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Aktueller Online-Flyer vom 23. November 2024  

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Krieg und Frieden
Deutschland auf Schleichfahrt in den nächsten Krieg
Führt Schäuble das Kriegsrecht ein?
Von Hans-Dieter Hey

„Die Abwehr der Pläne aus dem Inneren und dem Verteidigungsministerium ist eine Überlebensfrage der Demokratie. Ver.di wird aufgefordert, zusammen mit dem DGB und den Einzelgewerkschaften dringend einen Kampagnenplan zur Abwehr der Pläne zu erarbeiten und rasch in die Tat umzusetzen." Dieser bemerkenswerte Beschluss stammt nicht aus der Zeit der Notstandsgesetze vor fast genau 40 Jahren, sondern vom ver.di-Bundeskongress Ende Oktober 2007. Er soll die Menschen aus ihrer Lethargie aufrütteln, damit sie doch noch das Schlimmste verhindern.

Der 13jährige Krieg

Seit 13 Jahren führt Deutschland wieder weltweit Krieg, meist unter dem Deckmantel der Bekämpfung eines Terrorismus, der uns nie wirklich bedroht hat, aber diesen geradezu heraufbeschwört. Trotz allem ist das Land von einer merkwürdigen Ignoranz demgegenüber erfasst, obwohl die Bundesregierungen oft nicht einmal mit Informationen hinter dem Berg halten. Wer sich mit dem Weißbuch der Bundeswehr beschäftigt hat, weiß, wo dieses Land hingetrieben wird. Wer erinnert sich nicht an den Satz des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck (SPD) vom Dezember 2002, dass die „Verteidigung deutscher Interessen auch am Hindukusch" stattfindet. Am 22. März 2007 teilte der Deutsche Bundestag mit, es seien bisher „200.000 Soldaten zu Auslandseinsätzen abkommandiert worden, viele von ihnen bereits mehrfach." Was wirklich passiert, weiß niemand genau. Am 08. November enthüllte z.B. der Berliner Tagesspiegel, dass die Bundeswehr in Afghanistan die durch das Bundestagsmandat festgesetzten Grenzen längst überschreitet.   

Notstand ver.di Demokratie Frieden
Warnt vor Gefahren für Demokratie und Frieden: Gewerkschaft ver.di

In einer Einladung der Gewerkschaft ver.di Köln zu einer Veranstaltung am 7.
November heißt es: „40 Jahre danach wird der Notstand mehr und mehr zum Alltag: Durch Kontrolle von Telefon, Internet, E-Mail-Verkehr und durch Computerschnüffelei; zentrale Datenerfassung eines jeden vom Säugling bis zum Greis; Reservistenkommandos der Bundeswehr unter Leitung von Bundeswehroffizieren, der Einsatz von Spähpanzern und Hubschraubern gegen Demonstranten, Zusammenarbeit von Polizei, Geheimdiensten und Militär im inneren des Landes, Bundeswehrübungen zur Niederschlagung von Streiks und noch vieles, vieles mehr."

Immer deutlicher wird, dass es kaum darum gehen kann, afghanischen Frauen die Burka zu entreißen und den Kindern das Lesen beizubringen oder am Horn von Afrika Terroristen zu kapern, obwohl die Mainstream-Medien uns dies Tag ein Tag aus so zu verkaufen versuchen. Für „weisere Erkenntnis“ sei deshalb das Weißbuch der Bundeswehr empfohlen. Es ist – weil es auf die Zukunft abzielt – noch nicht bestehendes Recht, aber dennoch in weiten Teilen längst Realität. Die praktizierte Politik schafft seit Jahren unabwendbare Fakten, vorbei an Volkswillen und Grundgesetz, um die Menschen peu à peu auf größere kriegerische Auseinandersetzungen vorzubereiten. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Reformlüge vom „aussterbenden Volk" eine neue Bedeutung. Denn Krieg kann heutzutage nicht mehr gewonnen und deshalb Sieg genannt werden, wenn er vor allem auch hohe Verluste in der eigenen Bevölkerung mit sich bringt. Und da wird dann eben durch die orakelte demografische Entwicklung bereits der Nachschub eingefordert.

Günter Kaiser Notstandsgesetze ver.di
 
Schon 1960 gegen die „Notstandsgesetze"
   gekämpft: Gewerkschafter Günter Kaiser
Zu den Zielen künftiger Kriege gehören die sogenannten „asymmetrischen

Bedrohungen", zu denen beispielsweise Störungen des freien Welthandels, der Zugriff auf Ressourcen und Migrationsbewegungen zählen. Eine solche Bedrohung sei auch, dass die US-Amerikaner nun davon ausgehen, dass der Iran die Schiiten im Irak und die Taliban unterstützt, so Seymour Hersh, Träger des Friedenspreises 2007 und des Pulitzerpreises, am 8. Oktober im „New Yorker". Ab jetzt gibt es für George W. Bush nicht nur die ohnehin von niemandem mehr geglaubten Atomwaffen als Angriffsgrund. Die Folge eines Krieges mit dem Iran wäre eine Ausweitung des Flächenbrandes in dieser Region, und er wird immer wahrscheinlicher.

Das Szenario ist auch für uns bedrohlich, weil Deutschland ein interessanter Verbündeter sein könnte. Wohl nicht ohne Grund hat Angela Merkel George W. Bush in der letzten Zeit überaus häufig besucht, obwohl hierzulande Berlin nach außen hin noch Zurückhaltung übt. Unter dem Bruch der Verfassung hat die Bundeswehr längst ihre Bereitschaft als weltweit agierende Aggressionsmacht zur Durchsetzung gewisser Handelsinteressen bewiesen. „Neue Aufgaben“ könnten deshalb schnell auf sie zu kommen. Die Bestellung von neuen Kampfpanzern für die Bundeswehr im Wert von 2,9 Mrd. Euro, die im neuen Militärtransporter A 400M besonders lufttransporttauglich sind, dürfte den aggressiven Interessen Deutschlands sehr entgegenkommen.

Ein Land unter Generalverdacht

Schäuble Scharfmacher
Der Scharfmacher:
Dr. W. Schäuble
Quelle: Wikipedia
Doch es ist ein Irrtum zu glauben, dass es sich ausschließlich um Konflikte mit dem Ausland handelt. Schon 2004 hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion festgestellt, dass „die Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit heute fließend ist". Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist rechtlich äußerst umstritten. Dennoch sind die Weichen dafür längst gestellt. Die Vorgänge in Heiligendamm warnen uns. Es steht fest, dass für Einsätze dieser Art das „Streitkräfte-Unterstützungskommando" (SKUKdo) zuständig ist, um den Landesregierungen für die Einsatzkoordination Offiziere als „Ansprechpartner der möglichen Unterstützungen zu Verfügung zu stellen". Parallel sollen bundesweit 470 sogenannte Heimatschutzzentren entstehen, in denen Reservisten innerhalb Deutschlands eingesetzt werden können. Hilfsorganisationen, Rotes Kreuz und Technisches Hilfswerk werden im Bedarfsfall dem Kommando der Bundeswehr unterstellt.

Die vielerorts bereits erkennbare Überwachung öffentlicher Plätze ist bei weitem kein Hinweis auf das tatsächliche Ausmaß staatlicher Schnüffelei. Am vergangenen Freitag haben SPD und CDU im Bundestag gegen den Widerstand der FDP und der Linken das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Telekommunikationsfirmen werden zwangsverpflichtet, die Verbindungsdaten im Telefon-, E-Mail- und Internetverkehr sechs Monate lang zu speichern. Damit haben Einschränkung der Bürgerrechte und Überwachungsstaat ein neues und kritisches Ausmaß erlangt. Pfarrer, Strafverteidiger und Abgeordnete sind von dem Gesetz ausgenommen, der Journalismus und damit die Pressefreiheit jedoch erfährt eine neue, bedrückende Einschränkung.

Die Kultusminister-Konferenz hatte bereits früher beschlossen, alle zwölf Millionen Schüler zentral zu erfassen und Datensammlungen über sie anzulegen. Nach Verlassen der Schule wird die Datenerfassung in den Betrieben oder für Erwerbslose von der Agentur für Arbeit in „Profilings" fortgesetzt. Am 30. März 2007 wurde die sogenannte „Anti-Terror-Datei" in Betrieb genommen. Zu den dort erfassten Daten zählen sämtliche personenbezogenen Daten, Religionszugehörigkeit, Treffpunkte, Kontaktpersonen und besondere Fähigkeiten, die mit der Vorratsdatenspeicherung abgeglichen werden können. Auf die Daten haben bis zu 40 Sicherheitsbehörden Zugriff, hinzu kommen noch europäische und US-amerikanische Sicherheitsbehörden. Die Sammelwut hat Folgen: Auf den Terrorlisten von UNO und EG tauchen inzwischen unbescholtene Bürger auf, für die dies – so der Europaratsermittler Dick Marty – „das zivile Todesurteil" bedeutet (ARD v.11.11.2007). Bürgerinnen und Bürger werden offensichtlich unter Generalverdacht gestellt.

Grundrechtswidrige Vernetzung der Behörden

Streik Krieg Terrorverdacht
Widerstand gegen die
„Notstandsgesetze" 1968
Quelle: NRhZ-Archiv
Wegen der furchtbaren Erfahrungen im deutschen Faschismus wurde nach dem 2. Weltkrieg im Militärbrief der Westalliierten vom 12.  Mai 1949 eine Trennung zwischen Behörden der Staatsanwaltschaft und Geheimdiensten vorgesehen und anschließend im Grundgesetz verankert. Diese für eine Demokratie überlebenswichtige Einschränkung von Machtbefugnissen ist durch die Bundesregierungen von Rot-Grün und nun Schwarz-Rot wegen vorgeblicher Terrorismusgefahr zunehmend aufgeweicht oder aufgehoben worden. Dr. Stefan Zoller am 25. Januar 2007 auf dem 4. wehrtechnischen Symposium: „Terroristen bedrohen gleichermaßen militärische wie zivile Einrichtungen im In- und Ausland. Es gilt daher, zivile Sicherheitsorgane, Polizei und Grenzschutz mit den Streitkräften zu vernetzen.“ (NRhZ Nr. 117) Und das „Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit" warnt vor grundrechtswidrigen Onlin-Zugriffen: "Mit dem unbegrenzten Online-Zugriff von Geheimdiensten auf einen Verwaltungsdatenbestand wird die Trennung zwischen Polizei bzw. Verwaltung und Diensten ausgehöhlt."

In dem genannten Polizeibrief von 1949 hieß es weiter: „Keine Bundespolizeibehörde darf Befehlsgewalt über Landes- oder Ortspolizeibehörden besitzen" und „der Verfassungsschutz soll keine Polizeibefugnisse haben." Wieso ist es dann möglich, dass aus dem ehemaligen Bundesgrenzschutz – gegründet als Vorläufer westdeutscher Militarisierung – eine Bundespolizei entstanden ist?  Für übliche Polizeibehörden bedarf es zur Aufnahme von polizeilichen Ermittlungen immerhin einen Anfangsverdacht, für die Bundespolizei (BuPol) gilt dies nicht. Von 1999 bis 2006 wurden 2,5 Mio. verdachtsunabhängige Kontrollen durchgeführt. Die BuPol kann sogar geheimdienstlich tätig werden und Observationsergebnisse den Geheimdiensten mitteilen. So ist sie nicht nur im Inneren aktiv, sondern inzwischen – nach Aussage von Verteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung, (CDU) – in 47 weiteren Ländern. Die unkontrollierbare Anhäufung der Machtfülle von Geheimdiensten, Militär und Polizei muss bedrückend an die der Geheimen Staatspolizei im Hitlerfaschismus erinnern. 
Alltäglicher Notstand

Vor fast genau 40 Jahren wurden die Notstandsgesetze von CDU/CSU und SPD gegen den erbitterten Widerstand im Lande beschlossen. Allein die FDP stimmte dagegen. Die Bestimmungen wurden niemals angewandt. Das ist heute anders. Denn rechnet man alle gegenwärtig getroffenen Maßnahmen zur inneren und äußeren Sicherheit zusammen, gibt es dafür nur einen einzigen Grund, nämlich die Vorbereitung der Bevölkerung auf größere kriegerische Auseinandersetzungen. Dazu gehört auch Hartz IV mit verstärkter Rekrutierung von Erwerbslosen in den Arbeitsagenturen, 1-Euro-Zwangsarbeit und der Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Das Volk soll sich offensichtlich an Schlimmeres gewöhnen. Gerhard Baum, FDP, sagte am 30. Januar 2007 in München: „Schäuble will quasi ein Kriegsrecht einführen."

Durch die Sicherheitsgesetze und das Weißbuch der Bundeswehr wird der Staatsumbau weiter vorangetrieben. Als Strategiepapier ist in ihm ausdrücklich der Einsatz der Bundeswehr im Inneren unter Aufgabe der verfassungsrechtlichen Trennung vorgesehen. Es handelt sich daher um ein Kriegsprogramm nach innen und nach außen, das verfassungs- und völkerrechtswidrig ist. Deutschland ist ohne Zweifel auf dem Weg in einen Militärstaat mit weltweiten kriegerischen Ambitionen, und das sollte dringend Anlass zur Sorge bereiten.  

Republikanischer Anwaltsverein Krieg Heinecke
Gabriele Heinecke 
Fotos: H.-D. Hey
Dr. Gabriele Heinecke, Mitglied im Bundesvorstand des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsvereins: „Dieses Land treibt zu einem Krieg, und ob wir uns jetzt engagieren, ist eine Frage von Krieg und Frieden." Die Gewerkschaften sind nun durch den ver.di-Beschluss aufgefordert, zügig Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Dazu brauchen sie die Unterstützung der Menschen im Lande. Und hoffentlich wird schnell verstanden, worum es geht. Wie heißt es noch in Artikel 20 Abs. 4 des Grundgesetzes? „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist." Die gegenwärtige Situation könnte sich als ein solcher Fall herausstellen. (CH)

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Online-Flyer Nr. 121  vom 14.11.2007

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