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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Kultur und Wissen
Säkular durch das Jahr 2016
Der gottlose Feiertagskalender
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

„Warum feiern wir Pfingsten, Fronleichnam, Allerheiligen? ... Mit zunehmendem Bedeutungsverlust der Religionen werden auch ihre Rituale immer hohler. Die freien Tage dienen der Erholung oder dem Konsum.“ Dieser Einsicht stellen sich die Herausgeberin und Herausgeber des „Gottlosen Feiertagskalender 2016“, Petra Scheurig und Ralf Frühwirt. Erstmals 2015 ist er erschienen und auch in diesem Jahr mit Liedern zu neu benannten Feiertagen versehen. Mit Fotografien von Holger Karl angereichert, ist ein handliches, nachdenkliches, ungewöhnliches Format entstanden.


Mai-Bild

Wir schlagen den Kalender auf und sind eingeladen, den Tag der Vorbilder und des Selberdenkens, den Tag der Älteren und der Jüngeren und den Tag des Zusammenlebens von Jung und Alt zu feiern.

Selber denken

Lass uns heute mal selbst denken gehn
ist ne Kunst, die es wert ist zu leben
Meistens sind wir ja leider bequem
wollen nicht nach ganz Eigenem streben

Wer selbst denkt, weiß mit Sicherheit nur
dass nichts sicher ist auf seinen Wegen
bleibt so aber sich selbst auf der Spur
lässt sonst niemand sein Leben belegen

Den „Tag des Selberdenkens“ feiern wir nach dem säkularen Feiertagskalender am 25. März 2016, dem „Karfreitag“. Diesem unmittelbar voraus geht der „Tag der Vorbilder“: „heute oder vor 3000 Jahren trifft mensch auf Menschen, deren Denken und Handeln beispielhaft ist... Der Tag der Vorbilder rückt diese Menschen ins Zentrum, auch um die eigenen Wege und Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.“

Am 26. Mai 2016 feiern wir den „Trota von Salerno Tag“, der einer italienischen Ärztin und Hebamme gewidmet ist, die im 11. oder 12. Jahrhundert (nach welcher Zeitrechnung?) gelebt haben soll. Sie war eine Heilkundige, die sich insbesondere mit der weiblichen Körperlichkeit ausgekannt haben soll. Trota von Salerno steht symbolhaft für die noch heute weitvertreitete Leugnung weiblicher Anteile zu bedeutenden Beiträgen in Wissenschaft und Kultur – so die HerausgeberIn.

Der „Tag der deutschen Einheit“ am 3. Oktober eines jeden Jahres seit der kapitalistischen Konterrevolution wird nicht weiter in Frage gestellt. Zwar ist er säkularer Natur, aber wie die glücklichen deutschen Wiedervereinigungsbürger zu diesem Umstand gelangt sind, erfordert doch einen blinden Glauben an die Geschichten der zeitgenössischen Mythenbildner.


Oktober-Bild

Im November gibt es am 11. Tag den „Tag des Weltverbesserers“ bzw. den „Tag der Weltverbesserin“. Hier sollen Menschen in unser Bewusstsein treten, „die durch ihren persönlichen Einsatz“ einen Beitrag geleistet haben. 2016 ist der Tag dieses Gedenkens Edward Snowden gewidmet, „der sein Gewissen über seine Sicherheit stellte, verantwortungsloses Gebaren seines mächtigen Arbeitgebers, den USA, der Welt verriet und damit sein Leben aufs Spiel setzte...“

Im Dezember zur Wintersonnenwende feiern wir die „Glückstage“, althergebracht Weihnachten genannt. Übrigens hat die christliche Kirche sich nicht selten heidnischer Feiertage bedient, sie uminterpretiert und -strukturiert und sie in ihren eigenen Kanon aufgenommen.

Neugierig geworden? Zwölf Monatsblätter im A4-Format sind mit Fotos, Gedichten und Informationen zum A3-Format auffecherbar. Der feministische Touch von Petra Scheurig, mit Künstlerinnennamen watsi, verdeutlicht ihren Anteil als Ideengeberin und Gestalterin. Dass die Lieder vorschlagsweise auf Kirchenmelodien zu singen sind (Großer Gott, wir loben dich) mag in diesem gottlosen Zusammenhang verwundern. Doch auch „Die Gedanken sind frei“ darf geschmettert werden.

Mit dem Fotografen Holger Karl verbindet watsi das Schicksal der Parkinson-Erkrankung. 2006 reüssierte Holger Karl mit seiner Ausstellung „MorbusPark – porträts von menschen mit parkinson“. Lebensfreude – auch unter widrigen Bedingungen – an allem was (künstlerisch) machbar und möglich ist, vermittelt der etwas andere Jahresbegleiter 2016. (PK)

Der gottlose Feiertagskalender
zu bestellen über watsi
pemisch@web.de
12 Euro inklusive Versand


Online-Flyer Nr. 545  vom 13.01.2016



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