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Kultur und Wissen
Kölner Lesung zur Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher
Im Vatikan liefen alle Fäden zusammen
Von Theo Bruns und Peter Kleinert
Uki Goñi – liest nächste Woche im Kölner EL-DE-Haus
Foto: Association A
Der argentinische Historiker und Journalist Uki Goñi hat auf der Basis langjähriger Recherchen in US-amerikanischen, argentinischen und europäischen Archiven bisher unbekannte Quellen erschlossen und durch 200 Zeitzeugeninterviews untermauert. Seine umfassende Untersuchung zeichnet nach, auf welchen – „Rattenlinien“ genannten – Fluchtrouten und mithilfe welcher staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen es Tausenden von Nazis, Ustascha-Faschisten und Vertretern anderer europäischer Kollaborationsregime gelang, nach Lateinamerika zu entkommen.
Goñis Buch legt erstmals den Blick auf das gesamte Panorama dieser komplexen Operation frei. Hauptaufnahmeland und zentrale Drehscheibe war das Argentinien unter Juan Domingo Perón. Die Fluchthilfeorganisation verfügte über Basen in Skandinavien, Spanien und Italien, aktive Hilfe leisteten Schweizer Behörden – und im Vatikan liefen alle Fäden zusammen. Unter der Schirmherrschaft von Papst Pius XII., der zum Holocaust geschwiegen hatte, entfaltete die Kurie eine Fluchthilfeoperation, die die Täter des Judenmordes in Sicherheit brachte.

Pius XII – verhalf schon Hitler zum Konkordat
Quelle: KAOS-Archiv
Die deutschen NS-Täter nahm der Leiter der österreichischen Sektion der Päpstlichen Hilfskommission, Bischof Alois Hudal, unter die Fittiche. Der gebürtige Österreicher war Rektor des deutschen Priesterkollegs und Vorsteher der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell'Anima in der Via della Pace in Rom. Der Träger des „Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP“ hatte sich für eine Symbiose von Katholizismus und Nationalsozialismus stark gemacht und 1936 das Buch „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ veröffentlicht. Ein an Hitler verschicktes Exemplar hatte Hudal mit der Widmung versehen: „Dem Siegfried deutscher Größe“. Nach 1945 fühlte er sich, wie er unverblümt zugab, verpflichtet, sein „gesamtes wohltätiges Werk hauptsächlich früheren Nationalsozialisten und Faschisten zu widmen, besonders den so genannten Kriegsverbrechern“.
Hunderte von Flüchtlingen verdankten Hudal ihre Flucht, neben den Topverbrechern Eichmann, Priebke und Schwammberger auch der „Henker von Riga“, Eduard Roschmann, der in Forsyths Roman „Die Akte Odessa“ als Kopf der „Odessa“ auftritt, Franz Stangl, der als Kommandant der Vernichtungslager von Treblinka und Sobibor den Tod von 400 000 Menschen zu verantworten hatte, sowie der höchstdekorierte Soldat der Wehrmacht und bekennende Nazi, Fliegeroberst Hans-Ulrich Rudel. Letzterer erinnerte sich noch Jahre später in den wärmsten Worten an Hudal, der „das rasende Verlangen der Sieger nach Rache und Vergeltung wirksam vereitelt“ habe.
Uki Goñi kommt auf dem Hintergrund seiner Recherchen zu dem Schluss: „Für den Vatikan und die alliierten Geheimdienste war die Rettung von Nazi-Kollaborateuren und SS-Mördern Teil ihrer gemeinsamen antikommunistischen Agenda.“ Die Archivquellen belegen: „Kardinäle wie Montini ... waren das Hirn des Fluchthilfeunternehmens. Bischöfe und Erzbischöfe wie Hudal, Siri und Barrere brachten die notwendigen bürokratischen Verfahren auf den Weg. Priester wie Draganovic, Heinemann und Dömöter unterschrieben die Passanträge. Angesichts dieser nicht zu widerlegenden Beweise ist die Frage, ob Papst Pius XII. über diese Vorgänge Bescheid wusste oder nicht, völlig naiv.“
Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich, dass der italienische Verlag des Werkes einen Prozess gegen den ehemaligen SS-Offizier Erich Priebke, der als Mitverantwortlicher des Massakers in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom von einem italienischen Gericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, gewonnen hat. Priebke hatte gegen die Darstellung Uki Goñis, der ihn der Folterungen an Gefangenen, der Selektion jüdischer Häftlinge zur Geiselerschießung und der Flucht unter falschen Namen nach Lateinamerika beschuldigt hatte, geklagt. Ein Mailänder Gericht hat Uki Goñi nun in allen Punkten Recht gegeben und Priebke zur Begleichung der Prozesskosten verurteilt.
Der argentinische Journalist gab in einem Interview gegenüber der Agentur JTA seiner "tiefen Genugtuung" über das Urteil Ausdruck und betonte, dass Historiker und Journalisten sich dadurch ermuntert fühlen sollten, die Ergebnisse ihrer Forschungen frei zu publizieren.
Odessa-Lesung von Uki Goni in Köln am Mittwoch, 16. Mai, 19:00 Uhr, EL-DE-Haus, Appellhofplatz 23-25
Veranstalter: Initiative „Bahn erinnern“, ILA, Rheinisches JournalistInnenbüro, Projektgruppe Messelager im Verein EL-DE-Haus
Kontakt: 0221-317091, Karl.Roessel@rjb-koeln.de
Online-Flyer Nr. 94 vom 09.05.2007
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Kultur und Wissen
Kölner Lesung zur Fluchthilfe für NS-Kriegsverbrecher
Im Vatikan liefen alle Fäden zusammen
Von Theo Bruns und Peter Kleinert

Foto: Association A
Der argentinische Historiker und Journalist Uki Goñi hat auf der Basis langjähriger Recherchen in US-amerikanischen, argentinischen und europäischen Archiven bisher unbekannte Quellen erschlossen und durch 200 Zeitzeugeninterviews untermauert. Seine umfassende Untersuchung zeichnet nach, auf welchen – „Rattenlinien“ genannten – Fluchtrouten und mithilfe welcher staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen es Tausenden von Nazis, Ustascha-Faschisten und Vertretern anderer europäischer Kollaborationsregime gelang, nach Lateinamerika zu entkommen.
Goñis Buch legt erstmals den Blick auf das gesamte Panorama dieser komplexen Operation frei. Hauptaufnahmeland und zentrale Drehscheibe war das Argentinien unter Juan Domingo Perón. Die Fluchthilfeorganisation verfügte über Basen in Skandinavien, Spanien und Italien, aktive Hilfe leisteten Schweizer Behörden – und im Vatikan liefen alle Fäden zusammen. Unter der Schirmherrschaft von Papst Pius XII., der zum Holocaust geschwiegen hatte, entfaltete die Kurie eine Fluchthilfeoperation, die die Täter des Judenmordes in Sicherheit brachte.

Pius XII – verhalf schon Hitler zum Konkordat
Quelle: KAOS-Archiv
Die deutschen NS-Täter nahm der Leiter der österreichischen Sektion der Päpstlichen Hilfskommission, Bischof Alois Hudal, unter die Fittiche. Der gebürtige Österreicher war Rektor des deutschen Priesterkollegs und Vorsteher der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell'Anima in der Via della Pace in Rom. Der Träger des „Goldenen Ehrenzeichens der NSDAP“ hatte sich für eine Symbiose von Katholizismus und Nationalsozialismus stark gemacht und 1936 das Buch „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ veröffentlicht. Ein an Hitler verschicktes Exemplar hatte Hudal mit der Widmung versehen: „Dem Siegfried deutscher Größe“. Nach 1945 fühlte er sich, wie er unverblümt zugab, verpflichtet, sein „gesamtes wohltätiges Werk hauptsächlich früheren Nationalsozialisten und Faschisten zu widmen, besonders den so genannten Kriegsverbrechern“.
Hunderte von Flüchtlingen verdankten Hudal ihre Flucht, neben den Topverbrechern Eichmann, Priebke und Schwammberger auch der „Henker von Riga“, Eduard Roschmann, der in Forsyths Roman „Die Akte Odessa“ als Kopf der „Odessa“ auftritt, Franz Stangl, der als Kommandant der Vernichtungslager von Treblinka und Sobibor den Tod von 400 000 Menschen zu verantworten hatte, sowie der höchstdekorierte Soldat der Wehrmacht und bekennende Nazi, Fliegeroberst Hans-Ulrich Rudel. Letzterer erinnerte sich noch Jahre später in den wärmsten Worten an Hudal, der „das rasende Verlangen der Sieger nach Rache und Vergeltung wirksam vereitelt“ habe.
Uki Goñi kommt auf dem Hintergrund seiner Recherchen zu dem Schluss: „Für den Vatikan und die alliierten Geheimdienste war die Rettung von Nazi-Kollaborateuren und SS-Mördern Teil ihrer gemeinsamen antikommunistischen Agenda.“ Die Archivquellen belegen: „Kardinäle wie Montini ... waren das Hirn des Fluchthilfeunternehmens. Bischöfe und Erzbischöfe wie Hudal, Siri und Barrere brachten die notwendigen bürokratischen Verfahren auf den Weg. Priester wie Draganovic, Heinemann und Dömöter unterschrieben die Passanträge. Angesichts dieser nicht zu widerlegenden Beweise ist die Frage, ob Papst Pius XII. über diese Vorgänge Bescheid wusste oder nicht, völlig naiv.“
Nicht unerwähnt bleiben soll schließlich, dass der italienische Verlag des Werkes einen Prozess gegen den ehemaligen SS-Offizier Erich Priebke, der als Mitverantwortlicher des Massakers in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom von einem italienischen Gericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, gewonnen hat. Priebke hatte gegen die Darstellung Uki Goñis, der ihn der Folterungen an Gefangenen, der Selektion jüdischer Häftlinge zur Geiselerschießung und der Flucht unter falschen Namen nach Lateinamerika beschuldigt hatte, geklagt. Ein Mailänder Gericht hat Uki Goñi nun in allen Punkten Recht gegeben und Priebke zur Begleichung der Prozesskosten verurteilt.

Odessa-Lesung von Uki Goni in Köln am Mittwoch, 16. Mai, 19:00 Uhr, EL-DE-Haus, Appellhofplatz 23-25
Veranstalter: Initiative „Bahn erinnern“, ILA, Rheinisches JournalistInnenbüro, Projektgruppe Messelager im Verein EL-DE-Haus
Kontakt: 0221-317091, Karl.Roessel@rjb-koeln.de
Online-Flyer Nr. 94 vom 09.05.2007
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