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Krieg und Frieden
Brigitte Kraemer begleitete junge Kriegsopfer im Friedensdorf Oberhausen
Lachen lernen – Kinder als Kriegsopfer
Von Anneliese Fikentscher
„Abschied"
„Eine vernünftige Erklärung, warum Länder und Völker gegeneinander Krieg führen sollten, gibt es nicht und kann es nicht geben“, sagte bereits Leo Tolstoi. Doch dass Kriege entsetzliche Wirklichkeit sind mit rücksichtslosen Betreibern, erkannte der Gründer des ersten Internationalen Anti-Kriegs-Museums in Berlin, Ernst Friedrich. „Krieg dem Kriege“ wurde zu Friedrichs weltberühmter Publikation. Sein Museum, in dem er die Schrecken der verwundeten und entstellten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg in Fotografien ausstellte, wurde 1933 durch die SA zerstört. Da aber saß Friedrich bereits drei Jahre lang wegen „Agitation“ zum Frieden im Gefängnis.
Bei Friedrich waren es Bilder verstümmelter und zu menschlicher Unkenntlichkeit entstellte Soldaten, die er seinen Mitmenschen als warnendes Fanal präsentierte, um sie von jeglicher Kriegsbegeisterung zu kurieren. Bei der Fotografin Brigitte Kraemer sind es die unschuldigsten Opfer, die ein Krieg treffen kann – Kriege, vorgeblich geführt aus humanitären Gründen. Bevor sie 2004 über mehrere Monate die Arbeit und das Leben im Friedensdorf fotografierte und daraus eine große Reportage für der STERN entstand, war Kraemer mit der Journalistin Ulrike Posche schon einmal dort. Damals kamen die ersten „Frachten“ aus Afghanistan – der „Krieg gegen den Terror“ hatte begonnen und produzierte seine Opfer.
Ismael aus Afghanistan
„Wochenlanger Bombenhagel auf das bereits weitgehend zerstörte Land stürzt die afghanische Bevölkerung erneut in Not, Angst und Schrecken. Friedensdorf International startet im Dezember einen großen Afghanistan-Sondereinsatz, bringt 90 Tonnen Hilfsgüter zu der Not leidenden Bevölkerung nach Kabul und holt verletzte Kinder zur Behandlung nach Deutschland“, heißt es in der Chronologie des Friedensdorfes, das 1967 von der „Aktion Friedensdorf“ genannten Bürgerinitiative gegründet wurde. Anlass war der Sechs-Tage-Krieg Israels. Die ersten Hilfsbedürftigen kamen aber nicht, wie vorgesehen, aus dem Nahen Osten, sondern aus Vietnam.
Eine Reportage der beiden Frauen für das „Lifestyle-Magazin“ MAX, die kurz vor Weihnachten 2001 erschien, brachte dem Friedensdorf Spendengelder in sechsstelliger Höhe. Das ermöglichte es Brigitte Kraemer noch einmal, über einen längeren Zeitraum und weitgehend ungehindert im Friedensdorf mit den Kindern auf ihre Weise arbeiten zu können. Inzwischen hatte sie sich um ein Stipendium bei der VG Bild Kunst beworben, das ihr für ein halbes Jahr 6000 Euro zusicherte.
Sie brauche für ihre Arbeit Zeit, viel Zeit: „Zeit. Ja, das ist vielleicht das Wichtigste, wenn man Menschen fotografieren will, die ganz bei sich sind. Ohne vordergründige Pose, ohne aufgesetztes Lächeln, ohne eine aufwendige Inszenierung mit Licht und Hintergrund“, schrieb sie einmal über ihr Projekt „So nah – so fern“, dass sie von 1985-1999 mit vertrauten Portraits türkischer Mitbürger im Ruhrgebiet als Dauer- und Langzeitbeobachtung anlegte. Es bilden sich vertraute Kontakte: „Längst haben sie vergessen, dass ich eigentlich Fotografin bin. Wenn ich zwischendurch auf den Auslöser meiner Leica drücke, wird das kaum beachtet.“
Mohammad und Ferdaws aus Afghanistan
Bei den Kindern im Friedensdorf war es oft anders, und das unbemerkte Arbeiten war weitaus schwieriger. Stets sprangen ihr die kleinen Patienten auf den Schoß und ins Bild. Denn mit der Zeit wurden die Kinder wieder Kinder und – sofern ihr Zustand das zuließ – selbstsicherer und fröhlicher. So nannte Balbina aus Angola sich selbst „die Kuh“, weil die nachwachsende pigmentfreie Haut auf ihrer Stirn als weiße Flecken sichtbar wird. Anders ist die Situation bei Mohammad und Ferdaws. Als sei die Fotografin unsichtbar, lassen die Neuankömmlinge ihren ängstlichen Blicken freien Lauf.
Friedensdorf Report 67:
„Auf ein neues Leben" Text aus
Sternreportage mit Fotos
www.friedensdorf.de
Erst nach einem dreiviertel Jahr mit durchschnittlich drei Tagen Aufenthalt im Dorf fing Kraemer mit der Dunkelkammerarbeit an, begann die Fotos im eigenen Labor zu vergrößern. Zusammen mit dem STERN–Autor Kuno Kruse entstand eine umfangreiche Bildreportage, die neben den anderen fast wie ein Feigenblatt wirkt. Wieder flossen die Spenden. Brigitte Kraemer wird für den Henry-Nannen-Preis nominiert, aber den erhielt ein anderer Fotograf für eine Reportage über Christen in China. Die aufwendige Gala zur Verleihung erschien ihr völlig unangemessen zu den Preisgeldern für Bildautoren, die oft eine Arbeit machen, die niemand bezahlt.
Für das Foto mit dem einbeinigen, Fußball spielenden Franzesco, wurde Brigitte Kraemer mit einem Fotopreis des Jahres 2004, dem „LeadAward in Gold“ ausgezeichnet. Im Rahmen des Hansel-Mieth-Preises erhielt sie eine Auszeichnung im Zusammenhang mit der Sternreportage „Auf ein neues Leben“. (CH)
Franzesco aus Angola | Alle Fotos: Brigitte Kraemer
Balbina aus Angola
Geburtstagsfeier
Madinah aus Afghanistan
Mojtabe | Alle Fotos: Brigitte Kraemer
Brigitte Kraemer
“Friedensengel
Kriegsverletzte Kinder im Friedensdorf International.“
Bildband lieferbar, erschienen am 01.04.2004
80 Seiten, zahlr. Abb., € 22,90
ISBN 978-3-89861-293-7
www.Klartext-verlag.de
(mehrere Titel von B.K., auch in Planung)
Online-Flyer Nr. 138 vom 19.03.2008
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Krieg und Frieden
Brigitte Kraemer begleitete junge Kriegsopfer im Friedensdorf Oberhausen
Lachen lernen – Kinder als Kriegsopfer
Von Anneliese Fikentscher
„Abschied"
„Eine vernünftige Erklärung, warum Länder und Völker gegeneinander Krieg führen sollten, gibt es nicht und kann es nicht geben“, sagte bereits Leo Tolstoi. Doch dass Kriege entsetzliche Wirklichkeit sind mit rücksichtslosen Betreibern, erkannte der Gründer des ersten Internationalen Anti-Kriegs-Museums in Berlin, Ernst Friedrich. „Krieg dem Kriege“ wurde zu Friedrichs weltberühmter Publikation. Sein Museum, in dem er die Schrecken der verwundeten und entstellten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg in Fotografien ausstellte, wurde 1933 durch die SA zerstört. Da aber saß Friedrich bereits drei Jahre lang wegen „Agitation“ zum Frieden im Gefängnis.
Bei Friedrich waren es Bilder verstümmelter und zu menschlicher Unkenntlichkeit entstellte Soldaten, die er seinen Mitmenschen als warnendes Fanal präsentierte, um sie von jeglicher Kriegsbegeisterung zu kurieren. Bei der Fotografin Brigitte Kraemer sind es die unschuldigsten Opfer, die ein Krieg treffen kann – Kriege, vorgeblich geführt aus humanitären Gründen. Bevor sie 2004 über mehrere Monate die Arbeit und das Leben im Friedensdorf fotografierte und daraus eine große Reportage für der STERN entstand, war Kraemer mit der Journalistin Ulrike Posche schon einmal dort. Damals kamen die ersten „Frachten“ aus Afghanistan – der „Krieg gegen den Terror“ hatte begonnen und produzierte seine Opfer.
Ismael aus Afghanistan
„Wochenlanger Bombenhagel auf das bereits weitgehend zerstörte Land stürzt die afghanische Bevölkerung erneut in Not, Angst und Schrecken. Friedensdorf International startet im Dezember einen großen Afghanistan-Sondereinsatz, bringt 90 Tonnen Hilfsgüter zu der Not leidenden Bevölkerung nach Kabul und holt verletzte Kinder zur Behandlung nach Deutschland“, heißt es in der Chronologie des Friedensdorfes, das 1967 von der „Aktion Friedensdorf“ genannten Bürgerinitiative gegründet wurde. Anlass war der Sechs-Tage-Krieg Israels. Die ersten Hilfsbedürftigen kamen aber nicht, wie vorgesehen, aus dem Nahen Osten, sondern aus Vietnam.
Eine Reportage der beiden Frauen für das „Lifestyle-Magazin“ MAX, die kurz vor Weihnachten 2001 erschien, brachte dem Friedensdorf Spendengelder in sechsstelliger Höhe. Das ermöglichte es Brigitte Kraemer noch einmal, über einen längeren Zeitraum und weitgehend ungehindert im Friedensdorf mit den Kindern auf ihre Weise arbeiten zu können. Inzwischen hatte sie sich um ein Stipendium bei der VG Bild Kunst beworben, das ihr für ein halbes Jahr 6000 Euro zusicherte.
Sie brauche für ihre Arbeit Zeit, viel Zeit: „Zeit. Ja, das ist vielleicht das Wichtigste, wenn man Menschen fotografieren will, die ganz bei sich sind. Ohne vordergründige Pose, ohne aufgesetztes Lächeln, ohne eine aufwendige Inszenierung mit Licht und Hintergrund“, schrieb sie einmal über ihr Projekt „So nah – so fern“, dass sie von 1985-1999 mit vertrauten Portraits türkischer Mitbürger im Ruhrgebiet als Dauer- und Langzeitbeobachtung anlegte. Es bilden sich vertraute Kontakte: „Längst haben sie vergessen, dass ich eigentlich Fotografin bin. Wenn ich zwischendurch auf den Auslöser meiner Leica drücke, wird das kaum beachtet.“
Mohammad und Ferdaws aus Afghanistan
Bei den Kindern im Friedensdorf war es oft anders, und das unbemerkte Arbeiten war weitaus schwieriger. Stets sprangen ihr die kleinen Patienten auf den Schoß und ins Bild. Denn mit der Zeit wurden die Kinder wieder Kinder und – sofern ihr Zustand das zuließ – selbstsicherer und fröhlicher. So nannte Balbina aus Angola sich selbst „die Kuh“, weil die nachwachsende pigmentfreie Haut auf ihrer Stirn als weiße Flecken sichtbar wird. Anders ist die Situation bei Mohammad und Ferdaws. Als sei die Fotografin unsichtbar, lassen die Neuankömmlinge ihren ängstlichen Blicken freien Lauf.
Friedensdorf Report 67:
„Auf ein neues Leben" Text aus
Sternreportage mit Fotos
www.friedensdorf.de
Für das Foto mit dem einbeinigen, Fußball spielenden Franzesco, wurde Brigitte Kraemer mit einem Fotopreis des Jahres 2004, dem „LeadAward in Gold“ ausgezeichnet. Im Rahmen des Hansel-Mieth-Preises erhielt sie eine Auszeichnung im Zusammenhang mit der Sternreportage „Auf ein neues Leben“. (CH)
Franzesco aus Angola | Alle Fotos: Brigitte Kraemer
Balbina aus Angola
Geburtstagsfeier
Madinah aus Afghanistan
Mojtabe | Alle Fotos: Brigitte Kraemer
Brigitte Kraemer
“Friedensengel
Kriegsverletzte Kinder im Friedensdorf International.“
Bildband lieferbar, erschienen am 01.04.2004
80 Seiten, zahlr. Abb., € 22,90
ISBN 978-3-89861-293-7
www.Klartext-verlag.de
(mehrere Titel von B.K., auch in Planung)
Online-Flyer Nr. 138 vom 19.03.2008
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