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Lokales
Aktionstag Kölner Studenten gegen „Hochschulrat" und Kapital-Akademie
Rebellion liegt in der Luft
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Mit einem „Aktionstag" wollten einige hundert StudentInnen am 21. Mai die Senatssitzung „begleiten", auf der ursprünglich die Zusammensetzung des für Köln geplanten Hochschulrats mit gebührender akademischer Gravität verkündigt werden sollte. Doch der „Senat", bislang das höchste Leitungsgremium der Universität, nahm von dieser Proklamation seiner eigenen Entmachtung zunächst Abstand. Diese Terminabsetzung konnte die StudentInnen an ihrem Aktionstag freilich nicht bremsen.
Denn nach wie vor soll sich der sogenannte Hochschulrat am 29. Mai konstituieren. Und wer dann die Richtlinien für Forschung und Lehre an dieser Universität ausgeben wird, ist auch ohne vorheriges Verkündungsritual schon bekannt. Unter anderem ein Herr von der Deutschen Bank (Hermann-Josef Lamberti) und einer vom BAYER-Konzern (Richard Pott).
Opus-Dei-Skandal
Die zunächst auch vorgesehene „Dombaumeisterin" Schock-Werner wurde zwischenzeitlich offenbar durch eine andere Dame ersetzt, was damit zusammenhängen mag, daß ihre enge Verbindung mit der reaktionär-klerikalfaschistischen Loge Opus Dei bekannt geworden war. Diese Vereinigung, 1928 in Spanien gegründet, unterstützte das Franco-Regime und nahm seit Pius XI. auf die Vatikanpolitik erheblichen Einfluß. Ihr Gründer Escrivar wurde zum Lohn vom verewigten Papst Johannes Paul II. 2002 heilig gesprochen. Dem gegenwärtigen Stuhlinhaber Ratzinger wird ebenfalls eine enge Anbindung an Opus Dei nachgesagt. Der taktische Rückzug der Opus-Dei-Vertreterin aus dem vorgesehenen Kölner Hochschulrat muß freilich nicht viel bedeuten: Der Orden zieht abgeschottetes, aber um so wirksameres Rödeln hinter den Kulissen jeglicher Öffentlichkeit, geschweige denn „demokratischem Diskurs", ohnehin vor.
Kommandierte Wissenschaft - verbotene Wissenschaft?
Neben der direkten Kommandogewalt, von Stellvertretern demokratisch nicht legitimierter Kapital- und Ideologieinteressen auf die Sach- und Personalpolitik der Hochschule drängt sich, gerade angesichts einer so urdemokratischen „Einflußkraft" wie Opus Dei, noch eine weitere Fatalität des Konstrukts „Hochschulrat" auf. Die Frage nämlich, ob es an dieser Universität - so weit zum Beispiel dort historische Forschung und geschichtswissenschaftliche Publikation betrieben wird - überhaupt möglich sein kann, sich eben mit Opus Dei, dem BAYER-Konzern oder der Deutschen Bank zu befassen. Was würde herauskommen, wenn ein Kölner Universitätsökonom plötzlich eine banken- und konzernkritische Neigung entdecken würde und etwa ein Forschungsprojekt über die Beteiligungspolitik der Deutschen Bank und/oder deren politische Einflußnahmen auflegen würde? Könnte derlei an der Kölner Universität noch stattfinden, unter dem Dirigat eines wesentlich von der Deutschen Bank kommandierten „Hochschulrates"?
Dies alles vor Augen, versuchten die Studenten nun den Aufruf umzusetzen: „Am 21. Mai holen wir uns die Uni zurück!“
Gegenreform: Widerruf von ’68
Auf einer Vollversammlung wurden die kampfbereiten StudentInnen zunächst einmal theoretisch aufgerüstet. Pinkwarts „unternehmerische" Hochschule wurde als rein kapitalhörige Drillanstalt entlarvt: das zynischerweise so genannte „Hochschulfreiheitsgesetz" garantiere lediglich die unbeschränkte Freiheit des Kapitals, die Hochschulen in Dienst zu nehmen. Die „Freiheit" von Forschung und Lehre reduziere sich auf „Hand- und Kopflangerei" für Konzerne, studentische Freiheit weiche einem System von Dirigismus und Totalkontrolle; Ziel sei das ratzfatz funktionierende Durchstudieren auf ein wirtschaftskompatibel „gestyltes" Qualifikationsprofil hin.
Demokratie an der Hochschule - schon lange her
Fast noch schlimmer als bei der alten Ordinarienuniversität werde jede Gremienbeteiligung der Studierenden, aber auch des „Lehrkörpers" und der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter beseitigt und durch ein exklusives Konzil aus dem Milieu wirtschaftsnaher Eliten ersetzt. Mit welchen Folgen, zeigte sich z.B. in Darmstadt. An der dortigen TU übte der Hochschulrat seine Allgewalt durch diktatorische Einführung von Studiengebühren aus - alle entgegenstehenden „Beschlüsse" anderer Universitätsgremien einschließlich Senat, Vollversammlung und Präsidium - fegte der Geheim-Rat achtlos vom Tisch. Solch feudalistische Zustände hätte der „Liberale" Pinkwart, Hochschulminister des vermeintlich linkslastigen Arbeiterführers Jürgen Rüttgers, auch in NRW gern eingeführt. Seine „unternehmerische Hochschule" stelle einen offen provozierenden „Widerruf der Teildemokratisierung von und nach 68" dar, meinte eine studentische Aktivistin in einer beifallumtosten kämpferischen Rede auf der Vollversammlung.
Öffnung der Hochschulen - nach "unten"!
„Dieser Unfug funktioniert freilich nur, wenn es viele Menschen gibt, die mitmachen." Konsequenz daraus natürlich: Verweigerung und Widerstand. Denn: „Diese Gegenreform verträgt zweierlei nicht: nämlich Kritik und Solidarität." Das sei nicht nur für die Universität wichtig, sondern für die Gesellschaft insgesamt, jenseits des Kapitalinteresses. „Wenn bei VWL und BWL - wo beispielsweise die ’Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft’, vulgo Bertelsmann & Co., schon massiv vertreten ist, rauf und runter gepredigt wird, daß Schuld an den sozialen Verwerfungen die Gewerkschaften seien, dann hat das natürlich auch direkte Folgen für die Leute draußen", meinte die Rednerin. Zu fordern sei schon deswegen durchaus eine „Öffnung der Hochschulen", aber eine andere, als sie neoliberale Ideologen und Kapitalvertreter anstrebten.
Ein Hauch von '68?
Die Folgen der Konzepte à la Bertelsmann und Co. zeigen sich jetzt schon an der Kölner Universität. Mit der Einführung von Studiengebühren sei deutlich eine soziale Selektion angestrebt - und in Köln teilweise auch erreicht worden. 2.000 StudentInnen hätten hier unter dem ökonomischen Druck der Studiengebühr das Studium bislang bereits abgebrochen. Überhaupt solle soziale Pression zu einem „gehetzten oberflächlichen Studium" anleiten; Reflektion, kritische Methoden- und Inhaltsdiskurse und ähnlich nutzloses Zeugs seien unerwünscht.
Durch Druck und Konditionierung sollten die Studierenden, wenn sie die Gebühr überhaupt bezahlen könnten, verinnerlichen: „Das Höchste, was du erreichen kannst, ist, durch umfassende Anpassung einen Job zu ergattern. Für dich und gegen alle anderen. Doch gegen diese Kontrolle und Dressur organisieren wir jetzt Hochschuldemokratie", so ein weiterer studentischer Redner und zugleich Stimmungs- und Beschlußlage der protestierenden StudentInnen.
Rückkehr des „Muff von tausend Jahren"
Widerstand wieder entdecken
Für Rückgewinnung demokratischen Terrains gibt es neben den Protesterfolgen z.B. in Bonn auch von weiter her anscheinend ermutigende Zeichen. In Frankfurt am Main etwa laufen universitätsinterne Diskussionen, von dem GmbH-Modell und der autoritären Durchstrukturierung doch wieder abzugehen. Denn so könne man „zwar ein Militärregime organisieren, nicht aber eine Hochschule", befand Aktivist Dieter Asselhoven.
In unüberbietbarem Kontrast zu Kasernenhof und Drillananstalt verwandelten die StudentInnen an diesem protestfreundlichen Sonnentag Vorplatz und Universitätsfoyer allerdings in ein klassisches fast 68er-Ambiente aus lautstarker Aktion, lehrreicher Agitation, einst „teach-in" genannt, und open-air-festival. Eine Fraktion schließlich besetzte das Rektorat, eine andere veranstaltete vor dessen Eingang ein tadelloses Sit-in wie zu Rudis Zeiten.
Pinkwarts schöne neue Uni-Welt
So schienen die Sphären aufeinander zu stoßen, denn einen sinnfälligen Kommentar zu diesem Aktionstag bildeten die mannshohen Werbetafeln, mit denen das Universitäts-Hauptgebäude geradezu durchgepflastert ist. Statt Demoaufrufen Schickimicki-Parolen wie „Dein Style gewinnt", ja statt Vortragsankündigungen zur Relativitätstheorie einfache Grunderkenntnisse postmoderner Erfolgsmathematik: "Karriere ist eine Gerade". Mit diesen Werbeflächen, so wollen gewöhnlich gut unterrichtete Kreise wissen, nehme die Universität vierhunderttausendnochwas Euro pro Jahr ein. Doch symbolisierten sie gerade an diesem Tag quasi einen Vorschein auf Pinkwarts Schöne Neue Uni-Welt. In der Tat könnte man meinen, in einer Werbeagentur oder mindestens in einer Wirtschaftsakademie gelandet zu sein statt in einer Hochschule mit 620jähriger Tradition.
Studien-Leitbilder wie die Werbung sie gern hätte Fotos: Hans-Detlev von Kirchbach
Die aalglatten, durchgestylten Werbe-Leitbilder konsum-und karrierefixierter BWL-Yuppies, kommen jedenfalls Pinkwarts Ziel eines „Mentalitätswechsels" an den Hochschulen schon sehr nahe. Ob die der Mehrheit der StudentInnen eher entsprechen oder ob diesen doch die „kritische Masse" dieses Aktionstages näher liegt - auch daran wird es liegen, ob der „kapitale" Angriff auf die Hochschulfreiheit erfolgreich abgewehrt werden kann.
Der Aktionstag vom 21. Mai könnte somit eine Ouvertüre für das eigentliche Drama am 29. Mai gewesen sein. Aber nur, wenn der Widerstand auch ausreichend „besetzt“ ist. In diesem Sinne: Vorhang auf! (PK)
Online-Flyer Nr. 147 vom 24.05.2008
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Aktionstag Kölner Studenten gegen „Hochschulrat" und Kapital-Akademie
Rebellion liegt in der Luft
Von Hans-Detlev v. Kirchbach
Mit einem „Aktionstag" wollten einige hundert StudentInnen am 21. Mai die Senatssitzung „begleiten", auf der ursprünglich die Zusammensetzung des für Köln geplanten Hochschulrats mit gebührender akademischer Gravität verkündigt werden sollte. Doch der „Senat", bislang das höchste Leitungsgremium der Universität, nahm von dieser Proklamation seiner eigenen Entmachtung zunächst Abstand. Diese Terminabsetzung konnte die StudentInnen an ihrem Aktionstag freilich nicht bremsen.
Denn nach wie vor soll sich der sogenannte Hochschulrat am 29. Mai konstituieren. Und wer dann die Richtlinien für Forschung und Lehre an dieser Universität ausgeben wird, ist auch ohne vorheriges Verkündungsritual schon bekannt. Unter anderem ein Herr von der Deutschen Bank (Hermann-Josef Lamberti) und einer vom BAYER-Konzern (Richard Pott).
Opus-Dei-Skandal
Die zunächst auch vorgesehene „Dombaumeisterin" Schock-Werner wurde zwischenzeitlich offenbar durch eine andere Dame ersetzt, was damit zusammenhängen mag, daß ihre enge Verbindung mit der reaktionär-klerikalfaschistischen Loge Opus Dei bekannt geworden war. Diese Vereinigung, 1928 in Spanien gegründet, unterstützte das Franco-Regime und nahm seit Pius XI. auf die Vatikanpolitik erheblichen Einfluß. Ihr Gründer Escrivar wurde zum Lohn vom verewigten Papst Johannes Paul II. 2002 heilig gesprochen. Dem gegenwärtigen Stuhlinhaber Ratzinger wird ebenfalls eine enge Anbindung an Opus Dei nachgesagt. Der taktische Rückzug der Opus-Dei-Vertreterin aus dem vorgesehenen Kölner Hochschulrat muß freilich nicht viel bedeuten: Der Orden zieht abgeschottetes, aber um so wirksameres Rödeln hinter den Kulissen jeglicher Öffentlichkeit, geschweige denn „demokratischem Diskurs", ohnehin vor.
Kommandierte Wissenschaft - verbotene Wissenschaft?
Neben der direkten Kommandogewalt, von Stellvertretern demokratisch nicht legitimierter Kapital- und Ideologieinteressen auf die Sach- und Personalpolitik der Hochschule drängt sich, gerade angesichts einer so urdemokratischen „Einflußkraft" wie Opus Dei, noch eine weitere Fatalität des Konstrukts „Hochschulrat" auf. Die Frage nämlich, ob es an dieser Universität - so weit zum Beispiel dort historische Forschung und geschichtswissenschaftliche Publikation betrieben wird - überhaupt möglich sein kann, sich eben mit Opus Dei, dem BAYER-Konzern oder der Deutschen Bank zu befassen. Was würde herauskommen, wenn ein Kölner Universitätsökonom plötzlich eine banken- und konzernkritische Neigung entdecken würde und etwa ein Forschungsprojekt über die Beteiligungspolitik der Deutschen Bank und/oder deren politische Einflußnahmen auflegen würde? Könnte derlei an der Kölner Universität noch stattfinden, unter dem Dirigat eines wesentlich von der Deutschen Bank kommandierten „Hochschulrates"?
Dies alles vor Augen, versuchten die Studenten nun den Aufruf umzusetzen: „Am 21. Mai holen wir uns die Uni zurück!“
Gegenreform: Widerruf von ’68
Auf einer Vollversammlung wurden die kampfbereiten StudentInnen zunächst einmal theoretisch aufgerüstet. Pinkwarts „unternehmerische" Hochschule wurde als rein kapitalhörige Drillanstalt entlarvt: das zynischerweise so genannte „Hochschulfreiheitsgesetz" garantiere lediglich die unbeschränkte Freiheit des Kapitals, die Hochschulen in Dienst zu nehmen. Die „Freiheit" von Forschung und Lehre reduziere sich auf „Hand- und Kopflangerei" für Konzerne, studentische Freiheit weiche einem System von Dirigismus und Totalkontrolle; Ziel sei das ratzfatz funktionierende Durchstudieren auf ein wirtschaftskompatibel „gestyltes" Qualifikationsprofil hin.
Demokratie an der Hochschule - schon lange her
Fast noch schlimmer als bei der alten Ordinarienuniversität werde jede Gremienbeteiligung der Studierenden, aber auch des „Lehrkörpers" und der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter beseitigt und durch ein exklusives Konzil aus dem Milieu wirtschaftsnaher Eliten ersetzt. Mit welchen Folgen, zeigte sich z.B. in Darmstadt. An der dortigen TU übte der Hochschulrat seine Allgewalt durch diktatorische Einführung von Studiengebühren aus - alle entgegenstehenden „Beschlüsse" anderer Universitätsgremien einschließlich Senat, Vollversammlung und Präsidium - fegte der Geheim-Rat achtlos vom Tisch. Solch feudalistische Zustände hätte der „Liberale" Pinkwart, Hochschulminister des vermeintlich linkslastigen Arbeiterführers Jürgen Rüttgers, auch in NRW gern eingeführt. Seine „unternehmerische Hochschule" stelle einen offen provozierenden „Widerruf der Teildemokratisierung von und nach 68" dar, meinte eine studentische Aktivistin in einer beifallumtosten kämpferischen Rede auf der Vollversammlung.
Öffnung der Hochschulen - nach "unten"!
„Dieser Unfug funktioniert freilich nur, wenn es viele Menschen gibt, die mitmachen." Konsequenz daraus natürlich: Verweigerung und Widerstand. Denn: „Diese Gegenreform verträgt zweierlei nicht: nämlich Kritik und Solidarität." Das sei nicht nur für die Universität wichtig, sondern für die Gesellschaft insgesamt, jenseits des Kapitalinteresses. „Wenn bei VWL und BWL - wo beispielsweise die ’Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft’, vulgo Bertelsmann & Co., schon massiv vertreten ist, rauf und runter gepredigt wird, daß Schuld an den sozialen Verwerfungen die Gewerkschaften seien, dann hat das natürlich auch direkte Folgen für die Leute draußen", meinte die Rednerin. Zu fordern sei schon deswegen durchaus eine „Öffnung der Hochschulen", aber eine andere, als sie neoliberale Ideologen und Kapitalvertreter anstrebten.
Ein Hauch von '68?
Die Folgen der Konzepte à la Bertelsmann und Co. zeigen sich jetzt schon an der Kölner Universität. Mit der Einführung von Studiengebühren sei deutlich eine soziale Selektion angestrebt - und in Köln teilweise auch erreicht worden. 2.000 StudentInnen hätten hier unter dem ökonomischen Druck der Studiengebühr das Studium bislang bereits abgebrochen. Überhaupt solle soziale Pression zu einem „gehetzten oberflächlichen Studium" anleiten; Reflektion, kritische Methoden- und Inhaltsdiskurse und ähnlich nutzloses Zeugs seien unerwünscht.
Durch Druck und Konditionierung sollten die Studierenden, wenn sie die Gebühr überhaupt bezahlen könnten, verinnerlichen: „Das Höchste, was du erreichen kannst, ist, durch umfassende Anpassung einen Job zu ergattern. Für dich und gegen alle anderen. Doch gegen diese Kontrolle und Dressur organisieren wir jetzt Hochschuldemokratie", so ein weiterer studentischer Redner und zugleich Stimmungs- und Beschlußlage der protestierenden StudentInnen.
Rückkehr des „Muff von tausend Jahren"
Widerstand wieder entdecken
Für Rückgewinnung demokratischen Terrains gibt es neben den Protesterfolgen z.B. in Bonn auch von weiter her anscheinend ermutigende Zeichen. In Frankfurt am Main etwa laufen universitätsinterne Diskussionen, von dem GmbH-Modell und der autoritären Durchstrukturierung doch wieder abzugehen. Denn so könne man „zwar ein Militärregime organisieren, nicht aber eine Hochschule", befand Aktivist Dieter Asselhoven.
In unüberbietbarem Kontrast zu Kasernenhof und Drillananstalt verwandelten die StudentInnen an diesem protestfreundlichen Sonnentag Vorplatz und Universitätsfoyer allerdings in ein klassisches fast 68er-Ambiente aus lautstarker Aktion, lehrreicher Agitation, einst „teach-in" genannt, und open-air-festival. Eine Fraktion schließlich besetzte das Rektorat, eine andere veranstaltete vor dessen Eingang ein tadelloses Sit-in wie zu Rudis Zeiten.
Pinkwarts schöne neue Uni-Welt
So schienen die Sphären aufeinander zu stoßen, denn einen sinnfälligen Kommentar zu diesem Aktionstag bildeten die mannshohen Werbetafeln, mit denen das Universitäts-Hauptgebäude geradezu durchgepflastert ist. Statt Demoaufrufen Schickimicki-Parolen wie „Dein Style gewinnt", ja statt Vortragsankündigungen zur Relativitätstheorie einfache Grunderkenntnisse postmoderner Erfolgsmathematik: "Karriere ist eine Gerade". Mit diesen Werbeflächen, so wollen gewöhnlich gut unterrichtete Kreise wissen, nehme die Universität vierhunderttausendnochwas Euro pro Jahr ein. Doch symbolisierten sie gerade an diesem Tag quasi einen Vorschein auf Pinkwarts Schöne Neue Uni-Welt. In der Tat könnte man meinen, in einer Werbeagentur oder mindestens in einer Wirtschaftsakademie gelandet zu sein statt in einer Hochschule mit 620jähriger Tradition.
Studien-Leitbilder wie die Werbung sie gern hätte Fotos: Hans-Detlev von Kirchbach
Die aalglatten, durchgestylten Werbe-Leitbilder konsum-und karrierefixierter BWL-Yuppies, kommen jedenfalls Pinkwarts Ziel eines „Mentalitätswechsels" an den Hochschulen schon sehr nahe. Ob die der Mehrheit der StudentInnen eher entsprechen oder ob diesen doch die „kritische Masse" dieses Aktionstages näher liegt - auch daran wird es liegen, ob der „kapitale" Angriff auf die Hochschulfreiheit erfolgreich abgewehrt werden kann.
Der Aktionstag vom 21. Mai könnte somit eine Ouvertüre für das eigentliche Drama am 29. Mai gewesen sein. Aber nur, wenn der Widerstand auch ausreichend „besetzt“ ist. In diesem Sinne: Vorhang auf! (PK)
Online-Flyer Nr. 147 vom 24.05.2008
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