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Krieg und Frieden
Kriegsdienstverweigerung in der Türkei
Militär widersetzt sich dem Europäischen Gerichtshof
Von Endy Hagen

Das Militärgericht in Eskisehir hat die Vollstreckung einer Haftstrafe gegen den bereits mehrmals wegen Verweigerung des Kriegsdiensts verurteilten Osman Murat Ülke mit Urteil vom 27. Juli 2007 bestätigt. Damit stellt sich die türkische Militärgerichtsbarkeit in eklatanter Weise gegen die  Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Das Gericht bezog sich in seiner Urteilsbegründung auf eine Entscheidung des Militärberufungsgerichts vom 29. Mai 2007, in der festgestellt worden war, dass jede Befehlsverweigerung eines Kriegsdienstverweigerers eine neue Straftat darstelle. Dies könnte eine unendliche Folge von Inhaftierungen in Gang setzen, da die Türkei das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht anerkennt.


Mit zwanzig Jahren ist jeder türkische Mann zur Ableistung des Militärdiensts verpflichtet. Kriegsdienstverweigerer, die sich aufgrund ihrer Entscheidung weigern, eine Uniform anzuziehen, oder Befehle verweigern, werden wegen Befehlsverweigerung angeklagt und nach Verbüßung der Haftstrafe erneut einberufen. Sie werden lebenslang illegalisiert, gelten als Deserteure und sehen sich der ständigen Gefahr von Verhaftung, Verurteilung und Inhaftierung gegenüber. Dieser Teufelskreis kann ein Leben lang andauern, da die Wehrpflicht in der Türkei erst nach Ableistung des Militärdienstes als erfüllt gilt.


Verweigerer Osman Murat Ülke         Verweigerer Halil Savda
Fotos: Rudi Friedrich                 

Vor diesem Hintergrund hatte der Europäische Gerichtshof die Türkei bereits am 24. Januar 2006 verurteilt. Er sieht in den Verfahren gegen Osman Murat Ülke einen Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechts- konvention: „Die zahlreichen Anklagen in Verbindung mit der Möglichkeit, dass er einer lebenslangen Strafverfolgung unterliegen könnte, stehen im Missverhältnis zu dem Ziel, die Ableistung des Militärdienstes sicherzustellen." Das Leben im Verborgenen, dass Osman Murat Ülke aufgrund seiner Gewissensentscheidung als Kriegsdienstverweigerer führen müsse, sei als „ziviler Tod" zu bezeichnen.

Osman Murat Ülke ist zwischen 1996 und 1998 bereits acht Mal wegen Kriegsdienstverweigerung verurteilt worden. Insgesamt 23 Monate war er inhaftiert. Jetzt wurde er zum Antritt einer Reststrafe von siebzehn Monaten und fünfzehn Tagen aufgefordert, die aus einer Verurteilung wegen Befehlsverweigerung aus dem Jahre 1999 resultiert. Osman Murat Ülke lebt zur Zeit versteckt in Izmir. Er muss jederzeit damit rechnen, festgenommen und zum Absitzen der noch offenen Haftzeiten gezwungen zu werden. Außerdem droht ihm die erneute Rekrutierung und damit – da er sich weiter weigern wird, Kriegsdienst zu leisten – auch die weitere Strafverfolgung.


   Savasa Hayir! – Nein zum Krieg!
    Foto:
Bernd Drücke

In derselben Lage befindet sich Halil Savda. Wie jetzt bekannt wurde, ist er nach Abbüßung einer am 12. April 2007 ausgesprochenen Haftstrafe vor wenigen Tagen aus der Haft entlassen worden. Die Vollstreckung eines weiteren gegen ihn ergangenen Urteils von einem Jahr und dreieinhalb Monaten steht noch aus, da die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die nächste Einberufung hat Halil Savda gleich nach seiner Entlassung erhalten; auch gegen ihn ist damit das nächste Verfahren vorprogrammiert.

Rudi Friedrich von Connection e.V. erklärte dazu: "Das türkische Militär zeigt auch auf Kosten der Kriegsdienstverweigerer im Land seine Macht. Über die Militärgerichtsbarkeit wird die Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch die Türkei fortgesetzt. Auf der anderen Seite zeigt die türkische Regierung keinerlei Veranlassung, die Kriegsdienstverweigerung zu legalisieren. Diesem Skandal muss endlich ein Ende bereitet werden." (YH)

Weitere Informationen sowie Unterstützungsvorschläge sind zu finden unter www.Connection-eV.de/aktion oder unter 069 / 8237 5534.


Online-Flyer Nr. 106  vom 01.08.2007

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