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Kommentar
Der Journalist Henryk M. Broder erhält den Ludwig-Börne-Preis 2007
Kopfloses Huhn
Von Otto Köhler

Dem Spiegel-Journalisten Henryk M. Broder wird am 24. Juni in der Frankfurter Paulskirche der mit 20.000 Euro dotierte Ludwig-Börne-Preis überreicht. Der Literaturpreis, benannt nach dem revolutionären Demokraten und politischen Autor Ludwig Börne (1786–1837), geht damit in diesem Jahr an einen Journalisten, der mit zahlreichen muslimfeindlichen Äußerungen hervorgetreten ist. Im Vorfeld der Preisverleihung luden die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) gemeinsam mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e. V. und dem Club Voltaire in den Frankfurter Presseclub zum Thema „Feindbild Islam in den Medien". Hier der Beitrag des Hamburger Publizisten Otto Köhler von diesem Abend.


Henryk M. Broder – öfter mal im Fernsehen, diesmal NTV
Foto: NTV


„Keiner stand auf und haute dem Rudi eine runter." So äußerte sich – nicht unbegründet – der Börne-Preisträger des Jahres 2007 über den Börne-Preisträger des Jahres 2001. Das ist lange her – die Ohrfeige wurde dann schließlich, bei dessen Laudatio, von Frank Schirrmacher verabreicht. Davon später.

Der Ludwig-Börne-Preis soll an den revolutionären Demokraten erinnern, den – wie Meyers Lexikon 1937 lehrte – „Feind Goethes" und „Typ des jüdisch zersetzenden Zeitungsliteraten". Das setzt Maßstäbe. Ein Kotzebue sollte den Börne-Preis nie bekommen. Für so einen gibt es den Hanns-Martin-Schleyer-Preis, der von der Daimler-Benz AG gestiftet wurde.

Indes: Klaus von Dohnanyi, der Schleyer-Preisträger des Jahres 2006, war der Börne-Preisjuror, der schon 1996 Joachim Fest, den Schleyer-Preisträger des Jahres 2002, zum Börne-Preisträger gemacht hatte. Ein Jahr vorher hatte Marcel Reich-Ranicki den Börne-Preis bekommen, derselbe Reich-Ranicki, den Joachim Fest als Vorgesetzter genötigt hatte, seinem Schützling, dem Berliner Entjudungsspezialisten Albert Speer, die Hand zu drücken. Man sieht: Börne- und Schleyer-Preis sind nicht völlig kompatibel.

Aber man darf erwarten, daß Ernst Nolte, der Schleyer-Preisgeehrte des Jahres 1985, endlich auch mit dem Börne-Preis ausgezeichnet werden wird für seine Entdeckung, daß Auschwitz von Stalin errichtet wurde, mutmaßlich mit Hilfe seiner jüdischbolschewistischen Kommissare. Aber dieser Krönung bedarf es seit Beginn dieses Jahrtausends nicht mehr, um den Börne-Preis zu desavouieren.

Wer die Geschicke der Ludwig-Börne-Stiftung wirklich lenkt, die 1993 von Frankfurter Bürgern gegründet wurde – übertölpelte Juden oder schlaue Arier – das ist nicht zu durchschauen. Offiziell jedenfalls ist Dr. Michael A. Gotthelf Gründer und Vorsitzender der Börne-Stiftung. Er ist zugleich Vorstandsvorsitzender der AP, der Anlage und Privatbank AG bei Zürich, die 1995 von der Bayerischen Hypobank gegründet wurde, weil die Schweiz nicht Mitglied der EU ist.

„Ringen um die Aufklärung"

Der Ludwig-Börne-Stiftungschef trat erstmals öffentlich in Erscheinung, als im Jahr 2000 Rudolf Augstein der Börne-Preis zugesprochen wurde. Es kam zum Eklat, der erste Termin für die Preisverleihung im November 2000 wurde – krankheitshalber – abgesagt.

Drei Monate nach der – einstweiligen – Absage, wurde öffentlich, daß es Augsteins wegen Krach in der Börne-Stiftung gegeben haben muß; Michael A. Gotthelf meldete sich als Vorsitzender in der Süddeutschen Zeitung unaufgefordert zu Wort. Seit vor rund zehn Jahren die Idee des Ludwig-Börne-Preises geboren wurde, habe es eine Reihe namhafter Preisträger gegeben, die „an die Börnesche Tradition in der einen oder anderen Weise angeknüpft" haben: „Große Essayisten und Kritiker wie Marcel Reich-Ranicki, Joachim Kaiser, Josef Joffe" hätten in der Frankfurter Paulskirche „für ihr Ringen um die Aufklärung diese Ehrung entgegengenommen".

Was dann folgte, klang wie eine Bitte um Entschuldigung oder um Schuldverlagerung: Im letzten Jahr habe die Ludwig-Börne-Stiftung – Zitat – „nun als alleinigen Preisrichter den FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher nominiert". Und der habe Rudolf Augstein als Börne-Preisträger benannt.

Ja doch, es gebe Übereinstimmungen, „viele" sogar, behauptete Gotthelf, zwischen dem Namensgeber des Preises – Börne – und dem Preisträger Augstein.

Aber, so Gotthelf, bereits im Vorfeld habe es Stimmen der Kritik an Schirrmachers Entscheidung für Augstein gegeben, Gotthelf formulierte sie vorsichtig „Augstein habe in den fünfziger Jahren beim Spiegel ehemalige Nazis beschäftigt".

„Ehemalige" meinte der Börne-Stiftungschef sagen zu müssen, immerhin, er fügte noch hinzu: „Ein mehr oder weniger latenter Antisemitismus-Vorwurf stand im Raum." Gotthelf berichtete von „Gerüchte": Etwa, daß Augstein gar nicht krank gewesen sei und sich nur wegen der Kritik an seiner Person zurückgezogen habe. Oder – und das alles schrieb Gotthelf nur, um es selbstverständlich zurückzuweisen, daß sich beim Spiegel „ein Unbehagen über eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit des Hauses breit machte und man mit einem nicht bis ins Detail zu kontrollierenden Auftritt Augsteins in der Paulskirche möglicherweise Öl ins Feuer gieße".

So etwas verbreitet man als Preisstifter eigentlich nicht, wenn man wünscht, daß der Ausersehene tatsächlich auch seine Gelegenheit zum unkontrollierten Auftritt bekomme. Und Gotthelf legte nach, man könne Augsteins Verhalten „kaum noch als in der Börneschen Tradition stehend bezeichnen".

Eine Chance aber gab der Stiftungsvorsitzende Augstein: „Eine kritische Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit beim Spiegel (...) würde (...) gewiß nicht auf den erbitterten Widerstand Börnes stoßen« und die sei – »wie wir aus Hamburg hören" – derzeit schon im Gange.


Rudolf Augstein – schuf im Spiegel „Netzwerk alter Kameraden“
Foto: www.spiegelgruppe.de


Aber Börne war tot und Augstein lebte, und eine kritische Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit hatte der Spiegel vor Jahren schon einmal zu seinem fünfzigjährigen Jubiläum versprochen – Vertuschung kam dabei heraus. Was da in Hamburg im Gange war: Anfang April 2001 eine neue Kolportage über die garantierte Unschuld der Nazis am Reichstagsbrand, deren einziges Zugeständnis war, daß sich „Debatten wie die um den Reichstagsbrand nicht beenden lassen" (Augstein hatte 1959 nach Erscheinen der von SS-Leuten und einem Verfassungsschützer geschriebenen Serie versichert: „Über den Reichstagsbrand wird nach dieser Spiegel-Serie nicht mehr gestritten werden.")

Bedingungslose Kapitulation

Aber da gibt es mächtigere Herren im Börne-Preis-Komitee als den Geld- und Anlagen-Mann Gotthelf in der Schweiz, der schließlich am 13. Mai 2001 in der Paulskirche, dem Mann, der nach seiner richtigen Meinung Altnazis in seinem Magazin zu publizistischer Wirkung billigenderweise verholfen hatte, den Börne-Preis überreichte. Und zwar mit der ausdrücklichen Begründung: „Er hat dem Land damit innere Freiheit wiedergegeben."

Gotthelfs bedingungslose Kapitulation in der Paulskirche ist verständlich. Denn die schwerstgewichtigen Mitglieder des Vorstands der Börne-Stiftung sind Dr. Mathias Döpfner, Chef der Axel Springer A.G., und Hubert Burda, der Verleger der Spiegel-Konkurrenz Focus. Und die hatten keinerlei Bedenken gegen die für Augstein getroffene Entscheidung geäußert.

Dazu kommt die besondere Eigenart des Börne-Preises. Er wird nicht von einer mehrköpfigen Jury verliehen, sondern von einem jedes Jahr neu benannten Juror. Für das Jahr 2000 war dies, wie gesagt, Frank Schirrmacher, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland.

Und der hatte noch eine Rechnung offen. Im Anzetteln und Führen publizistischer Kampagnen nicht unerfahren, wußte er, wie er einen alten Feind am ärgsten treffen würde. Und Augstein und den Spiegel zu treffen hatte er allen Grund. Nie war er so gedemütigt worden wie am 13. Mai 1996. Da enthüllte der Spiegel die „Karriere-Tricks des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher", und was da zu lesen war, kam einem Todesurteil gleich.

Der „altkluge Kohl-Jünger" und „backenblasende Verkünder epochaler Ab- und Aufbrüche", so hieß es da über Schirrmacher, traktiere seine Kollegen als „autoritärer Chef-Ideologe", der kaum Widerspruch ertrage. „Irritiert" seien sie vor allem durch seinen „sorglosen Umgang mit der eigenen Biographie". Die Umstände seiner Promotion brächen „mit allen akademischen Sitten", gälten unter Experten als „besonders anrüchig".

Als Jungredakteur habe er dem Feuilletonchef Joachim Fest abendelang auswendig gelernte Passagen aus dessen „Hitler"-Opus mit schmachtender Bewunderung vorgetragen, bis er schließlich dessen Nachfolger wurde.

Und zuletzt auch noch dies, muß er sich das bieten lassen? Schirrmacher, der Wiesbadener Beamtensohn, ein vom Verfolgungswahn besessener Maniker, der selbst enge Vertraute mit der phantastischen Erzählung verblüffe, er sei als Kind unter äthiopische Räuber gefallen, die jederzeit bereit gewesen seien, ihn zu töten.

Für einen Sterblichen ist solch eine Spiegel-Geschichte tödlich, falls ihr nicht unverzüglich eine Gegendarstellung oder eine Verleumdungsklage folgt.

Augsteins Leitkultur

Doch Schirrmacher wappnete sich mit Geduld. Auf den Tag genau fünf Jahre danach, am 13. Mai 2001, hielt er die Laudatio auf den von ihm eigenhändig ausgesuchten Börne-Preisträger Augstein. Und all die untergründigen Bosheiten ausfindig zu machen, die er in seiner Lobrede versteckte, das bereitet intellektuellen Spaß, den wir uns hier versagen müssen.

Entscheidend aber war, was Schirrmacher allein schon im Jahr zuvor mit der Nominierung für den Börne-Preis ausgelöst hatte. Augstein und Börne, diese famose Gleichsetzung erregte jetzt doch Diskussionen, so sehr, daß Augstein – so oder so – krank davon wurde. Jedenfalls gab man am Vortag des 5. November 2000 bekannt, daß die Preisverleihung wegen einer Krankheit Augsteins auf unbestimmte Zeit aufgeschoben werden müsse. Er selbst schrieb statt dessen einen unvergänglichen Essay über seine Leitkultur: 1942, als Soldat an der Ostfront habe er bei den bunten Abenden für die Truppe mit seinem kräftigen Bariton immer wieder das Lied „Es steht ein Soldat am Wolgastrand, hält Wache für sein Vaterland" gesungen. Und das stamme von dem jüdischen Librettisten Fritz Löhner-Beda, der von der SS in Auschwitz erschlagen wurde, wie er soeben erfahren habe. Und so ist es völlig klar, Augstein: „Mir selbst wurde und wird gelegentlich Antisemitismus vorgeworfen. Was mich persönlich betrifft, so konnte ich, wenn ich den Debatten zuhörte, feststellen: Meine Leitkultur' war jüdisch."

Als im Dezember 2000 auch noch das angesehenste deutschsprachige Blatt, die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), in die Diskussion um Augstein einstieg, war der Schutzwall um den Spiegel-Herausgeber endgültig gebrochen. Die NZZ zweifelte an seiner Preiswürdigkeit: Augstein habe ehemaligen Nazis nicht bloß im Rahmen des deutschen Wiederaufbaus Arbeit gegeben, sondern hochrangige Nazis gezielt protegiert. Und zählte sie alle auf, Fazit: „Was unter Augstein betrieben wurde, sieht verdächtig nach Weißwäscherei aus."

In einem weiteren Artikel berichtete die Neue Zürcher vom „Netzwerk alter Kameraden", die teilweise mit rassistischen Artikeln ihr „altes Weltbild nahezu bruchlos ins Blatt brachten". Das Zürcher Blatt über den Börne-Preiskandidaten: „In irritierendem Widerspruch zum heutigen Image als demokratisches ,Sturmgeschütz' steht vielmehr, daß sich das Wirken der Altnazis im Magazin publizistisch niederschlug, was ja Augsteins Billigung bedurfte." (NZZ, 10.5.2001)

Das alles war für den erfahrenen Schirrmacher durchaus vorhersehbar, als er Augstein für den Preis nominierte.

Der in wenigen Tagen zu krönende Börne-Preisträger 2007 ist ein ganz anderer als Rudolf Augstein. Henryk M. Broder schrieb 1986 über „Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls" das Buch „Der ewige Antisemit" und analysierte den nationalen Aufruhr, der entstand, als der israelische Ministerpräsident Begin sagte, er wisse nicht, was Bundeskanzler Helmut Schmidt, der gerade von einer „besonderen deutschen Verantwortung gegenüber den Palästinensern" schwadroniert hatte, „in bezug auf die Juden" an der Ostfront getan habe. Eigentlich eine Frage, die man jedem deutschen Soldaten an der Ostfront stellen mußte, insbesondere dann, wenn er wie der Wehrmachtsoffizier Helmut Schmidt behauptet, er habe nie etwas bemerkt.


„Foto des Tages“ auf Henryk M. Broders Homepage
Foto: www.henryk-broder.de


Gegen Begins Un-Verschämtheit scharte sich da das ganze deutsche Volk um seinen Kanzler, Oppositionsführer Helmut Kohl inklusive.

„So etwas hatte der Kanzler schon lange nicht mehr erlebt", freute sich der Spiegel. „Wo er sich letzte Woche blicken ließ, schlug ihm Beifall entgegen."

„Eine der schlimmsten Stellungnahmen kam von Rudolf Augstein, dem Spiegel-Herausgeber", schrieb damals Henryk M. Broder, und er zitierte seine Gleichsetzung von Juden und ihren Mördern, Augstein: „Was hätte ein Nicht-Nazi denn tun können? Er hätte als ein Held und Heiliger das tun können, was die Opfer selbst auch nicht getan haben, die Helden und Heiligen immer ausgenommen. Er hätte sich für seinen biblischen Nächsten opfern können, mit seinem Leben. Das haben die Deutschen, das haben die Juden nicht getan. Kein moralischer Unterschied also zwischen der schweigenden Mehrheit der Deutschen und der schweigenden Mehrheit der Juden."

Angesichts von Auschwitz kein moralischer Unterschied zwischen Deutschen und Juden. Henryk M. Broder, der 1986 diese Augstein-Kolumne zusammen mit ähnlichen Texten in seinem Buch „Der Ewige Antisemit" untersuchte, unterbrach genau an dieser Stelle seine Analyse mit einem einfachen, aber einleuchtenden Hinweis: „Keiner stand auf und haute dem Rudi eine runter." (Broder, Antisemit, S. 109)

Der Börne-Preisjuror Klaus von Dohnanyi hat inzwischen auch eine verdient. Er hatte seinen Augstein verinnerlicht und schrieb 1998 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für Deutschland: „Allerdings müßten sich auch die jüdischen Bürger fragen, ob sie sich so sehr viel tapferer als die meisten anderen Deutschen verhalten hätten, wenn nach 1933 ,nur' die Behinderten, die Homosexuellen oder die Roma in die Vernichtungslager geschleppt worden wären."

Ideologischer Exhibitionismus


Henryk M. Broder aber ist letztes Jahr sechzig geworden. Er hatte sich schon lange von Rudolf Augstein anstellen lassen, er ist seit Jahren Reporter des Spiegel für Deutsche Politik. Damit sein nunmehr ehrwürdiges Alter bemerkt und womöglich ausgezeichnet werde, schrieb er das Buch „Hurra, wir kapitulieren" mit der imperativen Widmung „Für mich, zum Sechzigsten."

Für Helmut Markwort, dem Focus-Chef, der sich mit dem Spiegel gern mal wieder einen Spaß macht, kein Problem. Denn der Angestellte von Hubert Burda, dem Börnestiftungsvorstandsmitglied, durfte diesmal den Preisträger aussuchen, Broder eben.

Und Broder hat, wenn auch auf andere Weise, diesen Börne-Preis ebenso verdient. Anders als Augstein, der Zyniker, ist Broder ein Bekenner, ein ideologischer Exhibitionist voll Leidenschaft. Er verehrt George W. Bush, trat schon immer für dessen Krieg gegen den Irak ein, sein Handy klingelt mit der US-Hymne, und letztes Wochenende trat er im Arte-Kulturmagazin Metropolis mit einer mächtigen US-Fahne auf dem Hemd über seinem nicht weniger ansehnlichen Bauch zum Interview an. Sein Kampf gegen den Terrorismus ist ebenso schlicht.

Wie Bush hat er es längst aufgegeben, allein gegen die Terroristen von Al Qaida zu kämpfen. Er kämpft gegen – wörtlich – „1,5 Milliarden Moslems in aller Welt, die chronisch zum Beleidigtsein und unvorhersehbaren Reaktionen neigen".

Er kämpft gegen die Ausländer, die sich in Deutschland breit gemacht haben. Gegen den „Migrationshintergrund". Er weiß inzwischen, was die Deutsche Nationalzeitung schon immer wußte: „Heute (…) bedeutet ,Migrationshintergrund' eine Art Freifahrtschein für alle Fälle."

Ja, für ihn herrscht auf unseren Straßen der Muslim mit dem Messer zwischen den fletschenden Zähnen, Broder: „Wer einen ,Migrationshintergrund' hat, der braucht nur noch in ganz extremen Fällen einen Anwalt, zum Beispiel wenn er einen Filmemacher auf offener Straße abschlachtet. „Bei minderen Vergehen gegen Recht, Gesetz und Ordnung reiche der Hinweis auf den ,Migrationshintergrund' gegenüber den Medien und der Öffentlichkeit, um umgehend Empathie mit dem Täter, Kritik am Verhalten des Opfers" zu evozieren. Denn das Opfer der mordenden Muslims werde nur noch als „Provokateur" angesehen, der „vor nichts und niemand Respekt hat".

Broder aber erwartet Einsicht in die Anerkennung der Notwendigkeit eines unerbittlichen Krieges. Denn er weiß: „Man kann auf vielen Wegen vor der Einsicht davonlaufen, daß der Terrorismus eine Gefahr ist, der man sich stellen muß (…) Eine nüchterne Analyse würde zwei Optionen ergeben, tertium non datur: Man kapituliert sofort, tritt zum Islam über und einer besonders militanten Gemeinde bei, oder man überlegt ernsthaft, was man tun könnte, um den Terrorismus zu stoppen, wofür man leider einige Grundsätze des befriedeten Zusammenlebens opfern müßte."

Broder wörtlich: „Diese Alternative ist so grauenhaft wie die Wahl zwischen Galgen und Guillotine. Um ihr zu entgehen, ist jede Illusion recht."

Letzte Reflexe

Der deutsche Börne-Preisträger des Jahres 2007 aber macht sich keine Illusionen. Er hat sich bei der einzig möglichen Wahl zwischen Galgen und Guillotine für die Kopfabmaschine entschieden. Sein Rumpf torkelt jetzt herum, wie ein frisch geschlachtetes Huhn, das seine letzten Reflexe auslebt. Tatsächlich ist ihm der Kopf – möglicherweise schon des längeren – abhanden gekommen. George W. Bush oder Al Qaida, ein Drittes gibt es nicht, man muß sich entscheiden. Broder hat sich für die Guillotine entschieden, obwohl er längst kopflos ist.

Und so schreibt er zu Guantánamo: „Die Vorstellung, ein Unschuldiger könnte jahrelang festgehalten werden, ist ein Albtraum. Andererseits übersteigt die Idee, man könnte dem Terror nur mit rechtsstaatlichen Mitteln beikommen, die Grenze zum Irrealen. Es ist, als ob man die Feuerwehr auffordern würde, sich bei ihren Einsätzen an die Straßenverkehrsordnung zu halten und auf keinen Fall eine rote Ampel zu überfahren."

Wir haben in diesen Tagen, in Heiligendamm, erlebt, wie sich die Staats-Gewalt einübt, die rote Ampel vor einem deutschen Guantánamo zu überfahren: Menschenkäfige für, nein nicht für Terroristen, für Demonstranten mit Tag- und Nachtbeleuchtung.

Noch gibt es Protest gegen ein deutsches Guantánamo. Er müßte verstummen, zum Verstummen gebracht werden, wenn Broders Alternativlosigkeit das Gesetz dieses Staates würde.

Zurück zum Preis und seinen Trägern. Die Welt fragte Broder im Februar 2002 angesichts eines neuen Buches: „In Ihrem Buch werden viele Leute mit zum Teil unglaublichen Äußerungen zitiert. Ein Name fehlt empfindlich: Rudolf Augstein." Broder, der da schon von Rudolf Augstein für den Spiegel angestellt worden war, gab eine schöne Antwort: „Augstein und ich haben einen Waffenstillstand." Die hohen kriegführenden Mächte hätten sich nämlich geeinigt, so jedenfalls Broder: „Er sagt nichts über mich und ich sage nichts über ihn."

Dazu kommt bei Broder noch eine Herzensangelegenheit: „Bei aller Kritik an seinen Äußerungen, trage ich eine tiefe Verehrung für ihn in meinem Herzen."

Und Broder verschwieg auch nicht, daß er etwas noch Besseres als SS-Hauptsturmführer oder Gestapo-Chef ist, mit denen Augstein herzlichst zusammengearbeitet hatte: „Das, was er aus dem Spiegel gemacht hat – schon bevor ich eingestellt wurde, aber natürlich war meine Einstellung eine wesentliche Qualitätssteigerung – verdient Respekt."

In diesem Sinne wird auch die Verleihung des Börne-Preises 2007, wie schon die Verleihung des Börne-Preises 2001, zu einer wesentlichen Qualitätssteigerung der inneren Freiheit dieses Landes beitragen.

Von nun an darf jeder den deutschen Juden Ludwig Börne in dessen eigenem Namen abwatschen, wie er will.

Online-Flyer Nr. 100  vom 20.06.2007

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