bisher nicht zurückgenommen oder konkretisiert: "Wir wissen wer Chemiewaffen benutzte. Auch wann und wie." Kerry weiß es und wir auch: Immer noch lagern in den USA mehr als 1.000 Tonnen Chemiewaffen aller Art, die, würden die Vereinigten Staaten dem internationalen Abkommen entsprechen, seit dem letzten Jahr vernichtet sein sollten. Man darf gespannt sein, ob und wann die USA diese Waffen in eine Abrüstungsdebatte um die syrischen Chemiewaffen einbringen werden. (PK)
 
Ulrich Gellermann hat diesen Beitrag zuerst in seiner Rationalgalerie veröffentlicht:
http://www.rationalgalerie.de/archiv/index_3_109.html
 


Online-Flyer Nr. 424  vom 18.09.2013



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