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Globales
Türkische Islamisten-Partei AKP gilt aus Favorit der Bundesregierung
Brücke nach Osten
Von Hans Georg
Ministerpräsident Erdoğan – wer flüstert ihm da ins Ohr?!
Foto: Bertil Videt
In der Türkei versuchen nämlich die westtürkischen Eliten in der Tradition Kemal Atatürks, das rasch aufsteigende agrarisch-traditionalistische Milieu Zentralanatoliens und die Partei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan in Schach zu halten. Die islamistisch geprägte AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung/Adalet ve Kalkınma Partisi) ist bereit, sich der EU unterzuordnen, das kemalistische Spektrum macht Vorbehalte geltend. Die von Berlin und Brüssel abhängige AKP gilt als Favoritin der Bundesregierung.
Möglicher Stabilitätsfaktor
Mit einer hochrangig besetzten Konferenz lotete die Konrad-Adenauer- Stiftung (CDU) in der vergangenen Woche die Chancen für eine Kaukasus-Kooperation zwischen Berlin, Brüssel und Ankara aus. Es werde „über die europäischen und türkischen Interessen in der Region gesprochen“ und „über eine mögliche Rolle der Türkei als Stabilitätsfaktor diskutiert“, teilte die deutsche Stiftung mit.[1] Der Gegenstand der Debatte ist komplex. Die Türkei ist mit dem Erdölstaat Aserbaidschan eng verbündet, der wiederum einen offenen Territorialkonflikt mit seinem Grenznachbarn Armenien hat; die Lage ist seit Jahren äußerst angespannt. Wegen ihrer Parteinahme für Aserbaidschan hält die Türkei ihre Grenze zu Armenien geschlossen. Verschärft werden die Auseinandersetzungen durch den türkisch-armenischen Streit um die Beurteilung der Massaker an der armenischen Bevölkerung des osmanischen Reichs. Berlin mahnt Ankara seit Jahren, seinen Konflikt mit Eriwan zu lösen, hat bislang damit jedoch keinen Erfolg.
Ausriss aus der Webseite der KAS-Türkei
Quelle: www.kas.de
Strategische Bedeutung
Hintergrund der KAS-Konferenz waren die forcierten Bemühungen Berlins, den deutsch-europäischen Zugriff auf die zentralasiatischen Ressourcen zu verbessern. Erst vor wenigen Wochen hatte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft die neue Brüsseler Zentralasien-Strategie verkündet, deren Zielobjekte die Energierohstoffe östlich des Kaspischen Meers sind. Der Kaukasus südlich der russischen Grenzen sowie das Gebiet rings um das Schwarze Meer sind für Transitstrecken nach Europa vorgesehen. Um den ungestörten Transport der Ressourcen zu sichern, versucht Berlin die Region einer umfassenden Kontrolle zu unterwerfen und wird dabei von Brüssel sekundiert: Während die Konrad-Adenauer-Stiftung sich an einer Kaukasus-Sondierung versuchte, hat die EU eine Initiative mit der Bezeichnung „Schwarzmeersynergie“ gegründet, die der „gewachsenen strategischen Bedeutung der Region Rechnung“ tragen soll. Auch hier ist die Türkei einbezogen.
Elitenkämpfe
Irritationen rufen in Berlin daher die Machtkämpfe in Ankara hervor, die vor kurzem an den Rand eines Staatsstreichs führten. In der Türkei ist aus tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen im agrarischen Milieu Zentralanatoliens eine neue industrielle Elite hervorgegangen, die mit den traditionellen kemalistischen Gruppierungen konkurriert. Die neuen industriellen Eliten sind politisch in der islamistisch geprägten AKP organisiert, die seit 2002 die Regierung stellt und nun auch das Amt des Staatspräsidenten übernehmen will. Berlin hat für die AKP Partei ergriffen, die sich um ein enges Bündnis mit der Bundesrepublik bemüht und kemalistische Vorbehalte gegen eine Unterordnung unter die EU nicht teilt. Eine erneute Eskalation der Spannungen wird deshalb für die Zeit nach den Parlamentswahlen am 22. Juli nicht ausgeschlossen.
Kontrolleure
Berlin benötigt Ankara nicht nur für den Zugriff auf die zentralasiatischen Ressourcen, sondern ebenso zur Kontrolle der islamischen Bevölkerungsteile in der Bundesrepublik. Besonderes Interesse des deutschen Innenministeriums gilt den türkischen Imamen, die vom türkischen Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) in die Bundesrepublik vermittelt werden. Das Goethe-Institut führt seit 2002 regelmäßige Sprachkurse für türkische Imame durch, seit 2006 ergänzt die Konrad-Adenauer-Stiftung diese Instruktionen um „landeskundliche Fortbildungen“. Zuletzt wurden Ende Juni mehr als 100 türkische Religionsgelehrte „auf ihren Einsatz in Deutschland vorbereitet“.[2] Ähnliche Kooperationen versucht Berlin mit den algerischen Behörden einzuleiten, um neben den türkischen auch die arabischen Moscheen zu kontrollieren.
Expansion
Eine enge deutsch-türkische Kooperation begleitete bislang jede Phase deutscher Expansion. Im Deutschen Kaiserreich nahmen die bilateralen Kontakte nach 1880 engere Formen an, als Reichskanzler Otto von Bismarck sich um die Eingrenzung des russischen Einflussbereichs bemühte. Berlin nutzte damals die deutschen Militärmissionen im Osmanischen Reich sowie Rüstungsexporte, um seine Position zu stärken. Eigene Expeditionen erfolgten unter anderem mit dem Bau der Bagdadbahn in Richtung Persischer Golf. Auch für die NS-Expansion „nahm die Türkei eine besondere Stellung auf Grund ihrer strategischen Lage, des Reichtums an Bodenschätzen, der kriegswichtigen Rohstoffe und der Agrarprodukte ein“, schreibt der Nahost-Experte Udo Steinbach. Zwar trat Ankara anders als 1914 nicht auf der Seite Berlins in den Krieg ein, doch war Deutschland „von 1941 bis 1944 der größte Handelspartner der Türkei“.
Geplante „Baku-Ceyhan Pipeline"
Graphik: US-Regierung
Auch der gegenwärtige Ausbau der Beziehungen dient der deutschen Expansion in den Nahen Osten sowie über den Kaukasus nach Zentralasien. Die aktuellen Einflusskämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen der türkischen Eliten entscheiden über den Kooperationspartner, mit dem sich Berlin in Ankara auseinandersetzen muss. (CH)
[1] Chancen und Herausforderungen im Kaukasus - die Rolle der Türkei als regionaler Stabilitätsfaktor; www.kas.de
[2] KAS schult türkische Imame
Mehr unter german-foreign-policy.com
Online-Flyer Nr. 104 vom 18.07.2007
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Globales
Türkische Islamisten-Partei AKP gilt aus Favorit der Bundesregierung
Brücke nach Osten
Von Hans Georg
Ministerpräsident Erdoğan – wer flüstert ihm da ins Ohr?!
Foto: Bertil Videt
In der Türkei versuchen nämlich die westtürkischen Eliten in der Tradition Kemal Atatürks, das rasch aufsteigende agrarisch-traditionalistische Milieu Zentralanatoliens und die Partei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan in Schach zu halten. Die islamistisch geprägte AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung/Adalet ve Kalkınma Partisi) ist bereit, sich der EU unterzuordnen, das kemalistische Spektrum macht Vorbehalte geltend. Die von Berlin und Brüssel abhängige AKP gilt als Favoritin der Bundesregierung.
Möglicher Stabilitätsfaktor
Mit einer hochrangig besetzten Konferenz lotete die Konrad-Adenauer- Stiftung (CDU) in der vergangenen Woche die Chancen für eine Kaukasus-Kooperation zwischen Berlin, Brüssel und Ankara aus. Es werde „über die europäischen und türkischen Interessen in der Region gesprochen“ und „über eine mögliche Rolle der Türkei als Stabilitätsfaktor diskutiert“, teilte die deutsche Stiftung mit.[1] Der Gegenstand der Debatte ist komplex. Die Türkei ist mit dem Erdölstaat Aserbaidschan eng verbündet, der wiederum einen offenen Territorialkonflikt mit seinem Grenznachbarn Armenien hat; die Lage ist seit Jahren äußerst angespannt. Wegen ihrer Parteinahme für Aserbaidschan hält die Türkei ihre Grenze zu Armenien geschlossen. Verschärft werden die Auseinandersetzungen durch den türkisch-armenischen Streit um die Beurteilung der Massaker an der armenischen Bevölkerung des osmanischen Reichs. Berlin mahnt Ankara seit Jahren, seinen Konflikt mit Eriwan zu lösen, hat bislang damit jedoch keinen Erfolg.
Ausriss aus der Webseite der KAS-Türkei
Quelle: www.kas.de
Strategische Bedeutung
Hintergrund der KAS-Konferenz waren die forcierten Bemühungen Berlins, den deutsch-europäischen Zugriff auf die zentralasiatischen Ressourcen zu verbessern. Erst vor wenigen Wochen hatte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft die neue Brüsseler Zentralasien-Strategie verkündet, deren Zielobjekte die Energierohstoffe östlich des Kaspischen Meers sind. Der Kaukasus südlich der russischen Grenzen sowie das Gebiet rings um das Schwarze Meer sind für Transitstrecken nach Europa vorgesehen. Um den ungestörten Transport der Ressourcen zu sichern, versucht Berlin die Region einer umfassenden Kontrolle zu unterwerfen und wird dabei von Brüssel sekundiert: Während die Konrad-Adenauer-Stiftung sich an einer Kaukasus-Sondierung versuchte, hat die EU eine Initiative mit der Bezeichnung „Schwarzmeersynergie“ gegründet, die der „gewachsenen strategischen Bedeutung der Region Rechnung“ tragen soll. Auch hier ist die Türkei einbezogen.
Elitenkämpfe
Irritationen rufen in Berlin daher die Machtkämpfe in Ankara hervor, die vor kurzem an den Rand eines Staatsstreichs führten. In der Türkei ist aus tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen im agrarischen Milieu Zentralanatoliens eine neue industrielle Elite hervorgegangen, die mit den traditionellen kemalistischen Gruppierungen konkurriert. Die neuen industriellen Eliten sind politisch in der islamistisch geprägten AKP organisiert, die seit 2002 die Regierung stellt und nun auch das Amt des Staatspräsidenten übernehmen will. Berlin hat für die AKP Partei ergriffen, die sich um ein enges Bündnis mit der Bundesrepublik bemüht und kemalistische Vorbehalte gegen eine Unterordnung unter die EU nicht teilt. Eine erneute Eskalation der Spannungen wird deshalb für die Zeit nach den Parlamentswahlen am 22. Juli nicht ausgeschlossen.
Kontrolleure
Berlin benötigt Ankara nicht nur für den Zugriff auf die zentralasiatischen Ressourcen, sondern ebenso zur Kontrolle der islamischen Bevölkerungsteile in der Bundesrepublik. Besonderes Interesse des deutschen Innenministeriums gilt den türkischen Imamen, die vom türkischen Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet) in die Bundesrepublik vermittelt werden. Das Goethe-Institut führt seit 2002 regelmäßige Sprachkurse für türkische Imame durch, seit 2006 ergänzt die Konrad-Adenauer-Stiftung diese Instruktionen um „landeskundliche Fortbildungen“. Zuletzt wurden Ende Juni mehr als 100 türkische Religionsgelehrte „auf ihren Einsatz in Deutschland vorbereitet“.[2] Ähnliche Kooperationen versucht Berlin mit den algerischen Behörden einzuleiten, um neben den türkischen auch die arabischen Moscheen zu kontrollieren.
Expansion
Eine enge deutsch-türkische Kooperation begleitete bislang jede Phase deutscher Expansion. Im Deutschen Kaiserreich nahmen die bilateralen Kontakte nach 1880 engere Formen an, als Reichskanzler Otto von Bismarck sich um die Eingrenzung des russischen Einflussbereichs bemühte. Berlin nutzte damals die deutschen Militärmissionen im Osmanischen Reich sowie Rüstungsexporte, um seine Position zu stärken. Eigene Expeditionen erfolgten unter anderem mit dem Bau der Bagdadbahn in Richtung Persischer Golf. Auch für die NS-Expansion „nahm die Türkei eine besondere Stellung auf Grund ihrer strategischen Lage, des Reichtums an Bodenschätzen, der kriegswichtigen Rohstoffe und der Agrarprodukte ein“, schreibt der Nahost-Experte Udo Steinbach. Zwar trat Ankara anders als 1914 nicht auf der Seite Berlins in den Krieg ein, doch war Deutschland „von 1941 bis 1944 der größte Handelspartner der Türkei“.
Geplante „Baku-Ceyhan Pipeline"
Graphik: US-Regierung
Auch der gegenwärtige Ausbau der Beziehungen dient der deutschen Expansion in den Nahen Osten sowie über den Kaukasus nach Zentralasien. Die aktuellen Einflusskämpfe zwischen den verschiedenen Fraktionen der türkischen Eliten entscheiden über den Kooperationspartner, mit dem sich Berlin in Ankara auseinandersetzen muss. (CH)
[1] Chancen und Herausforderungen im Kaukasus - die Rolle der Türkei als regionaler Stabilitätsfaktor; www.kas.de
[2] KAS schult türkische Imame
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