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Inland
Ehemalige Kolonialmächte tun alles um Mugabe loszuwerden
Steinmeier fordert Umsturz in Zimbabwe
Von Hans Georg

Mit der Forderung nach einem Umsturz in Zimbabwe spitzt der deutsche Außenminister eine jahrelange westliche Kampagne gegen Staatspräsident Robert Mugabe zu. „Die Herrschaft Mugabe muss zu einem Ende kommen", verlangte Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Wochenende. Berlin wünscht einen Machtwechsel, seit die Staatsspitze Zimbabwes Ende der 1990er Jahre westlichen Wirtschaftsvorhaben die Gefolgschaft verweigerte und zudem die Enteignung von Nachkommen europäischer Kolonialisten betrieb.
Robert Mugabe – machte sich mit Landreform und Wirtschaftspolitik bei den Weißen unbeliebt
Robert Mugabe – machte sich mit Landreform und Wirtschaftspolitik bei den Weißen unbeliebt, Quelle: www.africanabroad-usa.com

Seitdem stützen Berlin, Brüssel und Washington den Oppositionskandidaten Morgan Tsvangirai. Dass die vorgebliche Sorge Berlins um die Menschenrechte in Zimbabwe keineswegs einer „ethischen Bindung" der Außenpolitik geschuldet ist, sondern nur den nötigen Druck zur Durchsetzung eigener Interessen schaffen soll, zeigt ein Vergleich mit einem anderen afrikanischen Staat: mit Äthiopien. Sämtliche Vorwürfe, die die Bundesregierung gegen Mugabe erhebt, treffen auf dessen Amtskollegen Meles Zenawi in Addis Abeba zu. Meles wurde trotz schwerster Menschenrechtsverbrechen erst vor wenigen Tagen nicht mit Sanktionen bedroht, sondern für seine Zusammenarbeit mit dem Westen mit einer Aufstockung deutscher Entwicklungszahlungen belohnt.
 
Machtpolitik
 
Die unverhohlene Forderung des deutschen Außenministers nach einem Umsturz in Zimbabwe [1] folgt offenen westlichen Plädoyers für Sanktionen gegen Harare oder sogar für eine UNO-Intervention. Mit den Drohungen reagiert der Westen auf die Gewalteskalation in der zimbabwischen Wahlkrise. Während Berlin, Brüssel und Washington vorgeben, aus Sorge um die Menschenrechte einschreiten zu müssen, stoßen ihre Forderungen bei den Staaten Afrikas vorwiegend auf Widerspruch. Nur der Ministerpräsident Kenias, Raila Odinga, schließt sich bislang der Forderung nach einer Militärintervention an. Odinga wurde kürzlich nach gewalttätigen Unruhen in Kenia auf westlichen, auch deutschen Druck an der Macht in Nairobi beteiligt.[2] Hintergrund der ansonsten vorherrschenden Interventionsverweigerung ist die unverhüllte Machtpolitik der ehemaligen Kolonialmächte: Während missliebige afrikanische Regierungen wegen angeblich oder tatsächlich verübter Menschenrechtsverbrechen sanktioniert werden, erfreuen sich selbst Gewaltherrscher zuverlässigster äußerer Unterstützung, sofern sie nur den westlichen Mächten zu Diensten sind.
 
Schikaniert und eingeschüchtert
 
Den jüngsten Beleg für die westliche Willkür bietet ein Vergleich der Reaktionen auf die Wahlen in Zimbabwe und in Äthiopien. Sämtliche Vorwürfe, die gegen Staatspräsident Mugabe erhoben werden, treffen auf seinen äthiopischen Amtskollegen Meles Zenawi zu. Erst im April hatte Meles dafür gesorgt, dass die Nachwahlen zum Parlament und die Kommunalwahlen "weitgehend ohne neutrale Wahlbeobachtung" durchgeführt wurden, berichtet die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen).[3] Zwei große Oppositionsparteien sahen sich zur Wahlteilnahme nicht in der Lage, weil die Mehrheit ihrer Kandidaten nicht zugelassen und „Anhänger auf dem Lande schikaniert und eingeschüchtert" worden waren. Andere Oppositionsparteien wurden mit formalen Tricks ausgebootet.
 
„Die Regierung hatte vor den Wahlen sichergestellt, dass nur die herrschende Partei (...) wirklich daran teilnehmen konnte", resümiert die Böll-Stiftung.[4] So gewann Präsident Meles' Partei in der Hauptstadt 137 von 138 Sitzen. Im Jahr 2005 hatte sie dort noch haushoch verloren, weshalb Meles damals Wahlresultate fälschen und Protestdemonstrationen niederschießen ließ.[5] Hinzu kommt die anhaltend brutale Repression gegen Oppositionelle sowie vor kurzem erneut dokumentierte Menschenrechtsverbrechen durch die äthiopischen Behörden, Misshandlung und Exekution von Zivilisten und Regierungsgegnern inklusive. Wegen seiner Kooperationsbereitschaft gegenüber dem Westen genießt Meles jedoch die Unterstützung Berlins. Erst vor wenigen Tagen wurden die deutschen Entwicklungszahlungen an Äthiopien um 40 Prozent erhöht (german-foreign-policy.com berichtete [6]).
 
Wirtschaftskampf
 
Eben jene Kooperationsbereitschaft, die Meles auszeichnet, fehlt Mugabe. Der Streit zwischen ihm und dem Westen geht letztlich auf Entscheidungen um die Jahrtausendwende zurück. Zum einen weigerte sich der zimbabwische Staatspräsident, sogenannte Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds (IWF) weiterzuführen - ein Affront gegen die westliche Hegemonie, der gewöhnlich streng geahndet wird. Er ist ebenfalls nicht bereit, die Industrie des Landes komplett an westliche Konzerne zu verkaufen.[7] IWF und Weltbank stellten ihre Zusammenarbeit mit Zimbabwe deswegen gänzlich ein und verwehren dem Land bis heute den Zugang zu günstigen Krediten.[8]
 
Landreform
 
Das zweite Themenfeld, auf dem Mugabe westlichen Vorstellungen eklatant widersprach, ist die Landreform. Hintergrund ist die extrem ungleiche Landverteilung in Zimbabwe, die noch aus Kolonialzeiten resultiert. „Rund 4.500 vornehmlich weiße Großfarmer besitzen rund 11 Millionen Hektar des fruchtbaren Bodens, während mehr als eine Million kleinbäuerlicher Familien mit rund 16,4 Mio. Hektar zufrieden sein müssen", hieß es in einer Analyse aus dem Jahr 2001.[9] Unter den verschiedenen Varianten der Landreform, die in den Ländern des südlichen Afrika diskutiert und getestet werden, wählte Mugabe eine radikale, die zu Lasten der ehemaligen Kolonialherren ging. Während er damit Sympathien unter anderem in Südafrika und Namibia errang, wo manche Schwarze mit den zum Teil schleppenden Landreform-Maßnahmen unzufrieden sind, erntete er in den ehemaligen Kolonialstaaten heftigen Protest - nicht nur in Großbritannien, dem die Großfarmer Zimbabwes entstammen, sondern auch in Deutschland, das um den Besitz der deutschstämmigen Landherren in der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia fürchtet.[10]
 
Sanktionen
 
EU und USA haben bereits vor Jahren Sanktionen eingeführt und die Zahlung ihrer Entwicklungsgelder an Zimbabwe drastisch gekürzt. Die Strafmaßnahmen des Westens blieben nicht ohne Wirkung und verschärften die Wirtschaftskrise Zimbabwes - ein politisch bedeutender Aspekt: Der wirtschaftliche Niedergang gilt als maßgeblicher Faktor für die Stimmengewinne der Opposition bei den jüngsten Wahlen.[11]
 
Kooperationspartner
 
In beiden Fällen - Wirtschaftspolitik und Landreform - bietet sich dem Westen Oppositionsführer Morgan Tsvangirai mit seiner Partei Movement for Democratic Change (MDC) als loyaler Kooperationspartner an. Erstaunlich ist dies nicht: Tsvangirai verfügt über gute Kontakte unter anderem nach Berlin, etwa zur Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), die 1999 an der MDC-Gründung beteiligt war (german-foreign-policy.com berichtete [12]).

Morgan Tsvangirai – empfangen von Kanadas Außenminister Maxime Bernier
Morgan Tsvangirai – empfangen von Kanadas Außenminister Maxime Bernier
Quelle: www.international.gc.ca


Der Oppositionsführer hatte in Aussicht gestellt, nach seinem Amtsantritt als Staatspräsident Mitarbeiter der deutschen Bundesbank nach Harare zu holen und ihnen dort, formell als „Berater", umfangreiche Vollmachten in der Staatsbank zu verleihen.[13] Dem Vorhaben, die Finanz- und Wirtschaftspolitik dem westlichen Verlangen anzupassen, schloss sich die Festlegung auf eine Wende bei der Landreform an. So beabsichtigen Tsvangirai und der MDC, enteigneten weißen Großgrundbesitzern ihre ehemaligen Ländereien zurückzugeben oder Pachtverträge mit ihnen abzuschließen. „In jedem Fall würden sie (die Großgrundbesitzer, d.Red.) zurückkehren - Mugabe würde das niemals zulassen", resümiert die deutsche Presse.[14]
 
Alles auf eine Karte
 
Weil von Mugabe tatsächlich kein Einlenken gegenüber den westlichen Forderungen zu erwarten ist, lehnt Berlin Vermittlungsversuche afrikanischer Staaten prinzipiell ab. So hieß es in Nairobi, in Zimbabwe könne man - ähnlich wie vor kurzem in Kenia - eine Teilung der Macht zwischen Mugabe und Tsvangirai in die Wege leiten; dies biete dem gespaltenen Land die einzige Hoffnung auf Entspannung. Ein solches Vorgehen wird auch von weiteren afrikanischen Politikern befürwortet. Berlin dagegen lehnt es ab. Nach Lage der Dinge würde Mugabe - wie Kibaki in Kenia - das Präsidentenamt und damit maßgeblichen Einfluss behalten; „für die westliche Gemeinschaft" aber wäre „eine Führung dieser Regierung durch (...) Mugabe" inakzeptabel, urteilt die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).[15] Berlin, die EU und die USA setzen daher alles auf eine Karte und führen ihre Eskalationspolitik fort.
 
Gewalteskalation
 
Dabei trägt der Westen schon für die bisherigen Spannungen Mitverantwortung. Bereits die frühere offene Unterstützung für Tsvangirai etwa durch Berlin forderte Harare zur Repression gegen die Einmischung in innere Angelegenheiten heraus - mit der Folge, dass die inneren Spannungen anstiegen. Jetzt bestätigen Presseberichte, dass Tsvangirai auch seinen diesjährigen Wahlkampf mit westlicher Unterstützung geführt hat. Demnach zahlten seine „ausländischen Geldgeber" ihm „den Wahlkampf im ersten Durchgang Ende März", „namentlich Amerika und Großbritannien".[16] Als Tsvangirai nach diesem ersten Wahlgang ins Ausland geflohen war, „soll der amerikanische Botschafter in Harare ihn nach längerer Abwesenheit nach Zimbabwe zurückbeordert haben, damit er Wahlkampf mache". „Derselbe Botschafter" hat auch, heißt es weiter, „eine Absage der Stichwahl zugunsten der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit rundweg abgelehnt und die Stichwahl zur Überlebensfrage des Landes erklärt" - zu einem Zeitpunkt, als selbst Tsvangirai dafür warb, eine gemeinsame Regierung mit Mugabe zu bilden, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Wie schon die bisherige Einmischung zielen auch die neuen Drohungen aus Berlin, Brüssel und Washington allein darauf ab, einen widerspenstigen Präsidenten zu stürzen. Der Westen nimmt dabei eine weitere Gewalteskalation in Kauf. (PK)
 
[1] Steinmeier ruft zum Machtwechsel in Simbabwe auf; Reuters 28.06.2008
[2] s. dazu Neokoloniale Interventionen und Netzwerke
[3], [4] Christian Peters-Berries über die Kommunal- und Nachwahlen in Äthiopien; www.boell.de/demokratie/demokratie-3645.html
[5] s. dazu Unveräußerliche Rechte
[6] s. dazu Menschenrechte in Afrika (I)
[7] Stephen Gowans: Zimbabwe's Lonely Fight for Justice; gowans.wordpress.com 30.03.2007
[8] Steffen Stübig: Wirkungsloser Druck: „Pariastaat" Simbabwe zwischen westlichen Sanktionen und regionaler Solidarität; GIGA Focus Afrika Nr. 5/2007
[9] Christian Peters-Berries (ext.): Simbabwe 2000: Zwischen Aufbruchkrise und Abstiegsangst; SWP-Studie S 4, März 2001
[10] s. dazu „Äußerste Geringschätzung", Zukünftige Operationen, „Nackter Rassismus" und Hilfreiche Pionierleistungen
[11] Der Abgang des alten Mannes?; www.boell.de 02.04.2008
[12] s. dazu Der nächste, bitte! und Noch nie so günstig wie jetzt
[13] Deutsche Bundesbanker sollen Staatsfinanzen sanieren; Spiegel Online 08.04.2008
[14] Der Albtraum geht weiter; Frankfurter Allgemeine Zeitung 24.06.2008
[15] Stefan Mair: Simbabwe zwischen den Wahlen; SWP-Aktuell 39, Mai 2008
[16] Der Albtraum geht weiter; Frankfurter Allgemeine Zeitung 24.06.2008

Mehr unter: www.german-foreign-policy.com/

Online-Flyer Nr. 153  vom 02.07.2008

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