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Medien
"Das Land der Aufklärung" will verstärkt über "Hassprediger aufklären
Einsatz der "Deutschen Welle"
Von Hans Georg

Wegen "großer Probleme" im Kampf gegen islamische "Hassprediger" und gegen die "Intoleranz" arabischer Religiosität wird die deutsche Regierung ihre mediale Einflussarbeit mit Hilfe des offiziösen Auslandssenders Deutsche Welle in den arabischen Staaten ausweiten. Dies kündigte der Vorsitzende des Ausschusses Kultur und Medien des Deutschen Bundestages, Hans-Joachim Otto, bei einem Besuch in Algier an. Ziel sei es, den "Fanatikern" das Handwerk zu legen.

Hans-Joachim Otto
Hans-Joachim Otto (FDP): "Wir sind das Land der Aufklärung"
Foto: Bundestag


"In Deutschland haben wir unsere Dichter, unsere Denker, wir sind das Land der Aufklärung", unterstrich Otto. Anlässlich des Algerien-Besuchs unterzeichnete der Radio-Programmdirektor der Deutschen Welle, Christian Gramsch, in Algier ein Kooperationsabkommen. Für das algerische Fernsehen werde die TV-Abteilung der Deutschen Welle verstärkt Journalisten ausbilden. Die "Deutsche Welle-Fernsehen" hat ihre Aktivitäten in den islamischen Ressourcenstaaten zu einem Schwerpunkt der Programmarbeit erklärt. Im besetzten Afghanistan sei man "der erfolgreichste Auslandssender", rühmt die Bundesregierung ihre kriegsbegleitenden Medienaktivitäten.

Der "Dialog zwischen dem Islam und dem Christentum (...) ist (...) von existentieller Bedeutung" [1], sagte Hans-Joachim Otto (FDP) bei seinem Besuch in Algier. "Millionen Muslime (leben) in Deutschland, und es werden immer mehr". Angesichts dieser furchterregenden Entwicklung könne Algerien beispielhaft für einen "gemäßigten und toleranteren Islam" sein. "Algerien ist die lebendigste Demokratie der arabischen Welt", versicherte der Vorsitzende des Ausschusses Kultur und Medien des Deutschen Bundestages seinen Gastgebern.

Lebendige Demokratie mit 200.000 Toten

Wie "lebendig" die algerische Demokratie ist, lässt sich an den Staatsstreichen, Gewalttaten von Aufständischen und Massakern an der algerischen Opposition ablesen. Dabei starben in den vergangenen 15 Jahren mindestens 200.000 Menschen, rund 20.000 Personen sind verschwunden und gelten als Opfer paramilitärischer Einsatzkommandos. Während der Nordafrika-Reise der deutschen Delegation kam es in Algerien zu sieben Sprengstoffanschlägen mit mindestens sechs Toten und über 50 Verletzten, darunter mehrere Polizisten.[2] Wegen der politischen Unterdrückung nehmen die Gewalttätigkeiten zu.

Gramsch
DW-Hörfunkchef Gramsch: Muslimische Journalisten ausbilden
Foto: DW


Mit der Medienoffensive, die das algerische Repressionsregime stützt und auch in anderen Teilen der arabischen Welt westliche PR-Maßnahmen in Gang setzt, hofft die Bundesregierung auf zivilen Flankenschutz für ihren "Kampf gegen den Terror". Vor den Gesprächen in Algier hatte die Bundestagsdelegation Libyen besucht, um dort ebenfalls über die Ausweitung der deutschen Medienarbeit zu verhandeln. Dabei setzt Berlin seinen Auslandssender Deutsche Welle ein. In "Krisengebieten", in denen die deutsche Außenpolitik Fuß fassen und sich in die inneren Angelegenheiten einmischen will, fungiert die Deutsche Welle als "eine Art 'Ersatz-Inlandssender'", heißt es über die Medientaktik freimütig.[3] Als Beispiel einer gelungenen Einflussnahme nennt die deutsche Presse die Ukraine, wo die Deutsche Welle zum Umsturz ("Orangene Revolution") maßgeblich beigetragen habe.[4] Auch bei der "Sensibilisierung der Bevölkerung" [5] in Belarus ist die Deutsche Welle tätig geworden.

"Deutsche Welle"-Wurzeln im Deutschen Reich

Die heutige Deutsche Welle (DW) wurde in Nachfolge mehrerer staatlicher Propagandasender des Deutschen Reiches gegründet. Gründungsdirektor war ein früherer Gestapo-Lockspitzel des NS-Regimes. Seit 2005 hat die DW ihr arabischsprachiges Programm von dreieinhalb auf fünf Stunden ausgeweitet und für den Maghreb, den Mittelmeerraum und für die Kriegsregion am Golf regionalisiert. Arabisch wurde zur siebten "Schwerpunktsprache" [6] des Internetprogramms. Die Deutsche Welle sei der erste europäische Sender, "der TV-Nachrichten mit arabischen Moderatoren in arabischer Sprache sendet", verlautbart die Bundesregierung nicht ohne Stolz. Eine "Akademie" der Deutschen Welle zieht Nachwuchsjournalisten aus Ägypten, Palästina, Jordanien, Syrien, Jemen, Sudan und Tunesien heran. In mehreren Rundfunkanstalten der Bundesrepublik wird für die Kriegsschauplätze im Irak und in Afghanistan einheimisches Sendepersonal ausgebildet.[7] Mit Reichweite in die türkischen und turksprachigen Gebiete und damit bis in die Volksrepublik China ist unlängst ein von der Bundesregierung finanziertes Internet-Portal eröffnet worden ("Dialog mit der islamischen Welt").[8]

Mal hellere Seiten, mal dunklere Seiten der Geschichte

Wie der Vorsitzende des Ausschusses Kultur und Medien des Deutschen Bundestages jetzt in Algier erläuterte, behält sich die Bundesregierung vor, ihre Kooperationspartner über ein angemessenes Geschichtsbild zu belehren. In Algerien habe es ein historisches "Auf und Ab" [9] gegeben. Dieser Vergangenheit müsse man sich "ohne Tabu" stellen, sagte Otto mit Blick auf die algerischen Massenrepressionen. Letztlich handele es sich um einen ewigen Wechsel: mal um "hellere Seiten, mal um dunklere Seiten" der Geschichte. Darin ähnele Algerien Ottos deutscher Heimat. Trotz aller "zivilisatorischen Katastrophen" lasse sich feststellen: "In Deutschland haben wir unsere Dichter, unsere Denker, wir sind das Land der Aufklärung". - Wahlkreis des FDP-Politikers ist die hessische Metropole Frankfurt am Main. Dort nehmen die rassistischen Umtriebe kontinuierlich zu. Für den 7. Juli ist ein Marsch deutscher Neo-Nazis angekündigt.

[1] Hans-Joachim Otto, président de la délégation de la commission culture et médias du Bundestag: "L'Algérie est la démocratie la plus vivante du monde arabe"; Liberté (Algérie) 18.02.2007 [2] Tote bei Terroranschlägen in Algerien; N24 13.02.2007 [3], [4] Pläne schmieden erlaubt; Frankfurter Allgemeine Zeitung 18.03.2005 [5] s. dazu Traditionsradio [6] Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Deutscher Bundestag Drucksache 16/4024 [7] s. dazu Selbständigkeit, Reformkurs und Freie Presse [8] s. dazu Druck ausüben und Wandel durch Annäherung [9] Hans-Joachim Otto, président de la délégation de la commission culture et médias du Bundestag: "L'Algérie est la démocratie la plus vivante du monde arabe"; Liberté (Algérie) 18.02.2007

Mehr unter www.german-foreign-policy.com

Online-Flyer Nr. 84  vom 28.02.2007

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