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Falsche Freunde, oder:
Das sind Vorbilder, die freuen sich halt.
Von Hermann
Die Winterpause stellt sich nun doch nicht als so trostlos wie befürchtet für mich dar, dank des Weihnachtsgeschenks, das meine Frau für mich bereithielt - das allseits beliebte Computerspiel FIFA 06. Ihr ist es zu verdanken, dass der Ball nun täglich in unserem Wohnzimmer rollt. Die feinen Programmierer geben sich Jahr für Jahr auf´s neue Mühe, den virtuellen Kick realistischer als je zuvor erscheinen zu lassen.
Eine Sache scheint ihnen aber nicht so authentisch gelungen zu sein - bei mir zu Hause gewinnt der 1.FC Köln die meisten Spiele, zähneknirschend muss ich nur wenige Unentschieden oder gar Niederlagen hinnehmen. Die Mannschaften sind auf dem Stand vom 24.8.2005, Alpay Özalan steht als linker Innenverteidiger auf dem Platz, wird hier aber eher einer Rolle als erneuter Fair-Play-Preis-Kandidat gerecht. Nichts zu sehen von "Abwehr-Rambo" und "Prügel-Türke" (beides Zitate aus der Bildzeitung). Vielleicht habe ich auf meinem Controller auch bloß noch nicht die Taste für die versteckte Tätlichkeit gefunden. Da sollten die Programmierer mal fürs nächste Jahr drüber nachdenken, es ist wohl nicht zu erwarten, dass die Nachtritte und Kopfstöße im WM-Jahr in der Versenkung verschwinden.
Apropos WM-Jahr - während ich hier sitze und schreibe, sind es nur noch acht Stunden bis zum Jahreswechsel. Zu keiner Zeit wird es so einfach sein, das Ansehen einer ganzen Nation zu beschädigen, wie in den kommenden zwei Quartalen. Wenn selbst ein Richter am Kölner Amtsgericht sich nicht scheut, in der Urteilsbegründung für einen Kreisligaspieler, den er soeben wegen eines zugegebenermaßen sehr üblen Fouls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hat, die harte Strafe unter anderem mit dem Imageschaden, der dem Fußballsport so kurz vor der WM entstanden ist, mitzubegründen, braucht es vermutlich weit weniger, als einen Kölner Trommelstockwerfer in Hamburg, um Deutschlands grenzenlose Gastfreundschaft in Frage zu stellen. Der Anhang unserer Nationalmannschaft hat ja auch bereits in Slowenien und der Slowakei Visitenkarten hinterlegt. Lukas Podolski brachte es in Celje auf den Punkt. Während Funktionäre und andere Spieler den Akteuren auf den Rängen die Menschlichkeit absprachen erkannte Prinz Poldi: "Ja, das sind Fans, die freuen sich halt. Damit müssen wir leben."
Und mit dieser Meinung ist Lukas P. aus B. bei K. am R. gar nicht so alleine. Ein arte-Themenabend trug unlängst den Titel "Fußball, Fans und Fanatismus". Gezeigt wurde zuerst eine Dokumentation namens "Achtung Hooligans". Darauf folgte, sozusagen als Gegenbeispiel, ein ellenlanger Bericht über Französische Rugbyanhänger. Diese klopften sich selber auf die Schulter, weil bei ihnen die Stimmung so super sei, es aber nie zu Ausschreitungen komme. Eine Fanclubaktivistin brachte dann die Erklärung an: Fußball sei der Sport der Gentlemen, mit den Rowdies auf den Tribünen. Beim Rugby sei es umgekehrt. Abgesehen davon, dass sie so sämtliche Fußballstadionbesucher sowie Rugbyspieler als Rowdies bezeichnete, ist auch sonst wenig Wahres an ihrer Aussage. Bereits Anfang der 90er Jahre stellte der ebenso kompetente wie viel gefragte und bärtige Fanforscher Gunther A. Pilz die These auf, dass jeder Sport die Fans hat, die er verdient. Solange die Vorbilder der Jugend, die Spieler in den Profiligen, mit rüden Fouls und anderen Unsportlichkeiten die Gesundheit ihrer Gegenüber gefährden, darf sich niemand wundern, wenn Rücksichtnahme und Toleranz nicht zu den Primärtugenden unter den Zuschauern gehören.
Fußball - Sport der Gentlemen
Foto: Hermann
Anderthalb Jahrzehnte nach der Aussage von Gunther A. Pilz hat die Gewalt auf den Rängen merklich nachgelassen. Auf dem Rasen hingegen hat sich wenig geändert. Faire Gesten nach etwas zu harten Zweikämpfen sind auf dem Platz selten zu beobachten, meist nur, wenn der Schiedsrichter angelaufen kommt und dabei in seiner Hemdtasche nestelt. Dann wird der Gefoulte vom Übeltäter liebevoll umsorgt, getätschelt, und es wird ihm auf die Beine geholfen, in der Hoffnung, so könnte die Verwarnung noch abgewendet werden. Kommen die Stars ihrer Vorbildfunktion nach, indem sie umsichtiges Verhalten nur an den Tag legen, wenn sie hoffen, Schlimmeres damit verhindern zu können?
Apropos Vorbilder: lange bevor sich unser Torwart-Titan beim Betrügen seiner hochschwangeren Gattin erwischen ließ, wurden bei der Einbürgerung Sean Dundees - die von offizieller Seite mit seiner Liebe zu Deutschland und seiner Vorbildfunktion für die Jugend begründet wurde - Vorhaltungen, weil er grade erst seine ebenfalls auf die Niederkunft wartende Freundin verließ, um seine Ex aus Südafrika einfliegen zu lassen, mit Dundees ehrenhaftem Vorhaben, künftig Alimente zahlen zu wollen, entkräftet. Ein (damals zumindest) hoch bezahlter Profi versuchte so, die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten als charakterliche Glanzleistung zu verkaufen. Auch die Vorbilder der Jugend, die es schaffen, ihr Privatleben aus den Gazetten zu halten, fallen nicht selten durch unsoziales, rüpelhaftes und respektloses Verhalten auf dem Rasen auf. Selbst ein Michael Ballack könnte sein Verhalten noch verfeinern. Sein Hobby scheint es zu sein, bei jeder Rudelbildung - von der Markus Merk bereits vor zwei Jahren sagte, sie würde bald aussterben, er und seine Kollegen würden künftig einfach zwei oder drei Leitwölfen im Rudel die gelbe Karte zeigen - der Lauteste und Ungehobeltste zu sein. Und tatsächlich legen Schiedsrichter lieber den Rückwärtsgang ein und flüchten vor dem Rudel, als es unter Zuhilfenahme von Verwarnungen aufzulösen.
Hartem Durchgreifen und feinfühliger Sozialarbeit ist es zu verdanken, dass die Stadionränge zu angenehmeren Orten zum Verweilen geworden sind. Vielleicht sollte es für Vereine zur Pflicht werden, für die Herren Fußballprofis eine Art `Super Nanni´ zu engagieren, die sie später an Hand von Fernsehbildern auf ihr Fehlverhalten hinweist und tüchtig rügt. Vielleicht könnte so ein vorbildlicherer Umgang untereinander erreicht werden. Das würde nicht nur dem Image der Fußballnation gut tun, dann müssten auch profilierungswütige Richter wieder sachliche Urteilsbegründungen finden. Schließlich soll die Welt ja zu Gast bei Freunden sein, und wer schämt sich schon gern seiner Freunde?
Jetzt sind es nur noch sechs Stunden bis zum WM-Jahr. Vielleicht fasst ja der ein oder andere eine etwas gepflegteres Verhalten den Mitmenschen gegenüber als guten Vorsatz. Prost.
Online-Flyer Nr. 25 vom 04.01.2006
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Falsche Freunde, oder:
Das sind Vorbilder, die freuen sich halt.
Von Hermann
Die Winterpause stellt sich nun doch nicht als so trostlos wie befürchtet für mich dar, dank des Weihnachtsgeschenks, das meine Frau für mich bereithielt - das allseits beliebte Computerspiel FIFA 06. Ihr ist es zu verdanken, dass der Ball nun täglich in unserem Wohnzimmer rollt. Die feinen Programmierer geben sich Jahr für Jahr auf´s neue Mühe, den virtuellen Kick realistischer als je zuvor erscheinen zu lassen.
Eine Sache scheint ihnen aber nicht so authentisch gelungen zu sein - bei mir zu Hause gewinnt der 1.FC Köln die meisten Spiele, zähneknirschend muss ich nur wenige Unentschieden oder gar Niederlagen hinnehmen. Die Mannschaften sind auf dem Stand vom 24.8.2005, Alpay Özalan steht als linker Innenverteidiger auf dem Platz, wird hier aber eher einer Rolle als erneuter Fair-Play-Preis-Kandidat gerecht. Nichts zu sehen von "Abwehr-Rambo" und "Prügel-Türke" (beides Zitate aus der Bildzeitung). Vielleicht habe ich auf meinem Controller auch bloß noch nicht die Taste für die versteckte Tätlichkeit gefunden. Da sollten die Programmierer mal fürs nächste Jahr drüber nachdenken, es ist wohl nicht zu erwarten, dass die Nachtritte und Kopfstöße im WM-Jahr in der Versenkung verschwinden.
Apropos WM-Jahr - während ich hier sitze und schreibe, sind es nur noch acht Stunden bis zum Jahreswechsel. Zu keiner Zeit wird es so einfach sein, das Ansehen einer ganzen Nation zu beschädigen, wie in den kommenden zwei Quartalen. Wenn selbst ein Richter am Kölner Amtsgericht sich nicht scheut, in der Urteilsbegründung für einen Kreisligaspieler, den er soeben wegen eines zugegebenermaßen sehr üblen Fouls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt hat, die harte Strafe unter anderem mit dem Imageschaden, der dem Fußballsport so kurz vor der WM entstanden ist, mitzubegründen, braucht es vermutlich weit weniger, als einen Kölner Trommelstockwerfer in Hamburg, um Deutschlands grenzenlose Gastfreundschaft in Frage zu stellen. Der Anhang unserer Nationalmannschaft hat ja auch bereits in Slowenien und der Slowakei Visitenkarten hinterlegt. Lukas Podolski brachte es in Celje auf den Punkt. Während Funktionäre und andere Spieler den Akteuren auf den Rängen die Menschlichkeit absprachen erkannte Prinz Poldi: "Ja, das sind Fans, die freuen sich halt. Damit müssen wir leben."
Und mit dieser Meinung ist Lukas P. aus B. bei K. am R. gar nicht so alleine. Ein arte-Themenabend trug unlängst den Titel "Fußball, Fans und Fanatismus". Gezeigt wurde zuerst eine Dokumentation namens "Achtung Hooligans". Darauf folgte, sozusagen als Gegenbeispiel, ein ellenlanger Bericht über Französische Rugbyanhänger. Diese klopften sich selber auf die Schulter, weil bei ihnen die Stimmung so super sei, es aber nie zu Ausschreitungen komme. Eine Fanclubaktivistin brachte dann die Erklärung an: Fußball sei der Sport der Gentlemen, mit den Rowdies auf den Tribünen. Beim Rugby sei es umgekehrt. Abgesehen davon, dass sie so sämtliche Fußballstadionbesucher sowie Rugbyspieler als Rowdies bezeichnete, ist auch sonst wenig Wahres an ihrer Aussage. Bereits Anfang der 90er Jahre stellte der ebenso kompetente wie viel gefragte und bärtige Fanforscher Gunther A. Pilz die These auf, dass jeder Sport die Fans hat, die er verdient. Solange die Vorbilder der Jugend, die Spieler in den Profiligen, mit rüden Fouls und anderen Unsportlichkeiten die Gesundheit ihrer Gegenüber gefährden, darf sich niemand wundern, wenn Rücksichtnahme und Toleranz nicht zu den Primärtugenden unter den Zuschauern gehören.
Fußball - Sport der Gentlemen
Foto: Hermann
Anderthalb Jahrzehnte nach der Aussage von Gunther A. Pilz hat die Gewalt auf den Rängen merklich nachgelassen. Auf dem Rasen hingegen hat sich wenig geändert. Faire Gesten nach etwas zu harten Zweikämpfen sind auf dem Platz selten zu beobachten, meist nur, wenn der Schiedsrichter angelaufen kommt und dabei in seiner Hemdtasche nestelt. Dann wird der Gefoulte vom Übeltäter liebevoll umsorgt, getätschelt, und es wird ihm auf die Beine geholfen, in der Hoffnung, so könnte die Verwarnung noch abgewendet werden. Kommen die Stars ihrer Vorbildfunktion nach, indem sie umsichtiges Verhalten nur an den Tag legen, wenn sie hoffen, Schlimmeres damit verhindern zu können?
Apropos Vorbilder: lange bevor sich unser Torwart-Titan beim Betrügen seiner hochschwangeren Gattin erwischen ließ, wurden bei der Einbürgerung Sean Dundees - die von offizieller Seite mit seiner Liebe zu Deutschland und seiner Vorbildfunktion für die Jugend begründet wurde - Vorhaltungen, weil er grade erst seine ebenfalls auf die Niederkunft wartende Freundin verließ, um seine Ex aus Südafrika einfliegen zu lassen, mit Dundees ehrenhaftem Vorhaben, künftig Alimente zahlen zu wollen, entkräftet. Ein (damals zumindest) hoch bezahlter Profi versuchte so, die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten als charakterliche Glanzleistung zu verkaufen. Auch die Vorbilder der Jugend, die es schaffen, ihr Privatleben aus den Gazetten zu halten, fallen nicht selten durch unsoziales, rüpelhaftes und respektloses Verhalten auf dem Rasen auf. Selbst ein Michael Ballack könnte sein Verhalten noch verfeinern. Sein Hobby scheint es zu sein, bei jeder Rudelbildung - von der Markus Merk bereits vor zwei Jahren sagte, sie würde bald aussterben, er und seine Kollegen würden künftig einfach zwei oder drei Leitwölfen im Rudel die gelbe Karte zeigen - der Lauteste und Ungehobeltste zu sein. Und tatsächlich legen Schiedsrichter lieber den Rückwärtsgang ein und flüchten vor dem Rudel, als es unter Zuhilfenahme von Verwarnungen aufzulösen.
Hartem Durchgreifen und feinfühliger Sozialarbeit ist es zu verdanken, dass die Stadionränge zu angenehmeren Orten zum Verweilen geworden sind. Vielleicht sollte es für Vereine zur Pflicht werden, für die Herren Fußballprofis eine Art `Super Nanni´ zu engagieren, die sie später an Hand von Fernsehbildern auf ihr Fehlverhalten hinweist und tüchtig rügt. Vielleicht könnte so ein vorbildlicherer Umgang untereinander erreicht werden. Das würde nicht nur dem Image der Fußballnation gut tun, dann müssten auch profilierungswütige Richter wieder sachliche Urteilsbegründungen finden. Schließlich soll die Welt ja zu Gast bei Freunden sein, und wer schämt sich schon gern seiner Freunde?
Jetzt sind es nur noch sechs Stunden bis zum WM-Jahr. Vielleicht fasst ja der ein oder andere eine etwas gepflegteres Verhalten den Mitmenschen gegenüber als guten Vorsatz. Prost.
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