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Glossen
Auf Kuba sieht der Kölner Stadt-Anzeiger schon mal doppelt
Zeitungsenten aus Havanna
Von Harald Neuber

Während der Gipfel der Blockfreien-Bewegung (NAM) in Havanna in den Mitgliedsstaaten aufmerksam verfolgt wurde, spielte das Thema in hiesigen Medien vergangene Woche kaum eine Rolle. Wurde berichtet, dann fiel die Betrachtung oft wenig schmeichelhaft aus: Die Süd-Süd-Allianz, an der fast zwei Drittel der UN-Mitglieder teilnahmen, sei »zerstritten und machtlos« (ARD) und »uneins« (Deutsche Welle).
Dabei gingen von den Beratungen der ersten Tage durchaus wichtige Signale aus. Breiten Anklang fand etwa die Rede des kubanischen Vizepräsidenten Carlos Lage, als dieser die US-Geopolitik kritisierte. »Durch Kriege und wirtschaftlichen Druck soll eine wahre Weltdiktatur errichtet werden«, sagte Lage, um zu Beginn der Ministerrunde am Mittwoch den Befürchtungen der Mehrheit der Anwesenden Ausdruck zu verleihen. »Die Konzepte von präventiven Kriegen und Regimewechseln sind schlichtweg faschistisch, es sind keineswegs moderne Theorien, die der Verteidigung der Freiheit oder dem Kampf gegen den Terror dienen.«

Daß dieser Konsens in Zeiten sich mehrender Auslandseinsätze der Bundeswehr hierzulande wenig populär ist, versteht sich. Zur Halbzeit der Konferenz in Havanna beschäftigten sich eine Reihe deutscher Medien im Verlauf des Gipfels daher nicht mit dessen Inhalten, sondern mit sich selbst. Kuba habe mehreren deutschen Journalisten die Einreise verwehrt, hieß es von ARD, Kölner Stadt-Anzeiger (KStA) und anderen Redaktionen. Doch die Meldung entpuppte sich schnell als weitaus weniger brisant, als ihre Präsentation vermuten ließ. Tatsächlich wurden Visum-Anträge in nur drei Fällen abgelehnt; betroffen waren der Evangelische Pressedienst, der ARD-Korrespondent in Mexiko-Stadt, Michael Castritius, und der Freie KStA-Autor Klaus Ehringfeld.

Diesem gelang in seinem Beitrag für den Kölner Stadt-Anzeiger am Mittwoch, 13. September, indes ein fragwürdiges Kunststück. In Ermangelung eines tatsächlichen Skandals zählte er den ARD-Kollegen gleich doppelt: Für seine Anstalt und für die Deutsche Welle. Deren Sprecher Johannes Hoffmann bestätigte jedoch: »Unser TV-Korrespondent ist in Havanna und kann unbehelligt arbeiten.«

Dass mehrere deutsche Journalisten von Kuba aus berichten, verschweigt der Autor. Stattdessen beruft er sich auf einen anonymen kubanischen Informanten, der bestätigt: Für deutsche Pressevertreter ist es derzeit fast unmöglich, ein Arbeitsvisum zu erhalten.

Dieses Vorgehen hat System: Seit Jahren halten Journalisten und politische Aktivisten von den Grünen bis zum rechten Lager die Kritik gegen den Umgang mit bürgerlichen Freiheiten auf Kuba aufrecht. Der vermeintliche Skandal um Visa-Sperren für deutsche Berichterstatter belegt einmal mehr die dabei übliche Manipulation. Zwei Tage nach den Berichten Castritius´ in der ARD und Ehringfelds im KStA widmete die Frankfurter Rundschau dem Blockfreien-Gipfel eine Seite. Alle der insgesamt vier Beiträge befassten sich mit der Menschenrechtslage auf Kuba, keiner im Schwerpunkt mit den Inhalten des Gipfels der Blockfreien, dessen Mitglieder immerhin fast zwei Drittel der UN-Mitglieder ausmachen. Führender Autor auch in der FR: KStA-Mitarbeiter Klaus Ehringfeld.

Die kubanische Botschaft in Berlin zeigte sich über die Berichte am Donnerstag verwundert: »996 Journalisten aus 48 Ländern sind in Havanna akkreditiert«, hieß es auf Nachfrage. Darunter seien nicht nur viele Korrespondenten aus Deutschland, sondern auch aus den USA, wo mitnichten nur positiv über Kuba berichtetet werde. Dies allein führe den Vorwurf der gezielten Auswahl von Journalisten ad absurdum. In den Fällen, in denen kein Visum erteilt wurde, seien die Formalitäten nicht erfüllt worden. Doch selbst daraus lassen sich mitunter aufsehenerregende Überschriften produzieren wie "Havanna schottet sich ab" im KStA.


Online-Flyer Nr. 62  vom 19.09.2006

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