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Lokales
"Überflüssige" stellen „Bedarfsermittler“ der Kölner ARGE öffentlich bloß
Besuch bei der „GEHAPO“
Von Hans-Dieter Hey
Markus G. – war im WDR-Interview noch stolz auf seine ARGE-Arbeit
Im Morgengrauen des 27. April versammelten sich etwa 25 Menschen als "Ermittlungsdienst Erwerbsloser - Abteilung Notwehr" auf dem Marktplatz in Köln-Porz. Nachdem sie einige ironische Fahndungsplakate mit Phantombild aufgehängt, Informationsblätter verteilt und in einer Rede mitgeteilt hatten, worum es ging, machten sie sich auf den Weg zur Porzer Rathausstraße. Dort stand auf dem Fußweg vor einem Hauseingang schon das Wort "Sozialschnüffler". Gemeint war Markus G., der ansonsten die Öffentlichkeit im Karnevalsverein oder beim Radiointerview durchaus liebt. Mit dieser Art Öffentlichkeit hatte er aber wohl nicht gerechnet und öffnete seine Wohnungstür nicht auf das Klingeln der „Überflüssigen“, sondern erst, als die offenbar von ihm alarmierte Polizei eingetroffen war.
Da allerdings hatten „Die Überflüssigen“ bereits die Nachbarschaft informiert und waren in ihren roten Trainingsanzügen und weißen Masken weiter gezogen. Sie besuchten nun den Arbeitsplatz von Markus G. beim „Bedarfsermittlungsdienst“ in Köln-Mülheim.
„Die Überflüssigen“ auf dem Weg zum „Bedarfsermittler“ Markus G.
Dort ermittelt man nicht etwa, wessen der/die Erwerbslose bedarf, sondern ob er oder sie überhaupt einer Zuwendung bedürfen darf, also ob es Arbeitslosengeld II gibt oder nicht. Herr G. persönlich war zwar dort noch nicht eingetroffen, die „Überflüssigen“ fanden aber sieben seiner verschreckten MitarbeiterInnen, die sich schnellstmöglich in ihren Büros einschlossen. Also wurden Flugblätter an Erwerbslose und ARGE-MitarbeiterInnen verteilt, von denen sich einige eines Schmunzelns nicht erwehren konnten.
Sparen bei den Armen
Markus G. ist der Koordinator des Bedarfsermittlungsdienstes der Kölner ARGE und soll mit bis zu 16 anderen Bedarfsermittlern in Köln „Sozialmissbrauch“ aufdecken. Auf das, was er tut, ist er offensichtlich auch stolz. Bereits im Oktober vergangenen Jahres teilte er in einem Interview von WDR 5 mit, einige Bedürftige "erwischt" und damit der Arbeitsagentur im letzten Jahr 60.000 Euro erspart zu haben. Damit hätte G. zumindest seinen eigenen Job selbst finanziert, weshalb es der Arbeitsagentur offenbar auch nicht schwer fällt, über die eine oder andere forsche Methode seines Ermittlungsdienstes großzügig hinweg zu sehen.
Die Erwerbslosen schlagen deshalb Alarm. Für viele ist das Durchsuchen von Wohnungen und das Ausspionieren von Daten oder ihres privaten Umfeldes derart Besorgnis erregend, dass sich inzwischen zahlreiche Initiativen gebildet haben, wie die im Fall G. aktiv gewordenen "Überflüssigen". Eine andere anonyme Initiative bittet unter der e-Mail-Adresse vorsichtschnueffler@yahoo.de um Mithilfe, "den Sozialschnüfflern das Handwerk zu legen".
Damit auch die Nachbarn in Porz Bescheid wissen
Denn bei den Bedarfsermittlungsdiensten um Hartz IV geht es nach ihrer Erfahrung in manchen Fällen rechtswidrig zu. Während für polizeiliche Durchsuchungen immer noch ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegen muss, verschafft man sich dort mit Kontrollanrufen oder mit unangemeldeten Hausbesuchen bei Erwerbslosen Informationen und Zutritt zu den Eingeschüchterten. Wie das Sozialrechtsportal „Tacheles“ im Internet mitteilt, werden deshalb auch vom Stuttgarter Sozialrechtsexperten Dr. Manfred Hommel erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Die Unverletzlichkeit der Wohnung hat Verfassungsrang - auch für Empfänger von Arbeitslosengeld II.
„Der größte Lump in diesem Land…“
Anlass für die "Hausbesuche" der Ermittler sind oft Befragungen im privaten Umfeld von Erwerbslosen oder Denunziationen von Nachbarn. Von dieser merkwürdigen deutschen Tradition wusste schon der Dichter Hoffmann von Fallersleben, Verfasser des Deutschlandliedes, im 19. Jahrhundert zu berichten. Er reimte damals: "Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant."
Die betroffenen Erwerbslosen dürften das heute ähnlich sehen. Denunziation hat allerdings einen Haken: Sie ist verboten und steht unter Strafe. Brenzlig wird es vor allem dann, wenn Schadensersatzklagen kommen, weil die Informationen nicht stimmten. Doch nicht nur der Denunziant ist skandalös, sondern vor allem die, die auf ihn hören.
"Die Überflüssigen" folgen mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit einer angelsächsischen Tradition.
Information für Erwerbslose bei der ARGE in Mülheim
Fotos: Hans-Dieter Hey
Wenn sich in England Bürgerinnen und Bürger von Verwaltungsmitarbeitern schikaniert und bedroht fühlen, stellen sie diese kurzerhand öffentlich an den Pranger. Das Beispiel macht nun offebar auch in Deutschland Schule.
Online-Flyer Nr. 93 vom 02.05.2007
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"Überflüssige" stellen „Bedarfsermittler“ der Kölner ARGE öffentlich bloß
Besuch bei der „GEHAPO“
Von Hans-Dieter Hey
Markus G. – war im WDR-Interview noch stolz auf seine ARGE-Arbeit
Im Morgengrauen des 27. April versammelten sich etwa 25 Menschen als "Ermittlungsdienst Erwerbsloser - Abteilung Notwehr" auf dem Marktplatz in Köln-Porz. Nachdem sie einige ironische Fahndungsplakate mit Phantombild aufgehängt, Informationsblätter verteilt und in einer Rede mitgeteilt hatten, worum es ging, machten sie sich auf den Weg zur Porzer Rathausstraße. Dort stand auf dem Fußweg vor einem Hauseingang schon das Wort "Sozialschnüffler". Gemeint war Markus G., der ansonsten die Öffentlichkeit im Karnevalsverein oder beim Radiointerview durchaus liebt. Mit dieser Art Öffentlichkeit hatte er aber wohl nicht gerechnet und öffnete seine Wohnungstür nicht auf das Klingeln der „Überflüssigen“, sondern erst, als die offenbar von ihm alarmierte Polizei eingetroffen war.
Da allerdings hatten „Die Überflüssigen“ bereits die Nachbarschaft informiert und waren in ihren roten Trainingsanzügen und weißen Masken weiter gezogen. Sie besuchten nun den Arbeitsplatz von Markus G. beim „Bedarfsermittlungsdienst“ in Köln-Mülheim.
„Die Überflüssigen“ auf dem Weg zum „Bedarfsermittler“ Markus G.
Dort ermittelt man nicht etwa, wessen der/die Erwerbslose bedarf, sondern ob er oder sie überhaupt einer Zuwendung bedürfen darf, also ob es Arbeitslosengeld II gibt oder nicht. Herr G. persönlich war zwar dort noch nicht eingetroffen, die „Überflüssigen“ fanden aber sieben seiner verschreckten MitarbeiterInnen, die sich schnellstmöglich in ihren Büros einschlossen. Also wurden Flugblätter an Erwerbslose und ARGE-MitarbeiterInnen verteilt, von denen sich einige eines Schmunzelns nicht erwehren konnten.
Sparen bei den Armen
Markus G. ist der Koordinator des Bedarfsermittlungsdienstes der Kölner ARGE und soll mit bis zu 16 anderen Bedarfsermittlern in Köln „Sozialmissbrauch“ aufdecken. Auf das, was er tut, ist er offensichtlich auch stolz. Bereits im Oktober vergangenen Jahres teilte er in einem Interview von WDR 5 mit, einige Bedürftige "erwischt" und damit der Arbeitsagentur im letzten Jahr 60.000 Euro erspart zu haben. Damit hätte G. zumindest seinen eigenen Job selbst finanziert, weshalb es der Arbeitsagentur offenbar auch nicht schwer fällt, über die eine oder andere forsche Methode seines Ermittlungsdienstes großzügig hinweg zu sehen.
Die Erwerbslosen schlagen deshalb Alarm. Für viele ist das Durchsuchen von Wohnungen und das Ausspionieren von Daten oder ihres privaten Umfeldes derart Besorgnis erregend, dass sich inzwischen zahlreiche Initiativen gebildet haben, wie die im Fall G. aktiv gewordenen "Überflüssigen". Eine andere anonyme Initiative bittet unter der e-Mail-Adresse vorsichtschnueffler@yahoo.de um Mithilfe, "den Sozialschnüfflern das Handwerk zu legen".
Damit auch die Nachbarn in Porz Bescheid wissen
Denn bei den Bedarfsermittlungsdiensten um Hartz IV geht es nach ihrer Erfahrung in manchen Fällen rechtswidrig zu. Während für polizeiliche Durchsuchungen immer noch ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegen muss, verschafft man sich dort mit Kontrollanrufen oder mit unangemeldeten Hausbesuchen bei Erwerbslosen Informationen und Zutritt zu den Eingeschüchterten. Wie das Sozialrechtsportal „Tacheles“ im Internet mitteilt, werden deshalb auch vom Stuttgarter Sozialrechtsexperten Dr. Manfred Hommel erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Die Unverletzlichkeit der Wohnung hat Verfassungsrang - auch für Empfänger von Arbeitslosengeld II.
„Der größte Lump in diesem Land…“
Anlass für die "Hausbesuche" der Ermittler sind oft Befragungen im privaten Umfeld von Erwerbslosen oder Denunziationen von Nachbarn. Von dieser merkwürdigen deutschen Tradition wusste schon der Dichter Hoffmann von Fallersleben, Verfasser des Deutschlandliedes, im 19. Jahrhundert zu berichten. Er reimte damals: "Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant."
Die betroffenen Erwerbslosen dürften das heute ähnlich sehen. Denunziation hat allerdings einen Haken: Sie ist verboten und steht unter Strafe. Brenzlig wird es vor allem dann, wenn Schadensersatzklagen kommen, weil die Informationen nicht stimmten. Doch nicht nur der Denunziant ist skandalös, sondern vor allem die, die auf ihn hören.
"Die Überflüssigen" folgen mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit einer angelsächsischen Tradition.
Information für Erwerbslose bei der ARGE in Mülheim
Fotos: Hans-Dieter Hey
Wenn sich in England Bürgerinnen und Bürger von Verwaltungsmitarbeitern schikaniert und bedroht fühlen, stellen sie diese kurzerhand öffentlich an den Pranger. Das Beispiel macht nun offebar auch in Deutschland Schule.
Online-Flyer Nr. 93 vom 02.05.2007
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