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Medien
“Vergangenheits- und Gegenwartsmalerei des Verlagshauses Neven DuMont”
NRhZ-Autoren gehen zum Bundesverfassungsgericht
Von Wolf-Dieter Narr und Elke Steven 

Als „Arisierung“ sei „unter Druck geschehene Überführung jüdischen Eigentums in andere Hand“ zu verstehen, hatte der Vorsitzende Richter beim Kölner Oberlandesgericht am 31. Oktober in der mündlichen Verhandlung über die Einstweilige Verfügung des Hauses Neven DuMont gegen die NRhZ-Journalisten Albrecht Kieser und Peter Kleinert erklärt und damit das Kölner Landgericht schon mal ein bisschen korrigiert. (Siehe NRhZ 69) Das hinderte das OLG aber nicht daran, den beiden Autoren des Artikels über die Neven DuMont-Käufe ehemals jüdischer Grundstücke in der Nazizeit weiter zu verbieten, in diesem Zusammenhang von „Profiten“, geschweige denn von „Arisierungsprofiten“ zu reden. - Weil sie das als zutreffende Wertung verteidigen wollen, haben die Autoren jetzt Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen das OLG Urteil eingereicht. Im Folgenden eine „Erklärung im Auftrag des Komitees für Grundrechte und Demokratie zum entsorgenden Urteil des OLG Köln vom 21.11.2006“. Die Redaktion.


Kurt NevenKurt Neven DuMont – Trotz „Widerstand“ mit hohem Nazi-Orden dekoriert
Foto: NRhZ-Archiv


Die Nazi-Vergangenheit wird aus gegenwärtigen Interessen vertuscht und geschönt

Dieses Urteil vertritt unter anderem die Interessen der Vergangenheits- und Gegenwartsmalerei des Verlagshauses Neven DuMont und seiner gegenwärtigen Eigner. Das Gericht übermalt damit seinerseits die Vergangenheit und spricht die überwiegende Mehrheit der Deutschen rückwärtig gegenwartsinteressiert frei.

I. Zum Sachverhalt

Der Anlass ist fast unerheblich, beinahe banal. Zwei Journalisten, Peter Kleinert und Albrecht Kieser, der Historiker Ingo Niebel, der SPIEGEL, sowie später die FAZ, die Zeitschrift „Der Jourmalist“ und die Kölner online-Zeitung NRhZ haben dem Bild der besonnten NS-Vergangenheit widersprochen. Eine solche Retouche hat der selbst herausgeberkräftige Sohn der seinerzeitigen Verlegerfamilie Neven DuMont von seinen angeblich aller Bräune baren, fast widerständigen Eltern gezeichnet.

AlfredNeven
Alfred Neven DuMont: Alle Grundstücke wurden rechtmäßig erworben
Foto: Hans-Dieter Hey


Die Journalisten behaupteten vor allem, die Neven DuMonts hätten Ende der 30er/Anfang der 40er Jahre wie so viele andere „arisch“ privilegierte und mitlaufend mittuende Deutsche unter anderem in drei Grundstücksfällen „Arisierungsprofite“ eingeheimst. Sie hätten, um es historisch korrekt zu formulieren, erheblichen, ihre persönlichen und betrieblichen Grundstücke wohlfeil erweiternden Nutzen gezogen, weil die nationalsozialistisch Herrschenden die deutschen Juden, bevor sie sie vollends vertrieben und ermordeten, in jeder Hinsicht rechtsfrei entkleidet und ihrer Güter enteignet haben.

Dadurch konnten sie vielen in ihrem Sinne „Bewegten“ Extraprivilegien zukommen lassen. Besagter Neven DuMont-Sohn, der die elterliche Vergangenheit, angeblich weißwestig wie sie war, werbegewitzt eingesetzt hatte, klagte dagegen. Die 28. Zivilkammer des Landgerichts zu Köln hat am 17. Mai 2006 – diese gerichtliche Mühle mahlte rasch aber rechts- und geschichtsgrob – dem „nachgeborenen“ Sohn und seinen weiten, einflussstarken Besitzungen sein „Recht erkannt“. Dagegen gingen die beiden Journalisten in Berufung. Über diese Berufung befand novembernebeldicht das oben genannte OLG. Und erkannte erneut „für Recht“. Dieses Urteil ist in Kern, Argumenten und Sprache skandalös, sprich ein demokratisches und grundrechtliches Ärgernis. Mit diesem allein werden wir uns in dieser knappen Erklärung beschäftigen. Wir konzentrieren uns auf drei Argumente des Gerichts und deren Zusammenhang.

AlfredNeven
Heute DuMont-Carré - Unter den Hausnummern Breite Straße 82, 86 und 88 waren in den zwanziger und dreißiger Jahren Grundstücke der jüdischen Firma Brandenstein und Rose KG.
Foto: Hans-Dieter Hey


II. Das Kölner Urteil „im Namen des Volkes“ als Verhöhnung dieses Volkes -

soweit es nach 1949 gelernt haben sollte, wie es sich in der jüngsten Vergangenheit zwischen 1933 und 1945 mit „Recht und Gesetz“ verhielt. Und wie es sich darum grundgesetzgemäß auf dem Fundament der Grund- und Menschenrechte verhalten müsste.

1. Grundlegender Skandal.
Das OLG suggeriert ohne Scheu, die arischen Deutschen hätten sich im Rahmen nationalsozialistischer Herrschaft „rechtmäßig“ verhalten können. Als hätten sie nie etwas vom „Doppelstaat“ gehört. Dass nämlich das führererklärte Ausnahme-Als-Ob-Recht, der Maßnahmestaat also, die ansonsten erhaltenen rechtlichen Normen in allen Bereichen, den herkömmlichen „Rechtsstaat“ je nach herrschendem Belieben nahezu aller NS-Chargen und der ihnen Nahestehenden jederzeit hätte aufheben können und tatsächlich aufgehoben hat. Nicht zu reden von der „unbegrenzten Auslegung“ vornazistisch statuierter Gesetze, die während der Nazizeit den Takt schlug. Darf aber ein Oberlandesgericht im Jahr 2006 so ahnungslos sein? Darf es zwar einerseits die nazistischen „Arisierungen“ – vielleicht?! – in Frage stellen, aber reiche, ehrsame, einflussreiche, nazistisch dekorierte Bürgerinnen und Bürger wie das Herausgeberehepaar Neven DuMont im Rahmen strukturellen Unrechts in ihrem Erwerbsverhalten als „rechtmäßig“ bezeichnen, weil u.a. ein Notar den faktischen Raubvorgang bestätigt hat? Letzter bleibt objektiv und subjektiv ein Raub, gerade wenn die Beraubten zuvor entrechtet und vertrieben worden sind. Wieviel Ahnungslosigkeit ist im Jahre 2006 noch erlaubt? Welche Vorgänge dürften Richterin und zwei Richter, so die juristisch potente Triade des OLG hinterher rechtsstaatlich im Sinne des Grundgesetzes oder von der Weimarer Reichsverfassung her kommend vorweg dressieren, eincremen und salben? Hier dämmert nicht mehr mitten im Nationalsozialismus, sondern mitten in der ungleich länger währenden Bundesrepublik Deutschland die alte Gefahr neu: die Gefahr schrecklicher Richter!

2. Den gelegten Grund verschärfender Skandal.
Das Urteil des OLG erhält seinen hauptsächlichen Wert- und damit Urteilsbezug  – das diffuse Verständnis dessen, was „Rechtsstaat“ war und heute ist, kann es nicht sein –, durch den „Durchschnittsadressaten“. In sein nicht weiter auseinandergenommenes oder untersuchtes Gewand schlüpfen Richterin und Richter. Ihm, der später „Durchschnittsleser“ genannten richterlichen Konstruktionsfigur dürften Einsichten nicht zugemutet werden: dass beispielsweise, um die Urteilsbegründung zu zitieren, „die objektiven Umstände der jeweiligen Erwerbsvorgänge“ solcherart klaffendes Unrecht darstellten, die hinterher nicht durch individuell „ordentliches“, notariell beglaubigtes Verhalten, beispielsweise von Frau Neven DuMont 1940 „rechtmäßig“ transformiert werden können. Reichte es, dass die Nazis „Rechtsstaat“ zuweilen spielten, damit es einer war und einer bleibt? Es sei denn, man erkenne Frau Neven DuMont die bürgerliche Einsichtsfähigkeit ab. Es sei denn, man wolle den arisch deutschen „Durchschnitt“ seinerzeit, den „Durchschnitt“ der Richter ebenso und den staatsbürgerlichen deutschen „Durchschnitt“ heute in seiner unterworfenen Ohnmacht unbeschadet seines Verhaltens bestätigen. Indem das OLG die Durchschnittsdeutschen heute ineins mit den Durchschnittsariern seinerzeit setzt, trägt es dazu bei, jegliche Banalität des Bösen banal in Form der Adelung des status quo zu entschuldigen.

3. Der bei Richtern an einem OLG nicht zulässige begriffsstutzige oder begriffsrabulistische Skandal.
„Der Begriff der ‚Arisierung‘“, so die drei „für Recht“ Erkennenden, habe „keine allgemein festgelegte Bedeutung“. „Sein Verständnis“ sei darum „abhängig von der Kenntnis historischer Vorgänge“. Indem das OLG sich sozusagen in die Pose postmodern beliebigen Begriffsgebrauchs wirft, tut es genau das, was es verwirft. Es missachtet die zu Zeiten der Nazis unmissverständliche Bedeutung der „Arisierung“. Gewiss: nicht nur DuMonts äußerst günstig erworbene Grundstücke wurden arisiert. All das, was da „deutsch“ hieß, wurde zwangsarisiert – oder wurde ausgeschlossen, vertrieben und ermordet. Diesen allgemeinen historisch gegebenen Umstand dazu zu missbrauchen, zum einen Journalisten ihrer Meinungs- und Äußerungsfreiheit zu berauben, zum anderen aber einen bornierten, geschichtsvergessenen, gegenwartseitlen Sohn mit seiner späten Reinwäscherei zu rechtfertigen, das ist ein Skandal. Er schlägt wie die beiden anderen auf das Gericht selbst um.
Das Ärgernis besteht also nicht primär darin, dass sich ein deutsches Gericht im Jahre 2006 wie in den ersten Nachkriegsjahren fast alle Gerichte an der seinerzeit so genannten Persilscheinwäscherei beteiligt. Der Skandal dieses im Sachverhalt heute eher vernachlässigbaren Urteils des OLG zu Köln besteht vor allem darin, welche Botschaft das Gericht dem „Durchschnittsadressaten“ zum einen über die NS-Herrschaft und ihre arisierenden Etappen auf dem Weg zur ,Endlösung‘ nahelegt. Zum anderen besteht das Ärgernis darin, was und wie den „Durchschnittslesern“ das erscheinen muss, was als demokratischer, grundrechtlich fundierter Rechtsstaat des Grundgesetzes sonst so emphatisch hoch gehandelt wird. Gäbe es mehr Richterinnen und Richter und mehr zureichende innergerichtliche Kontrollen, diesen Justizskandal müsste die Judikative der Bundesrepublik insgesamt zum Anlass nehmen, sowohl als unfähig erwiesene Richter auf nichtrichterliche Positionen zu versetzen, wie die Schulung und Rekrutierung der RichterInnen insgesamt umzugestalten. Oder sollte das OLG gar ein Symptom dafür darstellen, wie gegenwärtig ansonsten mit viel Denkmalsaufwand deutsche Vergangenheit und neue weltweit kämpferische Gegenwart entsorgt und präventiv gerechtfertigt werden?

Im Auftrag, nicht im Namen des Komitees für Grundrechte und Demokratie
Wolf-Dieter Narr und Elke Steven

Online-Flyer Nr. 77  vom 10.01.2007

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