NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 03. Dezember 2024  

zurück  
Druckversion

Lokales
Interview mit Kulturdezernent Professor Georg Quander über Kulturförderung
„Köln auf einer beschämenden Position“
Von Don Franco

Ursprünglich wollte unser Kollege mit dem Kölner Kulturdezernenten nur ein Interview über die verfahrene Situation im Kölner Filmhaus machen und darüber, was die Stadt dazu zu sagen hat (siehe NRhZ 71). Daraus wurde ein bisher offenbar erstmaliger Überblick über Professor Georg Quanders Erfahrungen in eineinhalb Jahren Amtszeit und seine Perspektiven für die Kultur in Köln in den nächsten Jahren. Die Redaktion.

Franco: Herr Quander, seit rund eineinhalb Jahren jetzt im Amt. Haben Sie sich in inzwischen eingelebt in Köln?

Quander: Gut eingelebt, ja, die Stadt macht es einem ja nicht schwer, sich einzuleben.

Jenseits der Hochkulturen wie Theater, Schauspielhaus und Museen oder volksnaher Feierkultur wie dem Kölner Karneval oder kommerzieller Events gibt es in Köln zusätzlich eine sehr breit gefächerte, freie Kulturszene, die zum Teil mit sehr interessanten Angeboten aufwartet. Wie ist ihr Eindruck von der freien Szene hier in Köln?

Zu wenig Förderung für die vielfältige und lebendige freie Szene

Glückwunsch zur Amtseinführung – OB Schramma und Professor QuanderDie freie Szene in Köln ist ungeheuer vielfältig und lebendig, denken Sie an die vielen freien Theater. Es sind, glaube ich, über sechzig in der Stadt, von denen wir nur einen Teil fördern können - wie ich finde, zu wenig. Dann haben wir natürlich Literaten und Musiker des gesamten Spektrums von der Popmusik über die elektronische Avantgarde bis hin zur komponierten Musik. Dazu haben wir die reiche Szene der alten Musik und selbstverständlich die bildenden Künstler von ganz jungen und hoffnungsvollen Talenten bis zu den großen, arrivierten wie Polke und Richter. Also es ist ungeheuer vielfältig breit aufgestellt, das ist wunderbar, das merkt man auch an der Atmosphäre in der Stadt. Was aus meiner Sicht eben leider mangelhaft und unzureichend ist, ist das, was wir an städtischer Förderung für diese freie Szene leisten können. Nennen wir mal dieses Beispiel, weil ich das so signifikant sehe:  Wir geben für die gesamte freie Szene in Köln weniger aus als die Stadt Hamburg nur für die Kampnagelfabrik, also für ein einziges freies Theater alleine ausgibt. Nun ist das ein sehr prominenter, guter Ort, die Kampnagelfabrik -  aber das zeigt doch ein deutliches Missverhältnis. Natürlich ist Hamburg ungefähr anderthalbmal so groß wie wir, aber hier ist dennoch Nachholbedarf.

Wie kann man die freie Szene z.B. durch Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen unterstützen, um sie mehr am kulturellen, öffentlichen Gesamtgeschehen in der Stadt partizipieren zu lassen, was ihr  wiederum mehr Zulauf verschaffen würde - und welche Rolle spielen dabei die Medien?

Kölns Bildende Kunst und der Berlin-Hype

Die Rahmenbedingungen sind natürlich sehr unterschiedlich, je nachdem welchen Teil der freien Szene Sie ansprechen. Ich fang mal mit dem Bereich der bildenden Kunst an. Da gibt es eigentlich zwei Dinge, die sehr wichtig sind, wo wir städtischerseits was tun können und auch schon tun. Das ist einerseits, uns dafür einzusetzen und uns zu bemühen, bezahlbaren Atelierraum in der Stadt zur Verfügung zu stellen. Wir hatten ja mal die Zielgröße von ca. 250 Ateliers in der Stadt, die wir gerne erreichen wollen, die öffentlich gefördert sind und wo wir so als Maßstab gesagt haben: Es darf nicht mehr als 4 Euro kalt den Quadratmeter kosten. Das haben wir noch nicht ganz erreicht, wir sind bei etwa 180 im Augenblick. Da ist also noch Nachholbedarf. In Flittard ist eine alte Schule, die jetzt umgebaut wird für Ateliers, und in Poll ist ein Privatinvestor, wo wir als Stadt die Hälfte der dort entstehenden Ateliers mieten werden und damit also die Mieten heruntersubventionieren, um sie dann weiterzuvermieten. Aber da ist eben öffentliches Geld drin, um diese Zielgröße von 250 Ateliers zu erreichen.

Das ist ein ganz wichtiger Punkt, aber auf der anderen Seite müssen wir eben auch sehen, dass das, was der Kunstmarkt ist für die bildende Kunst, uns nicht wegstirbt in der Stadt.  Wir haben hier einen großen Strukturwandel zu verkraften, der letztendlich mit dem Umzugsbeschluss der Bundesregierung von Bonn nach Berlin zu tun hat, mit dem ganzen Rutschbahneffekt der da hintendran hängt und dem Berlin-Hype der sich eingestellt hat. Hier bin ich im intensiven Dialog mit meinem Kollegen, der für die Wirtschaftsförderung zuständig ist. Wir kümmern uns darum, dass auch die Galerienszene ins Rennen kommt und Bestand hat, die großen Galerien nicht abwandern, aber auch junge neue Galerien sich etablieren können. Hier bedarf es vielleicht der ein- oder anderen Starthilfe, um ein gesundes Verhältnis hinzubekommen.

Musikszene

Ganz anders verhält sich das im Bereich z.B. der musikalischen Gruppierungen. Ich habe kürzlich erst ein Gespräch mit einem Kreis der Funktionsträger und Repräsentanten aus dem Bereich der alten Musik gehabt, und da wurde ganz deutlich gesagt, was am notwendigsten ist - und zwar ein Forum, wo sie ihre Aktivitäten bündeln und veröffentlichen können. Wir versuchen nun hier ein Marketing Instrument anzuschieben, denn die wollen nicht unbedingt große Subventionen für ihre Konzerte haben, sondern wünschen sich, dass die Konzerte öffentlich sind, damit das interessierte Publikum es erfährt. Da werden wir Strukturhilfe leisten. Und so stellt sich alles sehr unterschiedlich in den einzelnen Bereichen dar.

Interessant, Sie haben die Musikszene selber gerade angesprochen. Welche Aufgabe bzw. welchen Schwerpunkt hat denn das Kulturamt gerade mit Hinblick auf das Rockreferat, was ja seit vielen Jahren auch schon im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten von dem Rockbeauftragten Manfred Post gut betreut wird. Gibt es da in Zukunft noch weitere Visionen? Kann man das Rockreferat etwas aufstocken, um die Arbeit noch zu intensivieren?

Mehr für Nachwuchskünstler tun

Wir wollen sie intensivieren, weil ich das für ganz wichtig erachte. Ich halte es für ein grundsätzliches Problem, wenn man Kulturförderung immer nur so begreift, dass man ausschließlich in defizitären Bereichen die Defizite stopft. Und dort, wo es um Nachwuchskünstler geht, kommen wir ja viel stärker in den Bereich der Kreativwirtschaft, wo man eigentlich davon ausgehen kann, dass der sich nach einem gewissen Punkt selbst trägt.  Ich halte es für wichtig, auch hier zu investieren, um neue Formate und neue Formationen zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass ein gewisser Export ermöglicht wird. Dass z.B. die Gruppen auch außerhalb von Köln auftreten können, die gerade wenn sie jung sind, auch einen Anschub brauchen. Das Referat der Popularmusik, das Sie da angesprochen haben, ist da sehr phantasievoll und hat bereits sehr viel an entsprechenden Rahmenbedingungen und Kooperationsvereinbarungen ermöglicht. Es hat aber in der Vergangenheit quasi keinen eigenen Etat gehabt, außer der Man-Power, die wir zur Verfügung stellen. Hier will ich versuchen, dass wir mit dem nächsten Haushalt tatsächlich mehr Geld in die Hand nehmen, weil ich meine, das Geld ist dort sehr gut investiert, weil wir für jeden Euro, den wir dort reinstecken, irgendwann vier Euro heraus bekommen. Da möchte ich unsere Aktivitäten verstärken, auch finanziell, weil das ein absoluter Zukunftsbereich ist.

Vor allem der Stadt auch durchaus dienlich, denn wenn man den jungen Nachwuchskünstlern einen Einstieg ermöglicht oder bei der Aufbauarbeit hilft, die es ja ansonsten sehr schwer haben, weil es ein sehr kompliziertes Geschäft ist, das Musikgeschäft, dann strahlt das ja auch kraft der Auftritte öffentlich zurück.   
Richtig, und da haben wir als Stadt auch etwas davon, wenn Kölner Gruppen woanders auftreten, weil sie das positive Image der Stadt Köln als Ort der Kreativität verbreiten Das strahlt dann auch wieder zurück.

Köln hat eine Vielzahl guter Straßenkünstler aller Coleur, die in der Sommersaison durch durchreisende Kollegen zusätzlich bereichert werden. Nach der anhaltenden Kritik an der Kölner Straßenordnung, die Kunst im öffentlichen Raum praxisfern im Dunstkreis von Sauberkeits- und Obdachlosenpolitik einordnet, gibt es deshalb in der Künstlerszene den politischen Vorstoß, eine Straßenkunstordnung zu erlassen, die an die Bedürfnisse der Künstler besser angepasst ist.

Den selbständigen Künstlern, die keine finanzielle Förderung möchten, geht es darum, in Anerkennung ihrer Leistung für die Stadt, im Spannungsfeld zwischen einer vermarktbaren Innenstadt, Nachbarschaft und Lärmbelästigung, ein praxisorientiertes Regelwerk zu Verfügung gestellt zu bekommen. Würden Sie einen solchen Vorstoß, der als Vorschlag über die Grünen in den Kulturausschuss und im Ausschuss für allgemeine Rechtsfragen demnächst eingereicht wird, unterstützen?
      
Straßenkunst – eine Bereicherung des Stadtbildes

Freie Kölner Künstlerin Carola Willbrand und der Holländer Mark bei ihrem Auftritt 'Kölsch und Köylü' in der Türkei – eingeladen vom Praxiteles-Stipendium
Freie Kölner Künstlerin Carola Willbrand und der Holländer Mark bei ihrem Auftritt „Kölsch und Köylü“ in der Türkei – eingeladen vom Praxiteles-Stipendium
Foto: Peter Kleinert



Also ich hab von diesem Antrag bisher noch nichts gehört, das ist noch nicht thematisiert worden, aber das muss man dann sehr ernsthaft und seriös prüfen. Wir haben hier auch einen Kunstbeirat, der Rat und Verwaltung in allen künstlerischen Fragen berät, dessen Hauptaugenmerk der öffentliche Raum ist.  Hier geht’s neben der Musik, wenn sie zum Beispiel Pflasterkunst meinen, um temporäre Kunst. Die ist ja nach dem nächsten Regenguss normalerweise nicht mehr vorhanden, aber gleichwohl gilt es, das natürlich mit zu betrachten. Ich halte so etwas durchaus für eine Bereicherung des Stadtbildes, aber darüber muss man wie gesagt reden.

Darf ich Ihnen den schriftlichen Vorschlag der  Straßenkünstler zur Prüfung überreichen?  

Ja gerne.

Vor einiger Zeit hat es in Köln ein Kultursymposium gegeben, an dem u.a. auch namhafte freie Kulturschaffende, Gelehrte und  Politiker teilgenommen haben. Einer der vielen Wünsche und Forderungen an die Politik, die daraus entstanden sind, war die Anhebung des Kulturetats um bescheidene 0.5 Prozent. Halten Sie dies für realistisch?

Ich halte das für eine durchaus realistische Forderung, das ist eine Position, die ich schon seit einiger Zeit vertrete, und dieses Kultursymposium hat uns da wichtige Unterstützung gegeben, das war ja auch der eigentlich Sinn dieses Symposiums. Als ich vor eineinhalb Jahren in dieser Stadt angefangen habe, war hier eine große Unzufriedenheit mit der kulturellen Situation. Das hat natürlich auch mit der langen Vakanz in der Leitung des Kulturdezernats zu tun, ist aber auch durch die Krankheit meiner Amtsvorgängerin und das entsprechende Interregnum danach begründet. Gleichzeitig war es so, dass niemand sich bemüßigt fühlte, darüber nachzudenken, woran das denn liegt. Man muss in Kunst und Kultur investieren, um die Szene lebendiger und ausstrahlungskräftiger zu machen, deswegen habe ich mich in diesen gut anderthalb Jahren sehr darum bemüht, Kultur und Kunst in Köln wieder zu einem Thema zu machen. Dem diente auch dieses Symposium und ich glaube das ist mit dem Symposium sehr gut gelungen.

Köln liegt auf Platz 27 anstatt auf Platz 4

Es geht darum, sich über Inhalte Gedanken zu machen. Das ist der erste und wichtigste Schritt, aber es hat zum anderen auch mit öffentlichen Förderungen zu tun. Da liegen wir in Köln auf einer beschämenden Position, nämlich der Position 27 unter den deutschen Großstädten, und nicht auf der Position 4, wo wir der Größe nach eigentlich hingehören. Nun muss es nicht trennscharf die Nummer 4 sein, aber unter den ersten sechs, sieben sollten wir doch wenigstens liegen, oder? Darüber ist zu diskutieren, und das ist mir inzwischen gelungen.

Jetzt ist die Frage wenn wir über eine Erhöhung des Kulturhaushaltes reden. Wie ist das zu realisieren? Wir alle wissen, die Stadt ist in einer schwierigen finanziellen Gesamtsituation, denn wir sind in einem so genannten Haushaltssicherungskonzept. D.h. der Haushalt der Stadt muss auch von der Bezirksregierung jeweils genehmigt werden, und da gibt es bestimmte Kriterien, wann was genehmigungsfähig ist. Deshalb habe ich von vornherein Abstand genommen von einer pauschalen Erhöhung, weil das sicherlich nicht realisierbar ist. Ich habe deshalb gesagt, lasst uns das langsam machen in Schritten die ich für möglich halte, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen. Ob das dann immer genau 0,5 Prozent sind oder mal mehr oder ein bisschen weniger ist, ist dabei nicht so wahnsinnig elementar. Wichtig ist zum jetzigen Zeitpunkt, dass die Stadt Köln sich dazu bekennt und sagt: Kunst und Kultur sind ein ganz wichtiger Faktor in unserer Stadt, und wir haben erkannt, dass wir in der Vergangenheit zu wenig dafür getan haben, und wir wollen in Zukunft zusätzlich investieren. Das ist ein ganz wichtiges Signal, das gesetzt werden muss - in die Stadt, aber auch nach außen. Denn die Szene lebt natürlich immer auch vom Zuzug, lebt davon, dass kreative Menschen angezogen werden, von einem interessierten Publikum, von den Möglichkeiten aufzutreten und sich zu präsentieren, aber eben auch von den Möglichkeiten und dazu gehört, dass man politisch die Rahmenbedingungen dafür schafft.

Zum Kölner Filmhaus

Ich hab noch ein weiteres wichtiges Thema, weshalb wir uns ja eigentlich verabredet hatten:
Das Kölner Filmhaus sieht sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr in der Lage, das vielfältige Programmangebot fortzuführen. Bisher war man dort darauf spezialisiert, noch unbekannten unabhängigen Filmemachern die Möglichkeit zu geben Filme aufzuführen, aber auch ein filmhistorisches Erbe aufrechtzuerhalten, um nachwachsende Generationen von Filmliebhabern mit all dem vertraut zu machen, was das normale Kino in Köln nicht bietet, wie z.B. preisgekrönte Dokumentarfilme.

Daran anknüpfend wurde von Filmfreunden eine Initiative ins Leben gerufen, die eine Petition verfasst haben, die genau diesen Fortbestand der bisherigen Filmvielfalt fordert. Die Petition wurde inzwischen von vielen Bürgern unterschrieben, darunter auch Journalisten, bekannte Künstler und Filmemacher. Da das Filmhaus unter anderem in Form der Immobilie, die ihm zur Verfügung steht, durch die Kommune und Land öffentlich gefördert wird, steht nun aufgrund des durch die Unterschriften offenkundigen öffentlichen Interesses  die Frage im Raum: Welche Aufgabenschwerpunkte hat das Filmhaus Ihrer Meinung nach?

Eine komplizierte rechtliche Situation

Also man muss zunächst einmal sehen, dass wir es hier mit einer komplizierten rechtlichen Situation  zu tun haben. Das Filmhaus wird von einem Verein, nämlich dem Filmhausverein geführt. Dieser Filmhausverein ist seinerzeit, selbstverständlich mit Billigung, Zustimmung und Wollen der Stadt, der Nutzer dieser Immobilie geworden. Die Stadt hat diese Immobilie überlassen mit Städtebauförderungsmitteln des Landes. Mit diesen ist diese Immobilie so ausgebaut worden, dass sie heute einen wirklich phantastischen Rahmen für die Aufgaben des Filmhauses bietet. Das ist ja nicht nur der Kinosaal, wo ein Programm abgespielt wird, das sind vor allem die Fortbildungseinrichtungen, wo man lernen kann, wie man Filme macht, wo man u.a. Filme produzieren, schneiden und bearbeiten kann usw. All diese Dinge sind ganz wesentlicher Bestandteil des Filmhauses.

Wieso soll das plötzlich wieder ohne Defizit gehen?

Nun ist es aber so, dass sozusagen derjenige der in der Verantwortung stehen kann, eben dieser Verein ist. Und der Verein hat vor gut einem Jahr gesagt: Wir können das Programm des Kinos nicht mehr selber fortsetzen, weil das einen zusätzlichen Zuschussbedarf von rund 50.000 Euro im Jahr bedeutet, den wir nicht mehr finanzieren können. Mit unserer Vermittlung ist eine Konstruktion mit dem Filmhauskino und einem privaten Betreiber installiert worden, der dies auch in diesem Jahr offensichtlich ohne Defizit hinbekommen hat. Von dem hat man sich nun wieder getrennt und sagt nun, wir wollen das Programm wieder selber betreiben. Wieso das plötzlich ohne Defizit geht, erschließt sich mir noch nicht so ganz, bzw. woher der Verein das nehmen will. Ändert aber nichts an der Tatsache, dass - solange der Verein nicht insolvent wird, was wir nicht hoffen wollen - solange er also funktionsfähig ist, ist er auch der Hausherr. Das ist völlig unstrittig, und er kann in diesem Haus das tun, was er will, soweit es den Förderrichtlinien entspricht. 

Der Verein darf keinen Gewinn machen

Das war auch einer dieser Streitpunkte in dem ganzen Unternehmen, weil Förderrichtlinien heißt: Er darf nur etwas tun, was nicht rentierlich ist. D. h. er darf keinen Gewinn machen. Der Gewinn wird in der Gastronomie des Hauses zu 100 Prozent erwirtschaftet, das ist etwas, was in der Gesamtmaßname damals mitberücksichtigt war und auch notwendig ist. Insofern gehört es zweifellos zu den Aufgaben des Filmhauses, auch ein Filmprogramm vorzuhalten, denn dazu hat sich der Verein verpflichtet. Wie das nun in der Praxis aussieht, müssen wir erst einmal abwarten, ehe wir es bewerten können.  Wir haben weder von Landesseite noch von städtischer Seite unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten, solange der Verein, das, was mit der Bewilligung der Förderung seinerzeit bewilligt wurde, nicht verletzt.

Meinen Informationen nach war der langjährige Programmgestalter Jochen Kühn, der nicht nur als externer Betreiber, sondern schon viele Jahre innerhalb des Vereines die Programmgestaltung gemacht und das Filmhaus mit aufgebaut hat. Es war eher so, dass der Verein nun aus juristischen Gründen urplötzlich ablehnt, dass er dort als externer Veranstalter weiter auftritt. Und zwar begründet Vorstand des Vereins dies mit den Vertragsbedingungen, die die Stadt und das Land mit Verein abgeschlossen haben. Man äußert nun plötzlich größte Bedenken in Bezug auf das Haftungsrisiko gegenüber öffentlichen Fördermitteln im Falle eines Missbrauchs. Sehen Sie denn bei der jahrelangen Erfahrung von Herrn Kühn die Gefahr eines Missbrauchs, so dass Stadt und Land bei entsprechender Transparenz der wirtschaftlichen Abläufe einmal gewährte Fördergelder, wie etwa die Kosten der Sanierung zurückverlangen könnten, wenn er als externer Betreiber nun weiter tätig wäre?

Aus unserer Sicht keine Gefahr des Missbrauchs

Georg Quander: 'Wenn wir es denn richtig pflegen würden'
Georg Quander: „Wenn wir es denn richtig pflegen würden“
Foto: Stadt Köln



Nein, er ist ja als externer Betreiber bereits tätig geworden. Ist ja auch nichts passiert im letzen Jahr. Die Gefahr sehe ich nicht. Wir haben hier am diesem Tisch im Dezernat ausführlich mit allen Beteiligten über das Thema und auch über eine Risikoabwägung gesprochen. Ich sehe die Gefahr nicht. Aber Sie sagen ja zu Recht, Herr Kühn war ja bis zu dem Zeitpunkt, wo er es als selbstständiger Unternehmer übernommen hat, Mitarbeiter des Filmhauses. Das heißt Herr Kühn und das Filmhaus haben eine jahrelange Geschichte. Die kennen sich ja untereinander viel länger als ich sie kenne, und das macht die Geschichte auch so schwierig. Es sind sehr viele persönliche Implikationen – glaube ich –, die bei diesen Entscheidungen mit eine Rolle gespielt haben.

Objektiv gesehen besteht aus unserer Sicht die Gefahr eines Missbrauchs durch Herrn Kühn nicht. Zunächst einmal war es ja so vorgesehen. Natürlich hätte der Filmhausverein mit dem Kinobetreiber einen Vertrag gemacht über die Nutzung, wo dann auch bestimmte Rechte/Pflichten festgelegt worden wären. Würde der Filmhausbetreiber dagegen verstoßen, würde er zunächst einmal das Haftungsrisiko dafür tragen. Da Herr Kühn aber eine GmbH ist, hat er auch eine entsprechende Einlage für eine Summe die dort zur Debatte steht. Auf alle Fälle hat Herr Kühn deutlich gemacht, dass er das Risiko erst einmal tragen würde. Das ist Nummer eins, Nummer zwei ist: sollte der "worst case" eintreten, dass tatsächlich gigantische Rückforderungen fällig werden - das halten wir alle für völlig unwahrscheinlich - dann würde der Verein in der Tat in Haftung genommen, und an dieser Stelle wird es für den Vorstand des Vereins heikel, da sie persönlich haftende Mitglieder sind. Die haften im Vorstand dann mit ihrem Privatvermögen. Nur: wenn da kein Privatvermögen ist, dann haftet am Ende wieder die Stadt gegenüber dem Land, weil die Stadt hat dem Land gegenüber die Nutzung  garantiert. Das heißt: das letzte Haftungsrisiko liegt sowieso bei der Stadt.

Abseits der vielleicht internen Beziehungskrise die dort herrscht - eine Frage hätte ich noch. Herr Kühn wäre, wie Sie schon sagten, ja durchaus bereit gewesen, das Haftungsrisiko zu übernehmen, wenn es ihm übertragen würde. Warum haben Stadt und Land ihm das nicht zugestanden,  z.B durch eine Vertragsänderung?

Darauf ist der Verein auch nicht eingegangen

Weil der Zuschussnehmer der Filmhaus e.V. ist, und solange dieser Vertrag läuft, ist dran nichts zu ändern. Das ist so, das ist die juristische Situation. Aber Herr Kühn hatte hier im Gespräch auch gesagt, es gehe ja nicht um die Filmveranstaltung von Filmkunst oder künstlerischen Filmen, da macht man eh kein großes Geschäft mit. Es ging um die Vermietung an mögliche Dritte, die dann vielleicht sehr viel Geld bezahlen um dieses Ensemble zu bespielen, und da hatte Herr Kühn angeboten, dem Verein eine rechtzeitige Planung vorzulegen, bei der der Verein noch hätte sagen können, das ist uns zu heiß, das wollen wir nicht. Aber darauf ist der Verein auch nicht eingegangen.

Ich hab abschließend zu dem Thema noch eine Frage: Welche Alternativen zur Filmaufführung sehen Sie, um den Willen der Petitionsunterzeichner zu erfüllen, den Fortbestand des Programms zu gewährleisten, das bisher unter dem Dach des Filmhauses gezeigt wurde ?

Wie gesagt, aufgrund der rechtlichen Situation im Filmhaus ist die Situation so wie sie ist. Das muss jetzt der Filmhausverein selber sicherstellen, und wir müssen natürlich mal abwarten, was für ein Programm er denn tatsächlich anbietet. Auf der anderen Seite haben wir das Filmforum NRW, das im Kino des Museums Ludwig von den unterschiedlichen Partnern betreut wird, das sich auch in die Richtung eines interessanten Programmkinos immer weiter entwickelt. Dann gibt es noch den Filmclub 813 in der Brücke, der ja auch von uns gefördert und unterstützt wird und sich Programmkinoaspekten widmet. Also wir haben schon ein bisschen was in der Stadt, aber es könnte mehr sein, da gebe ich Ihnen völlig Recht, da müssen wir auch im nächsten Jahr noch einmal verstärkt herangehen.

Sorgen machen mir auch die normalen Kinos

Mir macht natürlich auch Sorgen, dass die normalen Kinos, wie das Residenz oder auch andere im Innenstadtbereich, kaputtgehen. Da haben wir gar keinen Anteil als Stadt dran. Trotzdem denke ich, wir müssen uns Gedanken machen wie wir einer solchen Entwicklung im Interesse der Filmkunst entgegenwirken könnten. Das kann nicht unser Interesse sein, dass aus der Innenstadt alle interessanten Kinoabspielstätten aufgrund von immer weiter steigenden Immobilienpreisen, die mit keinem Kino der Welt zu erwirtschaften sind, verschwinden. Das kann es nicht sein. Also Kino ist auch ein Element, das unsere Innenstädte sehr belebt, und eine Verödung der Innenstadt kann nicht in unserem Interesse sein.

Für mich als Filmfreund mit kulturellem Interesse, und für viele Bildungsbürger in der Stadt ist es sehr ärgerlich, dass das Programm, was dort explizit im Filmhaus gezeigt wurde, und das der Mainstream nicht bietet, nun ersatzlos wegknickt.

Nur das kann ja unser Anliegen sein als Kulturamt oder Kulturdezernat, dass wir den kulturellen Teil im Focus haben und fördern, der nicht auf der kommerziellen Schiene läuft. Was kommerziell läuft, da braucht man ja nicht einzugreifen, da funktioniert der Markt von alleine. Aber es gibt natürlich immer wieder künstlerische Filme, die nicht a priori das breite Publikum finden aber trotzdem wert sind, gezeigt und betrachtet zu werden. Und da sehe ich schon eine wichtige Aufgabe für uns.

Erstmal vielen Dank für das ausführliche Interview. Abschließend noch eine Frage, welche konkreten Wünsche, Hoffnungen und Pläne haben sie persönlich als Kulturdezernent dieser Stadt?

Kunst und Kultur - ein ungeheures Pfund

Da gibt es viele Hoffnungen. Zunächst einmal: meine Haupthoffnung ist, dass sich das Denken oder die Einstellung zu Kunst und Kultur in unserer Stadt verändert. Die Stadt hat eine breite, vielfältige Kulturszene, die immer noch da ist, aber sie droht zu verkümmern, wenn man sie nicht entwickelt. Ein zweiter ganz großer Vorteil der Stadt ist: Wir haben ein hochsensibles und waches Kulturpublikum, dass sich für alle Kunstsparten in unterschiedlichen Gruppierungen übergreifend interessiert, so wie es wenige deutsche Städte in dieser Lebendigkeit aufweisen können. Beides zusammen hat in der Vergangenheit manchmal dazu geführt zu sagen: "Naja, läuft ja alles, müssen wir nicht viel für tun". Und genau das ist eine ganz gefährliche Situation. Ich glaube, dass wir hier in Köln mit Kunst und Kultur ein ungeheures Pfund haben, das wir entwickeln, fördern und verstärken müssen, weil es die Stadt so einmalig macht.

Wir haben ja sonst nicht mehr allzu viel: Die großen Industriestandorte sind fast alle weg und als Versicherungs- und Bankenstandort wird es auch schwieriger, da haben wir starke Abwanderungstendenzen. Ich will nicht sagen, dass Kunst und Kultur das aufwiegen könnten, aber es ist etwas, das wir in der Stadt noch haben. Das ist für die Zukunftsfähigkeit der Stadt von ganz elementarer Bedeutung. Auch unter dem Aspekt Integration, die ja immer stärker in den Focus rückt und des demographischen Wandels. Wir haben einen immer höheren Anteil an Jugendlichen mit so genanntem Migrationshintergrund, und wir rechnen damit, dass in 20 Jahren in Köln jeder zweite einen solchen Hintergrund haben wird. Auch hier ist die Kultur, und das wissen wir aus vielen Aktivitäten, die wir im schulnahen Bereich durchführen, eine ganz wichtige Brücke der Verständigung. Denken Sie an Musik, denken Sie an Tanz, darstellendes Spiel, bildende Kunst, die auch nonverbal funktioniert. Da gibt es eine emotionale Möglichkeit sich auszutauschen. All dies ist glaube ich von elementarer Bedeutung und deswegen ist mein größter Wunsch, dass wir uns alle bewusst werden, wie wichtig dieses Thema für ein funktionierendes Gemeinwesen in einer Stadt wie Köln ist, und das wir deswegen uns hier verstärkt drauf konzentrieren müssen.

Entwicklungspotentiale richtig pflegen

Nun könnte ich Ihnen noch eine ganze Latte von Wünschen oder Dingen nennen, die geregelt werden müssen. Das beginnt, wenn ich jetzt mit dem Größten mal anfange, mit unseren städtischen Bühnen, z.B. dem Schauspielhaus, das dringend saniert werden muss, wo wir sehen müssen, wie wir das finanziell geregelt bekommen. Dazu das ein- oder andere auch im Museumsbereich. Wir bauen ja gerade in der Cäcilienstraße das große Völkerkundemuseum, also Rautenstrauch-Joest-Museum neu auf, was auch in diesen Bereich der kulturübergreifenden Arbeit sich verstärkt mit in der neuen Museumskonzeption einklinken wird.

Unser Autor Don Franco (Bildmitte) mit den Magic Street Voices
Unser Autor Don Franco (Bildmitte) mit den Magic Street Voices
Foto: Magic Street Voices



Da sind außerdem noch ungelöste Probleme, die wir aber schrittchenweise abarbeiten werden. Thema Film haben wir schon besprochen, da gibt es sicherlich etwas zu tun. Das historische Archiv der Stadt ist das Gedächtnis der Stadt und ist leider in den zurückliegenden Jahren auch sehr vernachlässigt worden, weil man wahrscheinlich dachte, historisch ist nur Mittelalter, aber historisch ist ja alles, was gestern schon war. So gibt es ganz viele Kulturbaustellen in der Stadt, Musik haben wir vorhin schon erwähnt, da ist nach wie vor auch der Kammermusiksaal ein zu erwähnendes Thema, sagen wir lieber: ein kleiner dimensionierter musikalischer Veranstaltungsraum als es die Philharmonie ist. Also es gibt viele viele Dinge, ich glaube auch ungeheuer viele Entwicklungspotenziale in der Stadt, die wir ausnutzen sollten.

Mein größter Wunsch ist, dass uns allen bewusst wird, wie großartig das sein könnte, was wir haben, wenn wir es denn richtig pflegen würden.

In diesem Sinne, Herr Professor Quander. Vielen Dank für dieses Exclusivinterview für die Neue Rheinische Zeitung und das Bürgerfunkmagazin "Vorsicht Kölsch" von Radio Flok


TERMINHINWEIS
Das Interview von Don Franco mit Prof. Quander wird am Samstag 6.Januar.2007 von 19.05 bis 19.55 Uhr im Bürgerfunkmagazin "Vorsicht Kölsch" von Radio Flok über 107,1 RADIO KÖLN ausgestrahlt.

Zur Filmhaus-Petition kommen Sie über http://www.koelner-filmhauskino-petition.de/




Online-Flyer Nr. 76  vom 26.12.2006

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE