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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Die "junge Welt" sorgt für Klarheit
Marxismus und die Solidarität
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Endlich herrscht Klarheit. Jetzt wissen wir, was das Etikett "marxistisch" bedeutet. Und wir wissen, was es heißt, solidarisch zu sein. Es war der letzte Tag im Jahr 2016, an dem dies offenbar wurde. Der eine oder die andere hatte es vielleicht schon vorher geahnt. Am 31. Dezember 2016 ist in der "marxistischen" Tageszeitung "junge Welt" auf Seite 1 zu lesen: „Aufgrund von Vorwürfen, Russland sei für Hackerangriffe im US-Wahlkampf verantwortlich, hat Präsident Barack Obama Strafmaßnahmen gegen Moskau angeordnet. Unter anderem müssten 35 russische Geheimdienstler innerhalb von 72 Stunden die USA verlassen, erklärte Obama am Donnerstag (Ortszeit).“ Was ist an dieser Textpassage so aufschlussreich?


„junge Welt“, 31.12.2016, Seite 1 (Unterstreichung: NRhZ)

Ja, das ist die Frage. Was wird mit dieser Textpassage klar? Der Antwort kommen wir näher, wenn wir uns einen Artikel ansehen, den der SPIEGEL zwei Tage zuvor, am 29. Dezember 2016, verbreitet hat und der überschrieben ist mit "USA weisen 35 russische Diplomaten aus" – oder einen Artikel von t-online mit dem Titel "Obama weist russische Diplomaten aus" – oder einen Artikel des Berliner "Tagesspiegel", in dem es heißt: "35 Diplomaten werden ausgewiesen". Doch eine "marxistische" Zeitung ist "besser" informiert. Sie "weiß", dass es russische "Geheimdienstler" waren, die aus den USA ausgewiesen worden sind. Damit versetzt die "junge Welt" den Ausgewiesenen noch einen zusätzlichen Tritt. Denn es ist klar: Geheimdienstler haben in einem fremden Land nichts zu suchen. Das nennt sich Solidarität. Es ist Solidarität mit dem Aggressor, mit den Kräften des US-Imperiums, die in Richtung Krieg gegen Russland treiben. Es ist die Solidarität mit einem Mann, dem es offenbar darum geht, in den letzten Wochen seiner Präsidentschaft seinem Nachfolger verbrannte Erde zu hinterlassen.

Sogar das Schlachtschiff des transatlantischen Springer-Konzerns, DIE WELT, dessen Journalisten vertraglich verpflichtet sind, im Interesse "Amerikas" zu schreiben, geht nicht so weit wie die "junge Welt". Hier ist ein Artikel mit der Überschrift "USA weisen 35 russische Diplomaten und Agenten aus" zu lesen. Was ist das für ein Manöver? Will die "junge Welt" sich dem Imperium andienen, indem sie den SPIEGEL und die WELT rechts überholt? Sollten die transatlantischen Netzwerke des internationalen Finanzkapitals jetzt schon in "marxistische" Kreise vorgedrungen sein – so wie sie es bereits in Organisationen der "Linken" und der Friedensbewegung geschafft haben – wenn sie beispielsweise gegen Trump mobilisieren, bevor der als kommender US-Präsident zeigen kann, ob er seine Versprechungen, mehr dem Volk als dem Establishment zu dienen und mehr auf Verständigung als auf Regime-Change und Krieg zu setzen, ernst meint? Ist es jetzt wirklich soweit, dass "Marxismus" die Solidarität mit den Imperialisten propagiert – und nicht mehr mit denen, die von den Imperialisten angegriffen werden? Das wollen wir nicht glauben!

Online-Flyer Nr. 595  vom 11.01.2017



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