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Ein WDR-Film über Moraljustiz im Iran
Galgen für eine 16jährige
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Das ist kein Auszug aus einer mittelalterlichen Chronik, zu der Fahrräder und Autos auch kaum passen würden. Diese archaische Szene spielte sich im Jahre 2004 ab, in einem Land, in dem Motorisierung und Computer selbstverständlich geworden sind und das gerade in diesen Tagen sein Recht auf eine eigene Nukleartechnologie gegen die USA durchzukämpfen versucht. So wie oben zitiert schilderte eine Augenzeugin die letzten Minuten der jugendlichen Atefeh, die auf der Grundlage religiösen "Sittenrechts" wegen sogenannter Unzucht zum Tode durch Erhängen verurteilt und dann öffentlich aufgeknüpft wurde.
Aufklärerische TV-Dokumentation: die Geschichte hinter der story
Diesen grausamen Fall hat eine Dokumentation nachgestellt, die am 26. und 27. Februar im WDR-Fernsehen gezeigt wurde. Die WDR-Reihe "die story" hat mit dem Film "Galgen für eine 16jährige" von Monica Garnsey erneut ihr hohes journalistisches Format unter Beweis gestellt. Nicht immer war die Reihe unumstritten und auch nicht von Zensurversuchen unbehelligt. Doch führt angesichts der zunehmenden Ausdünnung kritischer Potentiale innerhalb der ARD - wie sie sich besonders drastisch an der Amputation der Politmagazine zeigte - ein Sendeformat wie "die story" immer noch beispielhaft vor, welche aufklärerischen Instrumente gerade dem Fernsehen zur Verfügung stehen können, wenn es sie nur nutzt.
Tod für Unkeuschheit
Der Film von Monica Garnsey leuchtet eindrucksvoll die Story hinter der "Story" aus. Er erzählt die Geschichte einer in prekären Familienverhältnissen aufgewachsenen Jugendlichen, die sexuellen Mißbrauch erduldete, die im verurteilten Fall ohnehin wahrscheinlich das Opfer einer Vergewaltigung war. Doch ist es auch die Geschichte einer 16jährigen, die, wie ein Kommentator auf Z-Net schrieb, ein "ganz normales Mädchen" gewesen zu sein scheint, das sich nicht einfach anpassen wollte, das den islamischen Moralwächtern wegen "Herumstreunens" auffiel.
In den Fokus der Sittenhüter geriet sie wohl auch, weil sie wie unzählige andere Jugendliche in diesem Alter in aller Welt ihr Verlangen nach Zärtlichkeit und Sexualität nicht gehorsam unterdrückte. Sie habe im Gerichtssaal freche Widerworte gegeben, und auch deshalb habe der Richter die Todesstrafe betrieben, so hieß es später, und der Hauptvorwurf hieß "unkeusches Verhalten".
Bereits mit 13 wegen "Unzucht" mit Gefängnis und Stockhieben traktiert, endete sie schließlich wegen "Unmoral" am Galgen - eines Verhaltens wegen, das zumindest außerhalb des Iran und anderer Länder, die einer rigorosen Auslegung des "islamischen Rechts" folgen, weltweit für Millionen Gleichaltrige völlig normal und selbstverständlich ist.
Somit erzählt "die story" eben auch die Hintergrundgeschichte einer wahnhaften, religiös motivierten und allemal frauenfeindlichen Moraljustiz, die im Namen einer obskurantischen Sittlichkeit bedenkenlos Menschenleben vernichtet.
Verstoß gegen UN-Kinderrechtskonvention
Um Atefeh als angeblich Erwachsene hängen zu können, fälschten ihre Verfolger auch noch ihr Alter, machten aus der 16jährigen eine 22jährige. Derart irregeführt, bestätigte auch der oberste Gerichtshof in Teheran das Todesurteil gegen Atefeh. Das hätte er wahrscheinlich nicht getan, wäre ihm bewußt gewesen, es mit einer Jugendlichen zu tun zu haben. Denn auch der Iran hat die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, der zufolge Jugendliche nicht hingerichtet werden dürfen. Doch von diesem willkürlich erzeugten Irrtum einmal abgesehen, atmete auch die Urteilsbestätigung des obersten Gerichtshofes den Geist einer moraleifernden Blutjustiz. Da sie, die angeblich 22jährige, schon viermal wegen unzüchtigen Verhaltens
vorverurteilt sei, bleibe nunmehr in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des islamischen Rechts nur noch die Todesstrafe, hieß es dort unter anderem.
Mit dem Galgen für Sitte und Moral
Der Fall Atefeh, der in der Tat an mittelalterliche Chroniken erinnern könnte, stellt für iranische Verhältnisse allerdings keinen Ausnahme-Exzeß dar. Immer wieder gingen seit der sogenannten islamischen Revolution im Iran derartige Meldungen durch die Weltpresse. Namentlich den Berichten der Menschenrechtsorganisation amnesty international läßt sich denn auch eine deprimierende Bilanz entnehmen, was insbesondere die Anwendung der Todesstrafe gegen Jugendliche im Iran betrifft sowie immer wieder die gottesstaatliche Bekämpfung unerlaubter Sexualität. Die ja, wie schon Karl Kraus im Hinblick auf "Sittlichkeit und Kriminalität" feststellte, Moralrichter besonders erregt.
Aus der Chronik des einschlägigen Schreckens hier nur zwei weitere Beispiele aus jüngster Zeit: Zwei Jugendliche wurden am 20. Juli 2005 in Mashad wegen homosexueller Handlungen wiederum öffentlich vor einer großen Zuschauermenge gehängt. Einer von ihnen fiel mit 17 Jahren nach den Kriterien der UN-Kinderrechtskonvention eigentlich noch unter das Verbot einer Hinrichtung Minderjähriger. Und auch gegen eine weitere völkerrechtlich verbindliche Festlegung der Vereinten Nationen verstieß dieser, so die Wiener Homosexuellenorganisation HOSI, "barbarische Akt". Denn bereits 1994 hatte der UNO-Menschenrechtsausschuss in einem Beschluß gegen Australien festgestellt, dass ein Verbot homosexueller Handlungen mit der UNO-Menschenrechtskonvention sowie dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unvereinbar sei.
Was die iranische Justiz nicht besonders kümmert. Die bislang letzte Meldung über die öffentliche Erhängung eines Homosexuellen stammt immerhin von der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA und datiert von Mitte November 2006. "Das Opfer namens Schahab Darwischi wurde wegen "moralischer Korruption, Körperverletzung und homosexueller Unzucht vor hunderten jubelnder Menschen in der westiranischen Stadt Kermanschah gehängt", hieß es hierzu bei queer.de. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wie der Internationalen Lesben und Schwulen Assoziation ILGA sollen seit der islamischen Revolution 1979 über 4.000 Männer wegen Homosexualität gehängt worden sein.
Und gerade am 7. Februar 2007 wies Cenî - das "Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V." - in einer Pressemitteilung auf zwei aktuelle Fälle frauenfeindlicher Moraljustiz hin: "Der Nachrichtenagentur Firat News zufolge wurde in Bokan (einer Stadt im iranischen Teil Kurdistans) die 21jährige kurdische Frau Emine Selami von einem Gericht wegen Schwangerschaft nach außerehelicher Beziehung zum Tode verurteilt. Der Mann, dem vorgeworfen wird, mit Emine Selami eine außereheliche Beziehung gehabt zu haben, wurde nach 99 Peitschenschlägen freigelassen.
Des weiteren wurde die 35jährige Temine Danish aus der ostkurdischen Stadt Nexede laut einer Erklärung der ostkurdischen Menschenrechtsorganisation RMMK zum Tode verurteilt, weil sie in Notwehr einen Mann tötete, der sie vergewaltigen wollte. Seit zwei Jahren ist Temine Danish bereits inhaftiert."
Todesstrafen-Rekordland Iran
Derartige Fälle sind leider keine Seltenheit. Daß übrigens vergewaltigte Frauen zusätzlich auch noch wegen "Unzucht" zu Knast, Prügel oder Strick verurteilt werden, zeigt neben der Brutalität auch noch die Bigotterie, die erfahrungsgemäß jeglicher Sittenjustiz eigen ist. Die in der spezifisch rigoristisch-islamischen Spielart freilich keineswegs nur im Iran, sondern auch beispielsweise Saudi-Arabien existiert, wo auch noch die Steinigung vollzogen wird.
Aber auch wenn es einmal nicht um vermeintlich todeswürdigen Gebrauch der Geschlechtsorgane geht, zeigt die iranische Justiz wenig Hemmungen, die Todesstrafe zu verhängen - auch gegen Jugendliche. So mußte amnesty international im Herbst 2001 eine "Urgent Action" - eine dringliche Rettungsaktion - ausrufen, um Azizullah Shenwar (alias Aziz Afghan) aus Pakistan vor dem Erhängen zu bewahren. Dem Verurteilten war Drogenhandel vorgeworfen worden. Doch Aziz gab an, von einer Bande gewaltsam zum
Drogenkurierdienst gepreßt worden zu sein - und er war gerade 13 Jahre alt. Ob nun unter dem Eindruck internationaler Proteste oder aus Unbehagen, ein Kind öffentlich aufzuknüpfen, wurde das Urteil in der nächsten Instanz dann in lebenslange Haft umgewandelt. Selbst das jedoch war noch ein Verstoß gegen Art. 37 der UN-Kinderrechtskonvention, der
nicht nur die Todesstrafe, sondern auch lebenslange Haft für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ausschließt.
Nicht umsonst also stellte amnesty international im Jahre 2006 den Kampf gegen die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe an Jugendlichen und Minderjährigen im Iran in den Mittelpunkt seiner Kampagnenaktionen. Derartiges Engagement wird freilich auch hierzulande gelegentlich verdächtigt, Teil einer antiiranischen Kampagne zu sein, die das nächste Ziel von George W. Bushs "Krieg gegen den Terror" sozusagen sturmreif schießen soll. Solche wohlmeinenden Bedenken übersehen allerdings, daß es der Sache des Friedens nicht dienlich sein kann, die Vernichtung von menschlichem Leben aus nichtigem Grund und eiferndem Wahn mit Schweigen zu übergehen. Seit der sogenannten islamischen Revolution 1979, so schätzt amnesty international, sollen im Iran etwa 100.000 Menschen hingerichtet worden sein. Darunter ungezählte Frauen und Jugendliche wegen angeblicher Moralverstöße. Das hinzunehmen, hätte mit Frieden weniger zu tun als mit Friedhofsruhe.
Der Richter als Henker
Freilich steht dahin, ob und wann wenigstens die Hinrichtung Minderjähriger im Iran ein Ende finden wird. Damit eines Tages die fürchterlichen Bilder, die am Tage der Erhängung von Atefeh heimlich gefilmt wurden, nur noch als Dokumentation einer traurigen Vergangenheit gelten müssen.
So schilderte der Film von Monica Garnsey die letzten Sekunden Atefehs, bevor sie in der nordiranischen Stadt Neka am Kran hängend öffentlich starb:
"Kurz bevor das Seil nach oben gezogen wurde, flüsterte Atefeh der Sittenpolizistin neben ihr etwas ins Ohr. Die erzählte später, sie habe Atefeh um Verzeihung für das harte Urteil gebeten. Aber Atefeh habe nur geantwortet: 'Mach dir keine Sorgen. Haji Rezaie (der Richter) hat mir gesagt, daß sie das hier nur machen, um die Männer, die mich ausgenutzt und vergewaltigt haben, einzuschüchtern. Es wird nichts passieren!'
Bis zum letzten Moment wollte Atefeh nicht glauben, daß man sie tatsächlich hängen würde.Doch Haji Rezaie selbst hat ihr die Schlinge um den Hals gelegt."
Mehr Infos zum Film: www.wdr.de/tv/diestory
Online-Flyer Nr. 85 vom 07.03.2007
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Ein WDR-Film über Moraljustiz im Iran
Galgen für eine 16jährige
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Das ist kein Auszug aus einer mittelalterlichen Chronik, zu der Fahrräder und Autos auch kaum passen würden. Diese archaische Szene spielte sich im Jahre 2004 ab, in einem Land, in dem Motorisierung und Computer selbstverständlich geworden sind und das gerade in diesen Tagen sein Recht auf eine eigene Nukleartechnologie gegen die USA durchzukämpfen versucht. So wie oben zitiert schilderte eine Augenzeugin die letzten Minuten der jugendlichen Atefeh, die auf der Grundlage religiösen "Sittenrechts" wegen sogenannter Unzucht zum Tode durch Erhängen verurteilt und dann öffentlich aufgeknüpft wurde.
Aufklärerische TV-Dokumentation: die Geschichte hinter der story
Diesen grausamen Fall hat eine Dokumentation nachgestellt, die am 26. und 27. Februar im WDR-Fernsehen gezeigt wurde. Die WDR-Reihe "die story" hat mit dem Film "Galgen für eine 16jährige" von Monica Garnsey erneut ihr hohes journalistisches Format unter Beweis gestellt. Nicht immer war die Reihe unumstritten und auch nicht von Zensurversuchen unbehelligt. Doch führt angesichts der zunehmenden Ausdünnung kritischer Potentiale innerhalb der ARD - wie sie sich besonders drastisch an der Amputation der Politmagazine zeigte - ein Sendeformat wie "die story" immer noch beispielhaft vor, welche aufklärerischen Instrumente gerade dem Fernsehen zur Verfügung stehen können, wenn es sie nur nutzt.
Tod für Unkeuschheit
Der Film von Monica Garnsey leuchtet eindrucksvoll die Story hinter der "Story" aus. Er erzählt die Geschichte einer in prekären Familienverhältnissen aufgewachsenen Jugendlichen, die sexuellen Mißbrauch erduldete, die im verurteilten Fall ohnehin wahrscheinlich das Opfer einer Vergewaltigung war. Doch ist es auch die Geschichte einer 16jährigen, die, wie ein Kommentator auf Z-Net schrieb, ein "ganz normales Mädchen" gewesen zu sein scheint, das sich nicht einfach anpassen wollte, das den islamischen Moralwächtern wegen "Herumstreunens" auffiel.
In den Fokus der Sittenhüter geriet sie wohl auch, weil sie wie unzählige andere Jugendliche in diesem Alter in aller Welt ihr Verlangen nach Zärtlichkeit und Sexualität nicht gehorsam unterdrückte. Sie habe im Gerichtssaal freche Widerworte gegeben, und auch deshalb habe der Richter die Todesstrafe betrieben, so hieß es später, und der Hauptvorwurf hieß "unkeusches Verhalten".
Bereits mit 13 wegen "Unzucht" mit Gefängnis und Stockhieben traktiert, endete sie schließlich wegen "Unmoral" am Galgen - eines Verhaltens wegen, das zumindest außerhalb des Iran und anderer Länder, die einer rigorosen Auslegung des "islamischen Rechts" folgen, weltweit für Millionen Gleichaltrige völlig normal und selbstverständlich ist.
Somit erzählt "die story" eben auch die Hintergrundgeschichte einer wahnhaften, religiös motivierten und allemal frauenfeindlichen Moraljustiz, die im Namen einer obskurantischen Sittlichkeit bedenkenlos Menschenleben vernichtet.
Verstoß gegen UN-Kinderrechtskonvention
Um Atefeh als angeblich Erwachsene hängen zu können, fälschten ihre Verfolger auch noch ihr Alter, machten aus der 16jährigen eine 22jährige. Derart irregeführt, bestätigte auch der oberste Gerichtshof in Teheran das Todesurteil gegen Atefeh. Das hätte er wahrscheinlich nicht getan, wäre ihm bewußt gewesen, es mit einer Jugendlichen zu tun zu haben. Denn auch der Iran hat die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, der zufolge Jugendliche nicht hingerichtet werden dürfen. Doch von diesem willkürlich erzeugten Irrtum einmal abgesehen, atmete auch die Urteilsbestätigung des obersten Gerichtshofes den Geist einer moraleifernden Blutjustiz. Da sie, die angeblich 22jährige, schon viermal wegen unzüchtigen Verhaltens
vorverurteilt sei, bleibe nunmehr in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des islamischen Rechts nur noch die Todesstrafe, hieß es dort unter anderem.
Mit dem Galgen für Sitte und Moral
Der Fall Atefeh, der in der Tat an mittelalterliche Chroniken erinnern könnte, stellt für iranische Verhältnisse allerdings keinen Ausnahme-Exzeß dar. Immer wieder gingen seit der sogenannten islamischen Revolution im Iran derartige Meldungen durch die Weltpresse. Namentlich den Berichten der Menschenrechtsorganisation amnesty international läßt sich denn auch eine deprimierende Bilanz entnehmen, was insbesondere die Anwendung der Todesstrafe gegen Jugendliche im Iran betrifft sowie immer wieder die gottesstaatliche Bekämpfung unerlaubter Sexualität. Die ja, wie schon Karl Kraus im Hinblick auf "Sittlichkeit und Kriminalität" feststellte, Moralrichter besonders erregt.
Aus der Chronik des einschlägigen Schreckens hier nur zwei weitere Beispiele aus jüngster Zeit: Zwei Jugendliche wurden am 20. Juli 2005 in Mashad wegen homosexueller Handlungen wiederum öffentlich vor einer großen Zuschauermenge gehängt. Einer von ihnen fiel mit 17 Jahren nach den Kriterien der UN-Kinderrechtskonvention eigentlich noch unter das Verbot einer Hinrichtung Minderjähriger. Und auch gegen eine weitere völkerrechtlich verbindliche Festlegung der Vereinten Nationen verstieß dieser, so die Wiener Homosexuellenorganisation HOSI, "barbarische Akt". Denn bereits 1994 hatte der UNO-Menschenrechtsausschuss in einem Beschluß gegen Australien festgestellt, dass ein Verbot homosexueller Handlungen mit der UNO-Menschenrechtskonvention sowie dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unvereinbar sei.
Was die iranische Justiz nicht besonders kümmert. Die bislang letzte Meldung über die öffentliche Erhängung eines Homosexuellen stammt immerhin von der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA und datiert von Mitte November 2006. "Das Opfer namens Schahab Darwischi wurde wegen "moralischer Korruption, Körperverletzung und homosexueller Unzucht vor hunderten jubelnder Menschen in der westiranischen Stadt Kermanschah gehängt", hieß es hierzu bei queer.de. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wie der Internationalen Lesben und Schwulen Assoziation ILGA sollen seit der islamischen Revolution 1979 über 4.000 Männer wegen Homosexualität gehängt worden sein.
Und gerade am 7. Februar 2007 wies Cenî - das "Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V." - in einer Pressemitteilung auf zwei aktuelle Fälle frauenfeindlicher Moraljustiz hin: "Der Nachrichtenagentur Firat News zufolge wurde in Bokan (einer Stadt im iranischen Teil Kurdistans) die 21jährige kurdische Frau Emine Selami von einem Gericht wegen Schwangerschaft nach außerehelicher Beziehung zum Tode verurteilt. Der Mann, dem vorgeworfen wird, mit Emine Selami eine außereheliche Beziehung gehabt zu haben, wurde nach 99 Peitschenschlägen freigelassen.
Des weiteren wurde die 35jährige Temine Danish aus der ostkurdischen Stadt Nexede laut einer Erklärung der ostkurdischen Menschenrechtsorganisation RMMK zum Tode verurteilt, weil sie in Notwehr einen Mann tötete, der sie vergewaltigen wollte. Seit zwei Jahren ist Temine Danish bereits inhaftiert."
Todesstrafen-Rekordland Iran
Derartige Fälle sind leider keine Seltenheit. Daß übrigens vergewaltigte Frauen zusätzlich auch noch wegen "Unzucht" zu Knast, Prügel oder Strick verurteilt werden, zeigt neben der Brutalität auch noch die Bigotterie, die erfahrungsgemäß jeglicher Sittenjustiz eigen ist. Die in der spezifisch rigoristisch-islamischen Spielart freilich keineswegs nur im Iran, sondern auch beispielsweise Saudi-Arabien existiert, wo auch noch die Steinigung vollzogen wird.
Aber auch wenn es einmal nicht um vermeintlich todeswürdigen Gebrauch der Geschlechtsorgane geht, zeigt die iranische Justiz wenig Hemmungen, die Todesstrafe zu verhängen - auch gegen Jugendliche. So mußte amnesty international im Herbst 2001 eine "Urgent Action" - eine dringliche Rettungsaktion - ausrufen, um Azizullah Shenwar (alias Aziz Afghan) aus Pakistan vor dem Erhängen zu bewahren. Dem Verurteilten war Drogenhandel vorgeworfen worden. Doch Aziz gab an, von einer Bande gewaltsam zum
Drogenkurierdienst gepreßt worden zu sein - und er war gerade 13 Jahre alt. Ob nun unter dem Eindruck internationaler Proteste oder aus Unbehagen, ein Kind öffentlich aufzuknüpfen, wurde das Urteil in der nächsten Instanz dann in lebenslange Haft umgewandelt. Selbst das jedoch war noch ein Verstoß gegen Art. 37 der UN-Kinderrechtskonvention, der
nicht nur die Todesstrafe, sondern auch lebenslange Haft für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ausschließt.
Nicht umsonst also stellte amnesty international im Jahre 2006 den Kampf gegen die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe an Jugendlichen und Minderjährigen im Iran in den Mittelpunkt seiner Kampagnenaktionen. Derartiges Engagement wird freilich auch hierzulande gelegentlich verdächtigt, Teil einer antiiranischen Kampagne zu sein, die das nächste Ziel von George W. Bushs "Krieg gegen den Terror" sozusagen sturmreif schießen soll. Solche wohlmeinenden Bedenken übersehen allerdings, daß es der Sache des Friedens nicht dienlich sein kann, die Vernichtung von menschlichem Leben aus nichtigem Grund und eiferndem Wahn mit Schweigen zu übergehen. Seit der sogenannten islamischen Revolution 1979, so schätzt amnesty international, sollen im Iran etwa 100.000 Menschen hingerichtet worden sein. Darunter ungezählte Frauen und Jugendliche wegen angeblicher Moralverstöße. Das hinzunehmen, hätte mit Frieden weniger zu tun als mit Friedhofsruhe.
Der Richter als Henker
Freilich steht dahin, ob und wann wenigstens die Hinrichtung Minderjähriger im Iran ein Ende finden wird. Damit eines Tages die fürchterlichen Bilder, die am Tage der Erhängung von Atefeh heimlich gefilmt wurden, nur noch als Dokumentation einer traurigen Vergangenheit gelten müssen.
So schilderte der Film von Monica Garnsey die letzten Sekunden Atefehs, bevor sie in der nordiranischen Stadt Neka am Kran hängend öffentlich starb:
"Kurz bevor das Seil nach oben gezogen wurde, flüsterte Atefeh der Sittenpolizistin neben ihr etwas ins Ohr. Die erzählte später, sie habe Atefeh um Verzeihung für das harte Urteil gebeten. Aber Atefeh habe nur geantwortet: 'Mach dir keine Sorgen. Haji Rezaie (der Richter) hat mir gesagt, daß sie das hier nur machen, um die Männer, die mich ausgenutzt und vergewaltigt haben, einzuschüchtern. Es wird nichts passieren!'
Bis zum letzten Moment wollte Atefeh nicht glauben, daß man sie tatsächlich hängen würde.Doch Haji Rezaie selbst hat ihr die Schlinge um den Hals gelegt."
Mehr Infos zum Film: www.wdr.de/tv/diestory
Online-Flyer Nr. 85 vom 07.03.2007
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