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Lokales
Stalking-Gesetz gegen Psychoterror
„Ich kann Dich sehen, Tag und Nacht“
Von Carola Gürtler
Anpirschen, Nachschleichen, das heißt in der englischen Jägersprache
Stalking. Seit März eine Straftat in Deutschland, können die Opfer jetzt endlich die Polizei einschalten, was ohne Gesetz nicht möglich war. Justizministerin Zypries sagte dazu in einem Interview des Deutschlandfunk:"Da geht es darum, ganz konkret einen Tatbestand zur Verfügung zu stellen, der den Polizistinnen und Polizisten die hinreichende Legitimation zur Ermittlung und zum Eingreifen gibt. Denn das ist, was an unserem jetzigen Gewaltschutzgesetz kritisiert wird, dass es ein erschwerender Weg ist, wenn man zunächst sich mal vor dem Zivilgericht eine Verfügung besorgen muss, die erst bei Verstoß dagegen zu einem Straftatbestand wird."

Anpirschen, Nachschleichen, das ist Stalking
Quelle: www.pixelio.de – Foto: hofschlaeger
„Trotzdem fühle ich mich nicht mehr sicher“
Täglich rufen bis zu fünf Frauen bei der Polizei Köln wegen Terrors durch einen Verfolger an, meist ist es der Expartner. Nur zehn Prozent kennen „ihren“ Stalker nicht. Zum Beispiel die Ärztin S., tätig in einer Kölner Unfall-Ambulanz: „Ich wusste lange nicht, dass der Telefon-Belästiger ein ehemaliger Patient von mir war. Nie nannte er den Namen. Erst dachte ich, ein Spinner. Nach zwei Wochen war ich mit den Nerven fertig. Doch es dauerte über ein Jahr, bis er endlich gestellt wurde. Trotzdem fühle ich mich nicht mehr sicher. Jeder Patient könnte mich als Opfer wählen.“ Heute trägt sie kein Namensschild mehr am Ärztekittel.
Dr. S. hatte eine Schnittwunde des Stalkers genäht. Seitdem hatte er den Wahn, sie sei die Richtige für ihn. Die Adresse fand er heraus, indem er ihr nach der Arbeit heimlich folgte, und die Auskunft gab ihm die Telefonnummer. „Ich möchte Dich berühren“, stöhnte er. Oder: „Was tust Du gerade?“ Der Anrufbeantworter war voll von üblen Nachrichten. Dr. S. schaltete ihn ab, wechselte die Rufnummer. Ohne Erfolg, von da an kamen Postkarten. Der Stalker legte Blumen ohne Absender vor ihre Wohnungstür und beobachtete das Haus unbemerkt vom Auto aus. Sie litt unter wachsenden Ängsten, fühlte sich beobachtet und schlief schlecht. „Ich kann Dich sehen, Tag und Nacht“ schrieb er.
Nach sechs Monaten war Dr. S zermürbt. Sie kündigte die Wohnung. Da der Verfolger ihren Arbeitsplatz kannte, fand er die neue Adresse heraus. Die Postkarten kamen weiter. Dr. S. ließ sich beurlauben und wohnte bei einer Freundin. Gute Bekannte bewachten die Umgebung ihrer Wohnung, überwältigten eines Abends einen verdächtigen Mann. Sie fanden eine Beweis-Postkarte in seiner Tasche. Der Mann ließ endlich von ihr ab. Das Strafverfahren wegen Stalking läuft noch.
Häufig ist es der ehemalige Partner
Doch die meisten Opfer werden von einem guten Bekannten terrorisiert. Im Stalking-Forum berichtet eine Frau: „Mein Ex-Mann hat mir kurz nach meinem Auszug mein ganzes Auto zerkratzt – es war nagelneu. Ich hab die ganze Nachbarschaft rebellisch gemacht, aber keiner hat was gesehen. Anzeige bei der Polizei wegen Sachbeschädigung hat auch nichts gebracht.“ Er schrieb ihr SMS-Mitteilungen: "Ich brauche Dich" oder "Du kommst zurück!" Er stellte sich vor ihr Haus und beobachtete sie.

Er stellte sich vor ihr Haus ...
Quelle: www.pixelio.de – Foto: Schemmi
Die Frau bat ihre Freunde um Hilfe, verließ ihr Haus nur durch den Hintergang und ließ sich von einem Bekannten wegfahren. Sie mied Orte, an denen sie mit ihrem Ex-Partner ihre Freizeit verbracht hatte. Weil auch das nicht half, stellte sie Anzeige, fing an, ein Protokoll zu führen, in dem sie Tag und Uhrzeit eines Anrufs oder einer unfreiwilligen Begegnung mit dem Ex-Partner dokumentierte. Schließlich sahen sich die beiden vor Gericht. Seitdem hat die Frau ihre Ruhe. Der Psychoterror hatte mehr als ein Jahr gedauert.
„Wir haben einfach geschwiegen“
Stalker kommen aus allen Gesellschaftsschichten und sind in der Regel zwischen 18 und 45 Jahre alt. Unter ihnen sind auch Frauen.
In einem Kölner Stalking-Fall gehen noch heute SMS auf dem Handy eines Volkshochschul-Dozenten ein. Vor drei Monaten waren es bis zu vierzig am Tag. Er hatte die Stalkerin als Lehrgangsteilnehmerin einer Berufsfortbildung kennen gelernt. Auch seine Freundin wird immer wieder von dieser Frau belästigt. „Am meisten half es, dass ich jegliche Antwort am Telefon verschluckt habe. Wir haben einfach geschwiegen, keinen Ton mehr gesagt und auf nichts geantwortet.“
Ein Drittel der Belästigungen auf digitalem Wege
Stalking ist ein Massenphänomen; zwölf Prozent der Deutschen wurden einmal in ihrem Leben zum Stalking-Opfer. Die psychischen Auswirkungen sind oftmals beträchtlich und häufig müssen sie behandelt werden. 35 Prozent aller verschmähten LiebhaberInnen und Ex-PartnerInnen belästigen ihr Opfer auf digitalem Weg. Das ergab eine Erhebung der Technischen Universität Darmstadt, bei der im Jahre 2005 insgesamt 500 Betroffene und über 80 Täter befragt wurden.
"Internet und Kurzmitteilungen fürs Handy gehören längst zum gängigen Repertoire vieler Verfolger", sagte der Psychologe Jens Hoffmann, der die Untersuchung leitete. Sie hat zudem ergeben, dass 86 Prozent der Opfer weiblich sind und 51 Prozent der Täter mehrmals täglich Kontakt aufnehmen. Die Belästigung durch massenweise E-Mails und SMS-Kurzmitteilungen dauere im Schnitt achtzehn Monate.

„Ich kann Dich sehen, Tag und Nacht"
Quelle: Pixelio – Foto: Stihl034
Wie gefährlich kann der Täter werden?
Mit dem lang erwarteten neuen Gesetz gegen Stalking – gegen das beharrliche Aufsuchen, Anrufen, E-mails oder SMS senden, Verfolgen, Auflauern, Bedrohen einer Person, die deutlich gemacht hat, dass sie keinen dieser Kontakte will - kann das Opfer Beweise sammeln und eine Strafanzeige stellen.
Heike Afflerbach, Polizei Köln: „Wichtig für die Opfer ist es, sich zu fragen: ,Wie gefährlich kann der Täter werden?’ Danach müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Denn mitunter endet Stalking für das Opfer tödlich.“
Denn psychologisch gesehen leiden StalkerInnen unter einer Besitz ergreifenden Fixierung auf das Opfer. Das kann bis zum Realitätsverlust führen, einer totalen Verleugnung der eigenen Taten. Eigentlich müssten sie eine Therapie machen. Aber das setzt Einsicht voraus. (YH)
Online-Flyer Nr. 107 vom 08.08.2007
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Lokales
Stalking-Gesetz gegen Psychoterror
„Ich kann Dich sehen, Tag und Nacht“
Von Carola Gürtler
Anpirschen, Nachschleichen, das heißt in der englischen Jägersprache
Stalking. Seit März eine Straftat in Deutschland, können die Opfer jetzt endlich die Polizei einschalten, was ohne Gesetz nicht möglich war. Justizministerin Zypries sagte dazu in einem Interview des Deutschlandfunk:"Da geht es darum, ganz konkret einen Tatbestand zur Verfügung zu stellen, der den Polizistinnen und Polizisten die hinreichende Legitimation zur Ermittlung und zum Eingreifen gibt. Denn das ist, was an unserem jetzigen Gewaltschutzgesetz kritisiert wird, dass es ein erschwerender Weg ist, wenn man zunächst sich mal vor dem Zivilgericht eine Verfügung besorgen muss, die erst bei Verstoß dagegen zu einem Straftatbestand wird."

Anpirschen, Nachschleichen, das ist Stalking
Quelle: www.pixelio.de – Foto: hofschlaeger
„Trotzdem fühle ich mich nicht mehr sicher“
Täglich rufen bis zu fünf Frauen bei der Polizei Köln wegen Terrors durch einen Verfolger an, meist ist es der Expartner. Nur zehn Prozent kennen „ihren“ Stalker nicht. Zum Beispiel die Ärztin S., tätig in einer Kölner Unfall-Ambulanz: „Ich wusste lange nicht, dass der Telefon-Belästiger ein ehemaliger Patient von mir war. Nie nannte er den Namen. Erst dachte ich, ein Spinner. Nach zwei Wochen war ich mit den Nerven fertig. Doch es dauerte über ein Jahr, bis er endlich gestellt wurde. Trotzdem fühle ich mich nicht mehr sicher. Jeder Patient könnte mich als Opfer wählen.“ Heute trägt sie kein Namensschild mehr am Ärztekittel.
Dr. S. hatte eine Schnittwunde des Stalkers genäht. Seitdem hatte er den Wahn, sie sei die Richtige für ihn. Die Adresse fand er heraus, indem er ihr nach der Arbeit heimlich folgte, und die Auskunft gab ihm die Telefonnummer. „Ich möchte Dich berühren“, stöhnte er. Oder: „Was tust Du gerade?“ Der Anrufbeantworter war voll von üblen Nachrichten. Dr. S. schaltete ihn ab, wechselte die Rufnummer. Ohne Erfolg, von da an kamen Postkarten. Der Stalker legte Blumen ohne Absender vor ihre Wohnungstür und beobachtete das Haus unbemerkt vom Auto aus. Sie litt unter wachsenden Ängsten, fühlte sich beobachtet und schlief schlecht. „Ich kann Dich sehen, Tag und Nacht“ schrieb er.
Nach sechs Monaten war Dr. S zermürbt. Sie kündigte die Wohnung. Da der Verfolger ihren Arbeitsplatz kannte, fand er die neue Adresse heraus. Die Postkarten kamen weiter. Dr. S. ließ sich beurlauben und wohnte bei einer Freundin. Gute Bekannte bewachten die Umgebung ihrer Wohnung, überwältigten eines Abends einen verdächtigen Mann. Sie fanden eine Beweis-Postkarte in seiner Tasche. Der Mann ließ endlich von ihr ab. Das Strafverfahren wegen Stalking läuft noch.
Häufig ist es der ehemalige Partner
Doch die meisten Opfer werden von einem guten Bekannten terrorisiert. Im Stalking-Forum berichtet eine Frau: „Mein Ex-Mann hat mir kurz nach meinem Auszug mein ganzes Auto zerkratzt – es war nagelneu. Ich hab die ganze Nachbarschaft rebellisch gemacht, aber keiner hat was gesehen. Anzeige bei der Polizei wegen Sachbeschädigung hat auch nichts gebracht.“ Er schrieb ihr SMS-Mitteilungen: "Ich brauche Dich" oder "Du kommst zurück!" Er stellte sich vor ihr Haus und beobachtete sie.

Er stellte sich vor ihr Haus ...
Quelle: www.pixelio.de – Foto: Schemmi
Die Frau bat ihre Freunde um Hilfe, verließ ihr Haus nur durch den Hintergang und ließ sich von einem Bekannten wegfahren. Sie mied Orte, an denen sie mit ihrem Ex-Partner ihre Freizeit verbracht hatte. Weil auch das nicht half, stellte sie Anzeige, fing an, ein Protokoll zu führen, in dem sie Tag und Uhrzeit eines Anrufs oder einer unfreiwilligen Begegnung mit dem Ex-Partner dokumentierte. Schließlich sahen sich die beiden vor Gericht. Seitdem hat die Frau ihre Ruhe. Der Psychoterror hatte mehr als ein Jahr gedauert.
„Wir haben einfach geschwiegen“
Stalker kommen aus allen Gesellschaftsschichten und sind in der Regel zwischen 18 und 45 Jahre alt. Unter ihnen sind auch Frauen.
In einem Kölner Stalking-Fall gehen noch heute SMS auf dem Handy eines Volkshochschul-Dozenten ein. Vor drei Monaten waren es bis zu vierzig am Tag. Er hatte die Stalkerin als Lehrgangsteilnehmerin einer Berufsfortbildung kennen gelernt. Auch seine Freundin wird immer wieder von dieser Frau belästigt. „Am meisten half es, dass ich jegliche Antwort am Telefon verschluckt habe. Wir haben einfach geschwiegen, keinen Ton mehr gesagt und auf nichts geantwortet.“
Ein Drittel der Belästigungen auf digitalem Wege
Stalking ist ein Massenphänomen; zwölf Prozent der Deutschen wurden einmal in ihrem Leben zum Stalking-Opfer. Die psychischen Auswirkungen sind oftmals beträchtlich und häufig müssen sie behandelt werden. 35 Prozent aller verschmähten LiebhaberInnen und Ex-PartnerInnen belästigen ihr Opfer auf digitalem Weg. Das ergab eine Erhebung der Technischen Universität Darmstadt, bei der im Jahre 2005 insgesamt 500 Betroffene und über 80 Täter befragt wurden.
"Internet und Kurzmitteilungen fürs Handy gehören längst zum gängigen Repertoire vieler Verfolger", sagte der Psychologe Jens Hoffmann, der die Untersuchung leitete. Sie hat zudem ergeben, dass 86 Prozent der Opfer weiblich sind und 51 Prozent der Täter mehrmals täglich Kontakt aufnehmen. Die Belästigung durch massenweise E-Mails und SMS-Kurzmitteilungen dauere im Schnitt achtzehn Monate.

„Ich kann Dich sehen, Tag und Nacht"
Quelle: Pixelio – Foto: Stihl034
Wie gefährlich kann der Täter werden?
Mit dem lang erwarteten neuen Gesetz gegen Stalking – gegen das beharrliche Aufsuchen, Anrufen, E-mails oder SMS senden, Verfolgen, Auflauern, Bedrohen einer Person, die deutlich gemacht hat, dass sie keinen dieser Kontakte will - kann das Opfer Beweise sammeln und eine Strafanzeige stellen.
Heike Afflerbach, Polizei Köln: „Wichtig für die Opfer ist es, sich zu fragen: ,Wie gefährlich kann der Täter werden?’ Danach müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Denn mitunter endet Stalking für das Opfer tödlich.“
Denn psychologisch gesehen leiden StalkerInnen unter einer Besitz ergreifenden Fixierung auf das Opfer. Das kann bis zum Realitätsverlust führen, einer totalen Verleugnung der eigenen Taten. Eigentlich müssten sie eine Therapie machen. Aber das setzt Einsicht voraus. (YH)
Online-Flyer Nr. 107 vom 08.08.2007
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