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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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125 Jahre Zionistenkongress in Basel – (K)ein Grund zum Feiern.
"In Basel habe ich den Judenstaat gegründet"
Von Markus Heizmann (Bündnis gegen Krieg, Basel)

125 Jahre ist es nun her, seit Theodor Herzl, einer der Exponenten der zionistischen Bewegung, in seine Tagebücher schrieb: «In Basel habe ich den Judenstaat gegründet.» Darauf ist Basel ganz offensichtlich stolz, obwohl die Stadt am Rheinknie im Jahr 1897 nicht Herzls erste Wahl war, als er damit begann, seinen Kongress zu organisieren. In Wien und in München, die Herzls bevorzugte Austragungsorte gewesen wären, wurde ihm der Zuspruch verweigert. Nicht etwa durch die dortigen Behörden, nein die jüdischen Gemeinden verhinderten erfolgreich die Durchführung des Zionistenkongresses, weil sie im Gegensatz zu Herzl und Konsorten auf ein Miteinander mit allen Bevölkerungsgruppen, nicht auf Abspaltung setzten. Diese Bestrebungen, werden bis heute von den Zionisten verächtlich «Assimilation» (Anpassung) genannt. Schweizer Zionisten, Gesinnungsgenossen von Herzl, rieten ihm darauf, die Veranstaltung in die Schweiz zu verlegen, was er dann auch mit Erfolg tat. Trotzdem sollte es noch 51 Jahre dauern, bis 1948 der «Staat Israel» ausgerufen wurde. Das die Gründung Israels eine direkte Folge der massenhaften Ermordung europäischer Juden durch die deutschen Faschisten war, ist eine der zahlreichen zionistischen Legenden. Dies belegt u.a. der Historiker John Rose in seinem Werk «Mythen des Zionismus – Stolpersteine auf dem Weg zum Frieden» (1)


Ihr könnt unsere Geschichte nicht auslöschen

John Rose ist jedoch beileibe nicht der einzige Autor, der dem gängigen zionistischen Narrativ von «Israel als sicherer Heimstätte für das jüdische Volk» vehement widerspricht. Genannt seien des weiteren Norman Finkelstein (2) oder Hubert Krammer (3). Gemeinsam sind diesen und anderen Autoren das Bestreben, den medienwirksamen zionistischen Lügen («Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land», «sichere Heimstätte für das jüdische Volk», «Gleichsetzung von Anti Zionismus mit Antisemitismus» und anderes mehr) eine gediegene, faktenbasierte Analyse gegenüber zu stellen.

Bei einer faktenbasierten Analyse muss auch vermittelt werden, dass der hier fälschlicherweise «Antisemitismus» genannte Antijudaismus ein originär europäisches Phänomen ist. Diskriminierung, Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen gab es ausschliesslich in Europa. Aus Europa stammt denn auch die Idee eines «Judenstaates». Dies ist nicht die Idee von Theodor Herzl. Bereits Napoleon fantasierte von einem militärischen Brückenkopf, den es in Palästina zu errichten gelte, damals gegen Ägypten und gegen die Völker Afrikas. Diese imperialistischen Aggressionen haben also eine schreckliche Kontinuität. Die kolonialen und imperialen Mächte der damaligen Zeit haben, ebenso wie die heutigen Imperialisten der USA und der NATO Staaten ein massives Interesse daran, die Region zu spalten. Auch das traditionelle, jahrtausendealte Zusammenleben aller Kulturen und Religionen, wie es in der arabischen Welt gepflegt wurde und noch immer wird, wird durch Israel als einem exklusiven Staat, der für jüdische Menschen und für sonst niemanden da sein soll, empfindlich gestört.

Dass Herzl, zwar nicht vor vor 125 Jahren, aber überhaupt, «den Judenstaat» gegründet haben soll, ist eine zionistische Geschichtsklitterung. Der «Judenstaat» ist entstanden, weil es die damaligen imperialistischen Mächte, allen voran England und Frankreich so wollten, weil es in ihrem geostrategischen Interesse lag. Lange vor Herzl, lange vor der massenhaften Ermordung jüdischer Menschen in Europa durch die deutschen Faschisten gab es bereits Pläne zur militärischen Besetzung Palästinas durch die imperialistischen Mächte.

Der heutige Apartheid-Staat Israel besteht, weil es die heutigen imperialistischen Mächte, die USA und die NATO-Staaten so wollen; damals wie heute brauchen sie einen militärischen und gesellschaftlichen Spaltpilz in der Region, ganz nach dem alten imperialistischen Dogma: «Teile und herrsche».

Heute wie vor 125 Jahren: Die offizielle Schweiz in Kumpanei mit dem Unrecht

Nur notorische Transatlantiker oder eben eingefleischte Zionisten beharren noch immer auf der Rechtsstaatlichkeit Israels: Tatsächlich ist Israel ein Gebilde, welches seit seinem Bestehen ungestraft UNO Resolutionen missachtet, gleichermaßen wie es Menschen- und Völkerrecht ungestraft täglich mit Füssen tritt. Dies scheint die Weltöffentlichkeit ebenso wenig zu kümmern wie die offizielle Schweiz oder die Obrigkeit der Staat Basel: Vor 125 Jahren wurde zugelassen, dass sich Zionisten in Basel treffen. Vor 25 Jahren wurde zugelassen, dass sie mit viel Pomp die 100 Jahr Feier ihres damaligen Kongresses feiern konnten. Selbstverständlich gab es auch vor 25 Jahren Widerstand gegen diese Feiern, der jedoch nach Kräften diffamiert und wo immer möglich instrumentalisiert wurde. In den 25 Jahren, die ins Land gezogen sind, hat sich scheinbar nicht all zu viel verändert: Noch immer hofieren die Regierungsmitglieder der Schweiz und die lokalen Behördenvertreter Basels uneingeschränkt und kritiklos dem zionistischen Regime im besetzten Palästina, welches ungehindert mit Landraub, Massakern, Vertreibung und Apartheid weiter macht. Diese Kumpanei ist unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Landes- oder der lokalen Regierung. Die «Sicherheit Israels» ist in der Schweiz zwar nicht Staatsräson, so wie das in Deutschland der Fall ist, gleichwohl existieren in der Schweiz kaum PolitikerInnen, welche Israel ernsthaft und fundamental zu kritisieren wagen. So erstaunt es denn auch wenig, dass auch heute im Jahr 2022, nach all den israelischen Gräueltaten, von denen diejenigen gegen die Zivilbevölkerung von Gaza nur die Spitze des Eisberges bilden, nach erneutem Landraub, nach wiederholten und gut dokumentierten Verbrechen des israelischen Staates eben dieser Staat in Basel abermals abgefeiert werden werden soll. Diesmal geht es um die 125 Jahr Feier des 1. Zionistenkongresses.

Eine neue Generation

So bildete sich, nachdem bekannt geworden war, dass der Zionistenkongress, 125 Jahre später in Basel erneut gefeiert werden soll, ein Organisationskomitee, welches sich zum Ziel setzte, den offiziellen Feierlichkeiten eine kritische Alternative entgegen zu setzen. In diesem Komitee fanden sich VertreterInnen der Palästina Solidarität und die VertreterInnen verschiedener Bewegungen, von denen einige schon bei den Feierlichkeiten vor 25 Jahren protestiert hatten – sozusagen die alte Garde. Neu kam jedoch eine Generation von Jungen, auch von jungen PalästinenserInnen hinzu, denen es offensichtlich gelungen ist, frischen Wind in die Strukturen der Proteste zu blasen. Es darf spekuliert werden: Ohne diese neue Generation wären die Gegenveranstaltungen und die Demonstration in Basel wahrscheinlich weitgehend in der Unverbindlichkeit stecken geblieben. Das Unrecht welches den PalästinenserInnen täglich widerfährt, wird zwar benannt, jedoch nicht in der gebotenen Deutlichkeit. Kommt dazu, dass im Sinn einer Selbstdenunziation immer wieder betont wird, dass «Antisemitismus keinen Platz» habe. Dies ist in der Tat unvereinbar: Mit einer antizionistischen, einer antiimperialistischen und einer antirassistischen Grundhaltung versteht es sich von selbst, dass sich ein - wie auch immer gearteter - Antisemitismus von selbst verbietet. Im Sinn eines vorauseilenden Gehorsams gleichwohl zu versichern, «man sei nicht antisemitisch», ist daher kaum nachvollziehbar.

Solche Floskeln fanden sich zwar an den diesjährigen Protesten, sie gingen jedoch in den authentischen palästinensischen Stimmen, welche ein tragender, wenn nicht der tragende Teil der Veranstaltungen waren weitgehend unter. So ist es gelungen, mit Mohamed Khatib, vom Samidoun Netzwerk (4) einen Redner einzuladen, dessen kämpferische Beiträge nicht nur ein tragender Teil der Veranstaltungen waren, sondern sie geradezu prägten. Ausserdem ist es gelungen an der gut besuchten Veranstaltung vom 27. August im Gewerkschaftshaus Dr. Mustafa Barghouti (5) per livestream zu zuschalten. Auch wenn Mustafa Barghouti bei einigen PalästinenserInnen ebenso umstritten sein mag wie Mahmoud Abbas selbst, sind dies doch äußert positive Entwicklungen, die zeigen, dass die neue Generation der Palästina Solidarität gegenwärtig auf einen guten Weg ist.

Wenn es um Israel geht, spielt Geld keine Rolle!

«An einer Medienkonferenz Anfang Monat [August] bezifferte Regierungspräsident Beat Jans die Sicherheitskosten für den Anlass auf rund 5,7 Millionen Franken. Die Regierung habe deshalb beim Grossen Rat einen Nachtragskredit von rund 4,9 Millionen Franken beantragt. Am Dienstagnachmittag bewilligte das Basler Parlament den Kredit mit 90 Ja gegen eine einzige Neinstimme bei Null Enthaltungen.» (6)

Diese lapidare Meldung entnehmen wir dem Lokalblatt «Basler Zeitung». Nebenbei: Der genannte Regierungspräsident Jans ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Schweiz.

Die Schweizer Medienlandschaft bleibt gegenüber den 125-Jahr Feierlichkeiten zum Zionistenkongress unkritisch und oberflächlich. Ein Beitrag aus einer news Sendung des staatlichen Schweizer Fernsehens illustriert diese kritiklose Rezeption. (7) (Ein etwas differenziertes Bild zeichnet Russia today (englisch) unter der Schlagzeile: "'This is something that only Russian Jews can do': How modern Zionism was created 125 years ago") (8)

Die «Sicherheit» kostet also also die SteuerzahlerInnen Basels 5,7 Millionen Franken. Wofür die Basler Regierung diese rund 6 Millionen Schweizer Franken verbraten hat, ist allen klar, welche die letzten Tage des August 2022 in der Stadt waren: Absperrgitter, Betonboller, während des Kongresses wurde der Luftraum über Basel zeitweise gesperrt, Polizeieinsatzkräfte aus mindestens 5 Kantonen, Armeehubschrauber, sowie die Armee selbst waren im Einsatz und markierten RoboCops nicht unähnlich, Präsenz. So wie Israel selbst einen Grossteil seines BIP in seine militärische Infrastruktur steckt, haut nun anlässlich des Zionistenkongresses auch die Stadt Basel Steuergelder auf den Kopf: Offensichtlich sind geschätzte 500 DemonstrantInnen dermaßen gefährlich, dass ihnen nicht anderes als mit einem völlig absurden und überdimensionierten Polizei- und Militäraufgebot entgegen getreten werden kann.

Die Demonstration vom 28. August verlief übrigens vollkommen friedlich, weder kam es zu Zusammenstössen mit den breitbeinig und provozierend dastehenden Ordnungshütern, noch wurden Sachbeschädigungen gemeldet. Fazit: 5,7 Millionen Schweizer Franken, wahrscheinlich erhöht sich diese Summe noch, werden buchstäblich für gar nichts vernichtet.

Vielleicht doch ein Grund zum Feiern? Tanz auf den Ruinen des Kapitalismus, des Imperialismus und des Zionismus


Das Motto der Protestierenden lautete heute wir vor 25 Jahren: «Kein Grund zum feiern!» Dem kann natürlich nicht widersprochen werden, wenn es um die offiziellen Jubelfeiern geht, welche die Stadt Basel mit viel Geld und Pomp für die Zionisten auf die Beine stellt. Und doch gab es zum Schluss der Demo Jubel, Umarmungen, palästinensische Musik und Tanz auf den Strassen. Als Metapher könnte gesagt werden, die Demonstration tanzte auf den Ruinen des Kapitalismus, des Imperialismus und des Zionismus. Genau das macht uns Hoffnung: Bei aller Trauer ob den Opfern der zionistischen Aggressionen, bei aller Wut ob den imperialistischen Verbrechen nicht nur in Palästina, sondern weltweit, bleibt uns allen das Leben, die Liebe und der Tanz. Der palästinensische Widerstand ist nicht zuletzt dadurch ein leuchtendes Beispiel.



Gleich zu Beginn, auch im Aufruf zur Demo wurde klar gemacht: Alle Fahnen, ausser der palästinensischen Fahne sind unerwünscht. In Ihrer überwiegenden Mehrheit hielten sich die TeilnehmerInnen daran. (alle Fotos: Markus Heizmann)


Polizei- und Militäraufgebot war enorm, keine Seitenstrasse entlang der Demoroute ohne die bis an die Zähne bewaffnete Polizei.


George Ibrahim Abdallah, ein Held des palästinensischen Widerstandes, der in Frankreich gefangen gehalten wird.


Stacheldraht und Absperrungen entlang der Demoroute


Die Demoroute führte durch Innerstadt


Ein Mannschaftswagen der Schweizer Armee. Polizeieinsatzkräfte aus mindestens 5 Kantonen genügten offenbar nicht


Vor dem Rathaus


Das Hotel «Drei Könige» in Basel, direkt am Rhein. Hier residierte Theodor Herzl während des 1. Zionistenkongresses 1897


End Zionism Now


Um den Anschein der Weltoffenheit nicht zu gefährden, sind durchaus auch kritische Fragen erlaubt - der Schein muss schließlich gewahrt bleiben


Mohamed Khatib


Die Freunde und Helfer sollen verhindern, dass die genehmigte Route verlassen wird


Am Claraplatz, Ende der von den Behörden genehmigten Route


Fußnoten:

1 John Rose: Mythen des Zionismus – Stolpersteine auf dem Weg zum Frieden, Rotpunktverlag, 2006
2 Norman Finkelstein: Die Holocaustindustrie. Wie das Leiden der Juden ausgebeutet wird. Piper, 2001
3 Hubert Krammer: Jenseits der Mythen – eine Quellenrecherche, TuP Verlag, 2010
4 https://samidoun.net/
(Zugriff August 2022)
5 Mustafa Barghouti ist Arzt, und Gründer der palästinensischen nationalen Initiative (PNI). 2005 erreichte er bei den Wahlen für das Amt des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde den zweiten Platz nach Mahmoud Abbas.
6 https://www.bazonline.ch/hohes-sicherheitsdispositiv-bund-beteiligt-sich-an-den-kosten-759332917185
(Zugriff August 2022)
7 https://www.srf.ch/news/schweiz/zionistenkongress-gala-israels-staatspraesident-in-basel-zionismus-alschance
(Zugriff August 2022)
8 https://www.rt.com/news/561709-125-years-of-zionism/
(Zugriff August 2022)


Siehe auch:

Olympiade 1972 in München, 'Schwarzer September' und die Sabotage des Friedens
"Das machen wir selbst"
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 797 vom 31.08.2022
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28231

Online-Flyer Nr. 797  vom 31.08.2022



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