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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Inland
Offener Brief an den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
J’accuse...!
Von Rudolf Hänsel

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier, erlauben Sie mir, dass ich mich mit der Bitte um Unterstützung an Sie wende in einer Angelegenheit, die das Wohl unserer Jugend und damit unser aller Zukunft betrifft. Die Gewalt in unserem Land nimmt epidemische Ausmaße an. Es vergeht kein Tag, an dem die Medien nicht über Gewalttaten an Schulen berichten. Schwere körperliche Übergriffe, Messer und andere Waffen spielen dabei eine immer größere Rolle. Die Brutalität nimmt zu und zugleich nehmen Hemmschwellen für aggressives Verhalten ab. An vielen Schulen herrscht ein Klima der Angst und Aggressivität. Für Schüler bedeutet die Viktimisierung durch Mitschüler ein verdecktes, verborgenes Opferwerden durch Gewalt, einen „stillen Alptraum“. Ihr Selbstkonzept wird dadurch nachhaltig geschädigt und ihr Selbstwertgefühl geschwächt. Instabile und unbehütete Schüler laufen zudem Gefahr, die vermeintlich mutigen Schläger, die in Wirklichkeit Feiglinge sind, als Vorbilder zu glorifizieren und nachzuahmen (Schneider 2001).


Spiele-Messe Gamescom (Foto: arbeiterfotografie.com)

Verstärkt hat sich auch die Gewaltbereitschaft von Schülern gegenüber ihren Lehrkräften. Diese sprechen von „genereller Gefühlskälte und Respektlosigkeit“ und haben schon an Grundschulen Angst vor ihnen. (Ein Siebenjähriger (!) hat vor kurzem seiner Lehrerin ein Messer in den Bauch gestoßen.) Darüber hinaus sorgen Schüler mit Migrationshintergrund für zusätzliche Probleme. Die Not der Lehrerinnen und Lehrer ist inzwischen so groß, dass sie für ihre Schulen Sicherheitsdienste einstellen und sich in Brand-Briefen Hilfe suchend an die Öffentlichkeit wenden. Doch sie werden in der Regel im Stich gelassen. Wenn es uns nicht gelingt, diese Gewalt zu stoppen, wird sie sich weiter ausbreiten und nur noch schwer einzudämmen sein.

Erschreckend ist auch die Zunahme von Gewalt auf öffentlichen Plätzen, Straßen oder in Fußballstadien, wo Polizei-Hundertschaften versuchen, aggressive Hooligans im Zaum zu halten. Bereits zehn- bis zwölfjährige Kinder greifen Polizisten mit Flaschen, Steinen und Böllern an. Feuerwehrleute, Ärzte, Sozialarbeiter und Krankenpfleger werden bei ihren Einsätzen bespuckt, angepöbelt, tätlich angegriffen und bei der Ausübung ihrer Arbeit behindert – und niemand springt ihnen bei. Die Gewalt käme aus dem Nichts, sagen die bedrohten Helfer. Sie sprechen von einer Aggressivität, die sie in den vergangenen Jahren noch nie erlebt hätten.

In den letzten Monaten häuften sich zudem Messerattacken und Morde von deutschen oder ausländischen Jugendlichen an meist weiblichen Gleichaltrigen. Bei der Vernehmung durch den Staatsanwalt bekennt ein Jugendlicher, dass er einmal einen anderen Menschen sterben sehen wollte. Was sind die Ursachen für diese enthemmten kriminellen Delikte? Was haben wir versäumt, dass es so weit gekommen ist? Junge Frauen getrauen sich abends aus Angst vor tätlichen Angriffen und sexueller Gewalt nicht mehr alleine auf die Straße. Und immer mehr Deutsche setzen wegen zunehmender Verunsicherung auf Selbstschutz und rüsten auf.

Ende Januar berichtete der „Spiegel“, dass in einigen Großstädten und in kleineren Gemeinden Italiens zunehmend kriminelle marodierende Jugendbanden, so genannte „Baby Gangs“, brutale Überfälle begehen und das Land unsicher machen. Auf Facebook-Selfies würden Kinder mit einem Joint im Mundwinkel stolz Schusswaffen, Messer oder Baseballschläger in die Kamera halten und verkünden: „Wir machen Angst.“ Sie terrorisieren Nachbarn, verletzen Gleichaltrige, klauen Handys und provozieren Sicherheitskräfte. Dabei kommen diese „Baby Gangster“ in der Regel nicht aus kriminellen oder mafiösen Familien.

Sie seien wie Waisen, wird berichtet, weil die Eltern meist abwesend sind. Sie trinken Alkohol, nehmen Drogen und rebellieren gegen alles, was sie als eine einschränkende Regel empfinden. Hip-Hopp und Rap seien bei ihnen beliebt, weil die Musiker Modelle vorlebten, die Gewalt implizierten. Viele von ihnen nutzen soziale Netzwerke zur Selbstdarstellung und Verabredung eines Treffpunkts – eine perfekte Vorlage für Nachahmer (22.01.2018). In Italien stuft die Politik das Problem inzwischen als „Emergenza“, als „Notfall“ ein, der sich aufgrund der großen Arbeitslosigkeit verschlimmern werde.

Zu den Ursachen dieser Gewaltphänomene liegen seit Jahrzehnten gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vor. „Growing Up to be Violent“ – „Erwachsen werden, um gewalttätig zu sein“, lautete zum Beispiel das Ergebnis einer wegweisenden US-amerikanischen Langzeit-Studie von Monroe M. Lefkowitz u. a. (1977), die bereits vor über 50 Jahren die Entwicklung der Aggression untersuchten. Viele weitere folgten. Diese in den 1960er- und 1970er-Jahren durchgeführte Studie war eine der ersten, die die große Bedeutung der situations- oder umweltabhängigen Variablen als Determinanten für aggressives Verhalten aufzeigt: Sie lieferte ein Argument gegen die These, dass Aggressivität dem Menschen angeboren ist.

Die Forscher fanden heraus, dass der Grad des aggressiven Verhaltens eines Achtjährigen bereits den Aggressivitätsgrad des später Neunzehnjährigen vorhersehen lässt. Aggressives Verhalten bleibt also über viele Jahre konstant. Besonders gefährdet seien Kinder, die sich minderwertig fühlen und den Erwartungen von Eltern und Lehrern nicht entsprechen. Diese sind prädestiniert für aggressives Verhalten. Und bereits vor mehr als 40 Jahren bezeichnete die Studie zusammen mit Beweismaterial von Albert Banduras „Lernen am Modell“ die gewalttätigen Vorbilder im Fernsehen als Hauptursache für Aggressionen. Alle Aufmerksamkeit müsse sich deshalb auf die Prävention richten, so die Empfehlung der Wissenschaftler.

Ein weiterer Befund sollte uns zu denken geben: Die Untersuchungsdaten wurden während des Vietnamkrieges erhoben, in einer Zeit, in der nach Auffassung der Forscher die Gewalt in den Vereinigten Staaten epidemische Ausmaße angenommen hatte und die Schrecken des Krieges live vom Schlachtfeld direkt in die Wohnzimmer übermittelt wurden. Da die achtjährigen Jungen und Mädchen der Studie in dieser Zeit zu jungen Erwachsenen heranwuchsen, fanden die Forscher Hinweise darauf, dass das gewalttätige Milieu und die gewalttätigen Modelle ihr aggressives Verhalten erhöht haben. Parallelen zur Situation heute liegen auf der Hand.

Bereits Ende 1987 hat die deutsche Bundesregierung eine „Unabhängige Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung  von Gewalt (Gewaltkommission)“ berufen
, und zwar nach der Einsetzung ähnlicher Kommissionen in den USA (1960er-Jahre) und in Frankreich (1970er-Jahre). Der Grund für die Einsetzung der deutschen Gewaltkommission (besser: „Anti“-Gewaltkommission) war die damalige Gewalteskalation in Familie, Schule, im Stadion sowie auf Straßen und Plätzen. Diese Kommission erarbeitete detaillierte Vorschläge zur Prävention und strafrechtlichen Kontrolle (Intervention) der Gewalt. Veröffentlicht wurden die Vorschläge in speziellen Gutachten (Schwind/Baumann u. a. 1990).

Bei der Erforschung der Ursachen für die zunehmende Jugendgewalt muss vor allem die Rolle der Medien, speziell der gewalthaltigen Computer- und Videospiele hervorgehoben werden. Es ist wissenschaftlich belegt, dass die immer brutaleren TV- und Gewaltspielprodukte entscheidend zur Entstehung von Kinder- und Jugenddelinquenz und zum Anstieg der Jugendgewalt beitragen. Darin sind sich Medienwirkungs-Forschung und Kriminalistik einig (Hänsel 2006 und 2011).
 
Gewalthaltige Video- und Computerspiele („Killerspiele“) werden der Jugend weltweit seit Anfang der 1990er-Jahre von der milliardenschweren Games-Industrie als ultimativer „Spiele-Spaß“ angepriesen. Produziert werden sie in Kooperation mit dem Pentagon. Der international anerkannte US-amerikanische Militär-Psychologe Lt. Col. Dave Grossman, Autor des Buches „Assassination Generation“ (2016) und Experte für die Psychologie des Tötens bezeichnet diese Gewalt-Spiele als „Massenmord-Simulatoren“.

Noch vor einem Jahrzehnt versprach die damals neu gewählte schwarz-rote Regierung in ihrem Koalitionsvertrag unter Punkt 6.3 („Aufwachsen ohne Gewalt“), dass sie den Schutz von Kindern und Jugendlichen nachhaltig verbessern wolle, „weil die aktuellen Regelungen angesichts der rasanten Entwicklungen im Bereich der Neuen Medien noch nicht ausreichend sind, um den wachsenden Gefährdungen junger Menschen auf dem Mediensektor wirksam entgegenzutreten.“ Doch das war gestern.

In den USA lud Präsident Trump nach dem Schulmassaker in Florida Vertreter der Spiele-Industrie und einige namhafte Kritiker zu einem Round-Table-Gespräch zur Gewalt in Videospielen ein. Dabei nahm er ungewöhnlich kritisch zur gewalttätigen Natur dieser Spiele Stellung und sah einen Zusammenhang zwischen Videospielgewalt und echter Gewalt. Auf seine Frage, was die Spiele-Industrie dagegen tun könne, antworteten deren Vertreter dreist, sie würden nichts tun und auch der Präsident könne sie nicht dazu zwingen (NRhZ-Online vom 14.03.2018).

Wissenschaftliche Erkenntnisse werden in der Praxis nicht angewandt und die Gewalt wird nicht gestoppt, sondern eher noch gefördert. Einige Beispiele: Obwohl die seriöse Medienwirkungsforschung bereits vor vielen Jahren letzte Zweifel beseitigen konnte und den abschließenden Beweis führte, dass das Spielen von gewalthaltigen Videospielen aggressivere, weniger mitfühlende Kinder hervorbringt – unabhängig von ihrem Alter, Geschlecht oder kulturellem Hintergrund –, gelingt es den Lobbyisten der Film-, TV- und Spiele-Industrie im Verbund mit Journalisten, Politikern und auch Wissenschaftlern immer wieder, Eltern, Lehrer und Erzieher zu verunsichern, einerseits mit gezielten Falschaussagen und andererseits, indem sie solide Forschungsergebnisse in Frage stellen (Anderson et. al. 2010).

Die Politik hat längst vor den übermächtigen Wirtschaftsinteressen der milliardenschweren Spielebranche kapituliert. Wie die Bundeskanzlerin auf der Kölner Computerspielmesse Gamescom 2017 ausführte, soll Deutschland nicht nur florierender Absatzmarkt für Computer- und Videospiele sein, sondern auch innovativer und expandierender Produktionsstandort für dieses „Kultur- und Wirtschaftsgut“ werden. Dafür wirbt die Games-Industrie mit allen Mitteln. Dass der Jugendschutz dabei auf der Strecke bleibt, nimmt die Politik billigend hin (NRhZ-Online vom 30.08.2017).

Experten und manche Eltern sind noch zusätzlich wegen einer gefährlichen Lücke im „Maas-Gesetz“ besorgt: Seit Anfang Januar ist das Netzwerkdurchsuchungsgesetz in Kraft. Betreiber sozialer Netzwerke müssen kriminelle Hasskommentare innerhalb von 24 Stunden sperren oder löschen. Computer- und Videospiele mit vorwiegend gewalthaltigen Inhalten fallen aber nicht unter das Gesetz. Nach dem ersten Gesetzentwurf waren sie wohl erfasst, wurden allerdings kurz vor dessen Verabschiedung herausgenommen. Nach Auffassung des Bundesjustizministeriums sei die Wirkungsmacht von Gewalt in Onlinespielen nicht vergleichbar mit den rechtswidrigen Inhalten in sozialen Netzwerken (WELT vom 6.02.2018). Ein weiterer Sieg für die milliardenschwere Spiele-Industrie.

Als Anfang der 1980er-Jahre drei Schüler-Selbstmorde als Folge schwerer Gewalttätigkeiten durch Gleichaltrige die norwegische Öffentlichkeit aufschreckten, führte der Psychologe Dan Olweus im Auftrag des norwegischen Erziehungsministeriums eine Anti-Tyrannisierungs-Kampagne im ganzen Land durch („Antibullying Campaign“). An der Umsetzung dieser Maßnahmen auf der Schul-, Klassen- und der individuellen Ebene wurden alle Lehrkräfte, Eltern und Schüler aktiv beteiligt (2002).

Diese Maßnahmen führten in Norwegen zu einer Verringerung der unmittelbaren und auch der mittelbaren Gewaltausübung – und zwar in der Schule, in den jeweiligen Familien und auch in der Umgebung der Schule. Im Laufe von zwei Jahren ging nicht nur das Tyrannisieren um 50 Prozent zurück; auch Diebstähle, Vandalismus, Schlägereien und das Schule Schwänzen verminderten sich – und die Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler mit dem Schulleben nahm zu.

Warum bringen wir in unserem Land nicht den Willen auf, die ausufernde Gewalt einzudämmen, wo wir doch im Besitz des nötigen Wissens sind? Wir weichen immer wieder vor der Gewalt zurück und ermutigen damit die Gewalttäter – anstatt ein entschiedenes Stoppzeichen gegen jede Form der Gewalt zu setzen. Warum führen wir keine breite gesellschaftliche Werte-Diskussion? Sie müsste geführt werden ohne Tabuisierung und Abstempelung anderer Meinungen und sich an den einschlägigen internationalen Forschungsergebnissen orientieren.

Oder wollen wir dieses Problem in Wahrheit nicht lösen, weil die herrschenden Akteure in der Politik eine aggressive Jugend für zukünftige politische Entwicklungen im In- und Ausland gut gebrauchen können? Die psychologische Kriegsführung läuft ja bereits auf Hochtouren! 

Hier kurz ein paar Informationen zu meinem eigenen Engagement zur Prävention von Jugend-, Schul- und Mediengewalt 1974 wurde ich als Mitbegründer und Leiter einer Modellschule für Schulversager das erste Mal mit ausufernder Gewalt arbeitsloser und entmutigter Jugendlicher konfrontiert. Durch enormen menschlichen Einsatz konnte eine kleine Gruppe engagierter Lehrer, Sozialarbeiter und Psychologen diese jungen Menschen in einem Schuljahr zum Externen Hauptschulabschluss führen. In meiner Doktorarbeit dokumentierte ich dieses Experiment. Einige Jahre später erarbeitete ich zusammen mit Kriminalpsychologen ein Gewalt-Präventionsprogramm nach Dan Olweus gegen die auftretende Gewalt in einer Kölner Gesamtschule mit 2500 Schülern.

Im Jahr 2002 verfasste ich als Leiter der Staatlichen Schulberatungsstelle München einen Diskussionsbeitrag zum Amoklauf in Erfurt unter dem Titel „Für eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung“, der deutschlandweit große Beachtung fand. Da ich in gewalthaltigen Videospielen („Killerspiele“) einen Mitverursacher für derartige Schul-Massaker sah, gab ich 2005 ein Buch zu den Auswirkungen der „Unterhaltungsgewalt“ heraus, für das ich viele namhafte Autoren gewinnen konnte („Da spiel ich nicht mit!“). Durch Förderung des Bayerischen Bildungspaktes konnte diese Handreichung für Lehrer und Eltern allen weiterführenden Schulen Bayerns kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Am 20. März 2007 war ich psychologischer Berichterstatter für Deutschland bei einer Öffentlichen Anhörung zur Jugendkriminalität im Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter des Europäischen Parlaments in Brüssel. Mein Thema lautete: "Konstruktives Mitgestalten als Ausweg aus der Gewalt". Diesen Beitrag veröffentliche ich in verschiedenen Fachzeitschriften und diskutierte ihn in mehreren Vortrags-Veranstaltungen mit Eltern und Lehrkräften. Ferner verfasste ich für Lehrer- und Eltern-Zeitschriften zahlreiche Fachartikel zur Prävention von Jugendgewalt.

2011 schrieb ich das Buch „Game over! Wie Killerspiele unsere Jugend manipulieren“. Mit diesem Problem der Mediengewalt befasse ich mich bis heute. Vor einigen Wochen verfasste ich schließlich einen Aufruf zur Wertediskussion jenseits von Ideologien und bot ihn großen Zeitungen sowie Lehrer- und Elternzeitschriften an – bedauerlicherweise ohne Resonanz. Ich klage an!

J’accuse...!  Ich klage an alle, die willentlich oder durch Ignoranz unsere Jugend im Stich lassen und damit unsere Zukunft aufs Spiel setzen!

Ich klage an diejenigen Betreiber sozialer Netzwerke und elektronischer Medien, die in Kooperation mit den Geheimdiensten als heimliche oder besser unheimliche Erzieher unsere Kinder und Jugendlichen kontrollieren, manipulieren und nachhaltig in ihre Werte- und Charakterbildung eingreifen, sie von den Eltern entfremden und sie eine Reihe amoralischer und asozialer Un-Werte lehren. Diese sind den Wertvorstellungen von Eltern und Lehrern diametral entgegengesetzt und mit den Grundüberzeugungen einer humanen, zivilisierten Welt unvereinbar.

Ich klage an die Hersteller und Vertreiber brutaler Film-, Fernseh- und Videospiel-Produkte, die auf Kosten unserer Jugend Milliardenprofite realisieren und mit diesen gesellschaftszerstörerischen Produkten bei unseren Jugendlichen aggressive Gedanken und aggressives Verhalten hervorrufen oder verstärken, viele von ihnen in die Sucht treiben und sie zu potentiellen Killern heranziehen.

Ich klage an die milliardenschwere Porno-Industrie, die unter anderem perverse und gewalttätige Videos unseren Jugend leicht zugänglich macht und ihnen damit ein natürliches Hineinwachsen ins Liebesleben mit dem anderen Geschlecht erschweren und bei manchen Jugendlichen sogar den Boden für Vergewaltigungsphantasien legen.

Ich klage an jene Jugendmusik-Szene – namentlich die Hip-Hop-und Rap-Szene – die in ihren Texten nichts als Gewalt, Kriminalität, Waffen, Drogen, Pornographie, Hass und Intoleranz vermittelt und das Leben in Vororten der Großstädte heroisiert, wo man auf niemanden Rücksicht nimmt und nur die eigene Clique schützt und die damit die Jugend zu asozialem und gewalttätigem Verhalten animiert.

Ich klage an jene Medienvertreter, die mithelfen, Gewalt, Pornographie, Feindbilder und Hass auf andere Menschen und Völker sowie Krieg zu verherrlichen und damit ihre Pflicht zur Friedensförderung verletzen und der Jugend die Orientierung in unserer komplizierten Welt erschweren.

Ich klage an jene Kolleginnen und Kollegen, die glauben, sich profilieren zu können und die Publizität auf ihrer Seite zu haben, wenn sie Meinungen vertreten, die die Film-, Fernseh- und Spiele-Industrie in ihrer Fehlhaltung bestärken und damit Eltern, Lehrkräfte, Erzieher wie auch die Jugendlichen selbst verunsichern.

Ich klage an unser gegenwärtiges Wirtschaftssystem, das nicht auf dem Gemeinschaftsprinzip beruht, sondern lediglich eine kleine Schicht begünstigt und die breiten Volksmassen nur unzureichend entlohnt, sodass in der Regel beide Elternteile arbeiten müssen, um den Lebensunterhalt zu verdienen und die deshalb immer weniger Zeit und Kraft für ihre Kinder haben. Dies kann sich auf deren psychische Entwicklung negativ auswirken.

Ich klage an jene politischen Entscheidungsträger und gesellschaftlichen Institutionen, die wider besseres Wissen oder aus Gleichgültigkeit die aufgezeigten negativen Entwicklungen zum Schaden unserer Jugend widerspruchlos hinnehmen und damit ihrem geleisteten Amtseid in keiner Weise gerecht werden.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich wende mich deshalb an Sie, weil ich selbst nicht über die Autorität verfüge, die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Land zum Positiven zu beeinflussen und ich nicht weiß, wie lange ich noch den Mut und die dazu gehörende Kraft aufbringe, auf das oben beschriebene Vergehen an unserer Jugend hinzuweisen. Gerne erwarte ich Ihre Antwort.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Rudolf Hänsel
Erziehungswissenschaftler und Diplom-Psychologe
www.psychologische-menschenkenntnis.de




Dr. Rudolf Hänsel

Online-Flyer Nr. 651  vom 21.03.2018



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