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Inland
Karl-Rahner-Tribunal richtet über Walter Herrmann
Der Rufmord wird fortgesetzt
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Am 15. November 2016 hat die Karl-Rahner-Akademie eine Veranstaltung mit dem Titel "Der Erinnerung wert? Walter Herrmann, die Klagemauer, der Antisemitismus und die Aufgabe historischer Archive" durchgeführt, moderiert von einem Redakteur des Kölner Stadt-Anzeiger. Bereits der Titel führt in eine Richtung, in die israelische Rassisten die Debatte zu steuern versuchen – in Richtung der verunglimpfenden Behauptung, Walter Herrmann sei ein Antisemit. Demgemäß saß auf dem Podium der Veranstaltung (fast) niemand, der ihn vom abwegigen Vorwurf des Antisemitismus hätte frei sprechen können. Und die Karl-Rahner-Akademie hatte es trotz mehrfacher Anfragen abgelehnt, jemanden vom Förderkreis Kölner Klagemauer für Frieden e.V. oder eine kritische Jüdin wie Evelyn Hecht-Galinski ins Podium aufzunehmen. So konnte der Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger den Ball aufnehmen und seinen Ruf mordenden Kommentar "Das vergiftete Erbe von Walter Herrmann" verfassen und den Friedenspreisträger, der jahrelang gegen den israelischen Rassismus und dessen Propagandamaschinerie gekämpft hat, einen "verblendeten Antisemiten" nennen.


Walter Herrmann, Initiator der Kölner Klagemauer für Frieden, Völkerverständigung und Menschenrecht (Foto: arbeiterfotografie.com)

Walter Herrmanns Klagemauer "in die Tonne"?

Am 24.10.2016 verbreitete die Karl-Rahner-Akademie per eMail einen Hinweis, in dem in verschärfter Form die Frage gestellt wird, ob die Klagemauer "in die Tonne" gehört: "Wir haben die Diskussion über den rechten Umgang mit dem Nachlass von Walter Herrmann (der sogenannten 'Klagemauer', ist sie der Erinnerung wert, gehört sie deshalb ins Historische Archiv der Stadt, oder sollte sie besser aufgrund des unterstellten bzw. tatsächlichen Antisemitismus 'in die Tonne'?) verschoben. Der 12. Oktober fiel in diesem Jahr auf Jom Kippur, einen der höchsten jüdischen Feiertage. Damit haben wir uns dem Vorwurf ausgesetzt, Juden von der Debatte auszuschließen, ja, schlimmer noch, selbst Antisemiten zu sein. So absurd der Vorwurf auch ist, die Terminwahl war unglücklich. Deshalb setzen wir die Veranstaltung neu an und diskutieren die Fragen am 15. November..." Ein Empfänger der eMail reagiert verärgert: "Unsäglich ihre Hetze und Unterstellung gegen Walter Herrmann! Allein der Ton macht mich betroffen! Ich protestiere aufs Schärfste!"

Auf dem Podium saßen am 15. November 2016 der GRÜNE, der zionistischen Israel-Lobby verbundene Volker Beck, der Historiker und Publizist Martin Stankowski, Pfarrer Franz Meurer, der ehemalige Polizeidirektor Udo Behrendes, der Direktor des Kölnischen Stadtmuseums Mario Kramp, die Archivarin am Historischen Archiv Gisela Fleckenstein, der stellvertretende Vorsitzende der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Miguel Freund und als Moderator der Chefkorrespondent des Kölner Stadt-Anzeiger Joachim Frank.

Am 27.07.2016 hatte die NRhZ – nachdem bereits kurz nach Walter Herrmanns Tod die öffentlich vorgetragenen, diffamierenden Vorwürfe nicht aufhörten – die Frage gestellt: Kann ein Toter ermordet werden? Nach der Veranstaltung der Karl-Rahner-Akademie am 15.11.2016 lässt sich die Frage nur mit einem eindeutigen JA beantworten. Was von Walter Herrmann noch lebendig ist – seine Vorstellung, dass es die staatsbürgerliche Pflicht eines Menschen ist, sich im Sinne von Abbé Pierre für die Schwachen und Bedrängten einzusetzen – soll weiterhin zerstört werden. Für ein Volk, das von einer einzigartig brutalen Besatzungsmacht in äußerste Bedrängnis gebracht ist, soll es niemanden geben, der sich für die Bedrängten einsetzt.

Walter Herrmann: Ehrenbürger von Palästina

Die Palästinenserin Faten Mukarker hatte Walter Herrmann bei der Trauerfeier in Köln einen "Ehrenbürger von Palästina" genannt. Und sie war es auch, die entscheidenden Anteil daran hatte, dass über Jahre Palästina ein bedeutendes Thema der "Kölner Klagemauer für Frieden, Völkerverständigung und Menschenrecht" geworden ist. "Ich will mit Dir gemeinsam an den Frieden glauben, denn Hoffnung braucht der Mensch nicht nur zum Leben sondern zum Überleben. Danke Walter für Deinen Mut und Deine Ausdauer. Du bist ein Ehrenbürger von Palästina. Salam...", hatte Faten Mukarker formuliert. Dieses einzigartige Engagement gegen eine übermächtig erscheinende Kraft des Todes und der Unterdrückung soll kaputt gemacht werden.

Der Kölner Stadt-Anzeiger lässt in seinem "Bericht" über die Veranstaltung die Podiumsdiskutanten mit folgenden Äußerungen zu Wort kommen: "Am Ende war [Walter Herrmann] nur noch Querulant und oft stillos... Hätte er die Klagemauer vor meiner Kirche aufgestellt, hätte ich ihn sofort vertrieben. Ich habe mich von seiner anti-israelischen Haltung distanziert... Wenn man schon einen Teil der Tafeln aufheben will, dann zwingend auch die problematischen, antisemitischen Parolen. Auch das Foto, auf dem ein Mann mit Davidstern zu sehen ist, der ein palästinensisches Kind isst. Man darf Walter Herrmann nicht im Nachhinein schönfärben... Die Tafeln [der Klagemauer] waren nicht nur ein Stachel im Fleisch der jüdischen Gemeinschaft in Köln, sondern in Deutschland und ganz Europa."

Und Peter Pauls, Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeiger, schreibt in seinem vergifteten, Ruf mordenden Kommentar: „Herrmann hat ein vergiftetes Erbe hinterlassen. Dass Historiker Teile der Tafeln bewahren wollen, ist stimmig und bedeutet keine Billigung antisemitischer Ausfälle. .. Die Ausfälle in der Diskussion verschärfen die Ausgangsfrage, ob Herrmanns Relikt der Erinnerung wert ist – und sei es nur im Dunkel eines Archivs. Doch spätestens jetzt ist klar: Teile der Klagemauer gehören tatsächlich dorthin. Schon um zu belegen, dass Herrmann am Ende seiner Tage kein Vorkämpfer zivilen Bürgerprotests mehr war, sondern ein verblendeter Antisemit.“

Walter Herrmanns Klagemauer "vom Versammlungsrecht geschützt"

Der "Bericht" im Kölner Stadt-Anzeiger macht zudem deutlich, wie alles zusammenspielt. Uli Kreikebaum zaubert in seinem Text ein Bild, auf dem Walter Herrmann zusammen mit der Ex-Pegida-Frau Kathrin Oertel zu sehen ist, wie einen Joker aus dem Hut. Es hat ganz den Anschein, dass die Situation mit dem Foto eine Art Falle war, in die Walter Herrmann gelaufen ist. Sehr wahrscheinlich war ihm nicht klar, wer neben ihm stand. Und jetzt schien für den Kölner Stadt-Anzeiger der Zeitpunkt gekommen, die Falle zuschnappen zu lassen.

Der Kölner Stadt-Anzeiger ist Teil der DuMont-Mediengruppe. Er steht in der bekannten Tradition der freiwilligen Selbstkontrolle, in der Tradition, sich den herrschenden Machtverhältnissen anzupassen und sich dabei auf die Seite von Kriegsverbrechern zu stellen. Am 1. Mai 1937 trat Kurt Neven DuMont als Parteigenosse Nr. 5619443 in die NSDAP ein, am 18. August 1944 wurde er mit dem Kriegsverdienstkreuz erster Klasse mit Schwertern ausgezeichnet. In den letzten Kriegstagen, am 5. April 1945, richtet sich das DuMont-Blatt "Kölnische Zeitung" unter dem Titel "Die Einwohner der alten Domstadt denken nicht daran, ihre deutsche Gesinnung zu verleugnen", gegen die "anglo-amerikanische Bluff-Propaganda", es komme "gerade jetzt darauf an, das äußerste an Entschlossenheit und Energie aufzubieten..."

Immerhin kommt im Kölner Stadt-Anzeiger der ehemalige Polizeidirektor und Leiter der Polizeiinspektion Köln-Innenstadt, Udo Behrendes, zu Wort: „Demokratie besteht aus Kompromissen. Der Rechtsstaat musste Walter Herrmann aushalten, und das war gut so. Seine Aktion war vom Versammlungsrecht geschützt, es ist gut, dass das in Deutschland möglich ist.“


Trauer um Walter Herrmann in der Kapelle des Kölner Südfriedhofs, 14. Juli 2016

Walter Herrmann: jeden Tag Stellung bezogen

Bei der Trauerfeier für Walter Herrmann hatte Udo Behrendes wie folgt gesprochen: "Ich hab im Jahr 2002 die Leitung der Polizeiinspektion Köln-Mitte, also Innenstadt übernommen... Stephan N. war von sechs Polizisten auf der damaligen Polizeiwache Eigelstein misshandelt worden und in Folge dieser Misshandlungen verstorben. Das war der Grund, warum ich diese Dienststelle übernommen habe. Über den Tod von Stefan N., den Walter Herrmann an seiner Klagemauer auch zum Thema gemacht hat, sind wir ins Gespräch gekommen. Wir haben einen Weg gefunden, dass die Klagemauer von dort an ohne große Schwierigkeiten mit der Polizei, mit den Gerichten, mit Ordnungsbehörden existieren konnte. Walter Herrmann war zwar standfest, er hat ja im wahrsten Sinne des Wortes jeden Tag Stellung bezogen, für das, was ihm wichtig war, aber er war nicht kompromisslos. Wir haben im Gespräch einen gemeinsamen Weg gefunden. 1985 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten Brokdorf-Beschluss die Kernelemente der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit beschrieben. Darin der Satz: die Demonstrationsfreiheit ist ein Kernelement unserer Demokratie. Sie ist die Pressefreiheit des kleinen Mannes. Dieser kleine Mann hat für mich immer das Gesicht von Walter Herrmann."


Siehe auch:

Anteilnahme am Tod von Walter Herrmann
Du bist ein Ehrenbürger von Palästina
NRhZ 572 vom 27.07.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22984

Die Kampagne gegen Walter Herrmann und die Kölner Klagemauer geht weiter
Einen Toten ermorden?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 572 vom 27.07.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22983

Uneigennütziger Einsatz für (sozialen) Frieden und Völkerverständigung
Alternativer Nobelpreis für Walter Herrmann
Presseerklärung und Gegendarstellung des Förderkreises Kölner Klagemauer
NRhZ 574 vom 10.08.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23038

Fotogalerie
71 Jahre nach Hiroshima, 41 Tage nach Walter Herrmanns Tod
Aufleben der Klagemauer gegen Massenmord
NRhZ 574 vom 10.08.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23021

44. Folge der
Dokumentation eines Projekts für Frieden, Völkerverständigung und Menschenrecht
Die Kölner Klagemauer muss leben (44)
NRhZ 589 vom 23.11.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23305

Online-Flyer Nr. 589  vom 23.11.2016



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