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Lokales
Kölner Gewerkschafter sagen Mitgliederschwund den Kampf an
Flucht nach vorn
Von Hans-Dieter Hey
Axt an der Wurzel der Demokratie
Reden wir nicht drum herum. Die Situation ist insgesamt nicht erfreulich, und es gibt nichts zu vertuschen. Die Verankerung der Gewerkschaften in der Gesellschaft hat aufgrund der neoliberalen Kriegserklärung der Konzerne und Lobbyisten und dem medialen Dauerbeschuss durch die Hofberichterstattung des Mainstreams stark abgenommen. Seit gut 20 Jahren leiden sie an Mitgliederschwund - auch mit Folgen für die eigenen Arbeitsplätze. In drei Jahren gingen bei ver.di bundesweit 900 Arbeitsplätze verloren. Der thüringische Ministerpräsident und ehemalige Lehrer Dieter Althaus (CDU) verlangte widersinnig gar die Einschränkung vermeintlicher Gewerkschaftsmacht nach dem Motto: Der Hund ist tot, schlagen wir noch drauf. Das war ein ungeschminktes Plädoyer für die totalitäre Gesellschaft. Die SPD als maßgeblicher Wegbereiter neoliberaler Umgestaltung zum "Kapitalismus pur" hat die alte Ehe mit den Gewerkschaften schon vor Jahren aufgekündigt. Im Herunterbeten verhängnisvoller Glaubenssätze, die den Neoliberalismus zur unangreifbaren Religion machen und die der Globalisierung vermeintliche Vorzüge abgewinnt, unterscheidet sie sich nicht mehr von CDU, CSU oder FDP. Unter Verdrängung der Realität wollen viele Hauptamtliche von der einseitigen Scheidung durch die SPD am liebsten immer noch nichts hören.
Inzwischen wurde längst durch die schwarz-rote Politik die nächste Axt zur Zerschlagung sozialer und demokratischer Rechte angelegt. Deshalb drängt die Zeit, und der Erkenntnisprozess muss schneller gehen, dass die Bedrohung der eigenen Existenz außer der wirtschaftlichen eben auch eine politische Dimension hat. Oskar Negt hat in seinem Buch "Brauchen wir noch Gewerkschaften? Unbedingt!" darauf hingewiesen, dass die Zerschlagung der Gewerkschaften keine Kleinigkeit ist, "...sondern ein zentraler Bruch im Demokratieverständnis der westlichen Welt". Das zögerliche Stillhalten der Gewerkschaften, das Beschränken auf "1. Mai-Latsch-Demos", die Produktion von Papierinformationen und die Gewährung von Beratung und Rechtsschutz für die Mitglieder werden daher für ihren erfolgreichen Fortbestand nicht ausreichen.
Zukunftswunsch der ver.di-Mitglieder?
Außerparlamentarische Vernetzung notwendig
Die Teilnehmer der Perspektivveranstaltung haben die Zusammenhänge erkannt und deshalb eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, um Verbesserungen in der gewerkschaftlichen Basisarbeit durchzuführen. Gerade wegen des Verlustes ihres traditionellen Partners SPD muss sich die Gewerkschaft an ihre politischen Tradition erinnern und sich wieder das außerparlamentarische Mandat bei den Menschen zurückholen. Deshalb wird von den hauptamtlichen Gewerkschaftsmitgliedern wieder eine stärkere politische Präsenz gefordert. Nur so kann Vertrauen wieder gewonnen werden. Allerdings reicht die einseitige Sicht auf hauptamtliche Gewerkschafter nicht. Wer Gewerkschaftsarbeit kennt, weiß, dass dort niemand eine 40-Stunden-Woche hat. Viele der Sekretäre und Sekretärinnen sind ausgebrannt, tun aus Mangel an Zeit nur das Nötigste oder sind Feuerwehr in den Betrieben.
Es ist also selbstverständlich, dass sich diese Situation nur mit besserer Personalausstattung verändern lässt, die wiederum nur mit Eintritten in die Gewerkschaft sichergestellt werden kann. Doch dieses Vertrauen um ein Ringen für eine bessere Zukunft hat ver.di verdient. Es muss nur klar sein, dass viele Menschen von der Bedienungsmentalität herunter kommen müssen und verstehen, dass nur sie selbst die Gesellschaft verändern können und müssen. Das bedeutet Arbeit. Bürgerarbeit.
All das setzt auch voraus - so die Perspektivteilnehmer - dass sich Gewerkschafter stärker und besser zwischen ihren Fachbereichen vernetzen, informieren und austauschen. Gefordert werden muss auch die gegenseitige Vernetzung und der gegenseitige Bezug nach außen. Die Zeit des "Igitt" als Reaktion hauptamtlicher Verdianer bei der Erwähnung der eigenen Linken, der Montagsdemos oder von Labournet muss zu Ende sein, wenn man wieder akzeptiert werden will.
Auf der Fahrt in eine gute Zukunft?
Foto: Hans-Dieter Hey
Info-Pool aus der Arbeitswelt
Erwerbslose ver.di-Mitglieder haben bereits ein Grundkonzept zur medialen Vernetzung der Kölner Verdianer entwickelt, die um die Vorschläge der Perspektivgruppe vom Samstag ergänzt werden sollen. Das technische Konzept kann bereits unter www.netzwerk-erwerbslos.de bestaunt werden. Die Idee folgt ebenso der einer Internetzeitung, die politische und gewerkschaftliche Themen der Arbeitswelt öffentlich zur Verfügung stellt, denn nicht immer gelingt es den Gewerkschaften, ihre Themen in einer inhaltlich nahezu gleichgeschalteten Medienwelt zu platzieren.
Besonders wichtig erschien den Teilnehmern auch, dass sich in Zeiten der "Praktikantengesellschaft" und einer immer prekärer werdenden Beschäftigungsstruktur mit anhaltender Massenarbeitslosigkeit ver.di stärker für diese Personengruppen öffnen und engagieren muss. Vor allem sei es wichtig, auch den kleinen Selbständigen und Freiberuflern stärker als bisher eine politische und gewerkschaftliche Heimat zu bieten und deutlich zu machen, dass sie der geeignete Partner ist.
Außerdem wurde vorgeschlagen, einen Info-Pool aus der Arbeitswelt, den Betrieben oder der Gesellschaft zu etablieren, um Entwicklungen besser erkennen zu können. Als Beispiel wurde das Urheberrecht genannt. Aufgrund des neuen und hemdsärmlich gestalteten Urheberrechts könnten Verstöße dagegen dann gemeldet werden, um Gegenstrategien entwickeln zu können. Es liegt jetzt an der hauptamtlichen Seite von ver.di, sich solchen Vorschlägen gegenüber offen zu zeigen und auf der ehrenamtlichen Seite, sie durch Engagement zum Erfolg zu führen. Die Perspektivgruppe ist zuversichtlich und will bald wieder zusammen kommen. Und wünscht sich dabei noch mehr Aktive.
Online-Flyer Nr. 81 vom 07.02.2007
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Kölner Gewerkschafter sagen Mitgliederschwund den Kampf an
Flucht nach vorn
Von Hans-Dieter Hey
Axt an der Wurzel der Demokratie
Reden wir nicht drum herum. Die Situation ist insgesamt nicht erfreulich, und es gibt nichts zu vertuschen. Die Verankerung der Gewerkschaften in der Gesellschaft hat aufgrund der neoliberalen Kriegserklärung der Konzerne und Lobbyisten und dem medialen Dauerbeschuss durch die Hofberichterstattung des Mainstreams stark abgenommen. Seit gut 20 Jahren leiden sie an Mitgliederschwund - auch mit Folgen für die eigenen Arbeitsplätze. In drei Jahren gingen bei ver.di bundesweit 900 Arbeitsplätze verloren. Der thüringische Ministerpräsident und ehemalige Lehrer Dieter Althaus (CDU) verlangte widersinnig gar die Einschränkung vermeintlicher Gewerkschaftsmacht nach dem Motto: Der Hund ist tot, schlagen wir noch drauf. Das war ein ungeschminktes Plädoyer für die totalitäre Gesellschaft. Die SPD als maßgeblicher Wegbereiter neoliberaler Umgestaltung zum "Kapitalismus pur" hat die alte Ehe mit den Gewerkschaften schon vor Jahren aufgekündigt. Im Herunterbeten verhängnisvoller Glaubenssätze, die den Neoliberalismus zur unangreifbaren Religion machen und die der Globalisierung vermeintliche Vorzüge abgewinnt, unterscheidet sie sich nicht mehr von CDU, CSU oder FDP. Unter Verdrängung der Realität wollen viele Hauptamtliche von der einseitigen Scheidung durch die SPD am liebsten immer noch nichts hören.
Inzwischen wurde längst durch die schwarz-rote Politik die nächste Axt zur Zerschlagung sozialer und demokratischer Rechte angelegt. Deshalb drängt die Zeit, und der Erkenntnisprozess muss schneller gehen, dass die Bedrohung der eigenen Existenz außer der wirtschaftlichen eben auch eine politische Dimension hat. Oskar Negt hat in seinem Buch "Brauchen wir noch Gewerkschaften? Unbedingt!" darauf hingewiesen, dass die Zerschlagung der Gewerkschaften keine Kleinigkeit ist, "...sondern ein zentraler Bruch im Demokratieverständnis der westlichen Welt". Das zögerliche Stillhalten der Gewerkschaften, das Beschränken auf "1. Mai-Latsch-Demos", die Produktion von Papierinformationen und die Gewährung von Beratung und Rechtsschutz für die Mitglieder werden daher für ihren erfolgreichen Fortbestand nicht ausreichen.
Zukunftswunsch der ver.di-Mitglieder?
Außerparlamentarische Vernetzung notwendig
Die Teilnehmer der Perspektivveranstaltung haben die Zusammenhänge erkannt und deshalb eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, um Verbesserungen in der gewerkschaftlichen Basisarbeit durchzuführen. Gerade wegen des Verlustes ihres traditionellen Partners SPD muss sich die Gewerkschaft an ihre politischen Tradition erinnern und sich wieder das außerparlamentarische Mandat bei den Menschen zurückholen. Deshalb wird von den hauptamtlichen Gewerkschaftsmitgliedern wieder eine stärkere politische Präsenz gefordert. Nur so kann Vertrauen wieder gewonnen werden. Allerdings reicht die einseitige Sicht auf hauptamtliche Gewerkschafter nicht. Wer Gewerkschaftsarbeit kennt, weiß, dass dort niemand eine 40-Stunden-Woche hat. Viele der Sekretäre und Sekretärinnen sind ausgebrannt, tun aus Mangel an Zeit nur das Nötigste oder sind Feuerwehr in den Betrieben.
Es ist also selbstverständlich, dass sich diese Situation nur mit besserer Personalausstattung verändern lässt, die wiederum nur mit Eintritten in die Gewerkschaft sichergestellt werden kann. Doch dieses Vertrauen um ein Ringen für eine bessere Zukunft hat ver.di verdient. Es muss nur klar sein, dass viele Menschen von der Bedienungsmentalität herunter kommen müssen und verstehen, dass nur sie selbst die Gesellschaft verändern können und müssen. Das bedeutet Arbeit. Bürgerarbeit.
All das setzt auch voraus - so die Perspektivteilnehmer - dass sich Gewerkschafter stärker und besser zwischen ihren Fachbereichen vernetzen, informieren und austauschen. Gefordert werden muss auch die gegenseitige Vernetzung und der gegenseitige Bezug nach außen. Die Zeit des "Igitt" als Reaktion hauptamtlicher Verdianer bei der Erwähnung der eigenen Linken, der Montagsdemos oder von Labournet muss zu Ende sein, wenn man wieder akzeptiert werden will.
Auf der Fahrt in eine gute Zukunft?
Foto: Hans-Dieter Hey
Info-Pool aus der Arbeitswelt
Erwerbslose ver.di-Mitglieder haben bereits ein Grundkonzept zur medialen Vernetzung der Kölner Verdianer entwickelt, die um die Vorschläge der Perspektivgruppe vom Samstag ergänzt werden sollen. Das technische Konzept kann bereits unter www.netzwerk-erwerbslos.de bestaunt werden. Die Idee folgt ebenso der einer Internetzeitung, die politische und gewerkschaftliche Themen der Arbeitswelt öffentlich zur Verfügung stellt, denn nicht immer gelingt es den Gewerkschaften, ihre Themen in einer inhaltlich nahezu gleichgeschalteten Medienwelt zu platzieren.
Besonders wichtig erschien den Teilnehmern auch, dass sich in Zeiten der "Praktikantengesellschaft" und einer immer prekärer werdenden Beschäftigungsstruktur mit anhaltender Massenarbeitslosigkeit ver.di stärker für diese Personengruppen öffnen und engagieren muss. Vor allem sei es wichtig, auch den kleinen Selbständigen und Freiberuflern stärker als bisher eine politische und gewerkschaftliche Heimat zu bieten und deutlich zu machen, dass sie der geeignete Partner ist.
Außerdem wurde vorgeschlagen, einen Info-Pool aus der Arbeitswelt, den Betrieben oder der Gesellschaft zu etablieren, um Entwicklungen besser erkennen zu können. Als Beispiel wurde das Urheberrecht genannt. Aufgrund des neuen und hemdsärmlich gestalteten Urheberrechts könnten Verstöße dagegen dann gemeldet werden, um Gegenstrategien entwickeln zu können. Es liegt jetzt an der hauptamtlichen Seite von ver.di, sich solchen Vorschlägen gegenüber offen zu zeigen und auf der ehrenamtlichen Seite, sie durch Engagement zum Erfolg zu führen. Die Perspektivgruppe ist zuversichtlich und will bald wieder zusammen kommen. Und wünscht sich dabei noch mehr Aktive.
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