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Lokales
"Parteiliche Sozialarbeit versus Sonderrecht Hartz IV"
Harald Thomé in Köln
Von Michael Scheffer

Unter dem vielversprechenden Motto "Parteiliche Sozialarbeit versus Sonderrecht Hartz IV" referierte der renommierte Sozialrechtler Harald Thomé am 6. November vor angehenden Sozialpädagogen und -wissenschaftlern an der Fachhochschule Köln. Der Einladung des "Arbeitskreises kritische Soziale Arbeit" an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften folgten rund 40 interessierte Studierende.
 
Thomé ist seit vielen Jahren sozialberatend tätig; regelmäßig bieten er und seine MitstreiterInnen Schulungen zur Rechtsdurchsetzung insbesondere in den Regelkreisen des zweiten und zwölften Sozialgesetzbuches (SGB) an. Der von ihm mitbegründete Erwerbslosenverein Tacheles e.V. in Wuppertal feierte vor kurzem sein zwanzigjähriges Bestehen, was Thomé zum Anlass nahm, die abenteuerliche Entstehungsgeschichte und die beeindruckende Entwicklung des Projekts zu erläutern. Anschließend beschrieb er eingehend die Tagesabläufe in der angewandten Beratung, ging aber auch auf die sich stetig wandelnden rechtlichen wie gesetzlichen Grundlagen ein (Beratungshilfegesetz, Rechtsdienstleistungsgesetz, Informationsfreiheitsgesetze).
 
Mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis illustrierte er sowohl den kafkaesken Irrsinn behördlichen Wirkens, wie auch die verheerenden Auswirkungen völlig verfehlter sozialer Politik der vergangenen Jahre. Ergänzende Erfahrungsberichte der ZuhörerInnen, unter die sich auch ein paar altgediente Sozialberater und Aktivisten gemischt hatten, rundeten die Diskussion ab.
 
Als es dann darum ging, ein Resumée über nun bald zehn Jahre Hartz IV zu ziehen, fiel das Urteil konsequenterweise vernichtend aus. Harald Thomé entlarvte die mittlerweile über sechzig Änderungen in den Bereichen SGB II und XII als schleichende Verschlechterungen und verwies beispielsweise auf die Abschaffung des sogenannten Armutsgewöhnungszuschlags, der Rentenversicherung oder einst sinnvoller Fördermaßnahmen. "Wir haben Millionen von abgehängten, entrechteten und kaputten Menschen geschaffen" lautet sein Fazit.
 
Mit Verweis auf § 61 SGB II wurde abschließend aufgezeigt, was Parteilichkeit in der Sozialarbeit bedeuten kann. Der sogenannte Schnüffelparagraph verpflichtet Träger von Maßnahmen, die der Eingliederung in Arbeit dienen, zur unverzüglichen und umfassenden Auskunftserteilung über die MaßnahmeteilnehmerInnen an die Arbeitsagentur. Da dieser dazu geeignet ist, Menschen in Sozialberufen in schwere Gewissens- und Loyalitätskonflikte zu bringen und Berufsethos und Idealismus ad absurdum zu führen, gehört er nach Meinung der DiskussionsteilnehmerInnen eher heute als morgen abgeschafft. Nur ein Beispiel von vielen, mit dem ein lehrreicher, aber auch streckenweise überaus unterhaltsamer Abend zu Ende ging.
 
Der 2013 gegründete Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit Köln, der nach eigenen Angaben für "eine selbstbestimmte, offensive und politische Soziale Arbeit streitet", lädt regelmäßig zu Diskussionsveranstaltungen an der FH Köln ein: http://www.aks-koeln.org/ (PK)
 
Michael Scheffer (45) ist seit Jahren in diversen Funktionen und Gremien der LINKEN in Köln aktiv (Vorstand Innenstadt, Sprecher Arbeitskreis Soziales) sowie in verschiedenen unabhängigen Initiativen (Recht auf Stadt, Blockupy, Linke Erwerbslosenorganisation).


Online-Flyer Nr. 484  vom 12.11.2014



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