NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 25. September 2024  

zurück  
Druckversion

Krieg und Frieden
Krieg und Gender - Folge 4 - Soldatin in der Bundeswehr
Nichts Neues von der  Front
Von Marilena Thanassoula

Die offizielle Seite der Bundeswehr, Kapitel "Frauen in der Bundeswehr", darunter folgende Titel: "Frauen seit 1975 in der Bundeswehr, Bewusste Entscheidung, Positive Erfahrungen, Zukünftige Entwicklung". Unter dem letzten Titel sieht man fett gedruckt die einzig hervorgehobene Phrase des "Gender-Mainstreaming-Ansatzes". Es handelt sich dabei um den Rahmen des Projektes "Partnerschaftlich handeln", das als Wochenendseminar durchgeführt wird.

Stand der Seite: Januar 2006. Schon 2002 hatte die Bundeswehr verkündet, daß "die Intergration der Frauen in die Bundeswehr abgeschlossen ist". Diese Behauptung ist der Titel eines Beitrags von Dr. Maja Apelt, mit dem wir uns weiter beschäftigen werden. Ist also die oben beschriebene Situation nicht als ein Sieg der Gleichberechtigung zu betrachten? Man bedenke dabei, dass in anderen Bereichen, ausserhalb der Bundeswehr, die "Integration von Frauen" alles andere als abgeschlossen ist - Stichworte Gehalt, Rente, Krankenversicherung, Führungspositionen, Politik.

Die Bundeswehr macht dagegen unter www.bundeswehr.de/portal/a/ unter dem Stichwort "Frauen in der Bundeswehr" einen sehr positiven Eindruck. Sie gibt dazu auch "Zahlen, Daten, Fakten". Die aktuellen Zahlen: 12.000 Soldatinnen gibt es in den Streitkräften, das entspricht 6,5 Prozent der Soldaten. 30 Prozent beträgt ihr Anteil im Sanitätsdienst. Es dienen 1.250 Soldatinnen als Offiziere, 1.300 als Offizieranwärterinnen, 1.700 als Manschaftsdienstgrade, 8.000 als Unteroffiziere (Stand: 20.10.2006).

Eine Studie der Bundeswehr

Maja Apelt von der Universität der Bundeswehr Hamburg kommentiert in einem sehr ausführlichen Beitrag die Behauptung der Bundeswehr von 2002 über die soziale Integration der Frauen (in: Soziale Welt Heft 3/ 2002). Die Autorin beginnt mit der Beobachtung, daß heutzutage das Interesse am Sodatenberuf nicht überall gleich groß ist. In Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit ist das Interesse hoch, dort wo der Arbeitsmarkt floriert, niedrig. Dr. Apelt schließt daraus, dass im allgemeinen der Dienst mit der Waffe den Frauen erst erlaubt worden ist, als er eindeutig an Prestige verloren hat, nämlich jetzt, als der Soldatenberuf eher für Modernisierungsverlierer attraktiv geworden ist. Maja Apelt kommentiert auch die entsprechenden Passagen des Grundgesetzes (GG):

"Sie (die Frauen) dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden". Es stehen ihnen aber "Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen, sowie in der ortsfesten Lazarettordnung" zu. Nur "im Verteidigungsfall" können Frauen zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden. "Der Geschlechtsdualismus des waffenfähigen Mannes und der helfenden Frau bleibt im Grundgesetz verankert", so Maja Apelt. Sie gibt uns auch Informationen über die Truppengattungen, für die Frauen als ungeeignet betrachtet werden. Je nach Land könne das sehr verschieden sein: Belgien versperrt den Zugang zu Fallschirm-Kommandobrigaden, Dänemark zum Kampfpilotendienst, die Niederlande zu den Marinekorps, Frankreich faktisch zu U-Booten und Kampfjets. "Die Ursachen für diese Ausschlußregelungen sind nicht nur physiologisch zu verorten, sondern vor allem historisch und organisationskulturell", bemerkt Maja Apelt. An dieser Stelle fehlen leider entsprechende Angaben über Deutschland, weil die Bundeswehr keine weitere Zahlen oder Informationen über den Anteil der Frauen in den verschiedenen Kampftruppen angibt.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos
www.koufogiorgos.de



"Sondermaßnahmen" für Frauen

"Frauen werden gleich behandelt." Auch dieser Satz steht auf der Bundeswehr-Seite. "Nicht eben "gleich gestellt"" kommentiert Dr. Apelt und schreibt dazu: Es gebe ein paar "Sondermaßnahmen" für Frauen. Sie brauchen nämlich, wie man im Ausbildungskonzept des Zentrums für Innere Führung finden kann, ein längeres und modifiziertes Training, um die selben Resultate zu erreichen, wie Männer mit "normalem" Training. Auch müssen die Kameraden anklopfen, bevor sie bei Frauen eintreten. Bei dienstlichen Aufenthalten wird das Offenlassen der Zimmertüren angeraten. Frauen beim Umkleiden und während der Nachtruhe wird das Abschliessen ihrer Zimmer erlaubt, ebenso  das Tragen von dezentem Schmuck.
Man kann sich die Frage nicht verkneifen: Warum gelten diese "Sondermaßnahmen" nicht einfach für alle? Dann wären sie keine "Sondermaßnahmen", sondern "normale" Regelungen. Was wäre falsch daran, wenn bei jedem dienstlichen Aufenthalt die Türen offen blieben, wenn allen erlaubt wäre, sich während der Nachtruhe einzuschliessen?

Im übrigen bleiben Dienstgrad- und Berufsbezeichnungen in der Bundeswehr männlich, da "Hauptfrau" statt eines Hauptmannes unvertretbar sei - so die Bundeswehr, zitiert von Maja Apelt. Was den Dienst im Ausland betrifft, wird darauf hingewiesen, daß Soldatinnen unter keinen Umständen in Gefangeschaft geraten dürfen - wegen des Vergewaltigunsrisikos. Wenn das keine Schutzaktion ist!

Auf der anderen Seite gebe es Äußerungen von Soldaten, daß das Marschgepäck der Frauen leichter sei als das der Männer, und daß man dies als diskriminerend empfinde. Dr.Apelt bemerkt dazu, es sei nicht festzustellen, ob es sich dabei um einen Mythos oder informelle Regeln handele. Auf jeden Fall variiere der "physicall Fitness Test" nach Alter und Geschlecht.

Weitere Zahlen von Maja Apelt über die Einstellung der Soldaten zu Soldatinnen: 85 Prozent sind für eine generelle Integration der Frauen in die Streitkräfte, weniger als 40 Prozent befürworten dies ohne jede Einschränkung. Ungefähr 65 Prozent erwarten mehr Probleme im Dienstalltag und 84 Prozent erwarten, daß mit Sexualität verbundene Probleme zunehmen könnten. 66 Prozent meinen, daß Frauen in Auslandseinsätzen vor allem dort sehr gut eingesetzt werden könnten, wo Verhandlungsgeschick erforderlich sei.

Unter www. friedenkooperative.de kann man ein Interview zu Frauen in der Bundeswehr mit einer Ärztin lesen, die den Dienst wegen ihrer Erfahrungen im Kosovo gekündigt hat. Hier einige Zitate: "Es gibt Frauen da, die glücklich sind. Denen stinken zwar die Machtstrukturen, sobald sie aber Unteroffizierin oder Feldwebel geworden sind, spielen sie das Spiel perfekt. (...) Ich glaube, der Reiz liegt in der Möglichkeit, an männlichen Machtstrukturen teilzuhaben. (...) Als ich zum Militär ging, habe ich immer gedacht, hier kann ich etwas verändern. (...) Ich habe auf Grund dessen, was mir alles im Laufe der Zeit so begegnet ist, wahnsinnige Ängste entwickelt. Es wurde systematisch versucht, mich mundtot zu machen. (...) Der Kosovo Krieg war die entscheidende Erfahrung. (...) Ich fühlte mich gelähmt, weil ich nicht verstehen konnte, mit welcher Freude Jugoslawien bombardiert wurde. Das war Europa?"

Was passiert mit Soldatinnen, die vom Kameraden vergewaltigt werden? Sexualisierte Gewalt im Krieg auch über die Soldatin hinaus wird uns in der nächsten Folge der Serie "Krieg und Gender" beschäftigen. Und sonst? Nichts Neues von der Front. Vor kurzem sei die Integration der Frauen in die Bundeswehr abgeschlossen worden, behauptet die Bundeswehr auf ihrer Internetseite. Vielleicht stimmt das ja doch nicht ganz...

Siehe auch: Krieg und Gender Folge 1-3

Online-Flyer Nr. 70  vom 14.11.2006

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FILMCLIP
FOTOGALERIE