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Kultur und Wissen
Impressionen aus Havanna zu Beginn der 16. Internationalen Buchmesse
Zweimal Deutschland
Von Harald Neuber

Wenn seit dem Wochenende erneut Hunderttausende die 16. Internationale Buchmesse von Havanna besuchen, können sie Deutschland gleich zweimal treffen. Neben dem »Büro Buchmesse Havanna« ist zum ersten Mal seit drei Jahren wieder die Frankfurter Buchmesse, und damit die Bundesregierung, vertreten.
Mit der Teilnahme der Frankfurter Buchmesse in Havanna solle »im Hinblick auf eine künftige gemeinsame Präsenz das Interesse an deutschsprachigen Publikationen getestet werden«, heißt es in einer auf Spanisch verfaßten Presseerklärung, die in Havanna verteilt wird. Auch sollten mit der vom Auswärtigen Amt, dem Goethe-Institut und der deutschen Botschaft unterstützten Ausstellung die Kontakte »wiederaufgenommen und gepflegt« werden. Keine Erwähnung findet die Vorgeschichte. Im Herbst 2003 hatte die – damals von SPD und Grünen geführte – Bundesregierung die Teilnahme an der zweitgrößten Buchmesse Lateinamerikas kurzfristig abgesagt. Berlin folgte damit der damals aggressiven antikubanischen Politik, die von der rechtskonservativen Regierung Spaniens unter José Maria Aznar forciert wurde.

Daß sich offensichtliche politische Differenzen in einem Boykott der kulturellen Beziehungen niederschlagen sollten, stieß seinerzeit in Deutschland bis weit in das bürgerliche Lager auf Ablehnung – die bis heute anhält. Während die Frankfurter in diesem Jahr in Havanna auf rund 40 Quadratmetern ausstellen, ist die »alternative Präsenz« mit 54 Verlagen fünfmal größer. Wer in der deutschen Verlagsbranche wie auf kubanischer Seite als offizieller Vertreter Deutschlands angesehen wird, ist offensichtlich.

Daß es der Bundesregierung nicht gelingt, einen gemeinsamen deutschen Auftritt zustande zu bringen, liegt maßgeblich an ihrer ungebrochen antikubanischen Haltung. Nach Abzug des deutschen Botschafters Bernd Wulffen im August 2005 entsandte das Auswärtige Amt mit Ulrich Lunscken einen Technokraten nach Havanna, der die Vorgaben aus Berlin williger zu erfüllen bereit war als sein Vorgänger. Tatsächlich hat der 54jährige in diplomatischen Kreisen in Kuba mehr durch sein Privatleben für Gesprächsstoff gesorgt, denn durch politische Akzentsetzung. Eine Annäherung wäre mit ihm jedoch auch nicht möglich gewesen. In einer seiner raren Stellungnahmen verunglimpfte er Kuba noch im Dezember als »totalitären Staat, der seinen Einwohnern die Menschenrechte weitgehend vorenthält«. Einen deutschen Dokumentarfilm, der in das Programm des renommierten Filmfestivals von Havanna Ende vergangenen Jahres unter anderem deswegen nicht aufgenommen wurde, weil in ihm ein baldiger Tod des Staatschefs Fidel Castro positiv bewertet wird, wollte er in der Botschaft zeigen. Im Anschluß sollten »Betroffene des Systems« über den Streifen diskutieren. Der Eklat blieb nur aus, weil Lunscken Anfang des Jahres krankheitsbedingt nach Deutschland zurückkehren mußte und, wie es in Havanna und Berlin einhellig heißt, seinen Platz in Kuba wohl nicht wieder einnehmen wird.

Doch der ehemalige Mitarbeiter der Zentralabteilung 1 des Auswärtigen Amtes hat Spuren hinterlassen. Nachdem der Plan, Günter Grass und Christa Wolf in Havanna auftreten zu lassen, nicht realisiert werden konnte, mobilisierte Lunscken die zweite Reihe. Am Montag sprach die gescheiterte Unionskandidatin für das Bundespräsidentenamt, Dagmar Schipanski, in Havanna über das Thema »Bildung in Deutschland«. Eine Veranstaltung über »deutsch-deutsche Erfahrungen 1989/90« war zuvor verworfen worden.

Übrig bleibt eine kleine und passable Sammlung von Kinder- und Sprachbüchern in den Regalen der Frankfurter Buchmesse. Verantwortlich dafür ist Dieter Schmidt, Geschäftsführer des Frankfurter Genossenschaftsverlags »Trotzdem«, der 1978 von dem Verleger und Publizisten Wolfgang Haug gegründet wurde. Schmidt, der auch als freier Mitarbeiter für die Frankfurter Buchmesse tätig ist, hat seine Position auf eigene Art zum Ausdruck gebracht. Er hat den linken Journalisten und Literaten Raul Zelik nach Havanna geholt. Zelik wird zwei Romane vorstellen. Der eine heißt »La Negra« und handelt von menschlichen Schicksalen im kolumbianischen Bürgerkrieg. Der zweite Roman trägt den Titel: »Berliner Verhältnisse«. Und über die kann man in Havanna in der Tat viel lernen.


Online-Flyer Nr. 82  vom 14.02.2007

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