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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Globales
Ereignisse, die die aktuelle Weltpolitik profilieren, fordern:
Sich mit zukunftsweisenden Themen der Außenpolitik befassen
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Die substanzlose verfehlte Außenpolitik Deutschlands der CDU/CSU/SPD-Regierung ignoriert wichtige Ereignisse, die die aktuelle Weltpolitik profilieren. Solche Ereignisse, die deshalb auch bei deutschen Redaktionen unbearbeitet bleiben, würden von einer professionellen Außenpolitik erkannt und in den Vordergrund rücken. Das ist aktuell vor allem folgendes: 1. Das regionale Bündnis Iran, Irak, Syrien und Türkei nimmt immer mehr Gestalt an; 2. Italien schließt sich Chinas Initiative der Neuen Seidenstraße an; 3. die Türkei entfernt sich von der US/NATO/EU und nähert weiter Eurasien an. Dass deutsche Redaktionen darüber belehrt werden, sich nicht mit diesen zukunftsweisenden Themen professionell zu befassen oder ihnen nicht gewachsen sind, ist zweifelsfrei feststellbar. Aber was hindert die SPD daran, zu solchen Themen klar Stellung zu beziehen, wenn schon der SPD-Außenminister aus Rücksichtnahme auf den größeren Koalitionspartner es nicht tun will? Sehen wir uns die erwähnten drei außenpolitischen Aktualitäten kurz näher an:

Zusammenrücken der Länder im eurasischen Raum

Thema 1: Am 11. März 2019 besuchte Irans Präsident den Irak an der Spitze einer großen Delegation mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Fünf Abkommen zwischen beiden Staaten wurden unterzeichnet. Außerdem wurde vereinbart, die Visa-Gebühren für die Staatsbürger beider Länder ab April 2019 aufzuheben sowie an den gemeinsamen Grenzen Industriegebiete zu gründen. (Meldung von Parstoday, 17.3.2019) Irans Präsident Hassan Rohani bezeichnete seine jüngste Reise in den Irak als sehr positiv, als ein Wendepunkt in den Beziehungen der beiden Länder und die Beziehung zum Irak als stabil, die von anderen nicht gestört werden könne. Rohani forderte die sofortige Umsetzung der Vereinbarungen zwischen den beiden Ländern insbesondere im Wirtschaftsbereich. Trotz der Feindseligkeit der USA rücken die Länder im eurasischen Raum näher zusammen und bewegen sich im Sinne ihrer Interessen in die richtige Richtung.

Chinas Projekt Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative), Staatspräsident Xi Jinping in Rom

Thema 2: Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping war zu Besuch in Rom. Als erste große Wirtschaftsnation, als erstes Mitglied der sieben Industriemächte (G7) und als erster großer EU-Staat hat sich Italien am Samstag (23.3.2019) Chinas Initiative für eine Neue Seidenstraße angeschlossen. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte und Chinas Staatspräsident Xi Jinping unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung. Außerdem wurden mehrere Abkommen abgeschlossen. Unter anderem geht es um Investitionen für die Häfen in Triest und Genua. Zudem sollen Produkte wie Orangen oder tiefgefrorenes Schweinefleisch aus Italien nun nach China exportiert werden dürfen. „Für uns ist heute ein Tag, an dem 'Made in Italy' gewinnt, an dem Italien gewinnt, an dem die italienischen Unternehmen gewinnen", sagte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio. Bei dem auch Belt and Road Initiative (BRI) genannten Vorhaben der Neuen Seidenstraße will China Milliardensummen in Häfen, Straßen, Bahnstrecken, Telekom-Netze und Flughäfen investieren. Geld soll in Wirtschafts- und Handelskorridore zwischen China und Europa, Afrika, bis nach Lateinamerika, aber auch innerhalb Asiens fließen. Bereits Dutzende Länder haben sich dem Megaprojekt angeschlossen, auch EU-Staaten wie Griechenland, Polen und Ungarn (Meldung 23.3.2019). Also ein Projekt enormer, grandioser Tragweite! Und Deutschland? Es glänzt durch Abwesenheit.

Kleinkarierte Reaktion einer schäbigen Regierungspartei

Beim Gipfel in Brüssel (26.3.2019) bemerkte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass "es noch besser ist, wenn man einheitlich agiert." Hier müsste sich die SPD einschalten mit einer vernünftigen konstruktiven Erklärung für die Kooperation mit China beim wichtigsten euro-asiatischen Projekt der Neuen Seidenstraße, denn die Erklärung von Kanzlerin Merkel spiegelt nur die kleinkarierte Reaktion einer schäbigen Regierungspartei wider. Die Karawane zieht trotzdem weiter, ohne Deutschland, ohne Merkel. Einheit in der EU gibt es nicht und wird es nicht geben. Dafür fehlt es an Bewusstsein über gemeinsame Interessen und einer gemeinsamen klaren Zielvorstellung für Europas Zukunft. Deshalb ist es lächerlich, die Einheit der EU vor dem Präsidenten Chinas, Xi Jinping, zu betonen, wie es der französische Präsident Macron tat. Darin äußert sich französischer Neid auf die konstruktiven Vereinbarungen, die Italien mit China abschließen konnte.

Staatspräsident Xi Jinping in Monaco

Nach seinem Italien-Besuch reiste der chinesische Staatspräsident Xi Jinping am Sonntag (25.3.2019) weiter nach Frankreich, nach Nizza, um zuerst Monaco zu besuchen, ein kurioser Besuch, denn Monaco ist zwar schön gelegen, aber politisch völlig unbedeutend und, je nach Standpunkt, die schlimmste Ausgeburt des wilden Kapitalismus, „der himmelschreiend empörendste Ort der Welt“ nach Ansicht von Oscar Wilde.

Staatspräsident Xi Jinping in Paris

Am Montag 25.3.2019 ist der chinesische Präsident in Paris angekommen und wurde sicherlich vom Präsidenten Frankreichs empfangen, obwohl keine Nachrichten, keine Bilder darüber zu verzeichnen sind. Es gibt auch keine offiziellen Erklärungen nach den Präsidenten-Gesprächen. Es ist anzunehmen, dass sie vertraulich verliefen. Man kann nur vermuten und spekulieren: Eine finanziell-wirtschaftliche Krise schwebt über Europa, die es existentiell bedroht. Die US-Regierung wird als größte unermessliche und unberechenbare Gefahr für die Welt wahrgenommen, sowohl von der Pariser Regierung als auch von der Pekinger Regierung. Die Franzosen waren nie naiv und sind es nicht wie vielleicht ihre Nachbarn.

Vor seiner Ankunft in Frankreich schrieb Chinas Präsident Xi Jinping einen ausführlichen Artikel in der französischen Tageszeitung „Le Figaro“, nicht in „Le Monde“, die wie andere europäische Tageszeitungen stark von US-amerikanischen Diensten infiltriert ist. Am Dienstag 26.3. erfolgte in Paris ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie mit Kanzlerin Angela Merkel. Auch der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war dabei. Erstaunlicherweise erklärte Kanzlerin Merkel, Deutschland wolle, dass sich Europa an Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße beteilige, nachdem sie Italien dafür kritisierte, dasselbe zu tun. Auffällig ist, dass bei dem Besuch des Präsidenten Chinas in Italien konkrete Investitionen, eine Reihe unterzeichneter Abkommen und wirtschaftlicher Projekte bekannt gegeben wurden. Aus Paris dagegen sind lediglich Angela Merkels Parolen zu erfahren und nichts anderes, kein Abkommen, keine Investition sind dort vereinbart worden, weder mit Merkel noch mit Macron. Das sollen die Menschen in Deutschland und Frankreich nicht klar bekommen, wie man in den Medien feststellen kann. Neben aller geheimer Verständigung, vermutlich zu akuten Krisenthemen, wollte sich vielleicht der Präsident Frankreichs vor aller Welt mit dem Treffen des Präsidenten Xi Ping, der Kanzlerin Deutschlands Angela Merkel und dem Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker in Paris in den Mittelpunkt der EU rücken, sozusagen als ihre de facto Führungspersönlichkeit. „Die Zeit der europäischen Naivität ist vorbei“ hatte Macron letzte Woche vor dem Besuch von Xi Ping gesagt.

Türkei Schritt für Schritt von der NATO entfernt und Eurasien angenähert

Thema 3: Die EU und die Türkei scheinen sich immer weiter zu entfremden. Das Protokoll eines Gesprächs, das mit einem türkischen Admiral a. D. geführt und von RT veröffentlicht wurde, offenbart tiefes Misstrauen gegenüber den USA und der EU.

Der türkische Ex-Admiral Soner Polat erklärt: "... Trotz dieser mächtigen Strukturen und der transatlantisch orientierten Parteien nähert sich die Türkei mit jedem weiteren Tag etwas mehr Eurasien an... bei Betrachtung der objektiven Voraussetzungen ist allerdings zu konstatieren, dass sich die Türkei Schritt für Schritt von der NATO entfernt und Eurasien annähert... Der Austritt der Türkei aus der NATO wäre ein geopolitischer Umbruch globalen Ausmaßes. Dabei gibt es erhebliches Kooperationspotenzial mit den Ländern Westasiens (also des Nahen Ostens) und denen Eurasiens, also mit Russland, China, Pakistan und den Turkstaaten. Diese sind die natürlichen Partner Ankaras. ... Washington will im Süden die Verbindung der Türkei zur arabischen Welt kappen und den geopolitischen Interessen Ankaras einen Schlag versetzen. ... Im jetzigen Stadium versuchen die USA die Türkei hinzuhalten und mit einem Wirtschaftskrieg zu bedrohen. Hierbei ist es für die Türkei - ganz rational betrachtet - der vernünftigste Aktionsmechanismus, mit den Astana-Verbündeten (Russland und Iran) und mit Syrien gemeinsam Schritte zu unternehmen, um dieses Problem zu lösen. Das zwischen der Türkei und Syrien 1998 abgeschlossene Adana-Abkommen, das auch von Russland erwähnt wurde, gibt grünes Licht für eine gemeinsame Operation zwischen den Ländern. Ein solcher Aktionsmechanismus wäre ein starkes Fundament hinsichtlich der internationalen Legitimität und des internationalen Rechts und würde die USA vor der ganzen Welt bloßstellen. Sobald ein regionales Bündnis gegründet werden würde, könnten die USA und die YPG (Volksverteidigungseinheiten der Kurden-Partei) alle ihre Trümpfe verlieren. Generell scheint die türkische Bevölkerung eine US-kritische Haltung zu haben... Alle Oppositionsparteien im türkischen Parlament … stehen auf der europäisch-atlantischen Seite. Ihre gesamte Politik steht im Einklang mit den USA, der NATO und der EU. Trotz AKP ist die Berichterstattung der türkischen Presse, insbesondere der am meisten gelesenen Erzeugnisse großer Medien-Holdings, auf USA-Linie. Die Zahl USA-kritischer Publikationsorgane ist sehr überschaubar." Ganz ähnlich sieht es in Deutschland aus.

Souveräne selbstsichere Stellungnahmen aus der Türkei. Und aus Deutschland?

Admiral a.D. Soner Polat weiter: "Aber die Türkei ist Zeuge eines sehr wichtigen Wandels geworden: Die traditionell vom europäisch-atlantischen System ausgenutzten armen Bevölkerungsschichten haben ein antiimperialistisches Bewusstsein entwickelt. Dass diese Tatsache zu ernsthaften Veränderungen in der türkischen Politik führen wird, werden wir mittelfristig beobachten können."

Doch aus der Türkei, nicht aus Deutschland, sind souveräne selbstsichere Stellungnahmen zu vernehmen, die die außenpolitische Lage gewiss grundsätzlich verändern und einen wichtigen Wandel einleiten werden. Wann wird das endlich in Deutschland der Fall sein?


Verfasst am 27.3.2019

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.


Online-Flyer Nr. 699  vom 03.04.2019



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