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Kultur und Wissen
Bücherverbrennung '33-08: Uraufführung im Bremer Concordia-Theater:
„Die Flammen des Profits“
Von Elisabeth Meyer-Renschhausen
In Deutschland fand in den vergangenen Jahren ein massives Verlagssterben statt. Unzählige kleinere Verlage suchten ihr Heil darin, sich durch einen Investor aufkaufen zu lassen. Die Folge: Sie müssen sich ihre Veröffentlichungspolitik von Geldgebern wie dem Riesenverlag Random House oder seinem Eigentümer, der Bertelsmann AG, vorschreiben lassen.
Bücher, die keine Startauflage von mindestens sechs- bis zehntausend Exemplaren versprechen, werden nicht verlegt. Nur noch große Institutionen oder gut Situierte, die den Druck ihrer Publikation selbst finanzieren können, bekommen ihre Erzeugnisse veröffentlicht. Publizieren zu können, wird zur Klassenfrage. Das wissenschaftliche Buch wird zum Luxus für Gutverdiener. Und unter den Sachbüchern sowie im Bereich von Lyrik und Romanen findet eine Art Engführung auf einige wenige, von Marktstrategen als „derzeit von Interesse“ angesehene Themen statt. Der „Rest“ bleibt ungedruckt und unveröffentlicht.
Bald italienische Verhältnisse?
Wie lange wird es noch dauern, bis auch hierzulande italienische Verhältnisse herrschen und ein einziges Medienimperium – in Italien jenes des Staatschefs Berlusconi – beinahe 75 Prozent des Zeitungswesens und der Medien kontrolliert? Und wann werden auch bei uns 50 Prozent der Bevölkerung den Wissens- und Informationstand eines Elfjährigen haben, wie ein Kommentator der TAZ am 29. Mai 2008 sarkastisch wissen ließ.
Der Bremer Autor Rudolph Bauer hat sich erlaubt, diese Fragen zu stellen und das damit angesprochene Problem in Form eines Theaterstücks auf die Bühne zu bringen. Er fragte sich gar: Was ist der Unterschied zwischen der Bücher- verbrennung der Nazis vor 75 Jahren, als die damalige Intelligenz außer Landes oder in materielle Not getrieben wurde, und jenen „Das-können- wir-nicht-drucken“- Entscheidungen der neuen Multis, diktiert von der paradoxen Marktbesessenheit ihrer Manager?
Rudolph Bauer geht dieser Frage am Beispiel des von der Familie Mohn beherrschten Medienunternehmens Bertelsmann nach. Die Bertelsmann AG kontrolliert hierzulande unter anderem einen Gutteil der privaten Fernsehanstalten, der Zeitschriftenpresse und des Verlagswesen. Interessanterweise gehören mehr als 75 Prozent des Konzerns der Bertelsmann-Stiftung. Diese als „gemeinnützig“ anerkannte Stiftung wiederum macht Politik, indem sie durch einen großzügig ausgestatteten Think Tank der Politik einflüstert, was zu tun sei.
So sind etwa die derzeitig vonstatten gehenden deutschen Hochschulreformen größtenteils „auf dem Mist“ der Bertelsmann-Stiftung und des von ihr finanzierten „Centrums für Hochschulentwicklung“ (CHE) „gewachsen“. Uneigennützig sind die Ratschläge der Bertelsmann-Stiftung freilich nicht. Denn die Privatisierungen, die die Bertelsmann-Stiftung vorschlägt, werden nicht selten hinterher von konzerneigenen Firmen – etwa von der Unternehmenstochter Arvato – „versilbert“.
Schlussszene von „Die Flammen des Profits“ | Foto: Hella Streicher
Bremen: Theaterfieber flammt auf
Wie kann man eine solche Thematik auf die Bühne bringen? Das ist fürwahr nicht ganz einfach. Dennoch, anlässlich der Bremer Uraufführung von „Die Flammen des Profits“ als Szenische Lesung war das Concordia-Theater ausverkauft bis auf den letzten Platz. Jung und alt, Schüler und Studierende, Buchhändler, Literaten, Lehrer, Hochschullehrer und viele andere politisch interessierte Menschen aus Gewerkschaften, Kirchen und Parteien waren unter den Theaterbesuchern. Bremen, dessen Theaterszene durch die Rotstiftpolitik des Senats massiv zusammengestrichen wird, erlebte ein paradoxerweise neues Theaterfieber.
Vielleicht aber lag das gesteigerte Publikumsinteresse auch daran, Zeuge einer Aufführung zu sein, die eine Verbindung herstellte zwischen der Tatsache der modernen marktinduzierten Zensur einerseits und der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen von 1933 andererseits. Wie auch immer: Das Concordia war rappelvoll, als das Stück des Bremer Autors zur Aufführung gelangte.
Während die Szenische Lesung inhaltlich auf ein reges Publikumsinteresse stieß und zu heftigen Diskussionen anregte, die im Concordia-Foyer dann teilweise noch die halbe Nacht fortdauerten, waren Inszenierung und Aufführung nicht durchgängig überzeugend. Da zwei Schauspieler kurz vor der Premiere erkrankt waren, musste Lars Töbelmann, der für die Inszenierung verantwortlich zeichnet, wesentliche Szenen des „Chronisten“ selbst vortragen. Das gelang mit Bravour, auch wenn man nicht alles gut verstehen konnte – angesichts der knarrenden Bühnenbretter unter den Stiefeln der Hakenkreuze abschreitenden Manager (Ronald Haller und Hilko Kannegießer), die in ihrer Straßenkluft eher wie Rechtsradikale wirkten. Trefflich in Szene gesetzt waren die Rollen der Konzern-Herrscherin Liz Mohn (Hadia Gul) und des nassforsch agierenden Zeitungsjungen (Enikö Varga). Akustisch beeindruckend waren auch die elektronischen Soundtracks des Bremer Musikers und Komponisten Klaus Raudszus.
Zur schauspielerischen Interpretation allerdings drängt sich die Frage auf, warum im Stück die gereimten Texte nicht pathetisch deklamiert wurden – zumal solche Texte, mittels derer der Autor der Paradoxie der Mediengesellschaft mit der antiken Metrik gekonnt auf die Spur zu kommen versucht? Das Stück selbst – Spielzeit etwa 50 Minuten – hätte durchaus länger dauern können und obendrein noch die Geschichte einer Schriftstellerin wie der heutigen Bestsellerautorin von „Harry Potter“ erzählen dürfen: Sie und ihre Tochter mussten jahrelang von Sozialleistungen leben, bis nach vielen Absagen schlussendlich der vierzigste(!) Verlag am Druck ihrer Romankreation Interesse zeigte. (CH)
Online-Flyer Nr. 150 vom 11.06.2008
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Kultur und Wissen
Bücherverbrennung '33-08: Uraufführung im Bremer Concordia-Theater:
„Die Flammen des Profits“
Von Elisabeth Meyer-Renschhausen
In Deutschland fand in den vergangenen Jahren ein massives Verlagssterben statt. Unzählige kleinere Verlage suchten ihr Heil darin, sich durch einen Investor aufkaufen zu lassen. Die Folge: Sie müssen sich ihre Veröffentlichungspolitik von Geldgebern wie dem Riesenverlag Random House oder seinem Eigentümer, der Bertelsmann AG, vorschreiben lassen.
Bücher, die keine Startauflage von mindestens sechs- bis zehntausend Exemplaren versprechen, werden nicht verlegt. Nur noch große Institutionen oder gut Situierte, die den Druck ihrer Publikation selbst finanzieren können, bekommen ihre Erzeugnisse veröffentlicht. Publizieren zu können, wird zur Klassenfrage. Das wissenschaftliche Buch wird zum Luxus für Gutverdiener. Und unter den Sachbüchern sowie im Bereich von Lyrik und Romanen findet eine Art Engführung auf einige wenige, von Marktstrategen als „derzeit von Interesse“ angesehene Themen statt. Der „Rest“ bleibt ungedruckt und unveröffentlicht.
Bald italienische Verhältnisse?
Wie lange wird es noch dauern, bis auch hierzulande italienische Verhältnisse herrschen und ein einziges Medienimperium – in Italien jenes des Staatschefs Berlusconi – beinahe 75 Prozent des Zeitungswesens und der Medien kontrolliert? Und wann werden auch bei uns 50 Prozent der Bevölkerung den Wissens- und Informationstand eines Elfjährigen haben, wie ein Kommentator der TAZ am 29. Mai 2008 sarkastisch wissen ließ.
Der Bremer Autor Rudolph Bauer hat sich erlaubt, diese Fragen zu stellen und das damit angesprochene Problem in Form eines Theaterstücks auf die Bühne zu bringen. Er fragte sich gar: Was ist der Unterschied zwischen der Bücher- verbrennung der Nazis vor 75 Jahren, als die damalige Intelligenz außer Landes oder in materielle Not getrieben wurde, und jenen „Das-können- wir-nicht-drucken“- Entscheidungen der neuen Multis, diktiert von der paradoxen Marktbesessenheit ihrer Manager?
Rudolph Bauer geht dieser Frage am Beispiel des von der Familie Mohn beherrschten Medienunternehmens Bertelsmann nach. Die Bertelsmann AG kontrolliert hierzulande unter anderem einen Gutteil der privaten Fernsehanstalten, der Zeitschriftenpresse und des Verlagswesen. Interessanterweise gehören mehr als 75 Prozent des Konzerns der Bertelsmann-Stiftung. Diese als „gemeinnützig“ anerkannte Stiftung wiederum macht Politik, indem sie durch einen großzügig ausgestatteten Think Tank der Politik einflüstert, was zu tun sei.
So sind etwa die derzeitig vonstatten gehenden deutschen Hochschulreformen größtenteils „auf dem Mist“ der Bertelsmann-Stiftung und des von ihr finanzierten „Centrums für Hochschulentwicklung“ (CHE) „gewachsen“. Uneigennützig sind die Ratschläge der Bertelsmann-Stiftung freilich nicht. Denn die Privatisierungen, die die Bertelsmann-Stiftung vorschlägt, werden nicht selten hinterher von konzerneigenen Firmen – etwa von der Unternehmenstochter Arvato – „versilbert“.
Schlussszene von „Die Flammen des Profits“ | Foto: Hella Streicher
Bremen: Theaterfieber flammt auf
Wie kann man eine solche Thematik auf die Bühne bringen? Das ist fürwahr nicht ganz einfach. Dennoch, anlässlich der Bremer Uraufführung von „Die Flammen des Profits“ als Szenische Lesung war das Concordia-Theater ausverkauft bis auf den letzten Platz. Jung und alt, Schüler und Studierende, Buchhändler, Literaten, Lehrer, Hochschullehrer und viele andere politisch interessierte Menschen aus Gewerkschaften, Kirchen und Parteien waren unter den Theaterbesuchern. Bremen, dessen Theaterszene durch die Rotstiftpolitik des Senats massiv zusammengestrichen wird, erlebte ein paradoxerweise neues Theaterfieber.
Vielleicht aber lag das gesteigerte Publikumsinteresse auch daran, Zeuge einer Aufführung zu sein, die eine Verbindung herstellte zwischen der Tatsache der modernen marktinduzierten Zensur einerseits und der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen von 1933 andererseits. Wie auch immer: Das Concordia war rappelvoll, als das Stück des Bremer Autors zur Aufführung gelangte.
Während die Szenische Lesung inhaltlich auf ein reges Publikumsinteresse stieß und zu heftigen Diskussionen anregte, die im Concordia-Foyer dann teilweise noch die halbe Nacht fortdauerten, waren Inszenierung und Aufführung nicht durchgängig überzeugend. Da zwei Schauspieler kurz vor der Premiere erkrankt waren, musste Lars Töbelmann, der für die Inszenierung verantwortlich zeichnet, wesentliche Szenen des „Chronisten“ selbst vortragen. Das gelang mit Bravour, auch wenn man nicht alles gut verstehen konnte – angesichts der knarrenden Bühnenbretter unter den Stiefeln der Hakenkreuze abschreitenden Manager (Ronald Haller und Hilko Kannegießer), die in ihrer Straßenkluft eher wie Rechtsradikale wirkten. Trefflich in Szene gesetzt waren die Rollen der Konzern-Herrscherin Liz Mohn (Hadia Gul) und des nassforsch agierenden Zeitungsjungen (Enikö Varga). Akustisch beeindruckend waren auch die elektronischen Soundtracks des Bremer Musikers und Komponisten Klaus Raudszus.
Zur schauspielerischen Interpretation allerdings drängt sich die Frage auf, warum im Stück die gereimten Texte nicht pathetisch deklamiert wurden – zumal solche Texte, mittels derer der Autor der Paradoxie der Mediengesellschaft mit der antiken Metrik gekonnt auf die Spur zu kommen versucht? Das Stück selbst – Spielzeit etwa 50 Minuten – hätte durchaus länger dauern können und obendrein noch die Geschichte einer Schriftstellerin wie der heutigen Bestsellerautorin von „Harry Potter“ erzählen dürfen: Sie und ihre Tochter mussten jahrelang von Sozialleistungen leben, bis nach vielen Absagen schlussendlich der vierzigste(!) Verlag am Druck ihrer Romankreation Interesse zeigte. (CH)
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