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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Globales
Sie bereiten heißen Herbst vor:
Die Gelbwesten im Sommerloch
Von Georges Hallermayer

Auch diesen Samstag, act XXXIX, ließen sich Hunderte von „Gilets Jaunes“ nicht von der Hitze (und den polizeilichen Personenkontrollen) in den Straßen von Paris abschrecken. Sie forderten vor allem den Rücktritt von Innenminister Christophe Castaner. Christoph Castaner steht als Innenminister seit Wochen in der öffentlichen Kritik. Aktuell werden ihm die 29 Selbstmorde von Polizisten angelastet wie auch die 12monatige Suspendierung von Alexandre Langlois, des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft VIGI Police, was nicht nur ein juristisches Nachspiel haben wird. Aber was als Dauerbrenner die Regierung beunruhigt, so franceinfo am 3. August, ist der Einsatz der Police Nationale in Nantes, wo der 24jährige Steve Maia Canico in der Loire ertrunken ist.

Der Betreuer in einem Kinderhort wurde am 21. Juni 2019 wie 14 andere vom Giftgas und den Prügeln der Polizei nach einer „Fete de la musique“ in Panik in den Fluss getrieben. Wie genau, weiß niemand, resumierte die Neue Zürcher Zeitung am 4. August. Erst am 30. Juli hatte man seine Leiche geborgen. Was zusätzlich den Zorn übers ganze Land verbreitete, war der „Persilschein“, den die dem Minister unterstehende Aufsichtsbehörde, die „Inspection General de Police Nationale“ (IGPN) nunmehr ausstellte, der Einsatz sei „nicht unverhältnismäßig“ gewesen. (Zu einem solchen Urteil kam die IGPN auch schon zur schockierenden kollektiven Misshandlung von Gymnasiasten in Mantes-la-Jolie am 16. Februar.)

In den letzten Wochen hat sich die Bewegung regionalisiert, auch abgeschwächt, vor allem die Medien blocken. Dennoch: Die Gilets Jaunes auf Transparenten „on lache rien“ wir lassen nicht nach. Um nur einige Beispiele vom letzten Wochenende aus Südfrankreich zu nennen: Die Gelbwesten machten sich in Carcassonne fürs Bürger-Referendum und gegen die Privatisierung des Pariser Flughafens stark. In Bandol boten sie an einer Mautstelle freie Durchfahrt, in Toulouse wurden sie mit Tränengas auseinandergetrieben. Dazu kommt, dass bis zum „rentree“, dem Schulbeginn, traditionell eine Art politische Waffenruhe „la treve“ herrscht. Dennoch bereitet sich die Gelbwesten-Bewegung auf einen heißen Herbst vor. „Le Journal du Dimanche“ vom 11. August hat sich umgehört: Bereits der G7-Gipfel im Badeort Biarritz am 24. bis 28. August wird schon die nächste Gelegenheit einer erneuten Mobilisierung bieten. „Les GJ retournent le G7“, mit diesem Slogan „die Gelbwesten drehen den G7-Gipfel um“ wird auf facebook zu einem Gegengipfel der Antiglobalisierungs-Gegner aufgerufen, der in mehreren Städten des Baskenlandes abgehalten werden soll, bevor andere Aktionen den offiziellen Gipfel begleiten.

Priscilla Ludowsky, die mir ihrer Petition die Bewegung auslöste, nicht nur für „Le Monde“ eine der prominenten Sprecher der Gilets Jaunes, nimmt am 31. August an der französisch-schweizer Grenze um Genf herum an einem nationalen Meeting der Gilets Jeunes teil.

Der sowohl von „Les Insoumise“ von Jean-Luc Melenchon als auch von „Rassemblement National“ von Marine Le Pen umworbenen Eric Drouet ruft für den 7. September zu einem „Rassemblement“ in Paris auf: „Die Regierung ist immer noch nicht den Erwartungen der Gilets jaunes und der französischen Bürger nachgekommen… Es ist an uns zu reagieren“, schreibt er.

Die Gruppe von Maxime Nicolle auf Facebook "Fly Rider Infos Blocage" vereinigt mehr als 174 000 followers. Zur Fete Nationale am 14. Juli wurde er wie Jerome Rodrigues (dem man ein Auge ausgeschossen hatte) in Haft genommen. Er ruft für den 21. September zu einer „historischen Mobilisation“ auf, um „zusammen gegen das System zu marschieren, gegen die Zerstörung des Planeten, der Arroganz der Eliten, der Rentenreform, die prekären Monatsenden“ 10.000 haben ihr Interesse signalisiert, 2.000 ihre Teilnahme angekündigt.

Über die im „Le Journal de Dimanche“ von Sprechern der Gilets Jaunes anvisierten Manifestationen hinaus treten örtliche Initiativen auch weiterhin in Aktion: Schüler wie Lehrer, Umweltbewegte, Rentner und Staatsbedienstete gemeinsam mit den Gelbwesten. Gewerkschaften wie politische Gruppen protestieren gemeinsam mit den Gilets Jaunes wie zum Beispiel in Sisteron. Die „Haute Provence Info“ berichtete am 8. August, dass die Gelbwesten das Personal in der Notaufnahme unterstützten, das mehr Stellen, eine Budgetaufstockung und die Rücknahme der skandalösen Schließung während der Nachtstunden forderte.

Der Höhepunkt des „heißen Herbst“ wird in den Winteranfang gelegt: der Jahrestag der Bewegung am Wochenende des 16. und 17. Novembers. „Ein Jahr des Kampfes, das wird gefeiert“, dazu werden mehrere Events organisiert.

Online-Flyer Nr. 715  vom 14.08.2019



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