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Wirtschaft und Umwelt
Fachgespräch „Gutes öffentliches Bauen“ im Deutschen Bundestag
Wege zu einer besseren Baukultur
Unternehmer und Publizist Jürgen Lauber - interviewt von Ulrike von Wiesenau

Anlässlich des Fachgesprächs „Gutes öffentliches Bauen“ am 9. November 2016 im Deutschen Bundestag veröffentlichen wir ein Interview, das GiB-Kultur-Referentin Ulrike von Wiesenau mit dem Unternehmer und Publizisten Jürgen Lauber geführt hat. Als Bauexperte hat er immer wieder auf die Merkmale ineffizienten, überteuerten Bauens aufmerksam gemacht und Wege zu einer besseren Baukultur aufgezeigt, u.a. bei seinem Vortrag im Mai letzten Jahres im Deutschen Bundestag, in diversen Fernsehbeiträgen und in seinen Büchern zum Bauwesen.

Ulrike von Wiesenau: Wir freuen uns sehr, dass wir Sie wieder für ein Interview gewinnen konnten. Das Bauwesen im Allgemeinen, insbesondere aber das öffentliche Bauen, steht häufig in der Kritik. Die private Wirtschaft und das Modell PPP (so genannte Öffentlich-private Partnerschaften) werden oft als effizienter dargestellt, gerade auch in Zusammenhang mit dem aktuell ehrgeizigsten Bau-Projekt der Hauptstadt, dem Museum der Moderne. Doch ist das zutreffend? Fangen wir an mit der Frage, wie es mit der Bau-Kompetenz in Deutschland generell aussieht. Haben wir da ein Problem?

Jürgen Lauber: Ganz und gar nicht. Deutschland hat eine exzellente Bautechnik und weltweit hoch geschätzte Bauleute. Die deutschen technischen Regelwerke erlauben perfektes Bauen. Wir könnten uns als Bauweltmeister profilieren, statt international Spott und Häme für die grossen schiefen Bauprojekte zu ernten.

Was braucht es also für gutes Bauen, wessen bedarf es um eine neue Baukultur zu realisieren?

Bauen ist ein Wertschöpfungsprozess bei dem ein Unikat entsteht. Das gesamte Bauprojekt kann als ein Bau-Unternehmen auf Zeit gesehen werden. Dabei müssen viele fremde Menschen und eigenständige Firmen eng zusammen arbeiten, um Erfolg zu haben. Für diesen Erfolg ist bei normalen Unternehmen die Unternehmenskultur entscheidend. Beim Bauvorhaben ist es die Baukultur.

Wer ist für diese Baukultur verantwortlich?

Bei Unternehmen ist der Chef für die Kultur im Unternehmen verantwortlich. Er muss aus den verschiedenen Faktoren, welche die Arbeit der Mitarbeiter beeinflussen, so gestalten, dass Effizienz, Qualität und Zuverlässigkeit gewährleistet werden. Beim Bauen ist der Bauherr der Chef. Wenn es in einem Unternehmen ernsthaft und dauernd klemmt, sind nicht die Mitarbeiter das Problem sondern die Chefetage. Gemäß dem Sprichwort – der Fisch der stinkt vom Kopfe her.

Ist es schwierig, eine gute Baukultur umzusetzen?

Eigentlich nicht. Das ist wie bei jeder Arbeit. Die Mitarbeiter müssen nur wissen was sie machen sollen. Das heißt: das Ziel muss bekannt sein und sich nicht ständig ändern. Die Menschen die für Sie arbeiten, sollten nicht systematisch überfordert bzw. überlastet werden. Wenn Sie dann noch einen Lohn zahlen, von dem die Arbeiter leben können werden Sie viel mehr Gebäudewert für ihr Geld geschaffen bekommen. Oft reicht es einfach schon, die Bauleute nicht zu verängstigen und zu demotivieren, um ein erfolgreicher Bauherr zu sein.

Sie unterstellen also, dass diese grundlegenden, eigentlich selbstverständlichen Voraussetzungen für gutes Arbeiten bei öffentlichen Bauvorhaben aktuell nicht gegeben sind. Gibt es da ein Indiz dafür?

Schauen Sie die Bezahlung von Baurechnungen an. Es gibt keinen schlimmeren Zahler als die öffentliche Hand. Die Zahlungsfristen für unstrittige Rechnungen werden völlig unvorhersehbar mitunter um Monate überzogen. Das treibt auch gut arbeitende Bauunternehmer in den Ruin. Der Staat zahlt im Mittel seine Bauauftragnehmer mit mehr Verzug gegen die vertraglich vereinbarten Fristen als die privaten und gewerblichen Bauherren. Da diese ihr eigenes Geld einsetzen bzw. Gewinne erwirtschaften müssen, ist pünktlicher wohl die vorteilhaftere Lösung. Und ausgerechnet ein Staat, der in Geld schwimmt, zahlt nicht. Nur gegenüber Großkonzernen mit vielen Anwälten und großer Kriegskasse ist er beim Zahlen eifrig. Das sieht man beim Straßenmautkonsortium Toll-Collect. Die ziehen Deutschland regelrecht über den Tisch. Das nennt man dann "Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP)". Da schlägt das Pendel dann auf die andere Seite. Das zeigt Sanierungsbedarf auch in der Staatskultur.

Was hat Staatskultur mit Baukultur zu tun?

In keinem Land, das ich zur Recherche bereiste greift der Staat stärker und umfassender in das Bauen ein. Alles versucht der Staat beim Bauen zu regeln und zu bestimmen. Wenn also die daraus entstehende Baukultur schlecht ist, zeigt das Korrekturbedarf in der zugrunde liegenden Staatskultur. Die Effizienz und Qualität staatlichen Handelns wird beim Bauen einfach nur besonders gut sichtbar. Die großen Bauprojekte, die schief laufen, sind Hinweise für akuten Handlungsbedarf, die Regelungen und Vorschriften in Deutschland mehr am Allgemeinwohl und weniger an Partikularinteressen auszurichten. Es muss bei öffentlichen Bauprojekten und Bauwerken für komplette Transparenz der Informationen gesorgt werden. Das heißt, alle Kosten für Bau und Betrieb müssen öffentlich gemacht werden. Damit würden sich Regelkreise schließen, die zu sinnvollem öffentlichen Bauen, auch ohne ÖPP, führen. Damit wird der Missbrauch von Bauprojekten zur Bereicherung am Gemeinwohl nicht mehr möglich. Dann wird es auch keine weiteren finanziellen Baudesaster wie die Elbphilharmonie, Stuttgart 21 und BER geben. Dafür engagiere mich.

Herr Lauber, ich danke Ihnen für dieses sehr aufschlussreiche Gespräch.

Online-Flyer Nr. 588  vom 16.11.2016



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