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Arbeit und Soziales
DGB enthüllt gravierende Missbräuche in Kölner Zeitarbeitsfirmen
„Heute nennen wir Namen“
Von Hans-Dieter Hey
Befristet bei 40 Prozent weniger Lohn
Und das funktioniert zum Beispiel so: Die Aquana International Print & Media AG ist das größte Offset-Unternehmen Deutschlands. Hinter ihm steht das Beteiligungsunternehmen Arques Industries AG. Dieses wiederum beschäftigt Leiharbeitnehmer und vermietet sie an die eigenen Druckereibetriebe. „Damit" – so Uellenberg van Dawen – „wird ein geltender Tarifvertrag unterlaufen, weil die Leute dort eben nicht leihweise beschäftigt sind, sondern Vollzeit arbeiten, die gleiche Arbeit erledigen wie die Kollegen in den Druckereien, aber 30 bis 40 Prozent weniger Lohn bekommen. Ich spreche hier von einem Fall, der zurzeit vor Gericht anhängig ist."
DGB-Chef Uellenberg-van Dawen:
Leiharbeit untergräbt Tarifverträge
Nach Recherchen der NRhZ dürfte von dieser Form der Leiharbeit auch das 200jährige Kölner Traditionsunternehmen J. W. Bachem zehren, das seit 1. Januar 2006 zur Aquana International Print & Media AG zählt. Der neue Geschäftsführer Stefan Preussler kommt – das liegt nahe – aus dem gleichen Stall, nämlich von der Service-Gesellschaft Arquana Media GmbH, während der bisherige Geschäftsführer Anton Rabl das Unternehmen Ende 2007 „aus privaten Gründen" verlässt. Der Aufkauf des gesunden Unternehmens wird im blog von Wallstreet Online am 3. Mai 2006 als dessen Konsolidierung interpretiert. Die Aquana könnte daraus als einer der großen Player der Druckbranche hervorgehen.
Allerdings ging der Aufkauf zu Lasten der Beschäftigten. Nach Angaben des DGB erhalten Festbeschäftigte im Druckereigewerbe nach Tarif Stundenlöhne von 14 bis 16 Euro, Beschäftigte des hauseigenen Leiharbeitsunternehmens von Aquana erhalten dagegen Stundenlöhne von lediglich 6 bis 7,40 Euro, höchsten jedoch 10 Euro. Der DGB fordert nun, dass sich die Firmen Arques und Arquana an den gültigen Tarifvertrag halten.
Profitgier als Maßstab
Auch zahlreiche andere Kölner Betriebe beschäftigen interne LeiharbeitnehmerInnen. Nach Angaben des DGB dürften in den Betrieben Benteler, Faurecia und LMK im Industriepark 30 Prozent der Beschäftigten LeiharbeitnehmerInnen sein, die Firma Boll & Kirch beschäftigt regelmäßig bis zu hundert Zeitarbeitnehmer und -nehmerinnen bei insgesamt vierhundert Beschäftigten. Gewerkschaftssekretär Wolfgang Henseler von der IG-Metall machen vor allem die Betriebe sorgen, in denen keine Betriebsräte existieren. Dort seien die Quoten der LeiharbeitnehmerInnen noch erheblich höher, so bei der Firma IGUS, bei der ca. 50 Prozent der Beschäftigten „in prekären Arbeitsverhältnissen" beschäftigt sind. Und unter der anderen Hälfte der MitarbeiterInnen – entrüstet sich Henseler – „... findet man oft keine Mitarbeiter mehr, die nicht befristet sind." Die Profiteure sind die Verleiher. Deren Gewinne beziffert Henseler auf 20 Prozent.
Die Betriebsrätin eines Kölner Unternehmens kritisiert, „... dass die Zahl der Zeitarbeitunternehmen sehr stark zugenommen hat und damit auch die Zahl der Zeitarbeitnehmer, die dann in den Werken als Stammbelegschaft eingesetzt werden. Und die müssen trotz Vollzeitbeschäftigung oft noch Hartz IV beim Staat beantragen, um über die Runden zu kommen." In Deutschland gibt es zurzeit 1,1 Mio. sogenannte „Aufstocker", über 400.000 von ihnen arbeiten in Vollzeit. In Köln gibt es aktuell 5.960 Aufstocker, die zusätzlich Geld vom Amt bekommen. Das sind immerhin etwa zehn Prozent der Kölner Hartz-IV-Empfänger.
BZA-Kampagne: „Da vediene ich mehr" – Einstiegslohn von 7,38 Euro
Quelle: Bundesverband Zeitarbeit
Moderne Zwangsarbeit zu Leiharbeitsbedingungen
Seit den rot-grünen „Arbeitsmarktreformen" sind die Zumutbarkeitsregelungen für Erwerbslose ganz erheblich verschärft worden. Danach ist es nahezu unmöglich geworden, eine angebotene Tätigkeit abzulehnen, gleich ob Teilzeitbeschäftigung oder Leiharbeit. 46 % aller Einstellungen, die die Arbeitsagentur Köln z.B. vermittelt, betreffen – meist befristete – Leiharbeitsplätze. Die meisten der so Vermittelten sind Menschen mit Migrationhintergrund, häufig mit abgeschlossener Berufsausbildung. Beim DGB häufen sich die Beschwerden, wie mit Leiharbeitbeschäftigten in Verleihunternehmen und Arbeitsagenturen umgesprungen wird und wie sie in den Unternehmen, in denen sie eingesetzt werden, als Menschen zweiter Klasse gehandelt werden.
„Hire and Fire" dank Rot-Grün
Lange hatte in Deutschland für Leiharbeit das sogenannte Synchronisationsverbot gegolten. Diesem zufolge durften Einstellungen bei Leiharbeitsunternehmen nicht an einen konkreten, abzuwickelnden Auftrag gekoppelt sein. Die rot-grünen Arbeitsmarktreformen haben dieses Verbot aufgehoben. Nach den bestehenden arbeitsrechtlichen Regelungen kann jetzt jeder innerhalb von zwei Jahren dreimal befristet auf bis zu sechs Monate beschäftigt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass jemand für zwei oder drei Aufträge eingestellt und nach deren Abschluss entlassen werden kann. Später kann ihn der Betrieb dann – als Leiharbeiter wieder in der untersten Lohngruppe – erneut beschäftigen. Bei Randstad beispielsweise – so Wolfgang Uellenberg van Dawen – soll nur ein Drittel der Leiharbeiter unbefristet beschäftigt sein.
Auch in der Frage der Arbeitszeitkonten steht es für Leiharbeitsbeschäftigte schlecht. In ihrem Fall werden Arbeitsausfälle, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, entgegen den gesetzlichen Regelungen häufig dem Arbeitszeitkonto angelastet, und so das Unternehmerrisiko des Arbeitgebers auf sie abgewälzt, weiß eine Betriebsrätin aus Erfahrung zu berichten: „Das muss endlich mal publik gemacht werden, damit die Mitarbeiter Mut fassen und vor Gericht gehen". (HDH)
Online-Flyer Nr. 122 vom 21.11.2007
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Arbeit und Soziales
DGB enthüllt gravierende Missbräuche in Kölner Zeitarbeitsfirmen
„Heute nennen wir Namen“
Von Hans-Dieter Hey
Befristet bei 40 Prozent weniger Lohn
Und das funktioniert zum Beispiel so: Die Aquana International Print & Media AG ist das größte Offset-Unternehmen Deutschlands. Hinter ihm steht das Beteiligungsunternehmen Arques Industries AG. Dieses wiederum beschäftigt Leiharbeitnehmer und vermietet sie an die eigenen Druckereibetriebe. „Damit" – so Uellenberg van Dawen – „wird ein geltender Tarifvertrag unterlaufen, weil die Leute dort eben nicht leihweise beschäftigt sind, sondern Vollzeit arbeiten, die gleiche Arbeit erledigen wie die Kollegen in den Druckereien, aber 30 bis 40 Prozent weniger Lohn bekommen. Ich spreche hier von einem Fall, der zurzeit vor Gericht anhängig ist."
DGB-Chef Uellenberg-van Dawen:
Leiharbeit untergräbt Tarifverträge
Nach Recherchen der NRhZ dürfte von dieser Form der Leiharbeit auch das 200jährige Kölner Traditionsunternehmen J. W. Bachem zehren, das seit 1. Januar 2006 zur Aquana International Print & Media AG zählt. Der neue Geschäftsführer Stefan Preussler kommt – das liegt nahe – aus dem gleichen Stall, nämlich von der Service-Gesellschaft Arquana Media GmbH, während der bisherige Geschäftsführer Anton Rabl das Unternehmen Ende 2007 „aus privaten Gründen" verlässt. Der Aufkauf des gesunden Unternehmens wird im blog von Wallstreet Online am 3. Mai 2006 als dessen Konsolidierung interpretiert. Die Aquana könnte daraus als einer der großen Player der Druckbranche hervorgehen.
Allerdings ging der Aufkauf zu Lasten der Beschäftigten. Nach Angaben des DGB erhalten Festbeschäftigte im Druckereigewerbe nach Tarif Stundenlöhne von 14 bis 16 Euro, Beschäftigte des hauseigenen Leiharbeitsunternehmens von Aquana erhalten dagegen Stundenlöhne von lediglich 6 bis 7,40 Euro, höchsten jedoch 10 Euro. Der DGB fordert nun, dass sich die Firmen Arques und Arquana an den gültigen Tarifvertrag halten.
Profitgier als Maßstab
Auch zahlreiche andere Kölner Betriebe beschäftigen interne LeiharbeitnehmerInnen. Nach Angaben des DGB dürften in den Betrieben Benteler, Faurecia und LMK im Industriepark 30 Prozent der Beschäftigten LeiharbeitnehmerInnen sein, die Firma Boll & Kirch beschäftigt regelmäßig bis zu hundert Zeitarbeitnehmer und -nehmerinnen bei insgesamt vierhundert Beschäftigten. Gewerkschaftssekretär Wolfgang Henseler von der IG-Metall machen vor allem die Betriebe sorgen, in denen keine Betriebsräte existieren. Dort seien die Quoten der LeiharbeitnehmerInnen noch erheblich höher, so bei der Firma IGUS, bei der ca. 50 Prozent der Beschäftigten „in prekären Arbeitsverhältnissen" beschäftigt sind. Und unter der anderen Hälfte der MitarbeiterInnen – entrüstet sich Henseler – „... findet man oft keine Mitarbeiter mehr, die nicht befristet sind." Die Profiteure sind die Verleiher. Deren Gewinne beziffert Henseler auf 20 Prozent.
Die Betriebsrätin eines Kölner Unternehmens kritisiert, „... dass die Zahl der Zeitarbeitunternehmen sehr stark zugenommen hat und damit auch die Zahl der Zeitarbeitnehmer, die dann in den Werken als Stammbelegschaft eingesetzt werden. Und die müssen trotz Vollzeitbeschäftigung oft noch Hartz IV beim Staat beantragen, um über die Runden zu kommen." In Deutschland gibt es zurzeit 1,1 Mio. sogenannte „Aufstocker", über 400.000 von ihnen arbeiten in Vollzeit. In Köln gibt es aktuell 5.960 Aufstocker, die zusätzlich Geld vom Amt bekommen. Das sind immerhin etwa zehn Prozent der Kölner Hartz-IV-Empfänger.
BZA-Kampagne: „Da vediene ich mehr" – Einstiegslohn von 7,38 Euro
Quelle: Bundesverband Zeitarbeit
Moderne Zwangsarbeit zu Leiharbeitsbedingungen
Seit den rot-grünen „Arbeitsmarktreformen" sind die Zumutbarkeitsregelungen für Erwerbslose ganz erheblich verschärft worden. Danach ist es nahezu unmöglich geworden, eine angebotene Tätigkeit abzulehnen, gleich ob Teilzeitbeschäftigung oder Leiharbeit. 46 % aller Einstellungen, die die Arbeitsagentur Köln z.B. vermittelt, betreffen – meist befristete – Leiharbeitsplätze. Die meisten der so Vermittelten sind Menschen mit Migrationhintergrund, häufig mit abgeschlossener Berufsausbildung. Beim DGB häufen sich die Beschwerden, wie mit Leiharbeitbeschäftigten in Verleihunternehmen und Arbeitsagenturen umgesprungen wird und wie sie in den Unternehmen, in denen sie eingesetzt werden, als Menschen zweiter Klasse gehandelt werden.
„Hire and Fire" dank Rot-Grün
Lange hatte in Deutschland für Leiharbeit das sogenannte Synchronisationsverbot gegolten. Diesem zufolge durften Einstellungen bei Leiharbeitsunternehmen nicht an einen konkreten, abzuwickelnden Auftrag gekoppelt sein. Die rot-grünen Arbeitsmarktreformen haben dieses Verbot aufgehoben. Nach den bestehenden arbeitsrechtlichen Regelungen kann jetzt jeder innerhalb von zwei Jahren dreimal befristet auf bis zu sechs Monate beschäftigt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass jemand für zwei oder drei Aufträge eingestellt und nach deren Abschluss entlassen werden kann. Später kann ihn der Betrieb dann – als Leiharbeiter wieder in der untersten Lohngruppe – erneut beschäftigen. Bei Randstad beispielsweise – so Wolfgang Uellenberg van Dawen – soll nur ein Drittel der Leiharbeiter unbefristet beschäftigt sein.
Auch in der Frage der Arbeitszeitkonten steht es für Leiharbeitsbeschäftigte schlecht. In ihrem Fall werden Arbeitsausfälle, die der Arbeitgeber zu vertreten hat, entgegen den gesetzlichen Regelungen häufig dem Arbeitszeitkonto angelastet, und so das Unternehmerrisiko des Arbeitgebers auf sie abgewälzt, weiß eine Betriebsrätin aus Erfahrung zu berichten: „Das muss endlich mal publik gemacht werden, damit die Mitarbeiter Mut fassen und vor Gericht gehen". (HDH)
Online-Flyer Nr. 122 vom 21.11.2007
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