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Kultur und Wissen
Die kulinarische Ecke - alle 14 Tage - Folge 4
Sizilien: Tomaten, der Schatz des Südens
Von Erika Casparek-Türkkan

Heute gibt es überall Tomaten, und sie werden überall geschätzt, auf der Pizza, der Pasta, als Salat und als Tomatenketchup für die Pommes. Tomaten gibt es in Massen auf dem Wochen- und im Supermarkt. Also - kein Mangel an Tomaten? An wirklich fruchtigen, aromatischen Tomaten wie der San Marzano schon! Deshalb machen sich sizilianische Frauen Jahr für Jahr ans Einmachen.
Tomaten reifen fast ganzjährig in sonnenreichen Ländern wie in Spanien, Marokko oder in der Türkei unter riesigen Folienzelten; in Holland ganzjährig unter Acrylglashimmeln auf Steinwollmatten, wohl versorgt mit dem nötigen Quantum an Wasser, Nährstoffen und Licht. Eingesetzte Heere von fleißigen Hummeln regeln die Befruchtung. Wunderbarerweise gelang es den Züchtern und Genzauberern die "Ideal-Tomate" zu erschaffen: eine gleichförmige, feste, lange haltbare, transportsichere Tomate nach EU-Norm. Darunter sind Longlife-Rispentomaten als ganze Dolden im Handel die Begehrtesten. Sie halten sich bis zu sieben Wochen. Sie sehen frisch und natürlich aus und duften nach Tomaten wie im Süden oder aus Omas Garten. Das Geschmacksempfinden, heißt es, wird damit verbessert, ohne dass die Früchte tatsächlich besser schmecken müssen. Die Tomate, eine Mogelpackung?
Durch die Bio-Bewegung und durch die Unbestechlichkeit echter Feinschmecker bewegt sich der Tomaten-Trend jetzt immer mehr zurück in die Vergangenheit, in die Schatzkiste der Natur. Alte aromatische Sorten sind auf dem Vormarsch. Tomaten in allerlei Farben, Formen und in unterschiedlichen Geschmacksnuancen, die in ihren Ursprungsgebieten vom Kaukasus bis Sizilien überlebten. Schätze, die teils von Zuwanderern aus ihrer Heimat mitgebracht wurden und nun bei uns zu neuen Ehren gelangen. Über 300 verschiedene Sorten erleben eine Renaissance. Bio-Gärtnereien und Sämereien sowie manche Wochenmärkte sind Fundgruben für Genießer und Hobby-Gärtner. Reichlich Adressen findet man in Internet.

San Marzano-Tomatenfeld unterhalb des Ätna
San Marzano-Tomatenfeld unterhalb des Ätna

Zu den begehrtesten Tomatensorten gehört heute wieder die eiförmige San Marzano. Die bis vor Kurzem vom Aussterben bedrohte Tomate, die in niedrigen Buschreihen wächst, von Juli bis September von Hand geerntet werden muss, widersetzt sich industrieller Verarbeitung. Sie gedeiht auf den fruchtigen Vulkanböden an den Hängen des Vesuvs und am Ätna in einem durch die Seeluft geprägten Klima. Unvergleichlich ist ihr außergewöhnlich fruchtiges und intensives Aroma. Die San Marzano ist besonders fleischig und besitzt weniger Kerne. Bei uns erlebt nun die rote Geschmacksbombe im Feinkosthandel (oder über Internet) als Dosentomate einen ungeahnten Boom. Denn die San Marzano ist die beste Tomate für einen Sugo, für Tomatensauce.

Für die Einmach-Aktion wird im Hof ordentlich Feuer gemacht.
Für die Einmach-Aktion wird im Hof ordentlich Feuer gemacht.

Das wissen schon immer die Frauen in den kleinen Städten und Orten rund um den Ätna. Jahr für Jahr verarbeiten sie San Marzano-Tomaten kistenweise für den Wintervorrat. In Grüppchen finden sich Verwandte, Nachbarinnen mal im einen, mal im anderen Haus zusammen, waschen, brühen, pellen Tomaten im Akkord und füllen die während des Jahres gesammelten leeren Gläser mit frischen Tomaten. Je nach Familiengröße wird ein Vorrat von etwa 150 Litern an in Gläsern eingekochten oder passierten und in Flaschen konservierten Pomodori bis zur nächsten Ernte benötigt. Denn es vergeht kein Tag, an dem nicht Pasta, Suppe, ein Fleisch-, Gemüse- oder Fischgericht nach der Tomatenzutat verlangt.

Gepellte Tomaten und Basilikum warten aufs Einfüllen.
Gepellte Tomaten und Basilikum warten aufs Einfüllen.

Ein Teil der passierten Tomaten wird außerdem auf Tellern in die Sonne gestellt und ergibt konzentriertes Tomatenpüree. Ein Teil der frischen Tomaten wird halbiert, mit Meersalz bestreut und zum Trocknen in die Sonne gestellt, bis sie sämtlichen Saft verloren haben, runzelig einschrumpeln und sich ganz unauffällig in eine begehrte Delikatesse verwandeln: die wundervoll würzigen Pomodori secchi. Wer selbst einen Tomatenüberschuss aus dem Garten konservieren möchte, macht es einfach wie die Frauen vom Ätna.

pomodori secchi
Für "Pomodori secchi" liegen Tomaten in der Sonne.

Eingemachte Tomaten

Für 4 gründlich gereinigte Einmachgläser von 500 ml Inhalt mit Twist off-Deckeln oder für entsprechend kleinere oder größere Gläser

3 kg vollreife Eiertomaten
1 Strauß oder Topf Basilikum

1 Die Tomaten waschen. In einem großen Topf Wasser aufkochen. Die Tomaten darin 4-5 Minuten stehen lassen, mit einem Schaumlöffel heraus heben, in ein großes Sieb legen und kurz abkühlen lassen.

2 Die Tomaten häuten. Die Stielansätze heraus schneiden. Jede Tomate in eine Hand nehmen und den Saft leicht ausdrücken. Basilikum nach Bedarf kalt abspülen, die Stängel zu Stücken mit 4 bis 5 Blättern auseinander zupfen.

3 Jedes Glas dicht mit Tomaten und etwas Basilikum dazwischen füllen, es dürfen keine Luftblasen entstehen. Die Glasränder mit einem sauberen Küchentuch abreiben. Die gesäuberten Deckel aufsetzen und zudrehen.

4 Die Gläser in eine Bratenreine setzen, sie dürfen sich nicht berühren. Etwa 3 bis 4 cm hoch kaltes Wasser angießen. Die Reine auf die mittlere Höhe des Backofens schieben, auf 100 °C einschalten. Wenn dieser Hitzegrad erreicht ist, die Gläser noch 10 Minuten stehen lassen und so sterilisieren. Den Backofen ausschalten und die Gläser im Ofen erkalten lassen.

Die Tomaten werden in die Gläser gestopft.
Die Tomaten werden in die Gläser gestopft.

Tipp: Die eingemachten Tomaten auf einem kühlen, dunklen Platz aufbewahren. Sie halten sich mindestens ein Jahr, bis zur nächsten Ernte, falls sie nicht schon längst für einen guten Spaghetti-Sugo oder für ein anderes köstliches Gericht der mediterranen Küche verwendet wurden. Nach Geschmack kann man auch mehr Basilikum oder andere Kräuter mit in die Gläser geben.

Herrlicher Tomatenvorrat für den Winter.
Herrlicher Tomatenvorrat für den Winter.

Sugo-Schnellrezept: Für 2-3 Personen 2-3 gehackte Knoblauchzehen in Olivenöl glasig braten. Ein Einmachglas oder eine 400 g-Dose gepellte San Marzano-Tomaten unterrühren und mit dem Kochlöffel fein zerdrücken. Nach Geschmack 3 bis 4 EL Rotwein, eine Messerspitze Zucker, Salz nach Geschmack und reichlich Pfeffer oder getrockneten, zerbröselten Peperoncino unterrühren. Alles 4-5 Minuten offen köcheln lassen. Zuletzt frische Basilikumblätter unterrühren und den Sugo unter die al dente gekochten Spaghetti oder andere Pasta heben. Mit geriebenem Parmesan- oder Pecorinokäse zum Bestreuen servieren.

Pasta alla Norma mit Tomaten und Auberginen

Das auf Sizilien besonders beliebte Nudelgericht wurde um die Jahrhundertwende nach der Titelheldin "Norma" aus Vicenzo Bellinis gleichnamiger Oper benannt. Der Komponist stammt aus der sizilianischen Stadt Catania. Weil Auberginen beim Braten immer reichlich Öl aufsaugen, kann man sie - wie im Rezept beschrieben - auch fettärmer grillen oder braten.

pasta alla norma mit auberginen und sugo
"Pasta alla Norma" mit Auberginen und Sugo.
Fotos: Erika Casparek-Türkkan


Für 4 Portionen
1 kg gut reife Tomaten, ersatzweise gepellte Dosentomaten (2 Dosen à 400 g)
3 Knoblauchzehen
etwa 8 EL gutes Olivenöl
1/8 l Rotwein
500 g möglichst dünne Auberginen
Salz
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 kleiner Strauß Basilikum
500 g Tagliatelle, Bandnudeln, oder Penne, Röhrennudeln
100 g fester Ricotta, ersatzweise Feta-Schafkäse

Zubereitung: ca. 45 Minuten

1 Die Tomaten mit kochendheißem Wasser übergießen, häuten, halbieren, Stielansätze und Kerne entfernen. Das Fruchtfleisch würfeln. Den Knoblauch schälen und hacken. 3 EL Öl in einer Kasserolle erhitzen und den Knoblauch darin glasig braten. Tomaten und Wein unterrühren, aufkochen und zugedeckt bei sanfter Hitze 20 Minuten köcheln lassen, gelegentlich umrühren.

2 Inzwischen die Auberginen waschen, Stiele abschneiden. Die Auberginen schräg in 1/2 cm dicke Scheiben schneiden, leicht mit Salz bestreuen, 10 Minuten ruhen lassen und mit Küchenpapier trockentupfen. Die Auberginenscheiben beidseitig mit Öl einpinseln und in einer mit Öl eingepinselten Grillpfanne oder einer beschichteten Pfanne bei guter Hitze grillen oder braten, bis sie sich leicht bräunen. Nach Bedarf ein wenig mehr Öl zugeben. Die Auberginenscheiben warm halten.

3 Die Tomatensauce mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Basilikumblätter abzupfen, halbieren und unter die Sauce rühren. Warm stellen.

4 In einem großen Topf reichlich leicht gesalzenes Wasser aufkochen und die Nudeln nach Packungsanweisung darin bissfest kochen. Die Nudeln in einem Sieb abtropfen lassen, auf tiefe Teller verteilen. Den Ricotta oder Feta zerbröckeln, die Hälfte davon auf die Nudeln streuen, die Auberginenscheiben darauf verteilen, mit Sauce begießen und mit dem restlichen Käse bestreut servieren.

Tomaten-Torte (ohne Foto)

Die sowohl auf Sizilien wie in Kalabrien beliebte Torte lässt sich auch idea für Gäste vorbereiten und vor dem Servieren nochmal kurz im Backofen aufbacken. Getrocknete Tomaten und die kleinen, aromatischen Kirschtomaten verleihen der Torte einen guten Geschmack.

Für 4-8 Portionen
300 g vorwiegend festkochende Kartoffeln
130 g Mehl plus Mehl zum Bearbeiten
50 g weiche Butter
1 Ei, Salz
50 g getrocknete, in Öl eingelegte Tomaten
Olivenöl für die Form plus 3-4 EL Olivenöl
50 g frisch geriebener Parmesankäse
300 g Kirschtomaten
125 g Mozzarella
schwarzer Pfeffer aus der Mühle
1 TL getrockneter Oregano
außerdem: 1 Springform 28 cm Durchmesser

Zubereitung: ca. 30 Minuten plus Koch- und Backzeit

1 Die Kartoffeln gar kochen, abgießen, noch warm pellen und durch eine Presse oder ein Haarsieb in eine Schüssel drücken. Nach dem Abkühlen das Mehl darüber sieben, Butter, Ei, 1 TL Salz und die getrockneten, gehackten Tomaten auf die Kartoffeln geben und alles zu einem Teig verarbeiten. Diesen zu einer Kugel formen. Den Backofen auf 200 Grad vorheizen.

2 Die Springform mit Olivenöl einpinseln. Mit bemehlten Händen die Teigkugel flachdrücken, in die Form legen und auf dem Formboden auseinander und am Rand 2 cm hoch drücken. Den Teig mit der Hälfte des Parmesankäses bestreuen.

Die Kirschtomaten waschen, abtrocknen, halbieren. Die Tomatenhälften mit den Schnittflächen nach oben nebeneinander auf den Teigboden legen. Den Mozzarella klein würfeln und gleichmäßig auf den Tomaten verteilen, mit Salz, Pfeffer, Oregano und dem restlichen Parmesan bestreuen. Alles mit Olivenöl beträufeln. Die Torte in der Ofenmitte 35-40 Minuten backen, leicht abkühlen lassen, in Tortenstücke schneiden und servieren.

Erika Casparek-Türkkan Erika Casparek-Türkkan ist Verfasserin zahlreicher Kochbücher vor allem über die Küchen rund ums Mittelmeer. STERN-Leser kennen sie außerdem als Mitautorin der STERN-Küche. Die gebürtige Kölnerin arbeitete als Journalistin in der Lokalredaktion der NRZ, Neue Rhein-Zeitung, bis zu deren Schließung 1974. Nach einem mehrjährigen Zwischenspiel als Reise- und Food-Redakteurin beim Burda-Verlag in München schreibt sie seit vielen Jahren als freiberufliche Autorin für Buch- und Zeitschriftenverlage. Sie ist verheiratet mit einem Fremdenführer türkisch-finnischer Abstammung und verfasste mit ihm mehrere Reisebücher über die Türkei. Beide leben - wenn nicht in der Türkei unterwegs - im bayerischen Voralpenland. Künftig finden hier kulinarisch Interessierte alle zwei Wochen die besten Rezepte, die Erika Casparek-Türkkan von ihren Reisen mitbrachte. Eins ihrer jüngeren Bücher "Küchen der Welt, Griechenland" erschien unter dem Alias Kristina Likidis-Königsfeld, Originalrezepte und Interessantes über Land und Leute, Verlag Gräfe und Unzer, 9,95 Euro im Buchhandel oder bestellen über www.amazon.de
Kontakt: casparek-tuerkkan@ect-web.de

Online-Flyer Nr. 62  vom 19.09.2006

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