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Wie M. DuMont Schauberg mit der Frankfurter Rundschau umgeht
Und was sagt die SPD dazu?
Von Peter Kleinert

„Die Einheit des Betriebs bleibt gewahrt.“ Es gibt „kein Outsourcing. Und alles, was wir tun, wird in Übereinstimmung mit den Tarifverträgen geschehen.“ – So ließ sich am 22.11.2005 Karl-Heinz Kroke als neuer Geschäftsführer des Verlags der Frankfurter Rundschau von der FAZ zitieren. Ein halbes Jahr später übernahm die Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg (MDS) die Kapitalmehrheit bei der FR, und deren Sprecher Heinz Kiegeland kündigte in der Financial Times Deutschland eine andere Perspektive an: „Wir müssen auf der Kostenseite noch sehr viel tun." Jüngstes Ergebnis: Kroke hat doch die Gründung einer Outsourcing-Firma namens FR-Design GmbH angekündigt und im Zusammenhang damit die ersten Redakteure „freigestellt“. Die mussten vergangenen Mittwoch Arbeitsplätze und FR-Haus verlassen.
Neven DuMonts Mann in Frankfurt
 
Kein Wunder: Seit dem 1. Mai ist nämlich bei der FR für den neuen Arbeitsbereich Unternehmensentwicklung und Neue Märkte Andreas Terstiege zuständig, der in Personalunion gleichzeitig Unternehmenssprecher wurde. Terstiege, Chef vom Dienst beim "Kölner Stadt-Anzeiger", bevor er nach der Mehrheitsübernahme durch MDS in Frankfurt eingesetzt wurde, soll sich außerdem um die Entwicklung crossmedialer Angebote für Verlag und Redaktion und die Fortentwicklung von „Synergien“ mit MDS kümmern. Außerdem soll er neue „Erlösfelder“ erschließen.
 
Damit versuchte Terstiege sich bereits fast ein Jahr als Chef vom Dienst und Geschäftsführender Redakteur bei der Umstellung der FR auf das umstrittene Tabloid-Format. Mit ermutigenden Worten von Alfred Neven DuMont, der im Zusammenquetschen der FR auf etwa DIN-A-3-Größe gegenüber dpa die Chance für einen „wunderbaren Neuanfang“ sah. Neven: „Es geht darum, dieser Zeitung einen neuen, jüngeren und unverwechselbaren Klang zu ­geben. Und da kommt das Tabloid-Format wie gerufen.“ Den in NRhZ 145 geäußerten Verdacht eines ver.di-Vertrauensmannes, dass diese Umstellung der FR nur erhebliche Kosten und keine Steigerung, sondern möglicherweise einen Rückgang der Auflage eingebracht habe, bestätigt, dass Neven selbst Ende 2006 das erfolglose Tabloid-Format bei der „Direkt“-Ausgabe seines Kölner Stadt-Anzeiger nach zwei Jahren Misserfolg stoppen ließ.
 
„Tabloid-Format? Schrecklich!“
 
„Die FR gibt es nun im Tabloid-Format. Wie finden Sie das?“ fragte ein Mitarbeiter der ver.di-Zeitschrift MENSCHEN MACHEN MEDIEN die Medienwissenschaftlerin Brigitte Huhnke. Deren Antwort: „Schrecklich! Dafür musste wieder ein imaginäres Leseverhalten herhalten. Doch die FR-Redaktion hatte nicht den Mut, sich gegen die Vorgaben des neuen Eigentümers, den Kölner Zeitungskonzern M. DuMont Schauberg, zu wehren. Die FR hat so wahrscheinlich kaum eine Zukunft.“ Und dank Terstieges „Synergien“-Konzept zugunsten MDS würden sich, so der Frankfurter ver.di-Kollege, die Kölner nun sogar „Buchhaltung und Controlling“ des FR-Verlags „unter den Nagel reißen“, damit nicht nur ihre eigenen Abteilungen besser auslasten, sondern auch „direkten Zugang zu allen wirtschaftlichen Vorgängen bei uns“ bekommen. Außerdem würden allein dadurch 16 Mitarbeiter in Frankfurt ihren Arbeitsplatz verlieren.   

Die FR-Design GmbH dürfte nur die erste Outsourcing-Firma sein, mit denen man ganz aus den Branchentarifen für Druckindustrie und Zeitungsverlage aussteigen will. Sie soll ab Juli für die Bereiche Infografik, Layout, Bild, technische Redaktion und Produktionssteuerung zuständig sein. Auch FR-Chefredakteur Uwe Vorkötter hat die Bildung dieser Tochtergesellschaft verteidigt, weil sich der Verlag die branchenüblichen Tarife nicht mehr leisten könne. Für die FR-Außenredaktionen im Rhein-Main-Gebiet schweben Vorkötter ebenfalls Ausgründungen mit dem Ziel "kleiner Regionalverlage" vor, bei denen der Tarifvertrag für Redakteure an Tageszeitungen nicht gelten soll.


Demo
Protest gegen Zerschlagung der Frankfurter Rundschau
Fotos: NRhZ-Archiv


In einer spontanen Versammlung, an der etwa 50 Redaktionsmitglieder teilnahmen, kam es nach dem Bekanntwerden der vom Kölner Mehrheitsgesellschafter und seiner Frankfurter Geschäftsführung vollzogenen ersten Kündigungen im Zusammenhang mit dem geplanten Outsourcing zu heftigen Protesten. Die FR-RedakteurInnen erklärten, dass sie die beiden Gekündigten nach wie vor als Mitglieder der Redaktion betrachten. Beide seien erfahrene und qualifizierte KollegenInnen, deren Entlassung durch Kroke unverschämt sei. Personalchef Michael Braun entdeckte nach diesem Vorwurf in einer spontanen Informationsveranstaltung des Betriebsrats seine besonders humane Ader. Er rechtfertigte das Vorgehen der Geschäftsleitung mit dem Hinweis, man habe doch versprochen, den Kollegen bis zum Mai zu sagen, ob sie in der neuen FR-Design GmbH weiter beschäftigt würden. Sofort freigestellt habe man die Gekündigten, weil man sie nicht ohne Zukunftsperspektive "auf so engem Raum" weiter mit den anderen zusammenarbeiten lassen wolle. „Wirtschaftliche Überlegungen“ wären dabei, wie man sehen könne, zweitrangig gewesen. Schließlich werde man ihnen noch bis November ihre Gehälter zahlen.
 
Zerschlagung zugunsten von MDS?
 
In FR-Redaktion im Colosseo Sachsenhausen und am Druckstandort Neu-Isenburg entwickelt sich immer mehr Widerstand gegen soviel Humanität. „Die Unmutsbekundungen im Desk-Raum am 7. Mai im 3. Stock im Colosseo dauerten fast eine Stunde. Daraus sollten die Chefredaktion der Frankfurter Rundschau und die Geschäftsführung den richtigen Schluss ziehen. Es war ein deutlicher Hinweis auf den Grad der Wut und des Zorns, aber vielleicht auch ein Gradmesser dafür, auch in der Redaktion nicht mehr alles hinzunehmen“, heißt es im aktuellen Hessen-Newsletter der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in der Gewerkschaft ver.di. Und der 1. Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes Hessen, Hans U. Heuser, ist fest überzeugt: „Wer auf diese Weise versucht, die wirtschaftliche Situation des Verlages und der "Rundschau" zu verbessern, nimmt dessen Zerschlagung bzw. deren Niedergang in Kauf." Vor allem bezweifelt Heuser, dass die aktuellen Maßnahmen dem Qualitätsanspruch der Redaktionen und der Leser gerecht werden.


Aufsichtsratsvorsitzender Alfred Neven DuMont –  Kollege Wolfgang Clement
Fotos: NRhZ-Archiv


Gespannt darf man sein, was die SPD-eigene Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) und die Karl Gerold-Stiftung, die zusammen ja immer noch 50 Prozent minus einer Aktie am Druck- und Verlagshaus Frankfurt halten, zum Vorgehen des Kölner Medienkonzerns und seiner Frankfurter Geschäftsführer sagen werden. Vielleicht kommen sie ja auf die Idee, dass MDS die ursprünglich mal linke FR gezielt so weit runterwirtschaften will, bis sie ihm ihre Anteile am Ende schenken? Immerhin ist ja Wolfgang Clement kurz nach der FR-Übernahme von Alfred Neven DuMont in den MDS-Aufsichtsrat geholt worden. (PK)

Online-Flyer Nr. 146  vom 14.05.2008

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