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Inland
Historiker Götz Aly zur außerparlamentarische Opposition:
Die ’68er waren wie die ’33er!
Von Peter Kleinert
Götz Aly - „Erinnerungen“ an die ’68er und die ’33er
Quelle: Fritz Bauer-Institut
Für die Beseitigung des „Systems“
„Die totalitäre Sprache und der Hang zum gewalttätigen Aktionismus, die sich in den Sätzen von Rabehl und Dutschke äußern“ - so der 2005/2006 am Fritz Bauer-Institut wirkende Gastprofessor Dr. Götz Aly nun in der FR - „fielen nicht wenigen kritischen Geistern 1967/68 sofort auf. Als Berliner Studenten unmittelbar nach dem Tod von Benno Ohnesorg zum Zeichen ihres Entsetzens Springer-Zeitungen verbrannten, kommentierte Joachim Fest [bald danach Hitler-Biograph und Mitherausgeber der FAZ, PK]: „Fatale Erinnerungen beunruhigen die extremen Gruppen nicht - ihr politisches Bewusstsein wähnt sich im Stande der Unschuld. Sie plädieren für die Beseitigung dessen, was sie (wiederum ganz unschuldig) das ‚System' nennen.“
Rudi Dutschke - ruft zur Beseitigung des „Systems“ auf
Foto: Günter Zint – Panfoto
Dass Rudi Dutschke und andere ’68er mit dem „System“ im Gegensatz zu den Nazis und Fest den Kapitalismus und dessen Politiker meinten, unterschlägt der FR-Autor vorsichtshalber. Das gelang ihm schon 2005 in seinem damals von FAZ und Springers Welt hochgelobten Buch „Hitlers Volksstaat“, mit dem er sich klar gegen Max Horkheimers Ausspruch von 1939 stellte, wonach, „wer vom Kapitalismus nicht reden will, auch vom Faschismus schweigen“ soll.
Gegen die „Scheiß-Liberalen“
Das wäre von Buchautoren wie Professor Aly natürlich zu viel verlangt, weiß er doch, wie werbewirksam es in den üblichen Medien sein kann, die ’68er mit denen von ’33 gleichzusetzen - zum Beispiel so: „Die Mehrheit der 33er-Studenten litt an tiefer Unsicherheit. Wenn überhaupt, waren ihre Väter geschlagen, demoralisiert oder verkrüppelt aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt. Der schwache materielle und ideelle Familienhintergrund ließ sie empfänglich werden für die falschen Verlockungen des Kollektivs. Sie feierten den Abschied vom bürgerlichen Individualismus und sahen sich im "Übergang von der Ich-Zeit zur Wir-Zeit". Eben deshalb sei "die letzte Lebensfrist des Liberalismus abgelaufen"; nun komme es darauf an, diesem unklaren, antiutopischen Denken "endgültig den Garaus zu machen" (Die 68er hatten es ebenfalls auf die "Scheiß-Liberalen" abgesehen).“ Warum sie dann nur Springer-Häuser belagerten und nicht auch die „scheiß-liberalen“ Verlage, lässt der Historiker offen.
Beate Klarsfeld ohrfeigt Bundeskanzler Kiesinger auf dem CDU-Parteitag - 7. November 1968 | Quelle: www.workpage.de
Blockade des Kölner MDS-Verlags
Nicht mitbekommen hat er wohl, dass ’68er auch Demonstrationen und eine nächtliche Blockade vor der Druckereiausfahrt des liberalen Verlags M. DuMont Schauberg veranstalteten, der inzwischen die Kapitalmehrheit bei der FR besitzt. MDS verdiente damals nämlich am Druck einer Teilauflage der Bild-Zeitung. Wie das Problem gelöst wurde, erfuhren wir zu Beginn von Götz Alys „Feierlichkeiten“ für ’die 68er, am 15. Juni 2007 im Kölner Stadt-Anzeiger: „Dem couragierten Auftreten des Verlegers Alfred Neven DuMont, der sich für die Reformideen der Studentenbewegung aufgeschlossen zeigte, war es zu verdanken, dass es zu keinen größeren Auseinandersetzungen kam: Er stellte sich einer Diskussion mit den Demonstranten. Einerseits gab er bekannt, den Druckauftrag zu erfüllen; andererseits werde der Verlag nicht - wie von Springer angesichts der Blockade seiner Druckhäuser in Essen und Frankfurt verlangt - mehr Exemplare drucken, als ausgehandelt sei.“ Dass Springer bald darauf den Druckauftrag ins ursprünglich sozialdemokratische Kölner Druckhaus Deutz verlegte und Honorarprofessor Alfred Neven für die Reformideen der Studentenbewegung nicht mehr so aufgeschlossen ist, erfahren wir aus dem KStA-Artikel nicht, wohl aber durch den Auftritt von Götz Aly in seiner FR.
Alfred Neven DuMont - damals „aufgeschlossen für die Studentenbewegung“, heute für Götz Aly | Quelle: NRhZ-Archiv
Sogar Mitglied der Roten Hilfe
Der Professor verliert übrigens in seinem totalitarismustheoretischen, dem kapitalen Souverän dienenden Beitrag kein Wort darüber, dass er selbst zu den ’68ern gehörte, denen er nun „totalitäre Sprache“ und „Hang zum gewalttätigen Aktionismus“ vorwirft. Kein Wort darüber, dass er seit 1968 - also unter der Kanzlerschaft seines von Beate Klarsfeld geohrfeigten Kronzeugen Kiesinger - in Berlin Geschichte und politische Wissenschaften studierte, nach seinem Studium ab 1973 als Heimleiter in Berlin-Spandau arbeitete und dort wegen seiner politischen Haltung - er war sogar Mitglied der Roten Hilfe - infolge des Radikalenerlasses für ein Jahr vom Dienst suspendiert wurde. Danach wurde er einer der ersten taz-Mitarbeiter, schaffte die Wende zur FAZ und darf nun seine ehemaligen Genossen in der einst linksliberalen FR zum 40sten Jahrestag von ’68 diffamieren.
Es sieht so aus, als ob nicht wenige FR-LeserInnen, die - anders als Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und Götz Aly - ihren Ideen von damals treu geblieben sind, auf dessen Artikel mit der Überschrift „Machtübernahme - Die Väter der 68er“ reagieren werden. Aus dem Kreis der Veranstalter des Kölner Projekts „’68 – 2008 - Und weiter! Und weiter!!!“, zu dem unsere LeserInnen über den hier rechts stehenden Link mehr erfahren, haben wir jedenfalls schon von ersten Abo-Abbestellungen gehört.
Übrigens: Vielleicht guckt Götz Aly, wenn er von diesem Kommentar zu seinem FR-Artikel erfährt, mal in die NRhZ. Dann kann er sich in dem hier nebenan stehenden Künstlervideo mal anschauen, an welche Verbrechen der 33er man unter der Regierung Kohl lieber nicht mehr erinnern wollte. (PK)
Online-Flyer Nr. 132 vom 06.02.2008
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Historiker Götz Aly zur außerparlamentarische Opposition:
Die ’68er waren wie die ’33er!
Von Peter Kleinert
Götz Aly - „Erinnerungen“ an die ’68er und die ’33er
Quelle: Fritz Bauer-Institut
Für die Beseitigung des „Systems“
„Die totalitäre Sprache und der Hang zum gewalttätigen Aktionismus, die sich in den Sätzen von Rabehl und Dutschke äußern“ - so der 2005/2006 am Fritz Bauer-Institut wirkende Gastprofessor Dr. Götz Aly nun in der FR - „fielen nicht wenigen kritischen Geistern 1967/68 sofort auf. Als Berliner Studenten unmittelbar nach dem Tod von Benno Ohnesorg zum Zeichen ihres Entsetzens Springer-Zeitungen verbrannten, kommentierte Joachim Fest [bald danach Hitler-Biograph und Mitherausgeber der FAZ, PK]: „Fatale Erinnerungen beunruhigen die extremen Gruppen nicht - ihr politisches Bewusstsein wähnt sich im Stande der Unschuld. Sie plädieren für die Beseitigung dessen, was sie (wiederum ganz unschuldig) das ‚System' nennen.“
Rudi Dutschke - ruft zur Beseitigung des „Systems“ auf
Foto: Günter Zint – Panfoto
Dass Rudi Dutschke und andere ’68er mit dem „System“ im Gegensatz zu den Nazis und Fest den Kapitalismus und dessen Politiker meinten, unterschlägt der FR-Autor vorsichtshalber. Das gelang ihm schon 2005 in seinem damals von FAZ und Springers Welt hochgelobten Buch „Hitlers Volksstaat“, mit dem er sich klar gegen Max Horkheimers Ausspruch von 1939 stellte, wonach, „wer vom Kapitalismus nicht reden will, auch vom Faschismus schweigen“ soll.
Gegen die „Scheiß-Liberalen“
Das wäre von Buchautoren wie Professor Aly natürlich zu viel verlangt, weiß er doch, wie werbewirksam es in den üblichen Medien sein kann, die ’68er mit denen von ’33 gleichzusetzen - zum Beispiel so: „Die Mehrheit der 33er-Studenten litt an tiefer Unsicherheit. Wenn überhaupt, waren ihre Väter geschlagen, demoralisiert oder verkrüppelt aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt. Der schwache materielle und ideelle Familienhintergrund ließ sie empfänglich werden für die falschen Verlockungen des Kollektivs. Sie feierten den Abschied vom bürgerlichen Individualismus und sahen sich im "Übergang von der Ich-Zeit zur Wir-Zeit". Eben deshalb sei "die letzte Lebensfrist des Liberalismus abgelaufen"; nun komme es darauf an, diesem unklaren, antiutopischen Denken "endgültig den Garaus zu machen" (Die 68er hatten es ebenfalls auf die "Scheiß-Liberalen" abgesehen).“ Warum sie dann nur Springer-Häuser belagerten und nicht auch die „scheiß-liberalen“ Verlage, lässt der Historiker offen.
Beate Klarsfeld ohrfeigt Bundeskanzler Kiesinger auf dem CDU-Parteitag - 7. November 1968 | Quelle: www.workpage.de
Blockade des Kölner MDS-Verlags
Nicht mitbekommen hat er wohl, dass ’68er auch Demonstrationen und eine nächtliche Blockade vor der Druckereiausfahrt des liberalen Verlags M. DuMont Schauberg veranstalteten, der inzwischen die Kapitalmehrheit bei der FR besitzt. MDS verdiente damals nämlich am Druck einer Teilauflage der Bild-Zeitung. Wie das Problem gelöst wurde, erfuhren wir zu Beginn von Götz Alys „Feierlichkeiten“ für ’die 68er, am 15. Juni 2007 im Kölner Stadt-Anzeiger: „Dem couragierten Auftreten des Verlegers Alfred Neven DuMont, der sich für die Reformideen der Studentenbewegung aufgeschlossen zeigte, war es zu verdanken, dass es zu keinen größeren Auseinandersetzungen kam: Er stellte sich einer Diskussion mit den Demonstranten. Einerseits gab er bekannt, den Druckauftrag zu erfüllen; andererseits werde der Verlag nicht - wie von Springer angesichts der Blockade seiner Druckhäuser in Essen und Frankfurt verlangt - mehr Exemplare drucken, als ausgehandelt sei.“ Dass Springer bald darauf den Druckauftrag ins ursprünglich sozialdemokratische Kölner Druckhaus Deutz verlegte und Honorarprofessor Alfred Neven für die Reformideen der Studentenbewegung nicht mehr so aufgeschlossen ist, erfahren wir aus dem KStA-Artikel nicht, wohl aber durch den Auftritt von Götz Aly in seiner FR.
Alfred Neven DuMont - damals „aufgeschlossen für die Studentenbewegung“, heute für Götz Aly | Quelle: NRhZ-Archiv
Sogar Mitglied der Roten Hilfe
Der Professor verliert übrigens in seinem totalitarismustheoretischen, dem kapitalen Souverän dienenden Beitrag kein Wort darüber, dass er selbst zu den ’68ern gehörte, denen er nun „totalitäre Sprache“ und „Hang zum gewalttätigen Aktionismus“ vorwirft. Kein Wort darüber, dass er seit 1968 - also unter der Kanzlerschaft seines von Beate Klarsfeld geohrfeigten Kronzeugen Kiesinger - in Berlin Geschichte und politische Wissenschaften studierte, nach seinem Studium ab 1973 als Heimleiter in Berlin-Spandau arbeitete und dort wegen seiner politischen Haltung - er war sogar Mitglied der Roten Hilfe - infolge des Radikalenerlasses für ein Jahr vom Dienst suspendiert wurde. Danach wurde er einer der ersten taz-Mitarbeiter, schaffte die Wende zur FAZ und darf nun seine ehemaligen Genossen in der einst linksliberalen FR zum 40sten Jahrestag von ’68 diffamieren.
Es sieht so aus, als ob nicht wenige FR-LeserInnen, die - anders als Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und Götz Aly - ihren Ideen von damals treu geblieben sind, auf dessen Artikel mit der Überschrift „Machtübernahme - Die Väter der 68er“ reagieren werden. Aus dem Kreis der Veranstalter des Kölner Projekts „’68 – 2008 - Und weiter! Und weiter!!!“, zu dem unsere LeserInnen über den hier rechts stehenden Link mehr erfahren, haben wir jedenfalls schon von ersten Abo-Abbestellungen gehört.
Übrigens: Vielleicht guckt Götz Aly, wenn er von diesem Kommentar zu seinem FR-Artikel erfährt, mal in die NRhZ. Dann kann er sich in dem hier nebenan stehenden Künstlervideo mal anschauen, an welche Verbrechen der 33er man unter der Regierung Kohl lieber nicht mehr erinnern wollte. (PK)
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