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Lokales
Wirtschaftsgutachter BFJM, Stadt Köln und die Messehallen
“Man kennt sich…”
Von Hildegard Miensopust

Schon bevor Auszüge des so genannten Wirtschaftsgutachtens der Firma Bachem, Fervers, Janßen und Mehrhoff (BFJM) veröffentlicht wurden, wies das Kölner Ratsmitglied Claus Ludwig (Gemeinsam gegen Sozialraub, Fraktion DIE LINKE.KÖLN) in einer Rede darauf hin, dass der Sinn eines Gutachtens sei, die Anforderungen des Geldgebers zu erfüllen: “... stünde in dem Gutachten, dass die Messehallen zu teuer seien, und dass der Auftraggeber schuld daran sei, dann würden Sie (OB Schramma) zum Gespött der Stadt. Und BFJM hätten große Probleme, noch einmal Kunden…zu bekommen.”

Sinn des Gutachtens früh erkannt - Claus Ludwig
Sinn des Gutachtens früh erkannt - Claus Ludwig
Foto: Hans-Dieter Hey


Nur ein bisschen Internet-Recherche
Kurze Zeit später wurde öffentlich, dass BFJM nicht nur über das Gutachten geschäftlich mit der Stadt verbunden sind, sondern die Jahresabschlüsse für städtische Betriebe, pikanterweise auch für den Mieter der neuen Messehallen, den Eigenbetrieb Veranstaltungszentrum Köln, vorgenommen haben. Verantwortlich dafür zeichnet der BFJM-Wirtschaftsprüfer Dr. Werner Holzmayer, der auch das Messe-Gutachten unterschrieben hat.

Es bedurfte keines Phillip Marlowe oder Hercule Poirot, um weitere Informationen über die vielfältigen Verbindungen von BFJM zur Stadt Köln und zu Vertretern der Oppenheim-Bank zutage zu fördern. Etwas Recherche im Internet reichte aus.


Braucht bald Militärschutz? - OB Fritz Schramma
Braucht bald Militärschutz? - OB Fritz Schramma
Foto: Hans-Dieter Hey


Die Oppenheim-Bank brachte zusammen mit der Dresdner Bank 1999 die „Splendid Medien AG“ an die Börse, der Geschäftsbericht desselben Jahres wurde von dem schon bekannten Dr. Holzmayer von BFJM geprüft.

Vereint im Kuratorium des Gürzenich-Orchesters

Im Kuratorium der des Gürzenich-Orchesters treffen sie sich alle: Dr. Werner Holzmayer, Gerd Lützeler von Ernst & Young, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die mit Josef Esch geschäftlich verbunden ist und die abgebrochene „Marktabfrage“ für den Neubau der Messehallen vorgenommen hat, Jochen Witt, Chef der KölnMesse GmbH, Heinz-Peter Clodius von AMB Generali, der von 1990 bis 1999 für Sal. Oppenheim bzw. deren Tochtergesellschaften tätig war. Und nicht zuletzt unser OB Fritz Schramma.

Für die Colonia Real Estate, die jüngst das Disch-Haus in der City von der Stadt gekauft hat, hatte BFJM 2005 die Emission der Aktien organisiert.

Dr. Holzmayer, fast möchte man ihn duzen, so vertraut ist er uns schon, und Dipl.-Kfm. Stephan Winden, zweiter Unterzeichner des Messe-Gutachtens, haben auch den Jahresabschluss für 2005 des Kölner Zoos, einer weiteren städtischen Tochter, geprüft.

Die Methode von Oppenheim-Esch, den Investoren Steuerersparnis zu Lasten der öffentlichen Kassen zu organisieren, gefällt den BFJM-Wirtschaftsprüfern. In „Capital“ (03/06) erklärte Dipl.-Kfm. Stefan Winden, wie Kapitalanleger noch schnell Rentenfonds veräußern können, um der Halbierung des Sparerfreibetrages 2007 zu entgehen.

Dr. Ursula Ley, BFJM-Partnerin und Professorin an der FH Köln, gilt als Spezialistin für die Steuerersparnis beim Erwerb und der Veräußerung von Unternehmen. Sie referierte Ende November bei der 13. Euroforum-Jahrestagung in Wiesbaden zu Themen wie „Steueroptimierte Aufteilung der Anschaffungskosten auf die erworbenen Wirtschaftsgüter“.

Wahrscheinlich vollkommen legal

Kein Wunder, dass die Leute von BFJM das Modell der geschlossenen Immobilien-Fonds à la Oppenheim-Esch als positiv bewerteten (siehe NRhZ Nr. 65, 70 und 75). BFJM vertritt nicht die Interessen der Kölner Bevölkerung, sondern die Position der Investoren und der mit ihnen ideologisch verbundenen Politiker und Verwaltungsspitzen.


Neues Kölner Wappentier bei Oppenheim-Esch-Demonstration
Neues Kölner Wappentier bei Oppenheim-Esch-Demonstration
Foto: Hans-Dieter Hey


Das Ganze ist – wahrscheinlich – vollkommen legal. Es ist auch ganz normal: Konzerne, Banken, Berater, Wirtschaftsprüfer, die Vorstände und Aufsichtsräte städtischer Betriebe und die Politiker sind miteinander verbunden, über geschäftliche und private Kontakte, über die gemeinsame neoliberale Ideologie. Das ist auch nicht besonders „kölsch“, sondern schlicht kapitalistisch. Man kennt sich, man hilft sich, man arbeitet für die gleiche Klasse der Besitzenden. Und teilt wohl weitgehend die gleiche Verachtung für den Pöbel, die Verlierer, die Kostenfaktoren oder wie immer die hohen Herren und Damen die Normalbevölkerung bei ihren Empfängen und Geschäftsessen bezeichnen mögen.

Herrschende Klasse in Köln recht geschlossen

Strukturell läuft in anderen Städten dasselbe; andere Banken, Berater, Konzerne, Politiker funktionieren ebenso. Allerdings, und das ist schon eine kölsche Besonderheit, war die herrschende Klasse dieser Stadt in den vergangenen Jahrzehnten recht geschlossen. Es gab keine verfeindeten Cliquen, die ihre schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit wuschen. In der Mitte des profitablen Netzwerkes sitzen die Familien derer von Oppenheim, Krockow und Ullmann, darum gruppieren sich die Politiker der etablierten Parteien, die Chefs städtischer Betriebe, die örtliche Monopolpresse – was von besonderem Vorteil ist –, sowie die nicht so wichtigen Kapitalisten und Vermögenden der Stadt.

Erst in letzter Zeit gibt es Absetzbewegungen. Der am Messe-Fonds - im Gegensatz zur Köln-Arena - nicht beteiligte Dumont-Clan setzt sich vom Klüngel-Zentrum ab und erlaubt seinen Journalisten kritisch zu berichten, in Maßen, versteht sich.

Wenn schon eine kurze Internet-Recherche so viele Querverbindungen erkennen lässt, was würde dann ein Undercover-Einsatz zwischen noblen Restaurants, der Rennbahn Weidenpesch und den Büros der Beteiligten erbringen?

Gutachter, Berater, Prüfer, sie alle liefern Dokumente ab, um die Interessen ihrer Auftraggeber zu vertreten und deren Interpretation der Verhältnisse zu verbreiten. Wer etwas anderes erzählt,  versucht zu verschleiern, dass geschäftliche und politische Interessen hinter den Experten stehen.

Breite demokratische Debatte notwendig

Eine wirklich unabhängige Untersuchung der Messe-Affäre kann es nur geben, wenn sämtliche Unterlagen veröffentlicht werden, wenn sich aus der Bevölkerung eine breite demokratische Debatte entwickelt. Bleibt die Aufklärung der Staatsanwaltschaft, staatlichen Institutionen und finanziell abhängigen Wirtschaftsprüfern allein überlassen, werden nur gefilterte Informationen an die Öffentlichkeit dringen.

Bei dem Gutachten von BFJM ging es einzig und allein darum, Argumente für die Entlastung von Oberbürgermeister Schramma zu produzieren. Daher ist nicht überraschend, dass das Geschäft nicht von allen Seiten beleuchtet wurde, sondern lediglich eine künstliche Rechnung vorgenommen wurde, die es mit Tricks so hindreht, als wäre der Bau der Messehallen durch den Oppenheim-Esch-Fonds nicht teurer, als wenn die Stadt bzw. die Messe selber gebaut hätten. Frei nach Winston Churchill: „Glaube keinem Gutachten, was du nicht selbst bezahlt hast.“


Online-Flyer Nr. 77  vom 10.01.2007

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