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Kultur und Wissen
Das ABC der Alternativen:
Fair Trade
Von Oliver Pye
„ABC der Alternativen“
VSA-Verlag, HerausgeberInnen:
Ulrich Brand, Bettina Lösch und
Stefan Thimmel in Kooperation
mit Attac, der Rosa Luxemburg
Stiftung und der taz | 12 Euro
Nach den Publikationen „ABC der Globalisierung“ (2005) und „ABC zum Neoliberalismus“ (2006) ist im Oktober 2007 das „ABC der Alternativen“ erschienen. Gesellschaftliche Alternativen sind denk- und machbar – so lautet der Grundtenor des politischen Nachschlagewerkes, das mit 126 Begriffen – von A wie Ästhetik des Widerstands bis Z wie Ziviler Ungehorsam – historische und aktuelle Projekte, Praxen und Forderungen aufzeigt und zur Diskussion stellt. Das Buch, an dem Autorinnen und Autoren aus einem breiten politischen Spektrum und in internationaler Kooperation mitgewirkt haben, ist eine ausdrückliche Entgegnung zur narkotisierenden Parole „There is no alternative“ des neoliberalen Zeitgeistes – die Redaktion.
Fair Trade
Der Ansatz von Fair Trade („gerechter Handel“) beruht auf der Annahme, dass ungerechte Handelsbeziehungen (siehe ABC der Alternativen, „Gerechter Welthandel“) eine wesentliche Ursache von Unterentwicklung sind. Die Verschlechterung der Terms of Trade, bei der Entwicklungsländer für ihre Primärgüter (Rohstoffe, Kaffee, usw.) immer weniger an verarbeiteten Produkten aus den Industrieländern bekommen, führt demnach dazu, dass sie immer ärmer werden. Bildhaft gesprochen heißt das bspw., dass ein Kaffeebauer 1980 vier Kilogramm, 2002 aber zehn Kilogramm Kaffee verkaufen musste, um ein Schweizer Taschenmesser kaufen zu können.
Fairtrade-Projekt zum Quinoa-Anbau in Ekuador | Foto: Dider Gentilhomme
Das Machtgefälle innerhalb der Vertriebsketten kommt durch die Dominanz von wenigen Handelshäusern in den Industrieländern zustande und führt dazu, dass die kleinbäuerlichen ProduzentInnen oder die PlantagenarbeiterInnen einen sehr geringen Anteil des Verkaufspreises erhalten.
Initiativen für gerechten Handel entstanden Anfang der 1970er Jahre im Rahmen der Solidaritätsbewegungen mit der so genannten Dritten Welt. Hunderte von Gruppen, oft aus kirchlichen Zusammenhängen, nahmen direkte Handelsbeziehungen mit lokalen ProduzentInnengruppen auf, um deren Produkte dann in („Dritte“- oder „Eine“-)Welt-Läden zu verkaufen. Durch Ausschaltung der großen Handelsketten und über Solidaritätspreise sollten die ProduzentInnen eine „gerechte“ Entlohnung erhalten und dadurch in die Lage versetzt werden, sich selbst zu „entwickeln“. Dominierten zunächst Handwerksprodukte („Jute statt Plastik“), wurden mit der Entstehung professioneller Vertriebsnetze wie Gepa (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt, 1975 gegründet) Nahrungsmittel wie Kaffee dominant.
Auch T-Shirts werden fair gehandelt: Kinder-
Shirt der Kölner Firma Laissez Fair
Die Fair Trade-Bewegung war bewusst politisch ausgerichtet: Das Trinken des berühmtesten Fair Trade-Kaffees aus Nicaragua drückte eine antiimperialistische Grundhaltung aus. Fairer Handel hat mittlerweile, gemessen an Umsatz und Anzahl der Beteiligten, einen Siegeszug angetreten. Um die 800 Welt-Läden verkaufen Fair Trade-Produkte in Deutschland (Österreich: 100; Schweiz: 300), der europaweite Umsatz hat sich in den letzten fünf Jahren fast verdreifacht. Der Boom ist vor allem auf die Entwicklung von Gütesiegeln beziehungsweise Markenzeichen wie TRANSFAIR oder FAIRTRADE zurückzuführen.
Fair Trade-Kaffee wird deutschlandweit in über 27.000 Supermärkten angeboten, unter anderem durch Karstadt, Tengelmann und Kaisers. Doch gerade das Erfolgsprodukt Kaffee zeigt auch klare Grenzen auf: Trotz seines Einzugs in die Supermärkte hat fair gehandelter Kaffee nur einen Marktanteil von 1,2 Prozent in Europa.
Woher kommt der Kaffee, den wir trinken?
Grafik: C. Heinrici, Foto: Kurt Michel, pixelio
An den grundlegenden Abhängigkeiten hat sich nichts geändert: So verloren in den vergangenen zehn Jahren Hunderttausende von KaffeebäuerInnen ihre Existenz, weil durch eine weltweite Überproduktion durch zusätzliche Anbieter (vor allem aus Brasilien und Vietnam) und die Macht der fünf großen Kaffeekonzerne, die den Markt beherrschen (Kraft, Nestle, Sara Lee, Procter & Gamble und Tchibo), die Kaffeepreise für die ProduzentInnen auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren sanken.
Eine Antwort auf das Nischenproblem sucht die Fair Trade-Bewegung in Kampagnen für eine faire Handelsarchitektur, die insbesondere in der „Make Trade Fair“-Kampagne von Oxfam zum Ausdruck kommt. Nach der Maxime „Trade not Aid“ setzt sich Oxfam für eine erfolgreiche Doha-Runde der WTO ein, bei der ein gerechter Marktzugang zu den Agrarmärkten des Nordens (vor allem durch Abbau der Subventionen) „Millionen aus der Armut heben“ sollte. Die Kampagne löste heftige Debatten aus. Walden Bello (Focus on the Global South) warf Oxfam vor, die Handelsliberalisierungsagenda der WTO grundsätzlich zu akzeptieren, einem exportorientierten Entwicklungsmodell anzuhängen, das den KleinbäuerInnen des Südens eher schadet, und die Bewegung gegen die WTO zu spalten (De-Globalisierung).
Das Dilemma der Fair Trade-Bewegung wird in der Zusammenarbeit zwischen TRANSFAIR und dem Lidl-Konzern deutlich. Zwar werden so mehr Fairtrade-Produkte verkauft, die Initiative legitimiert aber gleichzeitig einen Protagonisten der kapitalistischen Globalisierung und zementiert somit strukturelle Ausbeutung im Welthandelssystem. Auch im Bundestag wird Gepa-Kaffee getrunken, eine faire Handelspolitik betreibt er dadurch aber trotzdem nicht.
Anstatt die Fair Trade Bewegung zu einer Lifestyle- und Konsumentscheidung von Besserverdienenden zu entpolitisieren, brauchen wir eine Rückbesinnung auf die emanzipatorische Sprengkraft, die im konkreten Projekt den Schrei gegen ein menschenverachtendes Handelssystem mit der Vision einer menschenwürdigen Alternative verband. (CH)
Online-Flyer Nr. 154 vom 09.07.2008
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Kultur und Wissen
Das ABC der Alternativen:
Fair Trade
Von Oliver Pye
„ABC der Alternativen“
VSA-Verlag, HerausgeberInnen:
Ulrich Brand, Bettina Lösch und
Stefan Thimmel in Kooperation
mit Attac, der Rosa Luxemburg
Stiftung und der taz | 12 Euro
Fair Trade
Der Ansatz von Fair Trade („gerechter Handel“) beruht auf der Annahme, dass ungerechte Handelsbeziehungen (siehe ABC der Alternativen, „Gerechter Welthandel“) eine wesentliche Ursache von Unterentwicklung sind. Die Verschlechterung der Terms of Trade, bei der Entwicklungsländer für ihre Primärgüter (Rohstoffe, Kaffee, usw.) immer weniger an verarbeiteten Produkten aus den Industrieländern bekommen, führt demnach dazu, dass sie immer ärmer werden. Bildhaft gesprochen heißt das bspw., dass ein Kaffeebauer 1980 vier Kilogramm, 2002 aber zehn Kilogramm Kaffee verkaufen musste, um ein Schweizer Taschenmesser kaufen zu können.
Fairtrade-Projekt zum Quinoa-Anbau in Ekuador | Foto: Dider Gentilhomme
Das Machtgefälle innerhalb der Vertriebsketten kommt durch die Dominanz von wenigen Handelshäusern in den Industrieländern zustande und führt dazu, dass die kleinbäuerlichen ProduzentInnen oder die PlantagenarbeiterInnen einen sehr geringen Anteil des Verkaufspreises erhalten.
Initiativen für gerechten Handel entstanden Anfang der 1970er Jahre im Rahmen der Solidaritätsbewegungen mit der so genannten Dritten Welt. Hunderte von Gruppen, oft aus kirchlichen Zusammenhängen, nahmen direkte Handelsbeziehungen mit lokalen ProduzentInnengruppen auf, um deren Produkte dann in („Dritte“- oder „Eine“-)Welt-Läden zu verkaufen. Durch Ausschaltung der großen Handelsketten und über Solidaritätspreise sollten die ProduzentInnen eine „gerechte“ Entlohnung erhalten und dadurch in die Lage versetzt werden, sich selbst zu „entwickeln“. Dominierten zunächst Handwerksprodukte („Jute statt Plastik“), wurden mit der Entstehung professioneller Vertriebsnetze wie Gepa (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt, 1975 gegründet) Nahrungsmittel wie Kaffee dominant.
Auch T-Shirts werden fair gehandelt: Kinder-
Shirt der Kölner Firma Laissez Fair
Fair Trade-Kaffee wird deutschlandweit in über 27.000 Supermärkten angeboten, unter anderem durch Karstadt, Tengelmann und Kaisers. Doch gerade das Erfolgsprodukt Kaffee zeigt auch klare Grenzen auf: Trotz seines Einzugs in die Supermärkte hat fair gehandelter Kaffee nur einen Marktanteil von 1,2 Prozent in Europa.
Woher kommt der Kaffee, den wir trinken?
Grafik: C. Heinrici, Foto: Kurt Michel, pixelio
Eine Antwort auf das Nischenproblem sucht die Fair Trade-Bewegung in Kampagnen für eine faire Handelsarchitektur, die insbesondere in der „Make Trade Fair“-Kampagne von Oxfam zum Ausdruck kommt. Nach der Maxime „Trade not Aid“ setzt sich Oxfam für eine erfolgreiche Doha-Runde der WTO ein, bei der ein gerechter Marktzugang zu den Agrarmärkten des Nordens (vor allem durch Abbau der Subventionen) „Millionen aus der Armut heben“ sollte. Die Kampagne löste heftige Debatten aus. Walden Bello (Focus on the Global South) warf Oxfam vor, die Handelsliberalisierungsagenda der WTO grundsätzlich zu akzeptieren, einem exportorientierten Entwicklungsmodell anzuhängen, das den KleinbäuerInnen des Südens eher schadet, und die Bewegung gegen die WTO zu spalten (De-Globalisierung).
Das Dilemma der Fair Trade-Bewegung wird in der Zusammenarbeit zwischen TRANSFAIR und dem Lidl-Konzern deutlich. Zwar werden so mehr Fairtrade-Produkte verkauft, die Initiative legitimiert aber gleichzeitig einen Protagonisten der kapitalistischen Globalisierung und zementiert somit strukturelle Ausbeutung im Welthandelssystem. Auch im Bundestag wird Gepa-Kaffee getrunken, eine faire Handelspolitik betreibt er dadurch aber trotzdem nicht.
Anstatt die Fair Trade Bewegung zu einer Lifestyle- und Konsumentscheidung von Besserverdienenden zu entpolitisieren, brauchen wir eine Rückbesinnung auf die emanzipatorische Sprengkraft, die im konkreten Projekt den Schrei gegen ein menschenverachtendes Handelssystem mit der Vision einer menschenwürdigen Alternative verband. (CH)
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