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Arbeit und Soziales
Trotz beispielhaftem Widerstand und internationaler Solidarität
Strike-Bikers sollen entsorgt werden
Von Hans-Dieter Hey
Neoliberale Verteilungsprinzipien erkannt
Die halbe Welt hatte sich für den Kampf der Strike-Bikers interessiert. Berichtet wurde darüber in Frankreich, Holland, der Schweiz oder Österreich, via Satellit, Internet oder gedruckt. Bestellungen kamen aus Ägypten, USA, Australien, Kanada, Südafrika und Israel. Für die rechtsradikale Szene in Thüringen eine schlechte Ausgangsbasis, nach Art des „Rattenfängers von Hameln" auf Zustimmung durch die Strike Bikers für verworrene rechtsradikale Thesen zu hoffen. Monatelang handfest unterstützt hatte sie dagegen die unabhängigen Gewerkschaft FAU. Volkert Monhof, Pressesprecher der FAU: „Was wir als Mini-Gewerkschaft bekommen haben, ist internationale Solidarität". Klar wird, dass mit nationaler Borniertheit und ohne internationale Solidarität nicht einmal die Produktion der 1.805 Fahrräder möglich gewesen wäre.
Der Aufschwung, der nicht ankommt
Erklärter Feind im Widerstand gegen den Niedergang war aber vor allem der texanische Private-Equity-Investor Lone-Star, der die Fahrradproduktion zunächst verteuert hatte. Gegenüber dem Spiegel erklärte der Rechtsanwalt des Betriebsrats, Jürgen Metz, am 28. September: "Erst diese von Lone Star verantwortete Lohnarbeit hat zu einem Verlust von 600.000 Euro bei Bike-Systems geführt". Denn inzwischen wurde im Lohnauftrag für die sächsische Konkurrenz MIFA gearbeitet. Und: Die Beteiligung von 25 Prozent an der Mitteldeutschen Fahrradfabrik MIFA wurde mit hochwertigen Teilen der Produktionsgüter von Bike-Systems bezahlt. Das Ende war eingeleitet.
Kolleginnen und Kollegen...
Auf einer Betriebsversammlung am 10. Juli wurde dann beschlossen, das Werk spontan zu besetzen und alles selbst in die Hand zu nehmen. Mit diesem Widerstand hatte Frederik Müller, inzwischen der 13. Geschäftsführer nach der Wende, offenbar nicht gerechnet. Er beschimpfte die Beschäftigten nach ihren Angaben als „Bolschewisten". Drum wollten die Strike-Bikers ihm zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Die Wiederaufnahme der Produktion in Selbstverwaltung sollte beweisen, dass man im thüringischen Nordhausen sehr wohl in der Lage ist, für 275 Euro je Rad Qualität zu einem vertretbaren Preis herzustellen.
... im letzten Gefecht bei Bike Systems
Fotos: U. Pohlitz, arbeiterfotografie
Durch das Ausbluten von Bike-Systems standen die Zeichen von Beginn an schlecht, dass es irgendwie weiter gehen könnte, wenn die Maschinen und das Material fehlen. Zwar wird noch nach einem Investor gesucht, doch Insolvenz wird vermutlich Ende November angemeldet. Die ganze Geschichte hat noch einen weiteren, bitteren Nachgeschmack. Man erklärte die Bikers für nicht fit für eine Bewerbung auf dem ersten Arbeitsmarkt – trotz jahrelanger Berufserfahrung – und steckt sie im Anschluss in eine Auffanggesellschaft. Andre Kegel, Betriebsrat bei Bike-Systems gegenüber der NRhZ: "So einen Mist wie Bewerbungstraining brauchen wir wirklich nicht mehr. Wir brauchen einen richtigen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt."
Einige werden durch spezielle Qualifizierung z.B. als CNC-Fräser eine Chance bekommen. Andere werden am Ende wohl als abgeschriebener „Produktionsfaktor Mensch“ in der Arbeitsagentur entsorgt werden. Nur eines kann man den Bikers nicht nehmen: den Stolz darauf, mit ihrem Widerstand gegen die Kapitalinteressen ins Buch der Geschichte einzugehen.
Eine spontane Fotostrecke über den letzten Kampf der Bikers gibt es vom 25. bis zum 28. Oktober im Stadtgarten in Erfurt anlässlich der Veranstaltung „80 Jahre Gegenwind - 80 Jahre Arbeiterfotografie" zu sehen. (HDH)
Online-Flyer Nr. 118 vom 24.10.2007
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Arbeit und Soziales
Trotz beispielhaftem Widerstand und internationaler Solidarität
Strike-Bikers sollen entsorgt werden
Von Hans-Dieter Hey
Neoliberale Verteilungsprinzipien erkannt
Die halbe Welt hatte sich für den Kampf der Strike-Bikers interessiert. Berichtet wurde darüber in Frankreich, Holland, der Schweiz oder Österreich, via Satellit, Internet oder gedruckt. Bestellungen kamen aus Ägypten, USA, Australien, Kanada, Südafrika und Israel. Für die rechtsradikale Szene in Thüringen eine schlechte Ausgangsbasis, nach Art des „Rattenfängers von Hameln" auf Zustimmung durch die Strike Bikers für verworrene rechtsradikale Thesen zu hoffen. Monatelang handfest unterstützt hatte sie dagegen die unabhängigen Gewerkschaft FAU. Volkert Monhof, Pressesprecher der FAU: „Was wir als Mini-Gewerkschaft bekommen haben, ist internationale Solidarität". Klar wird, dass mit nationaler Borniertheit und ohne internationale Solidarität nicht einmal die Produktion der 1.805 Fahrräder möglich gewesen wäre.
Der Aufschwung, der nicht ankommt
Erklärter Feind im Widerstand gegen den Niedergang war aber vor allem der texanische Private-Equity-Investor Lone-Star, der die Fahrradproduktion zunächst verteuert hatte. Gegenüber dem Spiegel erklärte der Rechtsanwalt des Betriebsrats, Jürgen Metz, am 28. September: "Erst diese von Lone Star verantwortete Lohnarbeit hat zu einem Verlust von 600.000 Euro bei Bike-Systems geführt". Denn inzwischen wurde im Lohnauftrag für die sächsische Konkurrenz MIFA gearbeitet. Und: Die Beteiligung von 25 Prozent an der Mitteldeutschen Fahrradfabrik MIFA wurde mit hochwertigen Teilen der Produktionsgüter von Bike-Systems bezahlt. Das Ende war eingeleitet.
Kolleginnen und Kollegen...
Auf einer Betriebsversammlung am 10. Juli wurde dann beschlossen, das Werk spontan zu besetzen und alles selbst in die Hand zu nehmen. Mit diesem Widerstand hatte Frederik Müller, inzwischen der 13. Geschäftsführer nach der Wende, offenbar nicht gerechnet. Er beschimpfte die Beschäftigten nach ihren Angaben als „Bolschewisten". Drum wollten die Strike-Bikers ihm zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Die Wiederaufnahme der Produktion in Selbstverwaltung sollte beweisen, dass man im thüringischen Nordhausen sehr wohl in der Lage ist, für 275 Euro je Rad Qualität zu einem vertretbaren Preis herzustellen.
... im letzten Gefecht bei Bike Systems
Fotos: U. Pohlitz, arbeiterfotografie
Durch das Ausbluten von Bike-Systems standen die Zeichen von Beginn an schlecht, dass es irgendwie weiter gehen könnte, wenn die Maschinen und das Material fehlen. Zwar wird noch nach einem Investor gesucht, doch Insolvenz wird vermutlich Ende November angemeldet. Die ganze Geschichte hat noch einen weiteren, bitteren Nachgeschmack. Man erklärte die Bikers für nicht fit für eine Bewerbung auf dem ersten Arbeitsmarkt – trotz jahrelanger Berufserfahrung – und steckt sie im Anschluss in eine Auffanggesellschaft. Andre Kegel, Betriebsrat bei Bike-Systems gegenüber der NRhZ: "So einen Mist wie Bewerbungstraining brauchen wir wirklich nicht mehr. Wir brauchen einen richtigen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt."
Einige werden durch spezielle Qualifizierung z.B. als CNC-Fräser eine Chance bekommen. Andere werden am Ende wohl als abgeschriebener „Produktionsfaktor Mensch“ in der Arbeitsagentur entsorgt werden. Nur eines kann man den Bikers nicht nehmen: den Stolz darauf, mit ihrem Widerstand gegen die Kapitalinteressen ins Buch der Geschichte einzugehen.
Eine spontane Fotostrecke über den letzten Kampf der Bikers gibt es vom 25. bis zum 28. Oktober im Stadtgarten in Erfurt anlässlich der Veranstaltung „80 Jahre Gegenwind - 80 Jahre Arbeiterfotografie" zu sehen. (HDH)
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