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Krieg und Frieden
US-Gericht ignoriert Empfehlung der UN-Menschenrechtskommission
Verweigerer in Mannheim nicht anerkannt
Von Endy Hagen und Rudi Friedrich
Das Washingtoner Gericht hat seine Entscheidung unter anderem damit begründet, dass "die Entscheidung des Militärs nur dann zu widerrufen ist, wenn sie einer faktischen Grundlage entbehrt". Das sei jedoch nicht der Fall. Aguayo habe seinen Antrag erst kurz vor seiner Verlegung in den Irak gestellt. Zudem bezweifelte das Gericht, dass seine Überzeugungen "der Strenge und Hingabe" entsprächen, "mit der traditionelle religiöse Überzeugungen formuliert sind" oder ihm "nur noch die Wahl lassen, in Übereinstimmung mit seiner Überzeugung zu handeln".
Diese theoretischen Konstruktionen bewahrten das Gericht vor einer Auseinandersetzung mit der Faktenlage. Tatsächlich hatte sich Agustín Aguayo bereits während seines ersten Einsatzes im Irak im Jahr 2004 geweigert, eine Waffe zu tragen. Einer erneuten Verlegung in den Irak im September 2006 hat er sich ungeachtet der hierfür drohenden Sanktionen durch Flucht entzogen. Und all die Zeit hindurch versuchte er seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer durchzusetzen.
Unbekannter Demonstrant in Fort Lewis, USA
Foto: Helga Aguayo
Menschenrechts- und Verweigerergruppen nicht nur in den USA erwarteten das Urteil mit Spannung: Seit dem Vietnamkrieg dürfen US-amerikanische Zivilgerichte gemäß dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit (Habeas Corpus) die Entscheidungen des Militärs über Anträge von Kriegsdienstverweigerern überprüfen. Damit soll ein wesentlicher Aspekt der Religionsfreiheit geschützt werden: das Recht auf Wehrdienstverweigerung.
Washingtoner Gericht folgt Armee
Das Washingtoner Gericht jedoch ist offenbar der Argumentation der Armee gefolgt, das Gericht solle sich auf ihre "Fachkompetenz" verlassen, ohne irgendeine nachprüfbare sachliche oder logische Begründung für die ablehnende Entscheidung zu verlangen. In den USA geht man davon aus, dass dieses Urteil die Bereitschaft der Zivilgerichte deutlich senken wird, die Ablehnung von Anträgen von Angehörigen der US-Armee in Zweifel zu ziehen, die aus Gewissensgründen nicht an einem Krieg teilnehmen wollen.
Agustín Aguayo - wartet auf seinen Prozess in Mannheim
Foto: Rudi Friedrich von Connection e.V.
Das Urteil steht auch im Widerspruch zu den Resolutionen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. In diesen werden für Anträge auf Kriegsdienstverweigerung "unabhängige und unparteiische Entscheidungsgremien" gefordert. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass "Personen, die Militärdienst leisten, Gewissensgründe entwickeln können" (Entschließung 1998/77 vom 22. April 1998).
Die Berater des Military Counseling Network (MCN), die Aguayo bei seinem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung unterstützt hatten, zeigten sich enttäuscht über die Entscheidung des Gerichts, aber nicht überrascht. "Nach all den Ablehnungen durch das Militär und die Gerichte war kaum noch zu erwarten, dass das Berufungsgericht endlich die Gewissensentscheidung anerkennt", sagte Michael Sharp vom MCN kurz nach Bekanntwerden des Urteils.
Signal an andere US-Deserteure
"Hier soll offensichtlich ein Exempel statuiert werden", erklärte Rudi Friedrich von Connection e.V. "Angesichts zunehmender Kritik am Einsatz der US-Truppen im Irak soll damit den US-SoldatInnen klar signalisiert werden, dass ihnen scharfe Konsequenzen bei einer Verweigerung drohen." Der SPIEGEL hatte bereits in seiner Ausgabe vom 8. Oktober 2006 unter Berufung auf die Zeitung "USA Today" von mindestens 8.000 US-Soldaten gesprochen, die seit Beginn des Irak-Kriegs im Frühjahr 2003 weltweit von ihren Einheiten desertiert seien. Weiter hieß es dort "Das Fachmagazin "Air Force Times" schreibt gar von 40.000 desertierten GIs seit dem Jahr 2000. Hunderte suchen Zuflucht im Nachbarland Kanada, wo eine Gruppe engagierter US-Deserteure derzeit um politisches Asyl kämpft. Doch einige tauchen auch in Deutschland unter." Dies bestätigt auch Elsa Rassbach von den American Voices Abroad. Sie koordiniert derzeit einen Besuch der Familie Aguayo im März dieses Jahres in Deutschland. "Wir werden Agustín Aguayo weiter unterstützen, gerade auch bei dem noch ausstehenden Verfahren in Würzburg. Unser Ziel bleibt die Durchsetzung eines umfassenden Rechts auf Kriegsdienstverweigerung."
Verfahren in Würzburg öffentlich
Wegen seiner Weigerung, sich erneut in den Irak verlegen zu lassen, ist gegen Agustín Aguayo wegen "Desertion" und "Verpassens der Verlegung der Einheit" Anklage erhoben worden. Ihm droht eine Haft von sieben Jahren. Zudem sind dann, so ein Sprecher des Joint Multinational Training Command in Grafenwöhr, alle Gehalts- und Abfindungsansprüche verwirkt, er werde degradiert und unehrenhaft entlassen werden.
Das Verfahren wird am 6. März 2007 um 9.00 Uhr in den Leighton Barracks in Würzburg beginnen. Das Verfahren ist öffentlich.
Weitere Informationen unter www.Connection-eV.de/usa/aguayo.html oder www.aguayodefense.org
Online-Flyer Nr. 84 vom 28.02.2007
US-Gericht ignoriert Empfehlung der UN-Menschenrechtskommission
Verweigerer in Mannheim nicht anerkannt
Von Endy Hagen und Rudi Friedrich
Das Washingtoner Gericht hat seine Entscheidung unter anderem damit begründet, dass "die Entscheidung des Militärs nur dann zu widerrufen ist, wenn sie einer faktischen Grundlage entbehrt". Das sei jedoch nicht der Fall. Aguayo habe seinen Antrag erst kurz vor seiner Verlegung in den Irak gestellt. Zudem bezweifelte das Gericht, dass seine Überzeugungen "der Strenge und Hingabe" entsprächen, "mit der traditionelle religiöse Überzeugungen formuliert sind" oder ihm "nur noch die Wahl lassen, in Übereinstimmung mit seiner Überzeugung zu handeln".
Diese theoretischen Konstruktionen bewahrten das Gericht vor einer Auseinandersetzung mit der Faktenlage. Tatsächlich hatte sich Agustín Aguayo bereits während seines ersten Einsatzes im Irak im Jahr 2004 geweigert, eine Waffe zu tragen. Einer erneuten Verlegung in den Irak im September 2006 hat er sich ungeachtet der hierfür drohenden Sanktionen durch Flucht entzogen. Und all die Zeit hindurch versuchte er seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer durchzusetzen.
Unbekannter Demonstrant in Fort Lewis, USA
Foto: Helga Aguayo
Menschenrechts- und Verweigerergruppen nicht nur in den USA erwarteten das Urteil mit Spannung: Seit dem Vietnamkrieg dürfen US-amerikanische Zivilgerichte gemäß dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit (Habeas Corpus) die Entscheidungen des Militärs über Anträge von Kriegsdienstverweigerern überprüfen. Damit soll ein wesentlicher Aspekt der Religionsfreiheit geschützt werden: das Recht auf Wehrdienstverweigerung.
Washingtoner Gericht folgt Armee
Das Washingtoner Gericht jedoch ist offenbar der Argumentation der Armee gefolgt, das Gericht solle sich auf ihre "Fachkompetenz" verlassen, ohne irgendeine nachprüfbare sachliche oder logische Begründung für die ablehnende Entscheidung zu verlangen. In den USA geht man davon aus, dass dieses Urteil die Bereitschaft der Zivilgerichte deutlich senken wird, die Ablehnung von Anträgen von Angehörigen der US-Armee in Zweifel zu ziehen, die aus Gewissensgründen nicht an einem Krieg teilnehmen wollen.
Agustín Aguayo - wartet auf seinen Prozess in Mannheim
Foto: Rudi Friedrich von Connection e.V.
Das Urteil steht auch im Widerspruch zu den Resolutionen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen. In diesen werden für Anträge auf Kriegsdienstverweigerung "unabhängige und unparteiische Entscheidungsgremien" gefordert. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass "Personen, die Militärdienst leisten, Gewissensgründe entwickeln können" (Entschließung 1998/77 vom 22. April 1998).
Die Berater des Military Counseling Network (MCN), die Aguayo bei seinem Antrag auf Kriegsdienstverweigerung unterstützt hatten, zeigten sich enttäuscht über die Entscheidung des Gerichts, aber nicht überrascht. "Nach all den Ablehnungen durch das Militär und die Gerichte war kaum noch zu erwarten, dass das Berufungsgericht endlich die Gewissensentscheidung anerkennt", sagte Michael Sharp vom MCN kurz nach Bekanntwerden des Urteils.
Signal an andere US-Deserteure
"Hier soll offensichtlich ein Exempel statuiert werden", erklärte Rudi Friedrich von Connection e.V. "Angesichts zunehmender Kritik am Einsatz der US-Truppen im Irak soll damit den US-SoldatInnen klar signalisiert werden, dass ihnen scharfe Konsequenzen bei einer Verweigerung drohen." Der SPIEGEL hatte bereits in seiner Ausgabe vom 8. Oktober 2006 unter Berufung auf die Zeitung "USA Today" von mindestens 8.000 US-Soldaten gesprochen, die seit Beginn des Irak-Kriegs im Frühjahr 2003 weltweit von ihren Einheiten desertiert seien. Weiter hieß es dort "Das Fachmagazin "Air Force Times" schreibt gar von 40.000 desertierten GIs seit dem Jahr 2000. Hunderte suchen Zuflucht im Nachbarland Kanada, wo eine Gruppe engagierter US-Deserteure derzeit um politisches Asyl kämpft. Doch einige tauchen auch in Deutschland unter." Dies bestätigt auch Elsa Rassbach von den American Voices Abroad. Sie koordiniert derzeit einen Besuch der Familie Aguayo im März dieses Jahres in Deutschland. "Wir werden Agustín Aguayo weiter unterstützen, gerade auch bei dem noch ausstehenden Verfahren in Würzburg. Unser Ziel bleibt die Durchsetzung eines umfassenden Rechts auf Kriegsdienstverweigerung."
Verfahren in Würzburg öffentlich
Wegen seiner Weigerung, sich erneut in den Irak verlegen zu lassen, ist gegen Agustín Aguayo wegen "Desertion" und "Verpassens der Verlegung der Einheit" Anklage erhoben worden. Ihm droht eine Haft von sieben Jahren. Zudem sind dann, so ein Sprecher des Joint Multinational Training Command in Grafenwöhr, alle Gehalts- und Abfindungsansprüche verwirkt, er werde degradiert und unehrenhaft entlassen werden.
Das Verfahren wird am 6. März 2007 um 9.00 Uhr in den Leighton Barracks in Würzburg beginnen. Das Verfahren ist öffentlich.
Weitere Informationen unter www.Connection-eV.de/usa/aguayo.html oder www.aguayodefense.org
Online-Flyer Nr. 84 vom 28.02.2007