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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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7. Jahrestag der Zerstörung des Kölner Stadtarchivs
Mehr Nachdenken und Mehr Vordenken
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Die organisierte Verantwortungslosigkeit sei zu beenden, sagte Frank Deja von K2A2. „Deshalb ist der heutige 7. Gedenktag für uns eine fortwährende Mahnung für ein 'Mehr Nachdenken' und ein 'Mehr Vordenken'. Damit sich solch eine Katastrophe nie wiederholt.“ Das waren die Schlussworte von Stadtdirektor Guido Kahlen beim Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs vor siehen Jahren. Aufgerufen zum Gedenken hatten zwei Initiativen: "Köln kann auch anders" (K2A2) und "ArchivKomplex". Nach zwei Ansprachen, der von Stadtdirektor Guido Kahlen - zum Stand der Entwicklung - und der von Frank Deja von K2A2 – zur "Zeitachse des Kölner Grundübels" -, und der Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer wurde in einem feierlichen Akt in Anwesenheit von Kölns Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und Bezirksbürgermeister Andreas Hupke eine von Mischa Kuball, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln, gestaltete Hinweistafel enthüllt.


Ikarus – Gegenüber der Einsturzstelle
(alle Fotos: arbeiterfotografie.com)


Einsturzstelle Severinsstrasse


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Ikarus – Gegenüber der Einsturzstelle


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Ikarus – Gegenüber der Einsturzstelle


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Opfer bei der Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Opfer bei der Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs – Stadtdirektor Guido Kahlen: „Deshalb ist der heutige 7. Gedenktag für uns eine fortwährende Mahnung für ein ‚Mehr Nachdenken’ und ein ‚Mehr Vordenken’. Damit sich solch eine Katastrophe nie wiederholt.“


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Frank Deja von "Köln kann auch anders" (K2A2): „Beenden Sie das für die Bürger fruchtlose Schwarze-Peter-Spiel, machen Sie ernst mit dem Anliegen, eine neue Verantwortungskultur zu etablieren und die organisierte Verantwortungslosigkeit zu beenden.“


Tafel mit dem Hinweis auf die Einsturzstelle


Mischa Kuball, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln, der die Hinweistafel gestaltet hat


Enthüllung der Hinweistafel


Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes bei der Enthüllung der Hinweistafel


Mischa Kuball, Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, Dorothee Joachim von ArchivKomplex und Bezirksbürgermeister Andreas Hupke bei der Enthüllung der Hinweistafel


Enthüllung der Hinweistafel


Dorothee Joachim von ArchivKomplex


Enthüllung der Hinweistafel


Roland Schüler von ArchivKomplex


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Anbringung eines Banners zum Gedenken an die Zerstörung des Kölner Stadtarchivs


Anhang:

Mitteilung der Initiative "Köln kann auch anders" (K2A2) vom 26.02.2016


Die Bürgerplattform „Köln kann auch anders (K2A2)“ nimmt den 7. Jahrestag der Archivkatastrophe zum Anlass, nicht nur der Opfer zu gedenken, sondern den Blick auch nach vorn zu richten. Stadtdirektor Guido Kahlen berichtet über den Stand der Ermittlungen und die nächsten Schritte der Stadt, K2A2-Sprecher Frank Deja formuliert Erwartungen an die neue Oberbürgermeisterin zur Überwindung des „Kölner Grundübels“ und die Initiative ArchivKomplex enthüllt ein auf den Katastrophenort bezogenes Kunstwerk für den öffentlichen Raum.

K2A2 betrachtet die Zerstörung des Stadtarchivs als die schmerzhafteste, nicht aber die einzige Folge von Versäumnissen und Organisationsmängeln in den Spitzen von Politik, Verwaltung und kommunalen Betrieben. Sie alle lassen sich als das „Kölner Grundübel“ zusammenfassen: möglichst viele sind zuständig, möglichst niemand verantwortlich! Die Folgen haben wir alle zu tragen: durch einen Verlust an urbaner Lebensqualität, durch Verschwendung von Steuergeldern und im Fall des Stadtarchivs sogar durch den Verlust von Menschenleben.

„Wenn Frau Reker nach der Silvesternacht sagte ‚Ich habe schon den Eindruck, dass Leute nach Köln kommen, die denken, man könne sich hier so schlecht benehmen, wie man will’, dann habe ich den Eindruck (so Frank Deja): das gilt nicht nur für kleinkriminelle Banden aus dem Maghreb sondern auch für Baufirmen mit teilweise kriminellem Geschäftsmodell, die wittern, dass sie sich hier auf Kosten der Allgemeinheit bereichern können“.

Wir fragen: was tragen die Verwahrlosung des öffentlichen Raums und die „Verwahrlosung“ bestimmter Führungs- und Kontrollstrukturen (zum Beispiel durch Arbeitsüberlastung und Kompetenzverlust in einer seit Jahren „verschlankten“ und unter Personalmangel leidenden Verwaltung) dazu bei, dass dies möglich ist?

In diesem Sinne ruft K2A2 dazu auf, sich am 3. März aus Anlass des Gedenkens zu einer Kundgebung für den Wandel der politischen Kultur in Köln zu versammeln.

Programm:
13:20: Sammeln am Einsturzort mit Musikbegleitung
13:30: Stadtdirektor Guido Kahlen zum Stand der Entwicklung
13:45: „Köln kann auch anders“ zur „Zeitachse des Kölner Grundübels“
13:58: Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer
14:00: Kunstaktion der Initiative ArchivKomplex


Enthüllung an der Einsturzstelle – Mitteilung der Initiative "ArchivKomplex" vom 23.02.2016

Die Initiative ArchivKomplex nimmt den siebten Jahrestag des Archiveinsturzes zum Anlass, der Stadt Köln ein Geschenk zu machen: ein Werk eines international bekannten Künstlers, das die Bedeutung des Ereignisses vom 3. März 2009 für die Entwicklung der Stadt auf eindrucksvolle Weise herausstellt.

Wir laden alle Interessierten herzlich ein, am 3. März 2016 um 13:30 Uhr an der Veranstaltung von „Köln kann auch anders“, um 13:58 Uhr an den beiden Schweigeminuten und anschließend am Ort des Geschehens (vor dem Haus Waidmarkt 2, 50676 Köln) an unserer Aktion teilzunehmen:

Sieben Jahre nach dem Einsturz fehlt in der Severinstraße jeglicher offizielle Hinweis auf das Ereignis. ArchivKomplex wird daher am Jahrestag diese Erinnerungslücke schließen und der Stadt ein Geschenk übergeben, das wir gemeinsam mit dem Künstler Mischa Kuball vorbereitet haben.

Mischa Kuball, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln und aktuell Träger des Deutschen Lichtkunstpreises 2016, hat sich mit seinen Studierenden und auch als Künstler intensiv mit dem Einsturz und seinen Folgen auseinandergesetzt. Daraus ist jetzt sein neues, eigens für diesen Ort entwickeltes Kunstprojekt entstanden, das auf überraschende Weise die Aufmerksamkeit auf die Einsturzstelle lenken wird und in Politik und Öffentlichkeit weitere Diskussionen auslösen soll.

Wir haben gemeinsam mit vielen Kölnern und Gästen von außerhalb beobachtet, wie unwirtlich die Situation an der Einsturzstelle und im Georgsviertel ist. Seit das Gedächtnis der Stadt versank, drei Menschen ihr Leben und Dutzende ihre Wohnungen mit vielen unersetzlichen persönlichen Dingen verloren, herrscht hier Ödnis. Rund um die Bauzäune prägen hastig erzeugte Verkehrsprovisorien das Bild – seit sieben Jahren, und noch für viele weitere Jahre, so ist zu befürchten. Oft stehen Menschen ratlos am Bauzaun des Tatorts und suchen nach Antworten auf ihre Fragen. Dennoch fehlt bisher jeder offizielle Hinweis auf die Situation und ihre Geschichte. Ein unhaltbarer Zustand!

Rechtzeitig zum siebten Jahrestag hat der Fotograf und Künstler Reinhard Matz seine bis zum Herbst 2015 am Bauzaun präsentierte Intervention unter dem Titel „Beklagung in acht Tafeln“ in eine neue, der Situation vor Ort angemessene Form gebracht – eine weitere Aktion von ArchivKomplex.

ArchivKomplex ist eine unabhängige Gruppe von Künstlern, Architekten, Autoren und anderen engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Wir wollen durch temporäre Aktionen und Interventionen die Diskussion über den Archiveinsturz vom 3. März 2009 und seine vielfältigen Auswirkungen auf die städtische Gesellschaft und Politik beleben. Es geht uns bei diesen Aktivitäten um ein „Denkmal als Prozess“ – um den gegenwärtigen und künftigen Umgang mit der Einsturzstelle und um das mögliche Potenzial dieses Ortes der Katastrophe.


EINSTURZSTELLE – Mitteilung der Initiative "ArchivKomplex" vom 04.03.2016

Der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln jährt sich 2016 zum siebten Mal. Zu diesem Termin hat ArchivKomplex ein demonstratives Signal gesetzt. Monatelang gab es am Einsturzort keinen offiziellen Hinweis auf die Katastrophe, die hier am 3. März 2009 geschah; erstkurz vor dem siebten Jahrestag montierte die Stadt etwas abseits des Tatorts Informationen. Dem setzt ArchivKomplex eine auffällige Markierung entgegen, die den Ort mit einem Bild der brachliegenden U-Bahnbaustelle kennzeichnet und dem Schriftzug:

Das Schild erinnert in seiner nüchternen Erscheinung an die Informationstafeln, die entlang der deutschen Autobahnen auf lokale Attraktionen hinweisen. Tatsächlich ist die Tafel als „touristische Unterrichtungstafel" entsprechend dem Zeichen 386.3 der Straßenverkehrsordnung StVO gestaltet.

Das wirkt irritierend, hier am Einsturzkrater des Archivgebäudes, und ist als künstlerischeIntervention Teil eines „Denkmals als Prozess“. Schließlich mussten wir lernen, dass kölnische Identität sich nicht nur an positiven Ereignissen und Zeugnissen der Stadtgeschichte ausrichtet.

Das Schild ist ein Werk von Mischa Kuball, Professor an der Kunsthochschule für Medien Köln, der kürzlich mit dem Deutschen Lichtkunstpreis 2016 ausgezeichnet wurde. Er stellt der Vernachlässigung des Ortes diese demonstrative Erklärung entgegen, die an der Einsturzstelle die Bedeutung der Katastrophe betont und einen kritischen wie auch sensiblen Umgang mitdem Trauma des Verlusts mitten in Köln verlangt. Mischa Kuball: „Ich möchte nach sieben Jahren von der Stadt Köln endlich eine klare Antwort auf die Frage, wie sie mit der Wundeim kollektiven Gedächtnis und konkret mit dem Erinnerungsort umgehen will.“

Eine der künstlerischen Strategien Mischa Kuballs ist es, Situationen im öffentlichen Raum auf ungewohnte Weise zu beleuchten und damit neu sichtbar zu machen. Am Archivkrater kehrt er so den von offizieller Seite gerne verschwiegenen Un-Ort in eine Sehenswürdigkeit um. Die neue Markierung will die Menschen zur Diskussion einladen und die Stadt zum Handeln herausfordern.

Die Initiative ArchivKomplex dankt Mischa Kuball und seinem Team für die Kooperation und hat mit dem Künstler vereinbart, die Installation der Stadt Köln zum Geschenk zu machen.

Zugleich hat der Künstler Reinhard Matz seine Intervention von 2012 unter dem Titel „Beklagung in acht Tafeln“ aktualisiert und in eine neue, den Möglichkeiten vor Ort angepasste Form gebracht. Die Tafeln bieten Informationen zur Bedeutung und Geschichte des Archivs, zum Einsturz und seinen Folgen.

Die beiden Installationen versteht ArchivKomplex als Mahnung und Hoffnung zugleich: Die Mahnung, mit dem Ort sorgsam und aufmerksam umzugehen, und die Hoffnung, dass hierein Anziehungspunkt gestaltet werden kann, der nicht nur der Erinnerung an das Desaster und derTrauer über drei Tote gewidmet ist, sondern der sich auch als Kernpunkt einer kreativen Auseinandersetzung mit der Katastrophe entwickeln soll. So gesehen steht die „touristische
Unterrichtungstafel“ hier richtig.

Mischa Kuball, Reinhard Matz und ArchivKomplex begreifen den Verlust auch als Chance.


Beim Gedenken am 03.03.2016 von Stadtdirektor Guido Kahlen gehaltene Rede


Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Angehörige der Toten

A. Wir gedenken an diesem 7. Jahrestag
• der furchtbaren Einstürze des Historischen Archivs und der benachbarten Häuser;
• wir denken insbesondere an Khalil, den damals 23 jährigen Designstudenten und an Kevin, den damals 17. Jährigen Auszubildenden; beide haben bei dem Einsturz ihr Leben verloren.
• Unsere Gedanken sind auch bei der 84jährige Dame, die damals ihre Wohnung verlor – und ein paar Tage nach dem Unglück leider auch ihren Optimismus und ihren Lebensmut.
• unsere Gedanken sind bei Ihnen, den Angehörigen der Toten.
• Wir denken auch an die vielen Menschen, die genau heute vor 7 Jahren ihr Zuhause, ihr Hab und Gut und ihre Nachbarschaft verloren haben. Sie mussten lange Zeit unter diesen Folgen leiden; ich weiß von einigen: zum Teil bis heute.
• Unsere Gedanken sind heute auch bei den Menschen hier im Quartier: Am Waidmarkt, Georgsplatz und in der Severinsstraße.
• Seit 2002 mussten sie zunächst mit den Widrigkeiten einer Baustelle leben;
• vor 7 Jahren mussten sie ihre Wohnungen aus Sicherheitsgründen verlassen und seither mit den zermürbenden und lärmintensiven Arbeiten an der Unglücksstelle auskommen.

Mit uns denken an das Unglück am 03.03.2009 die Stadtgesellschaft, Frau Oberbürgermeisterin Reker, die Mitglieder des Rates und der Bezirksvertretungen, die Verwaltung, die Vorstände und Mitarbeiter der KVB und die viele Menschen, die damals haupt- und ehrenamtlich Tage und Wochen lang im Einsatz waren:

• für die obdachlos gewordenen Menschen,
• bei der tagelangen Suche nach den beiden damals noch Vermissten
• und zur Sicherung der Unglücksbereiche.

Wir denken an die, die es in den Monaten und Jahren danach mit viel Herzblut und Engagement möglich gemacht haben, dass 95% der Archivalien geborgen werden konnten.

Ohne diesen beispielhaften Einsatz dieser Menschen

• wäre das Gedächtnis unserer Stadt unrettbar verloren gewesen,
• wären die betroffenen Menschen aus der Nachbarschaft nicht wieder in einem neuen Leben angekommen,
• wären die Angehörigen der 3 ums Leben gekommenen Menschen in ihrem Schmerz alleine geblieben.

B. Ich bin gebeten, Ihnen den heutigen Stand der Beweissicherung und die Perspektiven in den kommenden Monaten darzustellen.

Im jetzt beginnenden 8. Jahr nach dem Einsturz können wir nach Auffassung von Stadt und KVB und ihren Gutachtern damit rechnen: höchstwahrscheinlich kann die Fehlstelle freigelegt, dokumentiert und bewertet werden – bezogen auf die zentrale Frage - : „War die Fehlstelle ursächlich für den eingetretenen großen Schaden?“

Wir werden dann die Ergebnisse der jahrelangen Vorarbeiten von Gutachtern in 2 Selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Köln verwerten und verwenden können. Auf dieser Grundlage werden sowohl die zivilrechtlichen als auch die strafrechtlichen Konsequenzen gegen die ARGE Los Süd und die Verantwortlichen gezogen werden.

B.1 Die Beweiserkundung durch Taucher und Sachverständige reicht bis mehr als 30 m unter unserem Straßenniveau hier am Waidmarkt. Sie ist unverändert höchst anspruchsvoll und schwierig.

Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gehen unverändert vor Geschwindigkeit. Die vorhandenen Beweise müssen zu 100 % gerichtsfest gesichert werden. Die Beweissituation ist einmalig.

B.2 Wir erwarten in der östlichen Schlitzwand des Gleiswechselbauwerks, im Fugenbereich zwischen den Lamellen 10 und 11, ab etwa 27 m unterhalb unseres Straßenniveaus eine Fehlstelle mit einer Breite von etwa bis zu 60 cm.

Nach dem aktualisierten Zeitplan könnten die Anfänge dieser Fehlstelle im Frühjahr diesen Jahres in diesem Höhenbereich freigelegt werden. Die gesamte Geometrie der Fehlstelle wird allerdings erst mit den fortgesetzten Aushubarbeiten in die Tiefe freigelegt und dokumentiert sein. Möglicherweise im Herbst bis Winter 2016 - abhängig davon, welche Tiefe hierzu erreicht werden muss - möglicherweise 30 m unter Straßenniveau.

Wir sind uns sicher:

Durch diese Fehlstelle sind bei dem Einsturz Erdmassen in Form quartärer Sande und Kiese in das Gleiswechselbauwerk geflossen. Dadurch wurde dem Historischen Archiv im wahrsten Sinne des Wortes „der Boden unter den Fundamenten entzogen“.

Was ist damals passiert?

Auf Grund der hohen Wasserspiegeldifferenz zwischen dem abgesenkten Grundwasser im Gleiswechselbauwerk und dem hinter der Schlitzwand anstehenden natürlichen Grundwasserspiegel konnte durch diese Fehlstelle Wasser und Boden sehr rasch einströmen. Man spricht von einer „Fluid-Granulat-Strömung“. In der verlieren die Sand- und Kieskörner den gegenseitigen Kontakt, ihre Reibung; sie werden mit dem Wasser transportiert.

Untersuchungen sprechen für folgende Annahme: Die Größe der Fehlstelle reichte aus, dass infolge der großen Strömungsgeschwindigkeit rund 5.000 m³ Erdmassen in kurzer Zeit - etwa 10 Minuten - in das Gleiswechselbauwerk einströmen konnten.

KVB und Stadt Köln rechnen damit: Im Rahmen des Beweissicherungsverfahrens kann noch in diesem Jahr 2016 die uns alle bewegende, zentrale Frage positiv beantwortet werden:

Ist die Fehlstelle in der östlichen Schlitzwand ursächlich gewesen für den Einsturz?

Dann würde ein gerichtsfester Beweis für den von der ARGE Los Süd verursachten Mangel vorliegen. Dann würde feststehen: Dieser Ausführungsmangel war ursächlich für den Einsturz des Stadtarchivs, den unmittelbaren Tod von 2 Menschen und die anschließenden Nöte der obdachlos gewordenen Anwohner.

B.3 Stadt Köln und Staatsanwaltschaft werden nach Feststellung und Sicherung dieses Beweises unverzüglich handeln. Die Stadt Köln wird - den entsprechenden Beweis unterstellt - die ARGE haftbar machen.

Wenn die ARGE Los Süd weder die eigene Haftung noch die ihrer Versicherung außergerichtlich anerkennt, wird die Stadt unverzüglich eine Haftungsklage gegen die ARGE einreichen.

Unabhängig davon wird die Staatsanwaltschaft - unverzüglich nach der Sicherung und Feststellung der Beweise - Anklage gegen die verantwortlichen Personen erheben können.

Wenn die Fehlstelle in der Schlitzwand festgestellt und ihre Ursächlichkeit für den Einsturz bestätigt wird, wird die ARGE Los Süd von der Stadt Köln und der Staatsanwaltschaft also zivilrechtlich und strafrechtlich in vollem Umfang in die Haftung genommen.

B.4 In diesem Sommer kann nach meiner Einschätzung der vom Gericht bestellte 2. Sachverständige in dem Selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Köln seine Untersuchungen zur Höhe der Schäden der Archivalien vorläufig abschließen. Wir sind dann in der Lage, gerichtsfest die Höhe der Schäden an den Archivalien zu beziffern und diesen Schaden bei den verantwortlichen Verursachern geltend zu machen.

B.5 Unabhängig davon wird der Sachverständige Prof. Kempfert seine Beweiserkundung in der Besichtigungsbaugrube fortsetzen. Die Frage nach eine monokausalen Ursache oder nach multikausalen Ursachen und der immense einsturzbedingte

Schaden zwingen dazu, ungeachtet der Beweislast eine denkbare weitere Schadensursache auszuschließen. Dazu wird der Sachverständige eine Braunkohleschicht in knapp 34 m unter Straßenniveau untersuchen. Er wird feststellen, ob diese unversehrt ist.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat dazu in großer Anzahl Bohrungen und Sondierungen in geringen Abständen vorgenommen. Derzeit sprechen alle Feststellungen dafür, dass die Braunkohle ungestört und unversehrt ist. Es gibt bisher keine Hinweise, dass bei dem Unglück am 03.03.2009 das Bodenmaterial seinen Weg durch die Braunkohle und um den Fuß der Schlitzwand herum in das Gleiswechselbauwerk genommen hat.

Nach den bisherigen Erkenntnissen scheidet aller Wahrscheinlichkeit nach eine andere Ursache als die Fehlstelle in der Schlitzwand für den Einsturz des Archivs und den Tod von Khalil und Kevin aus. Um für eine juristische Auseinandersetzung vorbereitet zu sein, soll der Sachverständige Prof. Kempfert diesen „Negativbeweis“: - „weitere Ursachen sind ausgeschlossen“ - noch erheben.

B.6 Ein Ausschluss der Haftung der ARGE Los Süd, sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich, dürfte auszuschließen sein. Denn der ARGE waren durch die Erstellung der Schlitzwand und durch die diversen durchgeführten Arbeiten die Bodenverhältnisse bestens bekannt – auch die Durchlässigkeit des Tertiärs und die Braunkohleschicht -. Zudem sind weitere gravierende Pflichtverletzungen der ARGE dokumentiert: So der nicht bemerkte Austrag von Sandpartikel bei der Wasserhaltung, der sogar zu einer Sandbank im Rheinau-Hafen geführt hat, und die große Zahl nicht genehmigter Brunnen.

C. Die Stadtgesellschaft, die KBV und die Stadt haben unverändert die Aufgabe, dieses Unglück und seine furchtbaren Folgen aufzuarbeiten und zu verarbeiten. Dazu können die Arbeitsschritte in diesem heute beginnenden 8. Jahr nach dem Einsturz einen wichtigen Beitrag leisten. Wir ziehen Konsequenzen!

Das Unglück hat uns die Verletzbarkeit von Menschen und Infrastruktur in unserer Stadt drastisch vor Augen geführt. Wir müssen intensiver Risiken analysieren, transparent machen und vorbeugend verringern, also Risiken beherrschbar machen. Die Stadt Köln hat sich verändert; sie hat in ihrem Verantwortungsbereich notwendige Konsequenzen aus diesem furchtbaren Geschehen gezogen.

Deshalb ist der heutige 7. Gedenktag für uns eine fortwährende Mahnung für ein „Mehr Nachdenken“ und ein „Mehr Vordenken“. Damit sich solch eine Katastrophe nie wiederholt.


Beim Gedenken am 03.03.2016 von Frank Deja, Sprecher von „Köln kann auch anders“, gehaltene Rede (Freie Rede, nach Stichwortzettel aus dem Gedächtnis rekonstruiert)

Vielen Dank Herr Stadtdirektor Kahlen für die Erläuterungen zu den zivil- und strafrechtlichen Ermittlungen am Unglücksort. Ausdrücklich danken möchten wir auch den anderen Damen und Herren aus Rat und Verwaltung, die heute an dieser Veranstaltung teilnehmen.

Die Schuldfrage im juristischen Sinne haben Staatsanwaltschaft und Gerichte zu klären. Uns interessiert darüber hinaus die Frage der Verantwortung bzw. des Mangels an Verantwortung.

Unsere Initiative hat sich nach dem Einsturz des Stadtarchivs unter dem Titel „Köln kann auch anders“ gegründet. Und was Köln anders können soll, zeigt sich aus unserer Sicht an den schwerwiegenden Missständen in der Organisation der Stadt, die nach der Katastrophe offenkundig wurden:

* da war die technische Vorstandsverantwortung der Bauherrin KVB, die fatalerweise für die Bauaufsicht gleich mit zuständig war, einem Mann übertragen worden, der von Technik keine Ahnung hatte, sondern für den man einen Versorgungsposten brauchte.

* da war das Silodenken in den zuständigen Ämtern und ein eklatanter Mangel an Koordination und Abstimmung. So wurde der Einsatz von über 20 statt der genehmigten 4 Brunnen zum Abpumpen des eindringenden Wassers nur als wasser- und umweltrechtliches Problem betrachtet und niemand hat gefragt, was denn passiert, wenn man unter dem mit Abstand schwersten Gebäude entlang der Trasse das Wasser wegpumpt und mit dem Wasser den Boden. Hinzu kommt, dass dieses Schatzhaus der Kölner Geschichte nicht auf der Liste der besonders gefährdeten Gebäude an der U-Bahn-Linie stand.

* und am schwersten wiegt der verantwortungslose Umgang mit den Warnsignalen, die immer unüberhörbarer wurden: angefangen beim „schiefen Turm“ von St. Johann Baptist über die zunehmende Neigung des Gebäudes, die die Rollwagen bereits ohne menschliches Zutun durch die Flure rollen ließ bis zu den armdicken Rissen im Keller des Stadtarchivs. Die Eigentümerin des Gebäudes, die Gebäudewirtschaft, hat sich mit einem oberflächlichen Gutachten begnügt, das die Statik des Gebäudes in sich nicht gefährdet sah aber den Hinweis ignoriert, dass durch ein Bodengutachten zu klären sei, warum das Gebäude sich überhaupt neigt. Die baurechtlich vorgeschriebenen Messungen der Gebäudeneigung während der Bauarbeiten wurden übrigens gar nicht erst vorgenommen, und als ein verantwortungsbewusster Mitarbeiter dies kurz vor dem Einsturz auf eigene Veranlassung tat und alarmierend auffällige Bewegungen des Gebäudes feststellte, hat dies immer noch keinen Alarm ausgelöst!

Wäre eine übergeordnete verantwortungsbewusste Bauleitung installiert gewesen, die über all diese Informationen verfügt und eins und eins zusammengezählt hätte, wäre zu diesem Zeitpunkt der Einsturz vielleicht schon nicht mehr zu verhindern gewesen, aber man hätte das Archiv und die umliegenden Häuser rechtzeitig evakuieren und räumen können.

Hier zeigte sich exemplarisch das, was wir als „Kölner Grundübel“ erkannt zu haben glauben: Zuständigkeiten sind möglichst breit verteilt, am besten noch auf sich gegenseitig abschottende Ämter, aber niemand ist letztendlich verantwortlich, und wenn eine große Katastrophe oder ein kleines Debakel eintritt, schauen alle ratlos in die Runde. Kein Wunder, dass die „organisierte Verantwortungslosigkeit“ für Köln sprichwörtlich geworden ist.

Das zu ändern, und für diese Änderung das Engagement und den Sachverstand der Bürgerinnen und Bürger zu mobilisieren, denen unsere Stadt am Herzen liegt, dafür sind wir angetreten.

Dass dies möglich ist, zeigt die breite Bürgerbewegung gegen den Abriss und städtebaulich fragwürdigen Neubau des Schauspielhauses, für den Erhalt des Bühnenensembles, der sich die große Mehrheit des Rates schließlich angeschlossen hat. Aufgrund des bürgerschaftlichen Engagements war es möglich, fraktions- und ämterübergreifend miteinander nach einer Lösung zu suchen, die, davon sind wir nach wie vor überzeugt, gut für unsere Stadt ist.

Dass die Baustelle selber dann zum Debakel wurde, zeigt leider, dass das Kölner Grundübel nicht überwunden wurde und unverändert schlimme Folgen für uns alle hat.

Wieso wurde erst kurz vor der geplanten Eröffnung offenkundig, dass auf der Baustelle scheinbar jeder macht, was er will und wieso gab es auf der Pressekonferenz nur ratlose Blicke, als nach der Verantwortung gefragt wurde? Wieso wurde die zentrale Bauaufgabe der Haustechnik einer Firma übertragen, die für ihr kriminelles Geschäftsmodell berüchtigt ist und gegen die vier Staatsanwaltschaften ermitteln?

Wieso hat erst der neue Projektsteuerer diese und weitere Steuerungsmängel aufgedeckt und festgestellt, dass auch bei der neuen Fassade Pfusch am Bau geleistet wurde? Was hat eigentlich der alte Projektsteuerer gemacht, wofür hat er sein Geld kassiert und wie viel überhaupt? Und aufgrund welcher Erkenntnisse wurde er gefeuert? Über all dies werden die Bürger im Dunkeln gelassen.

Und apropos Kosten: einige meinten, auf die Kostenexplosion am Offenbachplatz mit dem Hinweis reagieren zu müssen, jetzt sähen die Bürger ja, was sie von ihrem Engagement hätten. Dabei hat die aktuelle Problematik nichts mit der Frage Sanierung oder Neubau zu tun, und die jetzige zusätzliche Last wäre andernfalls auf die von vornherein um fast hundert Millionen Euro höheren geplanten Kosten aufgesattelt worden.

Im Zentrum der Fragen zur Verantwortung für die Baustelle steht übrigens wieder einmal die Gebäudewirtschaft, also jene eigenbetriebsähnliche Einrichtung der Stadt Köln, die auch für den maroden Zustand der Schulen verantwortlich ist. Die Gebäudewirtschaft trug auch die Verantwortung für den Bau des neuen Rautenstrauch-Joest-Museums, dass schon vor der Eröffnung nach jahrelanger Bauverzögerung ein teurer Sanierungsfall war. Und sie ist mit dem Bau des jüngsten Schildbürgerstreichs befasst: das Projekt eines Hubschrauberlandeplatzes auf einer Müllkippe, dem Kalkberg. Wer auf Müll baut sollte sich nicht wundern, dass die Fundamente sacken und bersten, bevor die Gebäude fertig sind. Gleichwohl wird unverdrossen weitergebaut, mit teuren Konsequenzen für uns.

Frau Reker hat nach der Kölner Silvesternacht erklärt, sie habe das Gefühl, Leute würden glauben, sie könnten nach Köln kommen und sich hier so schlecht benehmen wie sie wollen. Wir fragen uns, was die Verwahrlosung und Vermüllung des öffentlichen Raums dazu beiträgt, dass Leute meinen, sie könnten hier buchstäblich die Sau rauslassen. Und wir fragen uns: gilt das nur für kleinkriminelle Banden aus dem Maghreb oder auch für Baufirmen, die wittern, dass sie sich in Köln benehmen können wie sie wollen und ungestraft auf Kosten der Allgemeinheit die Taschen vollmachen?

Sie sehen, meine Damen und Herren, der Einsturz des Stadtarchivs, an den wir heute erinnern, war die schmerzhafteste aber bei weitem nicht einzige Folge der „organisierten Verantwortungslosigkeit“, deren schlimmsten und teuersten Folgen wir auf der langen Banderole hinter mir dokumentiert sehen.

Nun ist die neue Oberbürgermeisterin Frau Reker mit dem ausdrücklichen Ziel angetreten, eine neue Verantwortungskultur und einen neuen Politikstil in Köln zu etablieren, klare Verantwortungsstrukturen zu schaffen und für funktionierende Koordinierung zu sorgen. Vielleicht ist die Ernennung des dem Sanierungsprojekt stets wohl gesonnenen ehemaligen Baudezernenten Bernd Streitberger zum technischen Betriebsleiter der Kölner Bühnen ja ein hoffnungsvolles Zeichen in diese Richtung.

Dazu sollte auch gehören, das „Schwarze-Peter-Spiel“ zu beenden. Rats- und Ausschussmitglieder beklagen – wahrscheinlich zu Recht –, dass die Verwaltung ihnen gegenüber die Verantwortung für das Baustellendebakel am Offenbachplatz verschleiert habe. Andererseits ist es die Politik, die die Rahmenbedingungen für die Verwaltung definiert und eine Situation geschaffen hat, in der diese völlig überlastet ist – der hohe Krankenstand spricht Bände – und an entscheidenden Stellen die Fachkompetenz weggespart wurde, die nötig wäre, um den Baufirmen, die sich an Köln bereichern wollen, wirksam auf die Finger zu schauen.

Daher richten wir einen dringenden Appell an Frau Reker und an die hier anwesenden Mitglieder von Rat und Verwaltung: beenden Sie das für die Bürger fruchtlose Schwarze-Peter-Spiel, machen Sie ernst mit dem Anliegen, eine neue Verantwortungskultur zu etablieren und die organisierte Verantwortungslosigkeit zu beenden. Und machen Sie die engagierten Bürgerinnen und Bürger dabei zu Ihren Verbündeten!

Online-Flyer Nr. 552  vom 09.03.2016



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