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Arbeit und Soziales
Bodo Zeuner u.a.: Buch für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit
„Gewerkschaften und Rechtsextremismus“
Von Werner Ruhoff
Bündnis von DGB und SPD weitgehend zerbrochen
Sichtbar wird auf den ersten Blick, dass die Anfälligkeit für rechtsextreme Einstellungen bei Gewerkschaftsmitgliedern in etwa genauso stark ist wie bei Nichtmitgliedern. Ein Fünftel nicht Organisierte und fast ebenso viele Gewerkschaftsmitglieder haben ein eindeutig rechtsextremes Gedankengut. Befragt wurden insgesamt 2006 Gewerkschaftsmitglieder und 2002 Nichtmitglieder. Anhand einer umfangreichen Liste, aufgeteilt in sechs Themenabschnitte rechtsextremer Aussagen, wurde zunächst festgestellt, inwieweit bei den Befragten ein eindeutig rechtsextremes Weltbild vorhanden ist.
Der Begriff Existenzangst sei in Gruppendiskussionen am häufigsten genannt worden, wenn es um die Erklärbarkeit rechtsextremer Neigungen bei den Gewerkschaftsmitgliedern ging. Hinzu komme, dass die Macht der Gewerkschaften, zum Vorteil ihrer Mitglieder und aller Lohnabhängigen in die gesellschaftliche Entwicklung einzugreifen, spürbar schwächer geworden ist. Das einstige politische Bündnis zwischen DGB und Sozialdemokratie sei mit der Umorientierung der SPD auf neoliberale Positionen weitgehend zerbrochen. In einer solchen Situation gewännen rechte Deutungsmuster über die soziale Dauerkrise bei den Betroffenen eine vorteilhafte Ausgangsposition. Immerhin sind heute 18 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder und 20 Prozent der Nichtmitglieder der Meinung, dass „wir einen Führer haben sollten, der Deutschland mit starker Hand regiert“.
Ausländerfeindlichkeit auch bei Gewerkschaftern
Bei der Ausländerfeindlichkeit teilen 23 bzw. 26 Prozent die Meinung, dass Deutschland „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ sei. Die Ansicht, dass Gewerkschaften in erster Linie Arbeitsplätze für Deutsche zu verteidigen hätten, teilen 19 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder und 20 Prozent der Nichtmitglieder. Und wiederum 23 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder meinen, dass „Juden mehr als andere Menschen mit üblen Tricks arbeiten“. Außerdem ergaben die Befragungen, dass Forderungen des traditionellen Sozialismus, wie die nach einer Verstaatlichung großer Konzerne, rechtsradikalen Ansichten durchaus nicht im Wege stehen.
Gewerkschaftsmitglieder sind deutlich stärker an sozialer Gerechtigkeit als an Marktfreiheit orientiert. Rechtsextreme Anfälligkeiten gebe es bei Mitgliedern wie Nichtmitgliedern, die sich mehr von autoritären Werten und Verhaltensmustern als von freiheitlichen, demokratischen leiten ließen, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Je aktiver die Gewerkschaftsmitglieder sind, desto stärker seien eine demokratische Grundhaltung und freiheitliche Werte ausgeprägt.
Warum ausgerechnet die traditionelle Kernmitgliedschaft der Gewerkschaften eine deutlich höhere Anschlussfähigkeit für rechtsextreme Deutungen aufweist als die nicht organisierte „Arbeitnehmermittelschicht“, erklären sich die Autoren mit dem Verlust sozialer Aufstiegsmöglichkeiten über gewerkschaftliche oder gewerkschaftsnahe Kanäle. An der Stelle sei bemerkt, dass die Befragungen leider nicht mitberücksichtigt haben, ob es zwischen den deutschen Beschäftigten und ihren ausländischen Kollegen und Kolleginnen in der Position zum Rechtsextremismus wesentliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede gibt.
Auch antisemitische Vorurteile
Die Autoren beschreiben, wie der organisierte Rechtsradikalismus globalisierungs-kritische Forderungen und Protestaktionen mit völkisch-nationalistischen Parolen vermischt. Aber auch bei manchem hochrangigen Gewerkschaftsfunktionär wird aus einem sozialen ein nationaler Gegner. So wird ein Vorstandsmitglied der IG-Metall zitiert, das beim Streik in der Bochumer Opelfabrik von Fremdbestimmung aus Detroit redete, womit offensichtlich die konzerninternen Managementunterschiede gemeint waren. Die gängige Einlassung auf die Vorgaben des Standortwettbewerbs verschärfe außerdem grundsätzlich die Konkurrenzlogik in der Denk- und Ausdrucksweise nationaler Exklusivitäten. Auch antisemitische Vorurteile würden aktiviert, wenn die Aggressivität von Spekulationsfonds in der Gegensätzlichkeit von US-amerikanisch gekennzeichneten Aussaugern und deutschen Unternehmen wahrgenommen wird, wie dies im Anschluss an Münteferings „Heuschreckenplage“ auf einem Cover der Gewerkschaftsmitgliederzeitung „metall“ symbolisiert wurde.
Anliegen der Autoren: Einfallstore versperren
Anliegen der Autoren ist, die Einfallstore rechtsextremer Deutungsmuster für gesellschaftliche Konflikte möglichst zu versperren. Dabei geht es u.a. sowohl um die Deutung gesellschaftlicher Konflikte, als auch um die Ausdehnung basisdemokratischer Handlungsmöglichkeiten. Und die tatsächlichen Ängste der KollegInnen sollen dabei ernst genommen werden. An dieser Stelle wird leider nicht berücksichtigt, dass es eine verbreitete Angst vor „Überfremdung“ gibt, deren kulturelle Dimension losgelöst von Klassenkonflikten in Erscheinung tritt.
Durch die staatlichen wie medialen Feindbildprojektionen auf der Ebene globaler Konflikte kann sich diese Angst verstärken und besonders als Abwehrhass gegen MigrantenInnen aus Konfliktregionen in Erscheinung treten. Hier existiert ein staatlich sanktioniertes, unbewachtes Einfallstor für rechtsextreme Terraingewinne. Im vorletzten Kapitel werden in drei Interviews mit aktiven GewerkschafterInnen Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten verdeutlicht, die hilfreiche Beispiele und Denkanstöße für die Auseinandersetzung mit dem Rechtextremismus geben. Das Schlusskapitel enthält sieben Buchempfehlungen mit etwas ausführlicheren Beschreibungen.
Die Betonung demokratischer Werte und sozialer Gerechtigkeit in Abgrenzung zum Rechtsextremismus greift m.E. zu kurz, sofern sie auf der abstrakten Ebene bleibt, die mit der Alltagserfahrung kollidiert. Hier weist das Buch m.E. Defizite auf. Dass im gängigen Arbeitsbegriff, um den das gewerkschaftliche Selbstverständnis kreist, selbst eine verhängnisvolle Falle liegt, wird im vorliegenden Buch nicht thematisiert. Besonders in Deutschland ist der Arbeitswahn mit einem rassistisch-antisemitischen Hintergrund kulturell tief verankert. Gleichzeitig herrscht eine tiefe Bewusstlosigkeit über die Doppelbödigkeit der kapitalabhängigen Arbeit. Die stumme Diktatur der abstrakten Wertschöpfung erzeugt eine Entfremdung, in der wir Menschen uns selbst wie Waren zueinander verhalten.
Darin wurzelt der individualistische „Rassismus“ der neoliberalen Ausgrenzung, der nach dem Scheitern sozialistischer Ideale sein kollektives Pendant in der Wiederbelebung nationalistischer Strömungen findet. Der Rechtsextremismus blüht darin als ein scheinbar paradoxes, internationales Phänomen auf. In diesem Zusammenhang wird die Dringlichkeit des emanzipatorischen Kampfes gegen die Bedingung der Arbeitspflicht für das globale Menschenrecht (noch) nicht ausreichend wahrgenommen. Der 1. Mai, der seinen Anfang im Kampf um die Verkürzung der Arbeit hatte, mutierte zum Tag der Arbeit. Den haben die Nazis in Deutschland als Feiertag eingeführt. Und das sollte uns auch heute zu denken geben.
Bodo Zeuner; Jochen Gester; Michael Fichter; Joachim Kreis; Richard Stöss
„Gewerkschaften und Rechtsextremismus“
- Anregungen für die Bildungsarbeit und politische Selbstverständigung der deutschen Gewerkschaft
(einsprüche Band 19), 2007
143 S. - € 14,90 - SFR 26,80
ISBN: 978-3-89691-590-0
Online-Flyer Nr. 97 vom 30.05.2007
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Bodo Zeuner u.a.: Buch für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit
„Gewerkschaften und Rechtsextremismus“
Von Werner Ruhoff
Bündnis von DGB und SPD weitgehend zerbrochen
Sichtbar wird auf den ersten Blick, dass die Anfälligkeit für rechtsextreme Einstellungen bei Gewerkschaftsmitgliedern in etwa genauso stark ist wie bei Nichtmitgliedern. Ein Fünftel nicht Organisierte und fast ebenso viele Gewerkschaftsmitglieder haben ein eindeutig rechtsextremes Gedankengut. Befragt wurden insgesamt 2006 Gewerkschaftsmitglieder und 2002 Nichtmitglieder. Anhand einer umfangreichen Liste, aufgeteilt in sechs Themenabschnitte rechtsextremer Aussagen, wurde zunächst festgestellt, inwieweit bei den Befragten ein eindeutig rechtsextremes Weltbild vorhanden ist.
Der Begriff Existenzangst sei in Gruppendiskussionen am häufigsten genannt worden, wenn es um die Erklärbarkeit rechtsextremer Neigungen bei den Gewerkschaftsmitgliedern ging. Hinzu komme, dass die Macht der Gewerkschaften, zum Vorteil ihrer Mitglieder und aller Lohnabhängigen in die gesellschaftliche Entwicklung einzugreifen, spürbar schwächer geworden ist. Das einstige politische Bündnis zwischen DGB und Sozialdemokratie sei mit der Umorientierung der SPD auf neoliberale Positionen weitgehend zerbrochen. In einer solchen Situation gewännen rechte Deutungsmuster über die soziale Dauerkrise bei den Betroffenen eine vorteilhafte Ausgangsposition. Immerhin sind heute 18 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder und 20 Prozent der Nichtmitglieder der Meinung, dass „wir einen Führer haben sollten, der Deutschland mit starker Hand regiert“.
Ausländerfeindlichkeit auch bei Gewerkschaftern
Bei der Ausländerfeindlichkeit teilen 23 bzw. 26 Prozent die Meinung, dass Deutschland „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ sei. Die Ansicht, dass Gewerkschaften in erster Linie Arbeitsplätze für Deutsche zu verteidigen hätten, teilen 19 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder und 20 Prozent der Nichtmitglieder. Und wiederum 23 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder meinen, dass „Juden mehr als andere Menschen mit üblen Tricks arbeiten“. Außerdem ergaben die Befragungen, dass Forderungen des traditionellen Sozialismus, wie die nach einer Verstaatlichung großer Konzerne, rechtsradikalen Ansichten durchaus nicht im Wege stehen.
Gewerkschaftsmitglieder sind deutlich stärker an sozialer Gerechtigkeit als an Marktfreiheit orientiert. Rechtsextreme Anfälligkeiten gebe es bei Mitgliedern wie Nichtmitgliedern, die sich mehr von autoritären Werten und Verhaltensmustern als von freiheitlichen, demokratischen leiten ließen, so ein weiteres Ergebnis der Untersuchung. Je aktiver die Gewerkschaftsmitglieder sind, desto stärker seien eine demokratische Grundhaltung und freiheitliche Werte ausgeprägt.
Warum ausgerechnet die traditionelle Kernmitgliedschaft der Gewerkschaften eine deutlich höhere Anschlussfähigkeit für rechtsextreme Deutungen aufweist als die nicht organisierte „Arbeitnehmermittelschicht“, erklären sich die Autoren mit dem Verlust sozialer Aufstiegsmöglichkeiten über gewerkschaftliche oder gewerkschaftsnahe Kanäle. An der Stelle sei bemerkt, dass die Befragungen leider nicht mitberücksichtigt haben, ob es zwischen den deutschen Beschäftigten und ihren ausländischen Kollegen und Kolleginnen in der Position zum Rechtsextremismus wesentliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede gibt.
Auch antisemitische Vorurteile
Die Autoren beschreiben, wie der organisierte Rechtsradikalismus globalisierungs-kritische Forderungen und Protestaktionen mit völkisch-nationalistischen Parolen vermischt. Aber auch bei manchem hochrangigen Gewerkschaftsfunktionär wird aus einem sozialen ein nationaler Gegner. So wird ein Vorstandsmitglied der IG-Metall zitiert, das beim Streik in der Bochumer Opelfabrik von Fremdbestimmung aus Detroit redete, womit offensichtlich die konzerninternen Managementunterschiede gemeint waren. Die gängige Einlassung auf die Vorgaben des Standortwettbewerbs verschärfe außerdem grundsätzlich die Konkurrenzlogik in der Denk- und Ausdrucksweise nationaler Exklusivitäten. Auch antisemitische Vorurteile würden aktiviert, wenn die Aggressivität von Spekulationsfonds in der Gegensätzlichkeit von US-amerikanisch gekennzeichneten Aussaugern und deutschen Unternehmen wahrgenommen wird, wie dies im Anschluss an Münteferings „Heuschreckenplage“ auf einem Cover der Gewerkschaftsmitgliederzeitung „metall“ symbolisiert wurde.
Anliegen der Autoren: Einfallstore versperren
Anliegen der Autoren ist, die Einfallstore rechtsextremer Deutungsmuster für gesellschaftliche Konflikte möglichst zu versperren. Dabei geht es u.a. sowohl um die Deutung gesellschaftlicher Konflikte, als auch um die Ausdehnung basisdemokratischer Handlungsmöglichkeiten. Und die tatsächlichen Ängste der KollegInnen sollen dabei ernst genommen werden. An dieser Stelle wird leider nicht berücksichtigt, dass es eine verbreitete Angst vor „Überfremdung“ gibt, deren kulturelle Dimension losgelöst von Klassenkonflikten in Erscheinung tritt.
Durch die staatlichen wie medialen Feindbildprojektionen auf der Ebene globaler Konflikte kann sich diese Angst verstärken und besonders als Abwehrhass gegen MigrantenInnen aus Konfliktregionen in Erscheinung treten. Hier existiert ein staatlich sanktioniertes, unbewachtes Einfallstor für rechtsextreme Terraingewinne. Im vorletzten Kapitel werden in drei Interviews mit aktiven GewerkschafterInnen Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten verdeutlicht, die hilfreiche Beispiele und Denkanstöße für die Auseinandersetzung mit dem Rechtextremismus geben. Das Schlusskapitel enthält sieben Buchempfehlungen mit etwas ausführlicheren Beschreibungen.
Die Betonung demokratischer Werte und sozialer Gerechtigkeit in Abgrenzung zum Rechtsextremismus greift m.E. zu kurz, sofern sie auf der abstrakten Ebene bleibt, die mit der Alltagserfahrung kollidiert. Hier weist das Buch m.E. Defizite auf. Dass im gängigen Arbeitsbegriff, um den das gewerkschaftliche Selbstverständnis kreist, selbst eine verhängnisvolle Falle liegt, wird im vorliegenden Buch nicht thematisiert. Besonders in Deutschland ist der Arbeitswahn mit einem rassistisch-antisemitischen Hintergrund kulturell tief verankert. Gleichzeitig herrscht eine tiefe Bewusstlosigkeit über die Doppelbödigkeit der kapitalabhängigen Arbeit. Die stumme Diktatur der abstrakten Wertschöpfung erzeugt eine Entfremdung, in der wir Menschen uns selbst wie Waren zueinander verhalten.
Darin wurzelt der individualistische „Rassismus“ der neoliberalen Ausgrenzung, der nach dem Scheitern sozialistischer Ideale sein kollektives Pendant in der Wiederbelebung nationalistischer Strömungen findet. Der Rechtsextremismus blüht darin als ein scheinbar paradoxes, internationales Phänomen auf. In diesem Zusammenhang wird die Dringlichkeit des emanzipatorischen Kampfes gegen die Bedingung der Arbeitspflicht für das globale Menschenrecht (noch) nicht ausreichend wahrgenommen. Der 1. Mai, der seinen Anfang im Kampf um die Verkürzung der Arbeit hatte, mutierte zum Tag der Arbeit. Den haben die Nazis in Deutschland als Feiertag eingeführt. Und das sollte uns auch heute zu denken geben.
Bodo Zeuner; Jochen Gester; Michael Fichter; Joachim Kreis; Richard Stöss
„Gewerkschaften und Rechtsextremismus“
- Anregungen für die Bildungsarbeit und politische Selbstverständigung der deutschen Gewerkschaft
(einsprüche Band 19), 2007
143 S. - € 14,90 - SFR 26,80
ISBN: 978-3-89691-590-0
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