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Inland
Verfassungsbrüche auf Regierungsebene kein Thema für Süddeutsche Zeitung
Regierungspraxis an den Pranger und Grundgesetz verteidigen!
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

Die SZ-Redaktion schont die Brecher des Grundgesetzes, die Verfassungsbrecher, nämlich die Regierungsverantwortlichen. Die Verfassungsbrüche auf Regierungsebene sind kein Thema für die SZ-Redaktion. Deshalb widmet sich der Leitartikel von Ferdos Forudastan „70 Jahre Grundgesetz – Buch der Bürger“ (SZ, 23.5.2019) lediglich den Bürgern, als ob die Regierungsmächtigen nicht dem Grundgesetz verpflichtet wären. Allerdings sind es gerade die Regierungsmächtigen, die an erster Stelle das Grundgesetz einzuhalten haben, indem sie ihre Macht gemäß Grundgesetz einschränken und ihm ihre Politik unterordnen.

Die Mehrheit der Einwohner der Bundesrepublik – Deutsche und Ausländer – schätzen und respektieren das Grundgesetz als Regelwerk, das ihr Zusammenleben in Deutschland regelt. Aber die Regierung und die Parteien? Unionsparteien und SPD tragen die Verantwortung für den wiederholten Bruch des Grundgesetzes mit ihren illegalen Handlungen gegen das Friedensmandat, mit unzähligen Interventionskriegen, die ständig Verwüstung, Mord, Leid und enorme Flüchtlingswellen verursachen. Kein Wort darüber im Leitartikel. Ferdos Forudastan – einmal Gaucks Sprecherin - lenkt die Öffentlichkeit von den Grundgesetzbrüchen durch die Regierung auf raffinierte Weise ab, indem sie den Bürgern Wertschätzung für das Grundgesetz attestiert. Aber so sehr die Bevölkerung ihr Grundgesetz schätzt, so augenfällig ist für sie, dass ihre Regierungen der letzten Jahrzehnte genau das Gegenteil machen: Sie missachten das Grundgesetz und ziehen es vor, in der Außenpolitik Unrecht zu tun: Bundeswehr im Krieg in Afghanistan, deutsche Regierungen leisten Hilfe an die USA bei ihren Kriegen wie in Syrien, vorher in Afghanistan, Libyen, Irak, Somalia, in Mali, und immer noch im Jemen. Deutsche Regierungen genehmigen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien und leisten damit Beihilfe zu den Kriegsverbrechen im Jemen. Deutsche Regierungen lassen wissentlich zu, dass von deutschem Boden aus Verbrechen begangen werden, nämlich von US-Kommandozentralen aus mit Sitz in Deutschland (z.B. Stuttgart und Ramstein). Im Iran-Konflikt brechen die USA rücksichtslos Völkerrecht. Reagiert die Bundesregierung mit Taten darauf? Das alles, dieses schreiende Unrecht, das von deutschen Politikern in Regierungsverantwortung begangen wird, blenden Journalisten der Süddeutschen Zeitung aus. Warum wohl, in wessen Interesse?

Abstoßende Verlogenheit: Grundgesetzwerte nur Schmuck

Soziale Ungerechtigkeit, ungerechte Verteilung des Einkommens und der Vermögen, interne und weltweite Armut, Ungeheuerliche Hochrüstung mit enormen Staatsressourcen, Interventionskriege sind skandalöse flagrante Attentate gegen das Grundgesetz, die auf Konto der Regierungsverantwortlichen gehen. Verdienen diese Grundgesetzbrüche kein SZ-Leitartikel, keine Ermahnung der deutschen Medien? Ist es nicht schändlich, dass gerade Regierungsvertreter und Außenpolitiker die rechtsstaatliche Demokratie verachten? Redaktionen und Journalisten schmücken sich mit den Grundgesetzwerten, aber sie identifizieren sich gar nicht mit solchen Werten, die ihnen lediglich für den Schein dienen. Sonst hätten sie längst die Regierungspraxis an den Pranger gestellt und das Grundgesetz verteidigt. Hier liegt eine offene Scheinheiligkeit, eine hässliche Verlogenheit, die jeder Einwohner Deutschlands erkennen kann. Die Rede des deutschen Außenministers im Auswärtigen Amt am 24.5.2019 ist ein notorisches Beispiel für diese abstoßende Verlogenheit der Staats- und Regierungschefs, die Europas Geschicke leiten. Heiko Maas wiederholt sich laut über Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit und stellt somit seine Unglaubwürdigkeit bloß, seitdem er sich an der Seite des Völkerrechtsbrecher (die westlichen Potentaten) gestellt hat. Die sind eigentlich die Kriegstreiber, die eine unrechtsstaatliche Außenpolitik betreiben, allen voran die USA und das neokoloniale Frankreich. Aber der deutsche Außenminister spielt mit und läuft hinterher. Kein Wunder, dass er kein Wort über den Frieden verliert. Minister, Abgeordnete im Bundestag und EU-Parlamentarier, die sich als Kriegsinterventionisten identifizieren, müssen von ihrem Amt zurücktreten. Sie schrecken alle Welt von der EU ab, die mit diesen Leuten und ihrem rechtswidrigen Verhalten keine Berechtigung hat, weiter zu existieren. Europa ist gewiss viel mehr als diese EU, als dieses Bündel von Angebern, Hochstaplern, Betrügern und Banditen.

Das Grundgesetz als Kampfauftrag

Diesbezüglich ist der Artikel von Patrick Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) über das Grundgesetz „Kampfauftrag“ (UZ am 17.5.2019). völlig zutreffend und entlarvt gleichsam die öffentliche Maskerade der SZ-Redaktion:

"'Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben.' Das begann bekanntlich sehr bald: Ab 1951 wurde die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik betrieben und 1956 vollzogen. 1956 wurde die KPD verboten – die zeitliche Nähe zur Remilitarisierung kam nicht von ungefähr. Ebenfalls 1956 gab es erste Pläne, Notstandsgesetze einzuführen. Eine große Koalition aus CDU und SPD setzte diese 1968 durch. 1972, unter der Regierung von Willy Brandt, wurden die Berufsverbote geschaffen, vorwiegend um die vier Jahre zuvor neu konstituierte DKP in einen Status der Halblegalität zu drängen. Die Annexion der DDR wurde, entgegen dem Sprachgebrauch, nicht als Vereinigung nach dem Artikel 146 GG vollzogen. Darauf folgten die Beteiligung an Kriegen und die faktische Abschaffung des Asylrechts. Der Antifaschismus des Art. 139 des GG wurde niemals konsequent umgesetzt. Die Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes, die zum Gebrauch des Eigentums im Interesse des Gemeinwohls verpflichten und die die Möglichkeit zur Vergesellschaftung von „Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln“ beinhalten, wurden von Anfang an in die Vergessenheit gedrängt. Heute fordert der Verfassungsfeind und FDP-Chef Lindner deren Abschaffung."

Was sagen die Medien dazu? Gibt es auch nur einen einzigen SZ-Leitartikel, der diese Verfassungsbrüche auf höchster Regierungs- und Parteienebene anprangert?

Truppenstationierungsabkommen kündigen

Die IALANA (International Association of Lawyers against Nuclear Arms) befasst sich mit dem Völkerrechtsbruch und ermahnt die Bundesregierung („Abgeschrieben“, junge Welt 23.5.2019): "Inzwischen drohen die USA offen mit der Anwendung militärischer Gewalt und treffen entsprechende Kriegsvorbereitungen." Die Bundesregierung sieht diesen Verstößen gegen die UN-Charta untätig zu, obwohl "sie ebenso wie die Europäische Union rechtmäßig verpflichtet ist die USA 'zur strikten Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen' anzuhalten. Das bedeutet zunächst, sich klar gegen die USA zu positionieren." Wieso erklärt die Bundesregierung nicht deutlich, dass sie sich an einem Angriff auf den Iran weder beteiligen noch diesen in irgendeiner Weise unterstützen noch dulden wird, dass deutsches Territorium dafür genutzt wird? Das Truppenstationierungsabkommen ist von Berlin zu kündigen. Es ist umgehend seitens der Regierung dafür zu sorgen, dass von Deutschland keine Kriege und Verbrechen wie Drohnenmorde ausgehen können oder dafür Hilfe geleistet wird. "Als Vorsitzender des UN-Sicherheitsrates steht damit die Bundesregierung in der Verantwortung, den Sicherheitsrat einzuberufen, da ein Mitglied der Weltstaatengemeinschaft den Weltfrieden gefährdet." (Aus der Stellungsnahme von IALANA, junge Welt, 23.5.2019 - NRhZ-Anmerkung: Die IALANA benennt zwar bezogen auf Ramstein ein Truppenstationierungsabkommen, fordert aber nicht dessen Kündigung.)

Von welcher Rechtsstaatlichkeit schwadroniert der deutsche Außenminister Heiko Maas im Auswärtigen Amt (24.5.2019), der total passiv vor dem flagranten Rechtsbruch gegenüber dem Iran unterlässt, die deutsche Außenpolitik in die völkerrechtsmäßige Richtung zu steuern? Deutsche Redaktionen, die dazu schweigen, verbergen ihre Verantwortung als Kontrollmacht in einer Demokratie. Eine Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen ist einzuberufen, um sich im Sinne des Friedens und der Gerechtigkeit mit dem Iran-Konflikt zu befassen.

Verfassungsfragen sind Machtfragen – Neoliberales System im Grundgesetz nicht festgeschrieben


Patrick Köbele weiter: "Verfassungsfragen sind Machtfragen. Das Grundgesetz … schreibt den Kapitalismus (oder ein neoliberales System d.A.) nicht fest. Auf dem Boden vieler seiner Grundrechte lässt sich kämpfen, auch wenn viele Deformationen, Änderungen, Interpretationen rückgängig zu machen sind. Agendapolitik, Hochrüstung, Kriegseinsätze, Arbeitslosigkeit, Armut, Katastrophe im Gesundheitswesen, Bildungsnotstand sind Anschläge auf die Würde des Menschen, sind Verfassungsbruch, werden aber aufgrund des Kräfteverhältnisses nicht verfolgt. Der Jahrestag des Grundgesetzes ist ein Kampfauftrag, dies zu ändern. Natürlich wollen wir eine Verfassung, die die Grundrechte erweitert. In die Verfassung gehört das Recht auf Arbeit und das Recht auf bezahlbaren Wohnraum, das Recht auf kostenlose Bildung... Und als Wichtigstes, Krieg, Militarisierung, Hochrüstrung sowie die Mitgliedschaft in Aggressionsbündnissen wie der NATO sind zu verbieten." („Über das Grundgesetz - Kampauftrag“ von Patrick Köbele, UZ, 17.5.2019)

In siebzig Jahren in deutschen Machtzirkeln nichts gelernt?

Seit dem Überfall auf Jugoslawien1999 ist die Außenpolitik Deutschlands von Unrechtsstaatlichkeit gebrandmarkt. Nichts hat sich in dieser Hinsicht nach dem deutschen Faschismus geändert. In all den Jahren, und zwar in den siebzig Jahren danach scheint man in deutschen Machtzirkeln nichts gelernt zu haben. Für einen skrupellosen wiederholten Rechtsbrecher wie die USA ist somit Deutschland eine leicht zu dirigierende Marionette, die sich ohne Widerstand für die verheerenden Untaten der USA gegen die internationalen Normen und Verträge hergibt. Verirrte NATO-Journalisten und ein völlig unsicherer und erratischer SPD-Außenminister Heiko Maas sind nicht viel anders als ihre Vorväter, sie bleiben bei Bruch von Recht und Gesetz. Das Grundgesetz scheint für sie nicht zu existieren. Was für eine Demokratie soll das sein, die sich über Recht und Gesetz stellt und überall Kriege führt und Menschen massakriert? Ist diese Art der „Demokratie“ nicht als reiner Faschismus, nämlich als Verachtung von Recht und Gesetz, zu erkennen? Gerade den Verfall in diesen Faschismus haben wir seit dem unaufgeklärten US-Attentat 9/11 erlebt.

Bewunderung der brutalen Stärke und Überlegenheit der USA statt Herrschaft von Recht und Gesetz

Dass immer noch eine gesamteuropäische Sicherheitsstruktur fehlt, in die Russland hineingehört, öffnet der mörderischen aggressiven US-Außenpolitik weiterhin Tür und Tor, eine US-Außenpolitik, die mit Terror und Gewalt arbeitet. Deutschlands Verantwortung hat sich nach der Wende 1989 politisch nicht verwirklicht, wie es gemäß dem Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen zu erwarten ist. Hat sich die EU wirklich grundsätzlich verändert? Nazi-Deutschland existiert nicht mehr, aber der Faschismus ist aus einigen führenden Köpfen der zweiten und dritten Generation nicht substantiell verschwunden. Solche Spezies legen kein Wert auf die Herrschaft von Recht und Gesetz. Ihre Bewunderung gilt der brutalen Stärke und Überlegenheit der USA. Es ist inzwischen aktenkundig, dass ihre Komplizenschaft mit Extremisten und Vandalen zur Außenpolitik geworden ist.

Bruch von Recht und Gesetz vergiften internationale Beziehungen: Bundestag einschalten

Es ist in der Tat bezeichnend für die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland, dass bisher nur aus dem linken Spektrum eine ernsthafte wahrhaftige Verteidigung des Grundgesetz kommt und nicht aus Redaktionen, die sich in blindem Gehorsam für die Regierungspolitik einsetzen, ohne einzusehen, dass gerade die Regierungsmächtigen das Grundgesetz tagtäglich brechen und es nicht respektieren.

Der heutige Faschismus, nämlich der Bruch von Recht und Gesetz, der die internationalen Beziehungen seit den neunziger Jahren immer wieder vergiftet, ist die größte gegenwärtige Gefahr, mit der sich Konferenzen und Medien zu befassen haben. Ihn nicht zu erkennen, beschädigt auf grob fahrlässige Weise die internationalen Beziehungen und öffnet der Gewalt und Barbarei Tür und Tor. Der Bundestag ist aufgerufen, sich diesbezüglich einzuschalten. 70 Jahre Grundgesetz verpflichten dazu.


Verfasst am 26.05.2019 unter Bezugnahme auf Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 23.5.2019: „70 Jahre Grundgesetz – Buch der Bürger“ von Ferdos Forudastan

Luz María de Stéfano Zuloaga de Lenkait ist chilenische Rechtsanwältin und Diplomatin (a.D.). Sie war tätig im Außenministerium und wurde unter der Militärdiktatur aus dem Auswärtigen Dienst entlassen. In Deutschland hat sie sich öffentlich engagiert für den friedlichen Übergang der chilenischen Militärdiktatur zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat, u.a. mit Erstellen von Gutachten für Mitglieder des Deutschen Bundestages und Pressearbeit, die Einheit beider deutschen Staaten als ein Akt der Souveränität in Selbstbestimmung der beiden UN-Mitglieder frei von fremden Truppen und Militärbündnissen, einen respektvollen rechtmäßigen Umgang mit dem vormaligen Staatsoberhaupt der Deutschen Demokratischen Republik Erich Honecker im vereinten Deutschland, für die deutsche Friedensbewegung, für bessere Kenntnis des Völkerrechts und seine Einhaltung, vor allem bei Politikern, ihren Mitarbeitern und in Redaktionen. Publikationen von ihr sind in chilenischen Tageszeitungen erschienen (El Mercurio, La Epoca), im südamerikanischen Magazin “Perfiles Liberales”, und im Internet, u.a. bei Attac, Portal Amerika 21, Palästina-Portal. Einige ihrer Gutachten (so zum Irak-Krieg 1991) befinden sich in der Bibliothek des Deutschen Bundestages.

Siehe auch:

Auszug aus dem Roman "Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen"
Das Grundgesetz, Adenauer und die Teilung Deutschlands
von Wolfgang Bittner
NRhZ 707 vom 29.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25949

Kaffe-Klatsch beim Bundespräsidenten
Das Grundgesetz-Kabarett
Von Ulrich Gellermann
NRhZ 707 vom 29.05.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25946

Online-Flyer Nr. 707  vom 29.05.2019



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