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Arbeit und Soziales
Ein Kommentar zur aktuellen Arbeitslosenstatistik
Vom Schönrechnen
Von Gerrit Wustmann
Die Zahl 3,7 Millionen bezeichnet lediglich die Leistungsempfänger, die sich nicht in weiteren Maßnahmen befinden. Laut offizieller Statistik für den Monat Juli 2007 beziehen:
1.007.000 Menschen Arbeitslosengeld I
5.328.000 Menschen Arbeitslosengeld II
1.978.000 Menschen Sozialgeld.
Darunter befinden sich
3.747.000 „Bedarfsgemeinschaften"
Das sind Menschen, die sich in Umschulungs- und berufsvorbereitenden Maßnahmen befinden, sowie diejenigen, die zwar staatliche Unterstützung beziehen, nebenbei jedoch geringfügig erwerbstätig sind; sie werden in der Statistik der 3,7 Millionen nicht berücksichtigt. Ebenso wenig Ein-Euro-Jobber, Erwerbslose in ABM-Maßnahmen und als arbeitsunfähig krank geschriebene Bundesbürger. Außerdem ist zu bedenken, dass nicht jeder Arbeitslose auch als solcher amtlich gemeldet ist. Die Dunkelziffer liegt also noch um einiges höher. Daraus folgt auch, dass die offizielle Zahl sinkt, je mehr Geld die Bundesregierung oder die verantwortlichen Landesbehörden für die erwähnten Maßnahmen zur Verfügung stellen. Im Ergebnis bleibt es aber dabei, dass der vielzitierte konjunkturelle Aufschwung, der regelmäßig durch die Statistiken geistert und in der Folge stets relativiert wird, bei der Masse der Bevölkerung nicht ankommt. Denn wenn die Arbeitszeiten steigen, die Löhne sinken und zugleich die Inflation anzieht, ist jeder Aufschwung schnell verdampft.
Damit könnte sogar die Bundesregierung noch „schön" rechnen lernen...
Foto: S. Hofschlaeger | Quelle: Pixelio.de
Der einzige Effekt ist im Grunde der, dass aus einem Minus im Portemonnaie kein noch größeres Minus wird. Daran ändert allerdings auch statistische Schönfärberei nichts. Ein Hauptproblem liegt hierbei in der schwammigen Definition des Begriffs „arbeitslos“. Denn offiziell arbeitslos ist nur, so erläutert der Dortmunder Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik Walter Krämer:
- wer mehr als 18 Stunden pro Woche arbeiten will
- wer nicht nur vorübergehend Arbeit sucht
- wer älter als 15 und jünger als 65 Jahre ist
- wer dem Arbeitsmarkt sofort zur Verfügung steht.
Das wirft fraglos einige Probleme auf, die es ermöglichen, mit der monatlichen Zahl eine optimistische Propaganda zu betreiben.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich an seiner Arbeitsmarktpolitik messen lassen wollen und dabei kläglich versagt. Am Ende seiner Amtszeit lag sogar die offizielle Zahl bei rund sechs Millionen. Die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mit demselben Vorsatz wie ihr Vorgänger in ihr Amt gestartet. Immerhin, die geschönte Zahl ist gesunken. Die geschönte Zahl ist aber nicht wichtig. Wichtig ist der bestehende Kernkonflikt. Wie die rot-grüne, verteidigt auch die große Koalition vehement das Arbeitslosengeld II, das viele Millionen Menschen aufs Abstellgleis manövriert, anstatt ihnen, wie so medienwirksam mit „Fördern und Fordern“ propagiert, die Chance zu geben, im ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können. Denn selbst dann, wenn die Zahl tatsächlich sinkt, ist weiterhin fraglich, ob die eigentliche Krux angegangen wurde. Schließlich ist Arbeit nicht gleich Arbeit. Fakt ist, dass die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze zugunsten von Minijobs weiter und weiter abgebaut werden – das direkte Ergebnis zahlreicher Legislaturperioden einer durch und durch wirtschaftsfreundlichen Politik.
„Leben um zu arbeiten"
Foto: Klenkes | Quelle: Pixelio.de
Unterstützer dieser Politik argumentieren nicht selten damit, dass es nicht Aufgabe der Politik sei, jeden Bürger durchzufüttern und zu unterstützen. Das ist sogar richtig, denn das „Durchfüttern“ (das mit Hartz IV zur Farce geworden ist) ist nicht Sinn der Sache. Im Gegenteil. Es ist Aufgabe der Politik, Verhältnisse zu schaffen, in denen jeder Bürger die Möglichkeit hat, von seiner Arbeitskraft leben zu können. Diese Verhältnisse sind heute nicht mehr gegeben. Allein die Überlegung, so etwas wie einen Kombilohn einzuführen, ist in diesem Kontext absurd. Es ist, wie auch im obigen Fall, nicht Aufgabe des Staates respektive des Steuerzahlers, Arbeitslöhne zu entrichten. Das ist allein Aufgabe des Arbeitgebers. In diesem Sinne sollte die deutsche Regierung daran erinnert werden, dass sie sich „offiziell“ der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet sieht. (HDH)
Online-Flyer Nr. 109 vom 22.08.2007
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Arbeit und Soziales
Ein Kommentar zur aktuellen Arbeitslosenstatistik
Vom Schönrechnen
Von Gerrit Wustmann
Die Zahl 3,7 Millionen bezeichnet lediglich die Leistungsempfänger, die sich nicht in weiteren Maßnahmen befinden. Laut offizieller Statistik für den Monat Juli 2007 beziehen:
1.007.000 Menschen Arbeitslosengeld I
5.328.000 Menschen Arbeitslosengeld II
1.978.000 Menschen Sozialgeld.
Darunter befinden sich
3.747.000 „Bedarfsgemeinschaften"
Das sind Menschen, die sich in Umschulungs- und berufsvorbereitenden Maßnahmen befinden, sowie diejenigen, die zwar staatliche Unterstützung beziehen, nebenbei jedoch geringfügig erwerbstätig sind; sie werden in der Statistik der 3,7 Millionen nicht berücksichtigt. Ebenso wenig Ein-Euro-Jobber, Erwerbslose in ABM-Maßnahmen und als arbeitsunfähig krank geschriebene Bundesbürger. Außerdem ist zu bedenken, dass nicht jeder Arbeitslose auch als solcher amtlich gemeldet ist. Die Dunkelziffer liegt also noch um einiges höher. Daraus folgt auch, dass die offizielle Zahl sinkt, je mehr Geld die Bundesregierung oder die verantwortlichen Landesbehörden für die erwähnten Maßnahmen zur Verfügung stellen. Im Ergebnis bleibt es aber dabei, dass der vielzitierte konjunkturelle Aufschwung, der regelmäßig durch die Statistiken geistert und in der Folge stets relativiert wird, bei der Masse der Bevölkerung nicht ankommt. Denn wenn die Arbeitszeiten steigen, die Löhne sinken und zugleich die Inflation anzieht, ist jeder Aufschwung schnell verdampft.
Damit könnte sogar die Bundesregierung noch „schön" rechnen lernen...
Foto: S. Hofschlaeger | Quelle: Pixelio.de
Der einzige Effekt ist im Grunde der, dass aus einem Minus im Portemonnaie kein noch größeres Minus wird. Daran ändert allerdings auch statistische Schönfärberei nichts. Ein Hauptproblem liegt hierbei in der schwammigen Definition des Begriffs „arbeitslos“. Denn offiziell arbeitslos ist nur, so erläutert der Dortmunder Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik Walter Krämer:
- wer mehr als 18 Stunden pro Woche arbeiten will
- wer nicht nur vorübergehend Arbeit sucht
- wer älter als 15 und jünger als 65 Jahre ist
- wer dem Arbeitsmarkt sofort zur Verfügung steht.
Das wirft fraglos einige Probleme auf, die es ermöglichen, mit der monatlichen Zahl eine optimistische Propaganda zu betreiben.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich an seiner Arbeitsmarktpolitik messen lassen wollen und dabei kläglich versagt. Am Ende seiner Amtszeit lag sogar die offizielle Zahl bei rund sechs Millionen. Die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mit demselben Vorsatz wie ihr Vorgänger in ihr Amt gestartet. Immerhin, die geschönte Zahl ist gesunken. Die geschönte Zahl ist aber nicht wichtig. Wichtig ist der bestehende Kernkonflikt. Wie die rot-grüne, verteidigt auch die große Koalition vehement das Arbeitslosengeld II, das viele Millionen Menschen aufs Abstellgleis manövriert, anstatt ihnen, wie so medienwirksam mit „Fördern und Fordern“ propagiert, die Chance zu geben, im ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen zu können. Denn selbst dann, wenn die Zahl tatsächlich sinkt, ist weiterhin fraglich, ob die eigentliche Krux angegangen wurde. Schließlich ist Arbeit nicht gleich Arbeit. Fakt ist, dass die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze zugunsten von Minijobs weiter und weiter abgebaut werden – das direkte Ergebnis zahlreicher Legislaturperioden einer durch und durch wirtschaftsfreundlichen Politik.
„Leben um zu arbeiten"
Foto: Klenkes | Quelle: Pixelio.de
Unterstützer dieser Politik argumentieren nicht selten damit, dass es nicht Aufgabe der Politik sei, jeden Bürger durchzufüttern und zu unterstützen. Das ist sogar richtig, denn das „Durchfüttern“ (das mit Hartz IV zur Farce geworden ist) ist nicht Sinn der Sache. Im Gegenteil. Es ist Aufgabe der Politik, Verhältnisse zu schaffen, in denen jeder Bürger die Möglichkeit hat, von seiner Arbeitskraft leben zu können. Diese Verhältnisse sind heute nicht mehr gegeben. Allein die Überlegung, so etwas wie einen Kombilohn einzuführen, ist in diesem Kontext absurd. Es ist, wie auch im obigen Fall, nicht Aufgabe des Staates respektive des Steuerzahlers, Arbeitslöhne zu entrichten. Das ist allein Aufgabe des Arbeitgebers. In diesem Sinne sollte die deutsche Regierung daran erinnert werden, dass sie sich „offiziell“ der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet sieht. (HDH)
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