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Aktueller Online-Flyer vom 22. November 2024  

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Lokales
Kölner Fachforum zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen:
Netzwerk für Migrantinnen notwendig
Von Irmgard Kopetzky

Sehr zufrieden waren die VeranstalterInnen vom „Kölner Aktionsbündnis zum 25.11. – Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen“ mit dem Verlauf und den Ergebnissen des Fachforums, das unter der Schirmherrschaft von Marlis Bredehorst (Dezernentin für Soziales, Umwelt und Integration) und Tayfun Keltek (Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Köln) im Bürgerzentrum Alte Feuerwache stattfand.
In ihrem Einstiegsvortrag „Gewalt gegen Migrantinnen und Nicht-Migrantinnen in Deutschland – Mythos und Realität kultureller Unterschiede“ erläuterte Dr. Monika Schröttle vom Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Bielefeld spezielle Aspekte ihrer 2004 veröffentlichten, bundesweiten Studie. Diese war vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegeben worden und stellt die erste repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland dar.


Dr. Monika Schröttle: Schutz von Frauen – auch eine staatliche Aufgabe

Gewalt nicht nur in islamischen Minderheiten

Vorab warnte sie vor Polarisierungen und einseitigen, stereotypen Zuschreibungen, wie sie im aktuellen öffentlichen Diskurs immer häufiger vorkämen: „modern/ emanzipiert/ gewaltfrei = deutsch/ westlich/ christlich-abendländisch“ im Gegensatz zu „traditionell/ rückständig/ gewaltbelastet = türkisch/muslimisch“. Schröttle: „Es scheint kein Zufall zu sein, dass ausgerechnet jene politischen Kräfte, die ansonsten wenig Interesse an gleichstellungspolitischen Bemühungen und am Abbau von Gewalt gegen Frauen zeigen, Gewalt nur dort benennen und bekämpfen, wo sie in islamgläubigen Minderheiten auftritt.“

In ihrer Studie wurden die Gewalt in Paarbeziehungen sowie Isolation, Kontrolle und Dominanz innerhalb dieser Beziehungen erforscht. Es wurde eindeutig gezeigt, dass diese Problembereiche nicht überwiegend den Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zuzuordnen sind. Zwar hatten 37 Prozent der Frauen mit türkischer Herkunft angegeben, mindestens einmal körperliche oder sexuelle Übergriffe durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt zu haben, aber es werde gleichzeitig deutlich, dass auch ein erheblicher Teil der Frauen deutscher Herkunft betroffen ist, nämlich 29 Prozent Außerdem sagten die Zahlen nichts über die Nationalität der Täter aus. Zwar müssten die erhöhten und zum Teil massiveren Gewaltbelastungen von Frauen nicht-deutscher Herkunft zur Kenntnis und ernst genommen werden. Das Problem dürfe aber weder aufgebauscht noch für andere Zwecke instrumentalisiert werden.


Tayfun Keltek: Netzwerk auch für Migrantinnen in Köln

Schutz für alle realisieren
Da gewaltbetroffene Frauen mit Migrationshintergrund im Vergleich nur selten im vorhandenen Unterstützungssystem ankämen, sei es wichtig, dass eine gesellschaftliche Auseinandersetzung geführt werde, die auch Frauen und Männer mit Migrationshintergrund selbst stärker als bisher einbeziehe. Nur so könne die staatliche Aufgabe, den Schutz und die körperliche und seelische Unversehrtheit aller in Deutschland lebenden Menschen zu gewährleisten, auch tatsächlich realisiert werden.

Im zweiten Teil der Veranstaltung wurde genau diese Forderung in die Tat umgesetzt: Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Kölner Beratungseinrichtungen und Migrantenorganisationen – agisra Köln e.V., Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e.V., Frauen helfen Frauen e.V., Frauenberatung Kalk, Gesundheitszentrum für MigrantInnen, Internationale Familienberatung der Caritas, Phönix Köln e.V. und das Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung e.V. – diskutierten gemeinsam mit dem interessierten Fachpublikum über unterschiedliche Fragestellungen:

Können die Hauptaussagen der Studie für Köln bestätigt werden? Welche Erfahrungen haben die spezifischen Beratungsstellen? Wie offen ist das Kölner Frauenberatungsnetz? Wo sind Lücken/Defizite? Wie kann der Zugang für Frauen mit Migrationshintergrund verbessert werden? Was können Politik, Verwaltung, Öffentlichkeit tun, und welche Aufgaben müssen die Migranten-Selbstorganisationen anpacken?

Muslimisches Frauenhaus für Köln?

Obwohl die meisten der Anwesenden sich durchaus bereits mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen mit Migrationhintergrund“ beschäftigt hatten, zeigte sich vor allem, dass bisher viel zu selten gemeinsame Diskussionen zwischen Migrantenorganisationen und Frauenberatungsstellen stattgefunden haben. Schnell wurde deutlich, dass man/frau ziemlich wenig voneinander weiß. Es bestand und besteht Distanz. So reagierten einige z.B. eher ablehnend, als eine Vertreterin des Begegnungs- und Fortbildungszentrums für muslimische Frauen in die Diskussion einbrachte, dass auch ein muslimisches Frauenhaus vorstellbar sein müsste. Umgekehrt diagnostizierten die Vertreter des Zentrums Phönix, dass viele Migrantinnen nicht einmal wüssten, dass es überhaupt Frauenhäuser in Köln gebe.


Frage aus dem Publikum: Auch ein muslimisches Frauenhaus?Fotos: Irmgard Kopetzky

Bemängelt wurde von einzelnen Fachleuten, dass überhaupt gesonderte Untersuchungen über Frauen mit Migrationshintergrund gemacht worden seien. Diese würden grundsätzlich negativ instrumentalisiert. Wichtig sei nicht die Abstammung, sondern vielmehr die individuelle Lage der betroffenen Frau. Andere sahen das Problem eher in der vergleichsweise geringen Anzahl der für die Studie befragten Frauen mit Migrationshintergrund und forderten, eine umfassendere Befragung durchzuführen.

Mehr stadtteilnahe Versorgung anbieten

Einmütig wurde von vielen Anwesenden der Wunsch geäußert, dass in Köln ein neues Netzwerk zum Thema „Gewalt gegen Frauen mit Migrationshintergrund“ gegründet werden müsse. Der Informationsfluss solle verbessert werden. Die Entwicklung gemeinsamer Konzepte zur Präventionsarbeit sowie eine lösungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit wurden eingeklagt. Wichtig sei, dass auch Frauen, die ethnisch oder religiös in monokulturelle Gemeinschaften eingebunden sind, ernst genommen und „abgeholt“ werden müssen.

Angesichts der nach wie vor niedrigen Quoten der Frauen, die überhaupt im Beratungsnetz ankommen, wurde vorgeschlagen, mehr stadtteilnahe Versorgung anzubieten sowie Formen von aufsuchender Sozialarbeit zu entwickeln. Außerdem müsse mehrsprachiges Informationsmaterial in wesentlich größerem Umfang und ein Dolmetscherinnenpool zur Verfügung gestellt werden. Die vorhandenen Beratungsstellen müssten zudem in ihrer öffentlichen Finanzierung gesichert werden. Erst eine solche Stabilisierung ermögliche es ihnen auch, sich mehr als bisher interkulturell zu öffnen.

Ossi Helling vom Integrationsrat war sich mit Tayfun Keltek - langjähriger Vorsitzender des Integrationsrates, der in seinem Grußwort zugab, erst durch seine Schirmherrschaft auf das Thema aufmerksam geworden zu sein - einig, als er ankündigte, dass das Gremium sich diesen Fragestellungen stärker widmen müsse: „Die Stadt Köln muss prüfen, ob die Stadtverwaltung ein mögliches Netzwerk koordinieren kann.“

Als Veranstalter des Fachforums wird das Aktionsbündnis „Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen“ in der nächsten Zeit konkrete Vorschläge machen, wie die stadtweit begonnene Diskussion weitergeführt und wie das gewünschte Netzwerk initiiert werden kann. (PK)

Mehr über das Kölner Aktionsbündnis unter www.gemeinsam.org

Melchiorstraße 3, 50670 Köln, Tel.: 0221/1207367, info@gemeinsam.org

Online-Flyer Nr. 124  vom 05.12.2007

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