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Inland
Schwarz-Grün hilft NPD und REPs auf den Frankfurter Römerberg
Antifa-Image adieu!
Von Hans Christoph Stoodt
Pfarrer Hans Christoph
Stoodt
Nach dem 7. Juli und 20. Oktober vergangenen Jahres fand am 19./20. Januar 2008 dieses Dramas dritter Akt an dem Ort statt, an dem am 10. Mai 1933 faschistische Studenten eine Bücherverbrennung durchführten, woran heute eine Gedenkplatte erinnert. Für dieses Wochenende hatten die REPS (20. Januar) und die NPD (19. Januar) anti-islamisch zugespitzte Wahlkampfauftritte angekündigt, wogegen verschiedene Kräfte Proteste angekündigt hatten: das „Römerbergbündnis“ (Jüdische Gemeinde, Kirchen, DGB, Jugendring) und die Anti-Nazi-Koordination (GEW, IG Metall, ver.di, linke Parteien und Initiativen, linke KirchenvertreterInnen) gemeinsam mit der Antifa. Es ist dabei für das Verständnis des Folgenden wichtig zu wissen, daß das Römerbergbündnis im Vorfeld eine gemeinsame Absprache aller antifaschistischen Kräfte schriftlich und auch im Rahmen einer gemeinsamen Diskussionsveranstaltung abgelehnt hatte.
Aus dem Blickwinkel der veröffentlichten Meinung war der unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefundene Versuch der NPD, am 19. Januar auf dem Römerberg eine Wahlkundgebung zu veranstalten, ein Erfolg für die demokratische Öffentlichkeit in Frankfurt. Die antifaschistischen Gruppen der Stadt sehen das anders.
1.000 Polizisten schützen 80 NPDler
Etwa 80 NPD-DemonstrantInnen konnten unter dem Schutz des weitgehend von der Öffentlichkeit abgeriegelten, jedenfalls nur schwer zugänglichen Römerbergs ihre Wahlkundgebung durchführen - geschützt von etwa 1.000 PolizeibeamtInnen. Nur wer bereit war, sich in zeltartigen Durchgangsschleusen auf den Römerberg einzeln durchsuchen zu lassen, konnte zum Ort des erlaubten demokratischen Protestes gelangen - ein Unding und Widerspruch in sich.
Dort angekommen fanden sich die Protestierenden in den von der Polizei bereitgestellten Corral-ähnlichen Gitterräumen wieder, von wo aus sie den aufrechten Demokraten geben durften - gemeinsam mit zB. Dieter Graumann (Jüdische Gemeinde) oder Frank Albrecht (Einzelhandelsverband), die unisono in HR-Interviews vom Ort des Geschehens - sich rechtfertigend für ihr Tun - als allererstes erklärten, sie seien nun wirklich keine Linken.
Damit war es genau auf den Punkt gebracht: antifaschistischer Protest im Polizeicorral und nach Leibesvisitation kann in der Tat keine linke Angelegenheit sein.
Besorgt um das Image der Stadt
Zusätzlich war der Römerberg weitgehend durch zwei Meter hohe mittelblaue Plastikplanen sichtgeschützt - ein Polizeibeamter erklärte auf Nachfrage nach dem Sinn dieser Vorrichtung: Wir wollen keine Touristenfotos mit Nazis auf dem Römerberg. Konsequent waren auch die auf den Römerberg gerichteten webcams der Stadt so justiert, daß den ganzen Tag über von der NPD nichts zu sehen war. Für Polizei und Sicherheitsdezernat ist Demokratie offenbar im Wesentlichen ein Standort-Imagefaktor.
Die Polizei ließ - konsequent in ihrer erfolgreichen Politik der Aufspaltung des antifaschistischen Protestes - Korrekturen an ihrem setting nicht zu. Einige hundert AntifaschistInnen - unorganisierte Menschen, Anti-Nazi-Koordination, DemonstrantInnen aus autonomen und Antifa-Kreisen - die nicht bereit waren, sich der demütigenden Schikane einer Version des ursprünglich gegen die NPD und andere Nazis gerichteten Leipziger Modells mit umgekehrten Vorzeichen zu unterziehen, wurde der Zutritt zum Römerberg verwehrt.
Pfefferspray gegen linke Nazigegner
Mehrere Versuche, sich das Recht auf demokratischen Protest gegen Nazis auch ohne Polizeierlaubnis zu nehmen, scheiterten am Nordzugang des Römerbergs (Braubachstraße). Dabei setzte die Polizei Pfefferspray gegen die Nazigegner ein. Wer sich an diesem Zugang probeweise der Personenkontrolle im Polizeizelt unterzog, konnte erleben, daß selbst das Mitnehmen einer Trillerpfeife schon zuviel an Demokratie war - während an einer anderen Stelle nach mehreren Zeugenaussagen ein älterer Nazisympathisant von der Polizei auf den Römerberg eskortiert wurde - nachdem er im Zuge eines Wortgefechts mit Antifas ein Messer gezogen hatte.
Nichts unternahm die Polizei auch dagegen, dass der NPD-Stadtverordete Jörg Krebs volksverhetzend davon faselte, die Polizei schütze zum Glück die deutschen Bürger vor den Einbrüchen, Vergewaltigungen und Überfällen “der Ausländer”. Dieses Lob aus berufenem Mund hat sich Polizeipräsident Dr. Achim Thiel redlich verdient. Nach drei polizeigeschützten Nazi-Aufmärschen in weniger als einem Jahr dürfte damit der ehemalige Ruf der Stadt, ein schlechtes Pflaster für organisierte Nazi-Auftritte zu sein, schwer gelitten haben - ein unleugbarer Teil der politischen Bilanz von Schwarz-Grün mit FDP-Einspengsel.
Auch für die REPs den Weg freigehalten
Nochmal, weil’s so schön war! - das war anscheinend die Devise von Polizeipräsident Thiel für den zweiten Akt des Braunen Wochenendes auf dem Römerberg. Diesmal wurde für die REPs der Weg freigeräumt. Ansonsten war alles wie gehabt: Die Abgitterungen waren über Nacht noch einmal etwas nach außen verschoben worden, so daß etwa an der Braubachstraße noch weniger Platz vor dem Polizeidurchsuchungszelt war. Dafür sammelten sich, nachdem bekannt geworden war, daß die REPs entgegen den vorherigen Ankündigungen bereits ab 13:30 Rassismus versprühen wollten, schnell etwa 100 bis 150 AntifaschistInnen vor dem Südzugang des Römerberges und blockierten für längere Zeit den Durchgang.
Dank nachdrücklicher Unterstützung der Polizei konnten knapp 100 REPs ihre Wahlkundgebung beginnen. Zu verstehen war davon auf dem Römerberg nichts, weil den Sprüchen der deutschnationalen Rassisten wie am Vortag der NPD gellende Pfeifkonzerte, langanhaltendes Glockenläuten der Alten Nikolaikirche, Sprechchöre durch Lautsprecher und Megafone entgegenschallte. Angekündigt hatten die REPs 1.000 Teilnehmer, darunter “mehrere Hundert Freunde aus dem europäischen Ausland”.
Gegen die etwa 500 bis 1.000 GegendemonstrantInnen verhielt sich die Polizei verhielt sich genauso wie am Vortag. Bei einem durch nichts motivierten Angriff einer Polizeieinheit aus dem Durchsuchungszelt am Südzugang des Römers gegen die etwa fünf Meter vor ihnen stehende Blockade kam es zu Schlägen und der Festnahme eines Antifaschisten, der erst Stunden später wieder aus dem Polizeipräsidium entlassen wurde. Die Gesamtzahl der Festgenommen des Wochenendes erhöhte sich damit auf 13 Personen.
Demütigungszelte gegen die Antifa
Völlig zu Recht wird in den unterschiedlichen Nachbetrachtungen zum “Braunen Wochenende” in Frankfurt der Frage polizeilicher Zugangskontrollen zum Römerberg breiter Raum gewidmet. Dabei wird die Position der Anti-Nazi-Koordination nicht überall geteilt, sich an dieser Form polizeilicher Demütigung von AntifaschistInnen nicht auch noch freiwillig zu beteiligen. Dies gilt vor allem für die beiden Durchgangszelte im Norden und Süden des Römerbergs, die sich exklusiv gegen die AntifaschistInnen richteten. Eine vergleichbare Installation gegen die NPD gab es nicht. Die Anti-Nazi-Koordination geht davon aus, daß diese Zelte wahrscheinlich illegal, vom Versammlungsgesetz nicht gedeckt waren. Aber sie bewirkten, dass am Sonntag weniger Gegendemonstranten auf dem Römerberg störten als am Samstag.
Aus welchem Grund tut die Polizei das in sieben Monaten drei Mal? Weil sie Nazis, Rassisten, Antisemiten das Recht erkämpfen will, durch unsere Stadt zu demonstrieren.
Weil sie, wie Polizeipräsident Dr. Achim Thiel vor dem 7.Juli ausdrücklich gesagt hat, in der antifaschistischen Bewegung dieser Stadt die im Vergleich zu den Nazis gefährlichere Gruppe identifiziert. Eine Polizeiführung, die in kurzer Zeit dreimal bereit ist, ihr gesamtes Gewaltpotential zum Schutz reaktionärer und faschistischer politischer Gruppen gegen Antifas und Anti-Nazi-Koordination, mittelbar aber auch gegen das Römerbergbündnis und die gesamte demokratische Öffentlichkeit in Anschlag zu bringen, stellt sich als politisierte Exekutive erneut gegen die Gesellschaft dieser Stadt. Ihr kann nur mit Ablehnung und berechtigtem Mißtrauen begegnet werden.
Wer, wozu wir ja auch von Staats wegen offiziell ständig ermuntert werden, “den Anfängen wehren” will, darf sich beides nicht gefallen lassen: offenen Nazifaschismus und den Schutz eben dieser mörderischen Ideologie durch die Polizei.
Fotos: Dietmar Treber, arbeiterfotografie
Pfarrer „aus dem kirchlichen Dienst entlassen“!
Anmerkung der Redaktion: Am Tag nach der REP-Kundgebung forderte der bereits oben erwähnte Sicherheits- und Ordnungsdezernent des schwarz-grünen Magistrats, Volker Stein, Chef der Frankfurter FDP, die Evangelische Kirche öffentlich auf, den Autor dieses Artikels und Sprecher der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt, Pfarrer Dr. Hans Christoph Stoodt, aus dem Kirchendienst zu entfernen oder wenigstens strafzuversetzen. Stoodt habe die Polizei zu heftig kritisiert und “zum Hass” aufgerufen. Stein, so heißt es auf der offiziellen Homepage der Stadt Frankfurt wörtlich, “forderte den Kirchenpräsidenten auf, sich für eine Versetzung Stoodts zu verwenden“, und äußerte die Hoffnung, “Stoodt möge seinen Dienst an einem anderen Ort als Frankfurt wahrnehmen, wenn er schon nicht aus dem kirchlichen Dienst entlassen werden könne“.
Stein hat neben seiner politischen Funktion auch das Amt eines Stellvertretenden Vorsitzenden des Evangelischen Regionalverband Frankfurt inne. Der Reserve-Oberst der Bundeswehr (das erklärt vielleicht die ultimative Wortwahl an die Adresse des Kirchenpräsidenten) war am Wochenende auf dem Römerberg dadurch aufgefallen, daß er einzelne Teile seiner Militär-Uniform trug.
Dazu stellte Pfarrer Stoodt in einer Stellungnahme klar: “Ich habe mit keinem Wort zum Hass aufgerufen. Allerdings halte ich es für meine Pflicht als Theologe und Bürger, Klartext zu sprechen, wenn es offenen Nazis und Rassisten erlaubt wird, auf dem Römerberg zu demonstrieren, anstatt, wie es in anderen hessischen Gemeinden und Städten durchaus geschieht, solche Zumutungen zu verbieten, wozu sich aber der dafür verantwortliche Volker Stein nicht bereit erklären wollte. Die Forderung des Sicherheitsdezernenten, in einer solchen Situation “zum Frieden aufzurufen”, erinnert mich an den biblischen Propheten Jeremia, wo im Kapitel 6, Vers 14 genau diese Haltung kritisiert wird. Martin Luther griff im Jahr 1517 dieses biblische Wort in seinen 95 Thesen so auf: ‚Deshalb fort mit all den Propheten, die dem Volke sagen „Friede, Friede“, und ist kein Friede.’ (These 92). Dem habe ich nichts hinzuzufügen.“ (PK)
Nazi-Aufmarsch verhindert
Von Rudi Hechler
Im Aufruf der DKP hieß es: „Wir unterstützen diese Initiative und jeden Protest geqen nationalistische, sozialdemagogische und rassistische Hetze und rufen dazu auf, überall den Anfängen zu wehren. ... Aus der Geschichte lernen heißt für uns, über parteipolitische Grenzen hinweg gegen alte und neue Nazis zusammenzustehen. Wir wissen: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."
75 Jahre nach der Machtergreifung der Nazis, die auch in unserer Stadt mit ihren starken Arbeiterorganisationen ihren Auftrag erfüllten und die Interessen des deutschen Kapitals: Unterdrückung der Arbeiterschaft, ihrer Parteien, Gewerkschaften und Sportvereine; Ausschaltung der „jüdischen" Konkurrenz, Sicherung von Höchstprofiten durch Rüstungsproduktion, Kriegsvorbereitung, Krieg und „Vernichtung durch Arbeit" mit blankem Terror durchsetzten, wollen deren Nachfolger hier ihre Wahlreden halten. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten und deutlich zu machen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung die beantragten Kundgebungen der NPD auf keinen Fall genehmigt, sondern ablehnende Bescheide erteilt und damit deutlich macht: Die NPD ist in unserer Stadt der Vielfalt nicht willkommen. Die NPD gehört verboten."
Es gab in Mörfelden und Walldorf Gegenveranstaltungen mit hunderten Teilnehmern. Neben dem Bürgermeister und dem ersten Stadtrat sprachen Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer und Vertreter der Kirchengemeinden. Örtliche Künstler überzeugten mit ihren Beiträgen. „Nazis raus" stand auf Schildern, die Schüler zeigten. An der Mauer des alten Rathauses in Mörfelden standen Schüler mit dem Text: „Schule ohne Rassismus". Zudem geriet die Anti-NPD-Kundgebung zur kleinen Geschichtsstunde über die Verfolgung von Juden und politisch Andersdenkenden in der Zeit des Faschismus.
In Walldorf berichtete u.a. die Schülerin Elisabeth von den jüdischen Geschwistern Reiß, die im KZ ermordet wurden. Der Schüler Ferris erzählte aus den Erinnerungen des Kommunisten Wilhelm Passet, der wie viele am 7. März 1933 von SA-Männern ins KZ Osthofen verschleppt wurde. Es war schon bewegend, dass an einem normalen Werktag so viele Menschen zusammenkamen. „Ich bin stolz, Bürger dieser Stadt zusein, in der so viele Menschen deutlich sagen: Bei uns ist kein Platz für Nazis", sagte der Schüler Adrian Jungmann auf der Kundgebung in Walldorf, und Fabian Herzberger, Schulsprecher der BvS: „...es ist für uns Jugendliche heute besonders wichtig zu sehen, dass Mitbürger, unabhängig von Alter, Hautfarbe, Nationalität oder Religion mit uns gemeinsam gegen die Verherrlichung der NS-Zeit und menschenverachtende Parolen der NPD vorgehen." (PK)
Online-Flyer Nr. 131 vom 30.01.2008
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Inland
Schwarz-Grün hilft NPD und REPs auf den Frankfurter Römerberg
Antifa-Image adieu!
Von Hans Christoph Stoodt
Pfarrer Hans Christoph
Stoodt
Aus dem Blickwinkel der veröffentlichten Meinung war der unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefundene Versuch der NPD, am 19. Januar auf dem Römerberg eine Wahlkundgebung zu veranstalten, ein Erfolg für die demokratische Öffentlichkeit in Frankfurt. Die antifaschistischen Gruppen der Stadt sehen das anders.
1.000 Polizisten schützen 80 NPDler
Etwa 80 NPD-DemonstrantInnen konnten unter dem Schutz des weitgehend von der Öffentlichkeit abgeriegelten, jedenfalls nur schwer zugänglichen Römerbergs ihre Wahlkundgebung durchführen - geschützt von etwa 1.000 PolizeibeamtInnen. Nur wer bereit war, sich in zeltartigen Durchgangsschleusen auf den Römerberg einzeln durchsuchen zu lassen, konnte zum Ort des erlaubten demokratischen Protestes gelangen - ein Unding und Widerspruch in sich.
Dort angekommen fanden sich die Protestierenden in den von der Polizei bereitgestellten Corral-ähnlichen Gitterräumen wieder, von wo aus sie den aufrechten Demokraten geben durften - gemeinsam mit zB. Dieter Graumann (Jüdische Gemeinde) oder Frank Albrecht (Einzelhandelsverband), die unisono in HR-Interviews vom Ort des Geschehens - sich rechtfertigend für ihr Tun - als allererstes erklärten, sie seien nun wirklich keine Linken.
Damit war es genau auf den Punkt gebracht: antifaschistischer Protest im Polizeicorral und nach Leibesvisitation kann in der Tat keine linke Angelegenheit sein.
Besorgt um das Image der Stadt
Zusätzlich war der Römerberg weitgehend durch zwei Meter hohe mittelblaue Plastikplanen sichtgeschützt - ein Polizeibeamter erklärte auf Nachfrage nach dem Sinn dieser Vorrichtung: Wir wollen keine Touristenfotos mit Nazis auf dem Römerberg. Konsequent waren auch die auf den Römerberg gerichteten webcams der Stadt so justiert, daß den ganzen Tag über von der NPD nichts zu sehen war. Für Polizei und Sicherheitsdezernat ist Demokratie offenbar im Wesentlichen ein Standort-Imagefaktor.
Die Polizei ließ - konsequent in ihrer erfolgreichen Politik der Aufspaltung des antifaschistischen Protestes - Korrekturen an ihrem setting nicht zu. Einige hundert AntifaschistInnen - unorganisierte Menschen, Anti-Nazi-Koordination, DemonstrantInnen aus autonomen und Antifa-Kreisen - die nicht bereit waren, sich der demütigenden Schikane einer Version des ursprünglich gegen die NPD und andere Nazis gerichteten Leipziger Modells mit umgekehrten Vorzeichen zu unterziehen, wurde der Zutritt zum Römerberg verwehrt.
Pfefferspray gegen linke Nazigegner
Mehrere Versuche, sich das Recht auf demokratischen Protest gegen Nazis auch ohne Polizeierlaubnis zu nehmen, scheiterten am Nordzugang des Römerbergs (Braubachstraße). Dabei setzte die Polizei Pfefferspray gegen die Nazigegner ein. Wer sich an diesem Zugang probeweise der Personenkontrolle im Polizeizelt unterzog, konnte erleben, daß selbst das Mitnehmen einer Trillerpfeife schon zuviel an Demokratie war - während an einer anderen Stelle nach mehreren Zeugenaussagen ein älterer Nazisympathisant von der Polizei auf den Römerberg eskortiert wurde - nachdem er im Zuge eines Wortgefechts mit Antifas ein Messer gezogen hatte.
Nichts unternahm die Polizei auch dagegen, dass der NPD-Stadtverordete Jörg Krebs volksverhetzend davon faselte, die Polizei schütze zum Glück die deutschen Bürger vor den Einbrüchen, Vergewaltigungen und Überfällen “der Ausländer”. Dieses Lob aus berufenem Mund hat sich Polizeipräsident Dr. Achim Thiel redlich verdient. Nach drei polizeigeschützten Nazi-Aufmärschen in weniger als einem Jahr dürfte damit der ehemalige Ruf der Stadt, ein schlechtes Pflaster für organisierte Nazi-Auftritte zu sein, schwer gelitten haben - ein unleugbarer Teil der politischen Bilanz von Schwarz-Grün mit FDP-Einspengsel.
Auch für die REPs den Weg freigehalten
Nochmal, weil’s so schön war! - das war anscheinend die Devise von Polizeipräsident Thiel für den zweiten Akt des Braunen Wochenendes auf dem Römerberg. Diesmal wurde für die REPs der Weg freigeräumt. Ansonsten war alles wie gehabt: Die Abgitterungen waren über Nacht noch einmal etwas nach außen verschoben worden, so daß etwa an der Braubachstraße noch weniger Platz vor dem Polizeidurchsuchungszelt war. Dafür sammelten sich, nachdem bekannt geworden war, daß die REPs entgegen den vorherigen Ankündigungen bereits ab 13:30 Rassismus versprühen wollten, schnell etwa 100 bis 150 AntifaschistInnen vor dem Südzugang des Römerberges und blockierten für längere Zeit den Durchgang.
Dank nachdrücklicher Unterstützung der Polizei konnten knapp 100 REPs ihre Wahlkundgebung beginnen. Zu verstehen war davon auf dem Römerberg nichts, weil den Sprüchen der deutschnationalen Rassisten wie am Vortag der NPD gellende Pfeifkonzerte, langanhaltendes Glockenläuten der Alten Nikolaikirche, Sprechchöre durch Lautsprecher und Megafone entgegenschallte. Angekündigt hatten die REPs 1.000 Teilnehmer, darunter “mehrere Hundert Freunde aus dem europäischen Ausland”.
Gegen die etwa 500 bis 1.000 GegendemonstrantInnen verhielt sich die Polizei verhielt sich genauso wie am Vortag. Bei einem durch nichts motivierten Angriff einer Polizeieinheit aus dem Durchsuchungszelt am Südzugang des Römers gegen die etwa fünf Meter vor ihnen stehende Blockade kam es zu Schlägen und der Festnahme eines Antifaschisten, der erst Stunden später wieder aus dem Polizeipräsidium entlassen wurde. Die Gesamtzahl der Festgenommen des Wochenendes erhöhte sich damit auf 13 Personen.
Demütigungszelte gegen die Antifa
Völlig zu Recht wird in den unterschiedlichen Nachbetrachtungen zum “Braunen Wochenende” in Frankfurt der Frage polizeilicher Zugangskontrollen zum Römerberg breiter Raum gewidmet. Dabei wird die Position der Anti-Nazi-Koordination nicht überall geteilt, sich an dieser Form polizeilicher Demütigung von AntifaschistInnen nicht auch noch freiwillig zu beteiligen. Dies gilt vor allem für die beiden Durchgangszelte im Norden und Süden des Römerbergs, die sich exklusiv gegen die AntifaschistInnen richteten. Eine vergleichbare Installation gegen die NPD gab es nicht. Die Anti-Nazi-Koordination geht davon aus, daß diese Zelte wahrscheinlich illegal, vom Versammlungsgesetz nicht gedeckt waren. Aber sie bewirkten, dass am Sonntag weniger Gegendemonstranten auf dem Römerberg störten als am Samstag.
Aus welchem Grund tut die Polizei das in sieben Monaten drei Mal? Weil sie Nazis, Rassisten, Antisemiten das Recht erkämpfen will, durch unsere Stadt zu demonstrieren.
Weil sie, wie Polizeipräsident Dr. Achim Thiel vor dem 7.Juli ausdrücklich gesagt hat, in der antifaschistischen Bewegung dieser Stadt die im Vergleich zu den Nazis gefährlichere Gruppe identifiziert. Eine Polizeiführung, die in kurzer Zeit dreimal bereit ist, ihr gesamtes Gewaltpotential zum Schutz reaktionärer und faschistischer politischer Gruppen gegen Antifas und Anti-Nazi-Koordination, mittelbar aber auch gegen das Römerbergbündnis und die gesamte demokratische Öffentlichkeit in Anschlag zu bringen, stellt sich als politisierte Exekutive erneut gegen die Gesellschaft dieser Stadt. Ihr kann nur mit Ablehnung und berechtigtem Mißtrauen begegnet werden.
Wer, wozu wir ja auch von Staats wegen offiziell ständig ermuntert werden, “den Anfängen wehren” will, darf sich beides nicht gefallen lassen: offenen Nazifaschismus und den Schutz eben dieser mörderischen Ideologie durch die Polizei.
Fotos: Dietmar Treber, arbeiterfotografie
Pfarrer „aus dem kirchlichen Dienst entlassen“!
Anmerkung der Redaktion: Am Tag nach der REP-Kundgebung forderte der bereits oben erwähnte Sicherheits- und Ordnungsdezernent des schwarz-grünen Magistrats, Volker Stein, Chef der Frankfurter FDP, die Evangelische Kirche öffentlich auf, den Autor dieses Artikels und Sprecher der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt, Pfarrer Dr. Hans Christoph Stoodt, aus dem Kirchendienst zu entfernen oder wenigstens strafzuversetzen. Stoodt habe die Polizei zu heftig kritisiert und “zum Hass” aufgerufen. Stein, so heißt es auf der offiziellen Homepage der Stadt Frankfurt wörtlich, “forderte den Kirchenpräsidenten auf, sich für eine Versetzung Stoodts zu verwenden“, und äußerte die Hoffnung, “Stoodt möge seinen Dienst an einem anderen Ort als Frankfurt wahrnehmen, wenn er schon nicht aus dem kirchlichen Dienst entlassen werden könne“.
Stein hat neben seiner politischen Funktion auch das Amt eines Stellvertretenden Vorsitzenden des Evangelischen Regionalverband Frankfurt inne. Der Reserve-Oberst der Bundeswehr (das erklärt vielleicht die ultimative Wortwahl an die Adresse des Kirchenpräsidenten) war am Wochenende auf dem Römerberg dadurch aufgefallen, daß er einzelne Teile seiner Militär-Uniform trug.
Dazu stellte Pfarrer Stoodt in einer Stellungnahme klar: “Ich habe mit keinem Wort zum Hass aufgerufen. Allerdings halte ich es für meine Pflicht als Theologe und Bürger, Klartext zu sprechen, wenn es offenen Nazis und Rassisten erlaubt wird, auf dem Römerberg zu demonstrieren, anstatt, wie es in anderen hessischen Gemeinden und Städten durchaus geschieht, solche Zumutungen zu verbieten, wozu sich aber der dafür verantwortliche Volker Stein nicht bereit erklären wollte. Die Forderung des Sicherheitsdezernenten, in einer solchen Situation “zum Frieden aufzurufen”, erinnert mich an den biblischen Propheten Jeremia, wo im Kapitel 6, Vers 14 genau diese Haltung kritisiert wird. Martin Luther griff im Jahr 1517 dieses biblische Wort in seinen 95 Thesen so auf: ‚Deshalb fort mit all den Propheten, die dem Volke sagen „Friede, Friede“, und ist kein Friede.’ (These 92). Dem habe ich nichts hinzuzufügen.“ (PK)
Nazi-Aufmarsch verhindert
Von Rudi Hechler
Im Aufruf der DKP hieß es: „Wir unterstützen diese Initiative und jeden Protest geqen nationalistische, sozialdemagogische und rassistische Hetze und rufen dazu auf, überall den Anfängen zu wehren. ... Aus der Geschichte lernen heißt für uns, über parteipolitische Grenzen hinweg gegen alte und neue Nazis zusammenzustehen. Wir wissen: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch."
75 Jahre nach der Machtergreifung der Nazis, die auch in unserer Stadt mit ihren starken Arbeiterorganisationen ihren Auftrag erfüllten und die Interessen des deutschen Kapitals: Unterdrückung der Arbeiterschaft, ihrer Parteien, Gewerkschaften und Sportvereine; Ausschaltung der „jüdischen" Konkurrenz, Sicherung von Höchstprofiten durch Rüstungsproduktion, Kriegsvorbereitung, Krieg und „Vernichtung durch Arbeit" mit blankem Terror durchsetzten, wollen deren Nachfolger hier ihre Wahlreden halten. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten und deutlich zu machen: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung die beantragten Kundgebungen der NPD auf keinen Fall genehmigt, sondern ablehnende Bescheide erteilt und damit deutlich macht: Die NPD ist in unserer Stadt der Vielfalt nicht willkommen. Die NPD gehört verboten."
Es gab in Mörfelden und Walldorf Gegenveranstaltungen mit hunderten Teilnehmern. Neben dem Bürgermeister und dem ersten Stadtrat sprachen Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer und Vertreter der Kirchengemeinden. Örtliche Künstler überzeugten mit ihren Beiträgen. „Nazis raus" stand auf Schildern, die Schüler zeigten. An der Mauer des alten Rathauses in Mörfelden standen Schüler mit dem Text: „Schule ohne Rassismus". Zudem geriet die Anti-NPD-Kundgebung zur kleinen Geschichtsstunde über die Verfolgung von Juden und politisch Andersdenkenden in der Zeit des Faschismus.
In Walldorf berichtete u.a. die Schülerin Elisabeth von den jüdischen Geschwistern Reiß, die im KZ ermordet wurden. Der Schüler Ferris erzählte aus den Erinnerungen des Kommunisten Wilhelm Passet, der wie viele am 7. März 1933 von SA-Männern ins KZ Osthofen verschleppt wurde. Es war schon bewegend, dass an einem normalen Werktag so viele Menschen zusammenkamen. „Ich bin stolz, Bürger dieser Stadt zusein, in der so viele Menschen deutlich sagen: Bei uns ist kein Platz für Nazis", sagte der Schüler Adrian Jungmann auf der Kundgebung in Walldorf, und Fabian Herzberger, Schulsprecher der BvS: „...es ist für uns Jugendliche heute besonders wichtig zu sehen, dass Mitbürger, unabhängig von Alter, Hautfarbe, Nationalität oder Religion mit uns gemeinsam gegen die Verherrlichung der NS-Zeit und menschenverachtende Parolen der NPD vorgehen." (PK)
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