NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

Fenster schließen

Literatur
Frieder Wagner: Todesstaub made in USA – Uranmunition verseucht die Welt
Hinter einer Nebelwand aus Propaganda
Buchkritik von Hannes Sies

Es ist ein totgeschwiegenes Thema: Uranmunition, also Bomben und Granaten, deren Durchschlagskraft durch Uran aus Atommüll perfektioniert wurde, war im Jugoslawienkrieg, im Irak und Afghanistan eine Geheimwaffe der NATO. Sie hinterlassen verseuchtes Land, vergiften die Zivilbevölkerung und auch die eigenen Truppen - das mysteriöse Golfkriegs-Syndrom. Es ist eine öffentlich kaum bekannte Katastrophe von der Größenordnung der Klima-Krise, ein Umweltdesaster, von dem viele Millionen Menschen schon jetzt betroffen sind, dessen grauenhafte Auswirkungen Jahrhunderte andauern werden. Die furchtbare Frage, die der ehemals Mainstream-angepasste WDR-Journalist Frieder Wagner aufwirft: Werden Siechtum und Tod unbeschreiblich vieler Menschen und künftiger Generationen bei den NATO-Kriegen billigend in Kauf genommen? Oder handelt es sich insgeheim um geplanten Genozid? Einen Genozid, begangen an immer mehr - weit überwiegend muslimischen - Bevölkerungen, vorzugsweise in Ländern, die den Transatlantischen Machteliten geopolitisch im Weg stehen?

Frieder Wagner und Prof. Siegwart-Horst Günther

Dabei erzählt Frieder Wagner eigentlich zwei gleichermaßen skandalöse Geschichten: Erstens die Enthüllung eines militärischen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, des fortgesetzten Bruches von Völkerrecht und Genfer Konvention durch die NATO; zweitens die Enthüllung eines medialen Verbrechens bei der Unterdrückung der Aufklärung über diese Barbarei. Durch wen? Durch unsere Mainstream-Medien, insbesondere unsere angeblich ausgewogenen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten, die keine Staatssender sein wollen, sich aber genau so verhalten: Es ist Frieder Wagners eigene Geschichte. Er ist der WDR-Journalist, der zu viel wusste und darüber auch noch berichten wollte.

Es ist auch die Geschichte eines Journalisten, dem langsam klar wird, dass die Kritiker unserer Mainstream-Medien am Ende leider Recht behalten könnten. Und der erkennen muss, dass besagte Transatlantischen Machteliten auch vor Morden an Kritikern wie ihm nicht zurückschrecken: Zwei Mordanschläge überlebte sein Hauptzeuge, der Strahlenmediziner und Golfkriegssyndrom-Epidemiologe Prof. Siegwart-Horst Günther. Günther war Mitarbeiter von Albert Schweitzer, der DDR-Akademie der Wissenschaften und führender Experte für die Pathologie der Opfer von Uranmunition. Mit ihm bereiste der Dokumentarfilmer Frieder Wagner den Irak, sein Team nahm unter Lebensgefahr Proben verseuchten Bodens, besuchte Krankenhäuser, sprach mit Betroffenen und sammelte bestürzende Fakten und Eindrücke. Für eine zweite Doku fuhren sie 2006 ins Kosovo, wo NATO-Soldaten sich das „Balkan-Syndrom“ zuzogen und die Zivilbevölkerung ebenfalls litt. 2001 kamen erstmals Fragen zu den ca. 30 Tonnen Uranmunition auf, die die NATO dort verschossen hatte. Der damalige Verteidigungsminister Scharping (SPD) bestritt ein Strahlenrisiko dieser Waffen aus „abgereichertem Uran“, engl. Depleted Uranium (DU) genannt. Prof. Siegwart-Horst Günther verstarb 2015, er hatte bis zuletzt für eine Anerkennung der Gefährlichkeit, eine Ächtung von DU-Waffen und eine Entschädigung der Opfer gekämpft.

„Ich habe in den Kinderkrankenhäusern von Bagdad und Basra im Herbst 2003 Bilder des Schreckens gesehen, die mich heute noch in meinen Träumen verfolgen: frisch geborene Babys, ohne Augen, ohne Nase, ohne Kopf, ohne Arme und Beine. Babys, denen die Organe in einem Sack außerhalb des Körpers angewachsen waren. Alle diese Babys starben unter großen Schmerzen nach wenigen Stunden, manchmal auch erst nach Tagen.“ (Frieder Wagner, S.21)

Seit dem Jugoslawien- und erstem Golfkrieg der USA sickerten in den Medien ab und zu Meldungen durch - über ein mysteriöses „Golfkriegssyndrom“ bei US-Soldaten, aber auch Briten und anderen NATO-Truppen. Sie litten unter geschädigter Immunabwehr, die an AIDS erinnerte, Nieren- und Hirnschäden, Leukämie- und Krebsepidemien, bei ihren Nachkommen tauchten gehäuft spezifische Missbildungen auf. Die Militärs leugneten, wiegelten ab, schoben alles auf Saddams angebliche Chemiewaffen, auf Umweltgifte, psychische Störungen, Posttraumatischen Stress usw. Es ging auch um militärische Geheimhaltung, denn Uranmunition war die Geheimwaffe der Golfkrieger, eine Waffe die sich durch Stahlplatten brannte wie ein heißes Messer durch Butter.

Uranmunition machte aus potentiell verlustreichen Panzerschlachten insbesondere in den Golfkriegen gegen den bis an die Zähne bewaffneten Saddam ein billiges Tontaubenschießen für die NATO. Man wollte aber unbedingt geheim halten, dass diese Waffen existierten, wo sie eingesetzt wurden und dass sie auch eigene Truppen verseuchten. Von gegnerischen Soldaten sowie der Zivilbevölkerung und deren künftigen Generationen ganz zu schweigen. Es war Geheimhaltung aus taktischen, aber auch juristischen Gründen. Bush, Blair und ihren Militärs musste klar sein, dass sie mit diesen furchtbaren Waffen nicht nur Völkerrecht, sondern auch Genfer Konvention und Menschenrecht brechen - der beim Kriegseinsatz dieser Waffen freigesetzte Rauch aus Uran-Nanopartikeln kann als verbotene Massenvernichtungswaffe eingestuft werden. Frieder Wagner schließt sich am Ende der international oft erhobenen Forderung an, die Haupttäter Bush, Blair und ihre Militärs in Den Haag vor Gericht zu stellen - sein Buch könnte dort Teil der Beweisführung und Anklageschrift sein.

Uranmunition und Medien-Mainstream

Ob einer vor Gericht Recht bekommt, hängt auch von dem ab, was die derzeitige Öffentlichkeit, zu der ja auch die Richter gehören, meint, denkt und zu wissen glaubt. Ende der 1990er-Jahre tauchten erste Meldungen auf, die ein Golfkriegs-ähnliches „Balkan-Syndrom“ beschrieben, sogar bei deutschen Truppen im Kosovo. Da schlugen die Medienmogule des Mainstream zu: Gero von Randow publizierte Januar 2001 in der ZEIT einen Artikel, der die Ausflüchte der Militärs als einzig richtige Faktenlage hinstellte und alle Fragen nach der Uranmunition für beantwortet erklärte. Abrupt kehrte mediales Schweigen ein (Wagner S.159).

So zeichnet Wagner die Medienlage zum Thema „Golfkriegssyndrom“ Anfang 2001 nach. Danach kam 9/11 und der „Krieg gegen den Terror“, also der Rachefeldzug der USA und ihrer NATO-Verbündeten, natürlich mit Uranwaffen. Afghanistan wurde mit weit überlegener Feuerkraft sturmreif geschossen und für 20 Jahre besetzt, der Irak überfallen, angeblich, um Saddams „Massenvernichtungswaffen“ zu eliminieren. Die existierten aber nicht. Wie wir heute wissen, ging es in Wahrheit um Geopolitik und Erdöl. Massenvernichtungswaffen setzte dagegen G.W.Bush ein: Uranbomben und -granaten, die einen leichten Sieg garantierten und das Land mit dem radioaktiven Schwermetall verseuchten.

Der ehemals gut etablierte WDR-Dokumentarfilmer Frieder Wagner deckt in seinem Buch eine ungeheuerliche Verschwörung von NATO-Militärs, Machthabern und Medien auf: Seit Jahrzehnten blockieren die NATO-Vetomächte im UN-Sicherheitsrat (USA, Großbritannien, Frankreich) ein Verbot der Uranwaffen, unterstützt nur von Israel. 2012 stimmte eine überwältigende Mehrheit von 155 Staaten gegen dieses Kartell, sogar Deutschland wollte die Uranwaffen verbieten. Bei einer erneuten Abstimmung 2014 waren nur noch 150 Staaten für die Ächtung der Uranmunition, Deutschland und baltische Staaten enthielten sich plötzlich der Stimme -eine Wirkung der Westmedien-Blockade von Informationen zum Thema?

Uran ist chemisch giftig und eine Strahlenquelle, die beiden toxischen Wirkungen potenzieren sich gegenseitig zu einen schleichend-tödlichen Giftcocktail. Die Uranmunition-Befürworter benutzen denselben Trick wie die Klima-Skeptiker: Sie finden willige Wissenschaftler, die einen sinnlosen Disput darüber simulieren, ob die tödlichen Wirkungen nun von der Strahlung oder der chemischen Giftigkeit herrühren, ob sie überhaupt existieren und wenn ja, ob sie nicht von anderem als Uranwaffen herrühren. Die Uranwaffen-Kritiker haben die überzeugenden Argumente, werden aber nicht gehört bzw. man beruft sich darauf, die Gelehrten würden ja noch streiten. Dieser miese Trick gelingt hier nur, weil die Westmedien Augen und Ohren vor dem offensichtlichen Leid der Millionen Opfer verschließen. Zumal wenn die Opfer Serben oder Moslems sind, die medial ohnehin in Dauerschleife diskriminiert, gedemütigt und dämonisiert werden.

Balkan-Syndrom: Bundeswehrsoldaten klagen vergeblich

Weniger leicht zieht diese auf rassistischen Ressentiments basierende Medien-Masche, wenn das Opfer „einer von uns“ ist, ein weißer Deutscher wie der Kosovo-Soldat André Horn. Buchautor Frieder Wagner widmet André Horn und dessen von Uranverseuchung verursachtem Leiden und Todeskampf ein eigenes Kapitel. Er begleitet die Hinterbliebenen bei ihren jahrzehntelangen, bisher erfolglosen Versuchen, Bundeswehr und Verteidigungsminister Scharping (SPD) zu einem Schuldeingeständnis und Schadensersatz zu verklagen. In Italien gelang es dagegen am Balkan-Syndrom erkrankten Kosovo-Veteranen bzw. ihren Hinterbliebenen, von der Regierung Entschädigungen einzuklagen.

Womöglich hat sogar deutsche Rüstungsforschung bzw. die Bundeswehr bei der Entwicklung der Uranmunition mitgewirkt, darauf deutet der von Frieder Wagner dokumentierte Fall des Panzerschützen Erich S. hin. Der wurde 1983 zu geheimen Übungen seines Panzerbataillons beordert, erkrankte zwei Jahre später an Krebs und klagte bis zu seinem Krebstod 2011 vergeblich auf Wehrdienstentschädigung. Die Bundeswehr verschanzte sich bei der Aufklärung hinter Geheimhaltung, lieferte durch ihren Wehrtechnischen Dienst sogar bewusst irreführende Angaben, so eine spätere Gerichtsentscheidung. Beweise hatte der Soldat selbst gesichert, da er, was viele Soldaten tun, vom Manöver verbotenerweise Granatenhülsen als Souvenir mitnahm. Auf diesen Hülsen fand sich, wie in seinen Haar- und Urinproben, Uran 236 und Plutonium-Bestandteile der Uranmunition. Durch sein Krebsleiden arbeitsunfähig geworden, verstarb der Ex-Soldat erst 49jährig während des von der Bundeswehr verschleppten Verfahrens.

Uranmunition: Mainstream-Medien mauern seit 2001

Nach dem Artikel „Das Golfkriegs-Syndrom“ von Gero von Randow in der ZEIT 2001 wurde es still um die Uranmunition in deutschen Medien. Das Vertuschungs-Narrativ der Militärs galten nun als Mainstream-Faktenlage. Frieder Wagner wurde dennoch 2002 darauf aufmerksam. Der freiberuflich für den WDR arbeitende Dokumentarfilmer hatte es schwer, Geld von seinem Sender für das ungeliebt Thema aufzutreiben. Sein cleverer Ansatz: Eine menschelnde Dokumentation über einen Prominenten, einen international berühmten deutschen Arzt. Siegwart-Horst Günther, der schon Mitarbeiter des Friedensnobelpreisträgers, Arztes und Theologen Albert Schweitzer in Afrika war. Prof. Günther begann als jüngster Medizinprofessor der DDR und machte sich als Mitglied der Akademie der Wissenschaften im Nahen Osten einen Namen als Arzt und Epidemiologe - zuletzt mit Forschung zu Uranmunition. Wagners Plan gelingt fast, der WDR macht Geld locker, knausert jedoch, so dass der Filmemacher bei anderen Sendern nach Co-Finanzierung suchen muss. Nichts Ungewöhnliches bei unseren Staatssendern, man sucht dann bei „befreundeten“ Sendern des WDR, etwa NDR, HR, SWR oder ARTE. Aber mit seinem Thema Uranmunition beißt Wagner auf Granit: Man hält ihm abwiegelnde Verlautbarungen von Uranwaffen-Befürwortern vor, die Gefährdungen der Gesundheit seien angeblich nie wissenschaftlich bestätigt worden. Erst 2003 findet Wagner doch noch einen Co-Finanzier, die private Filmfirma Telepool. Inzwischen tobte schon der Zweite Golfkrieg, doch dank Uranwaffen kommt es zum schnellen Sieg der US-geführten Allianz. Im September 2003 konnte die Reise des WDR-Filmers mit dem berühmten Mediziner Siegwart-Horst Günther losgehen.

Prof. Günther kam der von NATO-Militärs geheim gehaltenen Gefährlichkeit der Uranmunition im Irak schon ab 1991 auf die Spur: Nach dem ersten Golfkrieg traten mysteriöse Erkrankungen bei Kindern auf, die im völlig zerbombten und zerschossenen Land mit NATO-Granaten-Hülsen oder in verseuchten Bombentrichtern gespielt hatten. Vermutlich wurden schon hier an einer Vertuschung interessierte Geheimdienste auf die Studien des Mediziners aufmerksam. Während seiner Forschungsreise wurde 1991 in Damaskus ein Giftanschlag auf Prof. Günther verübt, 1993 an seinem Wohnort St. Peter Ording ein weiterer Anschlag, der wie ein Autounfall aussehen sollte und ihn schwer verletzte. Doch Günther lässt nicht locker und weist Uran-Spuren an einer Granatenhülse nach, die er nach Deutschland mitgebracht hatte. Setzen sich nun deutsche Behörden in Bewegung, um die Gefahren durch Uranmunition abzuwehren? Nicht wirklich.

Ein Berliner Amtsgericht wirft Prof. Günther strafbare „Freisetzung ionisierender Strahlung“ vor, weil er seine Probe (von der laut Militär keine Gefahr ausgeht) selber in Labore transportiert hatte - und verurteilt in zu einer Geldstrafe. Im Verlauf des Prozesses versucht man 1997 sogar, den betagten Mediziner zu psychiatrisieren. Ein Berliner Amtsrichter ordnet seine Unterbringung in einer Anstalt an, angeblich um zu klären, ob bei dem verdienten Wissenschaftler „eine paranoide Entwicklung“ vorliegt. Günther wendet auch diese Attacke ab und 2002 kommt ihm das Ansuchen von Frieder Wagner gerade recht, im Irak nach weiteren Beweisen zu suchen - die Wagner in seinen Dokumentarfilmen seither zu publizieren sucht.

Hintergrund: Uranmunition-Vertuschung durch IAEA und ICRP

Kritiker der Uranmunition haben es schwer, denn die Gegenseite ist mächtig, skrupellos und kann auf eine lange Praxis der Geheimhaltung und des Ableugnens zurückblicken. Wie Wagner dokumentiert, haben die USA schon seit den Anfängen ihrer Atom-Aufrüstung vertuschende Strukturen etabliert. Schon nach Hiroshima wollten sie ein Monopol auf Wissen um die tödlichen Strahlenwirkungen und erklärten alles für top-secret. Gegnerische Mächte und sogar Verbündete sollten nichts erfahren über Strahlenkrankheit, Krebs und Tod - der Wissensvorsprung war selbst eine militärtaktische Waffe. Für kurze Zeit von 1945-49 herrschte in Washington nukleare Machtbesoffenheit und zugleich panische Angst, die verhassten Sowjets könnten mit einer eigenen A-Bombe gleichziehen. Dies geschah schockierend schnell schon nach vier Jahren, ehe die USA genug Bomben für eine Ausrottung der „gottlosen Kommunisten“ produzieren konnten. Atomspion Klaus Fuchs, später tätig im DDR-Kernforschungszentrum Rossendorf, hatte die Pläne aus den USA geschmuggelt - um den Weltfrieden durch ein Gleichgewicht der Mächte zu sichern. Bald detonierte die erste sowjetische Atomexplosion, während die USA mit Red Scare und einer Hexenjagd auf angebliche Kommunisten eine totalitäre Zeit erlebten.

Die paranoiden Machteliten der USA sicherten ihre Kontrolle über medizinische Daten zu Strahlenschäden durch die IAEA (Internationale Atomenergiebehörde). Die IAEA sollte über eine Suborganisation namens ICRP verhindern, dass die eigentlich zuständige UNO-Gesundheitsbehörde WHO das Gebiet neutral untersucht. Bis heute gibt die ICRP (International Commission on Radiological Protection) Messmethoden vor, die leider so gehalten sind, dass Gesundheitsschäden durch langfristige Strahlenbelastung nur ungenau bestimmt werden können, wie Frieder Wagner dokumentiert. Solche Belastungen fallen an bei Atomwaffen-Fallout, AKWs oder auch Uranmunition. Ein Glück für Atomindustrie und Militärs, die sonst Schadensersatzklagen fürchten müssten. Die undurchsichtig „sich selbst organisierende“ ICRP liefert also pseudowissenschaftliche Vorlagen für das bis heute andauernde Vertuschen der Krebs-Epidemie in Uranwaffen-Kriegsgebieten, berichtet Wagner (S.143, 228).

Uranwaffen-Kritik: Von WDR und DLF abgemeiert

Im April 2004 war Frieder Wagner dabei, seine unter Lebensgefahr gefilmte Doku für die im Juni geplante Sendung aufzubereiten und zu schneiden. Da rief ihn plötzlich der verantwortliche Redakteur Jo Angerer an und wollte den Sendetermin auf den 26.April vorverlegen, weil das der 18.Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe sei. Das hätte man eigentlich vorher wissen können, aber plausibel klang es für den Filmer sicherlich - so konnten die NATO-kritischen Inhalte der heiklen Doku mit ablenkenden Hinweisen auf das Atom-Desaster des ideologischen Feindes Sowjetunion präsentiert werden. Der arglose Wagner geriet jetzt unter Stress, schaffte es zwar rechtzeitig, wurde aber dennoch reingelegt: „Ich bedachte nicht, dass der Film etwa 14 Tage nach der technischen Abnahme schon gesendet werden würde und so in keiner Programmzeitschrift mehr angekündigt werden konnte.“ (S.99) Folge: Seine Doku „Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“ erreichte 2004 nur 320.000 Zuschauer, für eine erfolgreiche Quote hätten es über 500.000 sein müssen. Der WDR ließ mit dieser Begründung den Film im Archiv verschwinden. Nur eine nächtlich Ausstrahlung bedeutet eine Beinahe-Zensur dieses regierungskritischen Themas.

Nebenbei auch finanzielle Einbußen des Filmemachers - der zudem seither mit keinem weiteren Film beim WDR landen konnte, egal zu welchem Thema. Kollegen wandten sich von ihm ab, er wurde kaltgestellt. Ein alter WDR-Bekannter steckte ihm, im Sender hätte man über ihn gemunkelt, er gelte jetzt als „schwieriger Autor“ mit „schwierigen“ Themen. Derselbe Mann, später noch einmal darauf angesprochen, leugnete, so etwas je gesagt zu haben. Doch es blieb dabei: Der einst hochgelobte WDR-Filmer Frieder Wagner wurde zur Unperson im Sender, ungeachtet seiner Verdienste, inklusive eines goldenen Grimmepreises (diese verleihen sich unsere Öffentlich-Rechtlichen gerne selbst). Er konnte nie wieder einen Beitrag für unsere ach so freien Staatssender produzieren. Zensur? Findet natürlich nicht statt. Alles Zufall.

Nicht einmal einen mickrigen 20-Min-Hörfunk-Beitrag im Deutschlandfunk konnte Wagner noch zum Thema Uranmunition unterbringen. Der wäre allerdings fast durchgerutscht, und es sind die einzigen heiteren Stelle des ansonsten bestürzenden Buches: Mit hanebüchenen Behauptungen und kleinkarierter Krittelei wird sein schon bestelltes und fertiges Sendemanuskript zuletzt doch noch abgelehnt. Der Leiter von „Hintergrund Politik“, Rolf Clement, will die Sendung nicht mehr, die sein scheidender Vorgänger Rainer Burchard dem Nachfolger noch schnell als heikles Ei ins Nest gelegt hatte. Redakteur Clement bemüht die Kollegen der Wissenschaftsredaktion, die sich mit bornierter und teils blamabler Pseudowissenschaft gegen Frieder Wagner in Stellung bringen. Im Buch widerlegt er Punkt für Punkt die ideologisch motivierten DLF-„Wissenschaftler“, die leider nicht einmal den Unterschied von Atomgewicht und Dichte eines Schwermetalls begriffen haben.

So wird man als Regimekritiker vom DLF abgemeiert - ein Lehrstück für die kritischen Medienwissenschaften. Und die Widerlegung rechter Medienkritiker wie Klaus Kunze, die unsere Sendeanstalten für einen Hort linker Gesellschaftskritik halten. Frieder Wagners Illusionen von freien Medien der „Freien Welt“ (wie der NATO-dominierte Westen sich selbst gerne nennt) sind geschwunden. Er zitiert Noam Chomsky und Harold Pinters Nobel Speech zur „Medienhypnose“ der westlichen Welt und berichtet davon, dass auch drei andere missliebige Journalisten Hausverbot bekämen (S.164). Sein Buch deckt einen der größten Militär-Skandale unserer Zeit auf, eines der schlimmsten Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit, die je begangen wurden - und weiter begangen werden. Wenn wir den Medien-Mainstream nicht daran hindern, alles hinter einer Nebelwand aus Propaganda verschwinden zu lassen.


Frieder Wagner: Todesstaub – made in USA



ProMedia Verlag, Wien 2019, 232 Seiten, 22 Euro,


Frieder Wagner, geboren 1942, ist deutscher Journalist und Filmemacher. Für seine Fernseharbeiten wurde er mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. Seit 1982 stellt er in Personalunion als Autor, Kameramann und Regisseur eigene Fernsehdokumentationen für ARD und ZDF her. Seine für die WDR-Reihe „Die Story“ gedrehte Dokumentation „Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“ über die Folgen des Einsatzes der Uranmunition erhielt 2004 den Europäischen Fernsehpreis.


Siehe auch:

Tabuthema Uranmunition – warum spielen unsere Medien da mit?
Das leise Sterben nach dem Krieg
Von Dr. Sabine Schiffer
NRhZ 137 vom 12.03.2008
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=12168

Absturz eines US-Kampfjets mit Uran-Munition in der Vulkaneifel
Medien unter Militärzensur?
Von Wolfgang Effenberger
NRhZ 296 vom 06.04.2011
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16363

Deadly Dust – Todesstaub - Uran-Munition und die Folgen
Dokumentarfilm von Frieder Wagner (Video, 1:32 h) bei VideoGold
https://videogold.de/deadly-dust-todesstaub/


Nachrecherche Okt 2021

Beim WDR findet man aktuell nur einen einzigen Treffer zu Uranmunition: Einen Verweis auf einen zehn Jahre alten Artikel über Scharping, der sich nicht einmal abrufen ließ.
https://www1.wdr.de/suche/index.jsp?sort=date&q=uranmunition&von=&bis=#customForm-cptblock-wdrsucheinclude100

Ihre Suche nach "uranmunition" ergab 1 Treffer. Angezeigt werden die Treffer 1 bis 1
Beitrag vom 24.02.2014
Rückschau 2001
18.01.2001 Uranmunition - Was Minister Scharping verschweigt Tod durch Radar - Die Bundeswehr verstößt gegen Strahlenschutz Die Nazis überlebt, von Skinheads bedroht - Ein schwarzer Deutscher in Eberswalde Die Lüge vom Ökostrom - e.on
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/rueckschauzweitausendeins100.html

Online-Flyer Nr. 778  vom 13.10.2021



Startseite           nach oben