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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Kultur und Wissen
Der Brunnen vor der Kölner Oper
A Never Ending Story
Von Udo W. Hombach

Vor zehn Jahren verstarb der Kölner Künstler Jürgen Hans Grümmer, der den Brunnen auf dem Offenbachplatz vor dem Kölner Opernhaus gestaltet hatte. Im Dezember 1966 wurde der Brunnen in Betrieb genommen. 2015 erfolgte eine Restaurierung der Mosaiken, 2016 auch der Betonteile. Unser Autor hat den Brunnen seit 2009 im Blick, besonders die Restaurierung der Mosaiken. Dabei kann er auch über Misserfolge berichten.

Im Dezember 2016, zum 50. Geburtstag, widmete ich dem Brunnen und seinen Mosaiken einen Aufsatz in der Zeitschrift “Rheinische Heimatpflege”. Im Mittelpunkt stand die Geschichte des Petrus-Kopf-Mosaiks aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Berlin. Meine Recherchen hatten ergeben, dass dieses Mosaik mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Original aus der Kirchenwand ist. Anschaulichster Beleg dafür sind die Scherben im Halsbereich und im Kopfhaar oben rechts. Diese Ausbesserungen waren schon vorhanden, als der Kopf 1955 noch in der Kirche war. (Nicht mehr zu klären ist, wann diese Ausbesserungen erfolgten – und warum sie so stümperhaft waren.) Eine Doublette oder ein „Probestück“ hätte kaum diesen (groben) Ersatz für Smalten oder Goldgläser enthalten. Mit solchen Zweitanfertigungen wollte die Firma ja Werbung für sich machen.

Weiterführende Informationen, Überlegungen und Entdeckungen formulierte ich in „Exkursen“ auf meiner Internet-Seite. Im ersten Exkurs greife ich eine Beobachtung des Kölner Fotografen Joachim Rieger auf. Dieser hatte schon vor Langem das Œuvre des Brunnengestalters Jürgen Hans Grümmer ausführlich dokumentiert. Grümmer starb 2008, also vor zehn Jahren. Rieger wies auf eine physiognomische Ähnlichkeit der Gesichter Grümmers und des Apostels Petrus im Brunnen hin.

Im zweiten Exkurs teile ich mit, dass neben dem Petrus-Kopf auch anderes Mosaikmaterial aus der Berliner Gedächtniskirche wiederverwendet wurde. So von den Berliner Künstlern Gerhard Schultze-Seehof und Rudolf Heltzel.

Im dritten Exkurs nehme ich eine kritische Würdigung der Grümmerschen Gestaltungsarbeit am Brunnen und speziell am Petrus-Kopf vor. Besonders auffällig ist die Zerlegung des Heiligenscheins, der den Petrus umrahmt hatte. Spieltrieb und Bosheit könnten hierbei koaliert haben.

Im vierten Exkurs gehe ich der Frage nach, ob die „christinativen“ Mosaikbilder tatsächlich aus dem Swimmingpool der Luxusyacht des Reeders Onassis stammen, wie es Kölner Fans des Brunnens gerne verbreiten. Die dazu vorliegenden Informationen sind nicht eindeutig (siehe die Literaturhinweise). Grümmer selbst sprach in einem Interview nur von „einem Stück“ sowie von „allmöglichen anderen Mosaikstreusel, den ich mit einbaute“. Neue Recherchen bestätigen die Annahme, dass diese Spolien eher nicht aus der „Christina“ kommen – auf jeden Fall aber aus der Berliner Mosaikfirma Puhl & Wagner. Beides wird von Verena Bolz bestätigt.

Der kranke Mann im Brunnen

Der fünfte Exkurs dreht sich um die Schäden im Petrus-Kopf-Mosaik. Im Sommer 2015 war das gesamte Brunnen-Mosaik restauriert worden. Ein Jahr später wurde der Bauzaun vor der Dauerbaustelle „Kölner Opernhaus“ so weit verschoben, dass der östliche Bereich des Offenbachplatzes mit dem Brunnen wieder für die Öffentlichkeit zugänglich wurde. Auch wurde das Wasser im Brunnen wieder angestellt. Im November 2016 entdeckte ich, dass der Petrus-Kopf wieder so aussah wie vor der Restaurierung. Das Material, das der Restaurator verwendet hatte, war der gleichen Zersetzungskraft erlegen, wie schon seit 1966 viele Smalten im Petruskopf. Ich informierte die Stadt und veröffentlichte die Entdeckung auf meiner Internetseite (Opernbrunnen, Exkurs 5). Auch wichtige Kölner Medien sprach ich an. Die digitale Wochenzeitung „Neue Rheinische Zeitung“ veröffentlichte alle meine Mitteilungen. Der abschließende Bericht über die fehlgeschlagene Restaurierung des Petrus-Kopfs erschien ausschließlich in der “NRhZ”. Von den anderen Medien reagierte nur die „Bild“ aktiv, und zwar mit einem Artikel am 21. Januar 2017.

Nur vier Tage später begann der Restaurator mit einem zweiten Versuch, den er im März beendete. Er kratzte die hellgraue Schicht aus den Vertiefungen heraus, so dass zunächst wieder die Smalten-Stümpfe in ihrer Originalfarbe sichtbar wurden. Doch die Bewässerungsperiode 2016 zeigte, dass dies eine Sisyphus-Arbeit gewesen war. Auch diese zweite Restaurierung brachte keine nachhaltige Verbesserung. Das war nach dem Ende der sommerlichen Bewässerung 2017 deutlich zu sehen.


Bild 1: „Der Petrus-Kopf nach zweimaliger Restaurierung“ (alle Fotos: Udo W. Hombach)

Nun zeigt sich der Petrus-Kopf schadhaft wie eh und je. Über 80 farbige Mosaikgläser (Smalten) im Gesicht sowie in Kopf- und Barthaar haben sich teilweise aufgelöst, wodurch Vertiefungen entstanden sind, in denen sich eine helle, kalkhaltige Schicht gebildet hat. Dieser Vorgang hatte schon vor Jahrzehnten begonnen.

Erklären konnte ich ihn mit Hilfe des Münchner Fachmanns Manfred Höhn. Der frühere Werkstattmeister der Mosaikfirma Mayersche Hofkunstanstalt kennt das Material gut. Seine Firma hatte zu Beginn der 1970er-Jahre Glasmosaik der Herstellerfirma Puhl & Wagner übernommen, nachdem diese zugemacht hatte. Auch der Kundenstamm wurde übernommen, zum Zwecke der nachträglichen Betreuung und notwendiger Ausbesserungen. (So geschehen in den 1970er-Jahren auch im Swimmingpool der „Christina“.) Der Zahn der Zeit nagt also weiter am Petrus-Kopf-Mosaik, und zwar in Form des Kölner Wassers und Wetters. Denn die schadhaften Mosaikgläser sind von ihrer Beschaffenheit her nicht dazu geeignet, diesen natürlichen Elementen zu trotzen – und den Reinigungsarbeiten, denen die Mosaiken mehrfach im Jahr ausgesetzt werden. Es handelt sich um Smalten, deren Ausgangsmaterial in der Glasschmelze weniger “durchgegart” wurde als das der anderen. ( Als Steak wären diese Glasplatten “medium”.) Optisch standen sie ihren “ausgekochten” Glasgeschwistern in nichts nach, und die Luft im Inneren der Gedächtniskirche hatte ihnen auch nichts anhaben können.

Im letzten Exkurs erlaube ich mir, immer noch selbst auch angesteckt vom Grümmerschen Humor, einen Scherz: Ab und zu tummelt sich ein zypriotisches Zwergflusspferd im bzw. am Brunnen. Früher schwamm es im Kielwasser der „Christina“.


Bild 2: „Der Bauzaun hinter dem Brunnen mit dem Riphahn-Zitat“

Andere Krankheiten des Brunnens

Außer am Petrus-Kopf leidet der Brunnen auch anderweitig an wiederkehrenden Erkrankungen. Weil es ihm an einer Entkalkungsanlage in der Wassermaschinerie mangelt, bildet sich immer wieder eine Kalkschicht auf den Mosaikflächen. Zeitweise waren 95 % aller Mosaiken entsprechend ergraut. Manchmal entsteht auch ein schwarz-brauner Belag.






Bilder 3,4,5: Der Petrus-Kopf März 2009, September 2010 und Mai 2011
Zu 2010: Auch im November 2017 war der Petrus mit schwärzlichem Modder bedeckt.

Es gibt aber auch kurzfristig wirkende Verschmutzungsvorgänge. Hier jüngste Beispiele. Im Oktober 2018 war das Brunnenwasser stark getrübt: Seine Farbe war grün-braun. Anfang November wurde der Brunnen turnusgemäß gereinigt. Als am folgenden Tag das Wasser wieder floss, war eine starke Schaumbildung zu beobachten.

Am 18. November war das Wasser wieder klar. Am 22. wurde es für den Winter abgestellt. Alle Mosaikflächen waren zu 95% mit einer grauen Ablagerung bedeckt. Eine Kalkschicht kann das eigentlich nicht sein, denn eine solche entsteht doch wohl nicht so schnell!? Am 24. November, nachdem es geregnet hatte, waren die Mosaikflächen, vor allem die schräg liegenden auf der Kuppel, wieder weitgehend als farbige zu sehen. Das Regenwasser hatte weg- und reingewaschen. Doch in allen tiefer liegenden, flachen Bereichen, vor allem in den durch Mauern eingeschlossenen kleineren Becken im Süd- und Nordwesten der Kuppel, sah es am 25. immer noch sehr grau aus.




Bilder 6,7: Drei Wochen vorher war der Brunnen gereinigt worden!


Bild 7a: So farbig leuchten die Mosaiken eigentlich (auch wenn in der Rinne der fehlenden Fuge sich ein schwarzer Belag entwickelt hat).

Am Rand der Stufe zur Kuppel im nordwestlichen Becken hatte sich eine kleine graue Sandbank entwickelt – aber nicht nur dort.




Bilder 8,9: Sandbänke

Die optische und haptische Untersuchung ergab, dass dieses Grau in Farbe und Konsistenz dem benachbarten Mauermaterial entspricht und dass diese senkrechte Wand der Mauer porös wirkt- wie auch andere Mauern.


Bild 10: Aus der Mauer löst sich der Sand.

Wie aber, wenn der Sand die Ursache des Er/Grauens gewesen ist: Wie konnte er sich am 22. November so flächendeckend, und das sogar auf der Kuppel, verbreitet haben? Spülte etwa die Umwälzpumpe den Sand mit dem ablaufenden Wasser wieder in die Fontänen, sodass diese ein Sand/Wasser-Gemisch ausstießen?

Anfang 2016 waren auch die Betonteile des Brunnens überholt worden. Kann es sein, dass außer der Restaurierung des Petrus-Kopf-Mosaiks auch die Aufmöbelung der “brutalistischen” Beton-Elemente im Brunnen nicht so gut gelungen ist? Auf den drei Skulpturen im nordwestlichen Becken vor dem Petrus-Kopf löst sich deutlich sichtbar eine fast 2 mm dicke Schicht und bröckelt in kleinen Stücken ab.






Bilder 11,12,13: Eine der Hauptfiguren im Nordwest-Becken „häutet“ sich.

Am 28. November waren wieder alle großen, vor allem die flachliegenden, Mosaikflächen von einem Grauschleier überzogen. Der Tastsinn sagt, dass der nicht aus losem Sand besteht, sondern dass sich ein fester Belag gebildet hat – schon doch wieder eine Kalkschicht?

Vandalismus im Brunnen

Mosaiken verführen zum Diebstahl. Das ist zu beobachten in drei wilhelminischen Erlöserkirchen in Deutschland, und es geschah sogar in der Jerusalemer Grabeskirche. In Köln ist z.B. der Fries am Sockel des Altars in St. Severin betroffen: Viele Goldgläser fehlen. Der Opernbrunnen war lange verschont geblieben. Doch ab 2009 war aus dem großen Becken im Nordosten, nicht weit entfernt von der Außenmauer, eine Fläche verschwunden. Ein Jahr später hatte sich diese auf einen Umfang von etwa 20x30 cm vergrößert. Dieser Schaden wurde 2015 gut repariert.






Bilder 14,15,16: Die Fehlfläche im April 2009 (verkalkt) und im Mai 2010 (vergrößert und gereinigt) und im Mai 2011 (schwarz-braun bewachsen)

Am 30. November 2018 ist zum ersten Mal seit der Restaurierung 2015 wieder Mosaik verschwunden, und zwar an zwei Stellen im Nordost-Segment des inneren Zirkels, der zur Kuppel hin eine Stufe höher liegt als die großen Becken drumherum. Die Gläser wurden mit Gewalt herausgebrochen und/oder zerstört, aber nur zum Teil mitgenommen.


Bild 17: zwei Fehlflächen


Bild 18: was die „Vandalierer“ liegen ließen

Am 12. Dezember lag über dem gleichen Bereich ein großes Glitzern. Das war aber nicht vorweihnachtlichem Schmuck zu verdanken, sondern einer großen Menge kleiner Scherben und Splitter aus weißem Flaschenglas. Auch am östlichen Rand der südwestlichen Sektion der Kuppel, gleich neben der aufsteigenden Mauer, fehlen offensichtlich neuerdings zwei Mosaikstücke.




Bilder 19,20: Fehlstellen auf der Kuppel

Am 13. Dezember fehlen Fliesen auch auf dem Deckel des westlichen Zugangs zur „Unterwelt“ des Brunnens; sie sind fein säuberlich herausgenommen.




Bilder 21,22: drei herausgenommene Fliesen (Nachtrag 24. Dezember: erneut sind auf dieser Deckplatte zwei Fliesen entfernt worden.)

Leider werden immer wieder Abfälle, Bierflaschen und gar Pflastersteine in den Brunnen geworfen. Die Pflastersteine hinterlassen deutliche Einschläge in den Glasplatten. Andererseits liegen aber auch immer wieder Kupfermünzen als Opfergaben im Brunnen. Schon seit 2016 liegen Pflastersteine direkt an der Mauer im Nordosten des Brunnens so locker im Boden, dass man sie mit den Kräften einer Kinderhand hätte herausnehmen können.


Bild 23: gewaltsam beschädigte Glasplatten

Die Menschen, die Münzen als Opfer gern gaben,
sind wohl nicht die gleichen, die Smalten zerschlagen.


Bild 24: Auch Moos hat sich an einer Skulptur gebildet – fünf Wochen nach der letzten Reinigung des Brunnens.


Literaturhinweise

Verena Bolz: Der Kölner Opernbrunnen von Jürgen Hans Grümmer – Bestandsaufnahme und Erhaltungskonzept. Diplomarbeit vorgelegt dem Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft, Fakultät Kulturwissenschaften der Fachhochschule Köln, April 2011, S. 57

Hans-J. Nickel: Die Wagnerschen Werkstätten zu Neukölln, Berlin, in Vorbereitung, Vorabdruck der Seiten 492–497

Siehe auch: www.udo-w-hombach.de


Vorausgegangene Texte zum Thema:

Der Brunnen vor der Kölner Oper
Mosaiken ohne Glück und Glas?
Von Udo W. Hombach
NRhZ 595 vom 11.01.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23441

Das Petrus-Kopf-Mosaik
Kölner Opernbrunnen – Neue Entwicklungen
Von Udo W. Hombach
NRhZ 599 vom 08.02.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23535

Schäden am Petrus-Kopf im Mosaik des Kölner Opernbrunnens
Diagnose und Dilemma: Ein Mosaik zwischen Skylla und Charybdis
Von Udo W. Hombach
NRhZ 601 vom 22.02.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23576

Bilanz und Ausblick
Das Petrus-Kopf-Mosaik im Kölner Opernbrunnen – der Restaurierung letzter Akt?
Von Udo W. Hombach
NRhZ 608 vom 12.04.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23712

Online-Flyer Nr. 687  vom 19.12.2018



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