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Lokales
Autor Werner Rügemer wird für seine publizistische Arbeit ausgezeichnet
Kölner Karls-Preis
Von Peter Kleinert

Die Redaktion der NRhZ wird am Freitag, 22. August, aus Anlass ihres dreijährigen Bestehens zum ersten Mal den „Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik“ vergeben. Der Namensgeber des Preises, Karl Marx, war vom 1. Juni 1848 bis zu deren Verbot am 19. Mai 1849 Redakteur der radikaldemokratisch-sozialistischen Neuen Rheinischen Zeitung in Köln. Den Preis erhält der Kölner Autor Werner Rügemer, der in den vergangenen Jahren vor allem durch seine Bücher „COLONIA CORRUPTA“ und „Der Bankier. Ungebetener Nachruf auf Alfred von Oppenheim“ bekannt geworden ist. Unsere LeserInnen sind zur Preisverleihung herzlich eingeladen.

Karl Marx-Münze aus dem Jahre 1983 mit
der Aufschrift: „Wahrheit als Wirklichkeit
und Macht" | Quelle: MEW
Das Redaktionslokal der NRhZ von 1848/49, in dem neben Karl Marx auch Friedrich Engels, Ferdinand Freiligrath, Ernst Dronke, Ferdinand und Wilhelm Wolff und Georg Weerth arbeiteten, lag damals im Haus Unter Hutmacher 17, heute Heumarkt 65. Dort, im Café Rosenow, wo eine Gedenktafel an die NRhZ-Redaktion von 1848/49 erinnert, findet am Freitag, 22.August, von 17.30 bis 19.30 Uhr die erste Preisverleihung statt, zu der wir interessierte KölnerInnen einladen. Die Laudatio auf Werner Rügemer wird die freie Kölner Journalistin, Moderatorin, Schriftstellerin und Vizepräsidentin der „Mörderischen Schwestern“ Ulla Lessmann halten. Für Unterhaltung sorgt unter anderem Klaus der Geiger.

Preisgeld und Karl Marx-Münze


Ulla Lessmann – wird die
Laudatio halten
Foto: Jürgen Seidel
Seit dem 16. August 2005 versucht die www.nrhz.de mit ihren ohne Honorare arbeitenden Redakteuren, AutorInnen, InformantInnen und LeserInnen, die Tradition der ursprünglichen Neuen Rheinischen Zeitung fortzusetzen. Mit journalistischen Beiträgen zu Themen, die in den üblichen Medien tabu sind oder zensiert werden, mit engagierter Literatur, Kunst, Videos und Fotografie. Weil auf dem Gebiet der Literatur schon seit Jahren Beliebigkeit vorherrscht und prämiert wird und kritische Publizistik kaum noch Verbreitung findet, vielmehr oft durch Gerichte zensiert wird, soll der Kölner Karls-Preis jedes Jahr an Persönlichkeiten vergeben werden, die sich in der Tradition der Neuen Rheinischen Zeitung auf diesem Feld verdient gemacht haben. Beabsichtigt ist, damit den Fokus auf ein Gebiet zu richten, das zwar immer wieder gern öffentlich beschworen, in der deutschen Realität aber immer stärker vernachlässigt oder verfolgt wird. Da der Namensgeber am 5. Mai 1818 geboren wurde, erhält Werner Rügemer in diesem Jahr ein Preisgeld von 190 Euro, eine historische Karl Marx-Münze und einen Urlaub auf der türkischen Datca-Halbinsel zwischen Rhodos und Kos, wo der griechische Künstler Praxiteles seine weltbekannte Aphrodite über den Hafen des antiken Knidos gestellt hat.
 
Einige Bücher
 

Werner Rügemer – bei einer seiner
Stadtführungen vor der Oppenheim-Villa
Quelle: NRhZ-Archiv
Werner Rügemer, geboren am 4. September 1941 im oberpfälzischen Amberg, Studium der Literaturwissenschaft in München, Berlin und Paris, philosophische Promotion an der „Reformuniversität“ Bremen, Redakteur der pädagogischen Zeitschrift „Demokratische Erziehung“ bis 1989, seitdem als „freier“ Autor, Berater, Stadtführer, Lehrbeauftragter, ist Mitglied im Verband der deutschen Schriftsteller (VS) und in der International Association Antonio Gramsci, im wissenschaftlichen Beirat von attac und Vorsitzender von Business Crime Control (BCC). Einige seiner Bücher: Staatsgeheimnis Abwasser; COLONIA CORRUPTA; Public Private Partnership - Anatomie eines globalen Finanzinstruments; Der Bankier. Ungebetener Nachruf auf Alfred von Oppenheim, Privatisierung in Deutschland - Eine Bilanz, Heuschrecken im öffentlichen Raum – Public Private Partnership, Anatomie eines globalen Finanzinstruments (Mehr unter www.werner-ruegemer.de).
 
Vorbilder
 
Als literarische Vorbilder nennt Werner Rügemer Albert Camus, Antonio Gramsci, Heinrich Heine, Karl Marx, Rainer Maria Rilke, Jean-Paul Sartre und Kurt Vonnegut. „Zum Schreiben kam ich als Chronist meiner selbst – Tagebuch als Pubertant; heute schreibe ich als Chronist des planetarischen und Kölschen Kapitalismus. Mein liebster Platz in Köln ist in der Mitte der Hohenzollernbrücke: Dort balanciert eine Menschenskulptur aus Schrott elegant auf der Verlängerung eines über den Rhein hinausragenden Eisenträgers; ein anonymer Künstler (ich kenne ihn) brachte die Skulptur dort an als Reaktion auf die Vergiftung des Rheins durch einen ungesühnten Chemieunfall in Basel 1986. Die Skulptur steht dort seitdem illegal, aber sie ist so gut und erfindungsreich befestigt, dass sie nicht regulär beseitigt werden kann und geduldet werden muss.“
 
Ein Zitat
 
Zitat aus dem Kapitel „Am Grab des reichsten Bürgers der Stadt“ in seinem Buch Der Bankier. Ungebetener Nachruf auf Alfred von Oppenheim - 3. geschwärzte Ausgabe, Frankfurt 2006, S. 62-63:
„Da liegt ja ein Vermögen!“ ruft eine einfache Frau aus, als sie die vielen hundert dunklen, aufgesteckten Rosen und die Rosensträusse und die Blumengestecke auf den Kränzen betrachtet. Sie komme aus der Nachbarschaft, sagt sie, sie war schon am letzten Sonntag da, da seien viele Kölner dagewesen und hätten das Grab bestaunt und viele Fotos gemacht. „Da liegt ja ein Vermögen!“ ruft sie wieder aus und blickt die Umstehenden an. Sie schwärmt davon, dass sie noch nie so viele wunderbare Blumen und Kränze gesehen hat, obwohl sie doch oft durch den Friedhof gehe. Von dem Bankier, der hier begraben wurde, hat sie noch nie etwas gehört.
 

Kölner Bankier Alfred von Oppenheim
Foto: NRhZ-Archiv
Ich stakse vorsichtig zur Mitte des Grabes. Ich lege in der Januarkälte weitere Kranzschleifen fest, damit ich sie lesen kann. „Ein letzter Gruss“ von den Mitarbeitern der Esch-Oppenheim-Holding... Ich balanciere jetzt vor dem braunen Sandsteinkreuz. Ich habe Scheu, hier herumzustiefeln, aber es muss sein. Ich notiere weiter die Namen der Banker, Ministerpräsidenten, Oberbürgermeister. Die Besucher am Rand des Grabes finden das nicht unfromm. Sie beobachten mich aber mit fragender Miene. Noch vor wenigen Monaten habe ich mit dem Verstorbenen mehrere Briefe gewechselt. Ich habe ihn gefragt, ob er über seine Alfred Freiherr von Oppenheim-Stiftung, die der Wissenschaft gewidmet ist, meine Untersuchung über die Geschäfte seiner Bank während des 2. Weltkriegs fördern würde. Die Bank Oppenheim war in Absprache mit dem Reichswirtschaftsministerium auch im besetzten Frankreich, in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden aktiv; dabei ging es unter anderem darum, die Mehrheiten in solchen Firmen zu bekommen, auch jüdischen, die für das Deutsche Reich wichtig waren. Der Bankier hat meine Anfragen und die Anträge, im Bankarchiv nachsehen zu können, immer wieder abgelehnt, mit wechselnden Begründungen, daran denke ich jetzt. Alle Unterlagen aus dieser Zeit seien vernichtet, „ausgebombt“, hatte er geschrieben. Dann hatte er argumentiert, ich sei ja kein Wissenschaftler, sondern nur Journalist, also könne er mein Projekt schon deshalb nicht fördern. Ausserdem sei ich nicht objektiv, schrieb er, das habe er an meiner Fernsehdokumentation über die geheimen Kriegsgeschäfte seines Freundes Otto Wolff von Amerongen gesehen. Ich hatte ihn dann gefragt, so erinnere ich mich, während ich inmitten all der Blumenpracht über dem Toten stehe, welche Darstellungen in der Dokumentation denn nicht richtig seien, er möge mir das genauer mitteilen. Er hat es nicht getan. Nicht zu seinen Lebzeiten. Und jetzt würde er unter mir für alle Ewigkeit schweigen.
 
„COLONIA CORRUPTA“
 
Ich gehe zurück zum Weg. Zwei ältere Damen, die schon länger vor dem Grab standen, fragen mich freundlich, was ich denn da aufschreibe und warum. „Ich bin Historiker“, antworte ich ihnen etwas unsicher. Die beiden nicken. „Was schreiben Sie denn so für Bücher?“ bohren sie weiter. „Och“, antworte ich, „vor einiger Zeit habe ich mal ein Buch geschrieben 'COLONIA CORRUPTA'“. Die beiden sind gar nicht so erstaunt, wie ich gedacht habe. „Ach so, Sie sind das, davon habe ich gehört“, sagt die eine und lacht mich an. „Ich auch“, sagt die andere, „dieser Titel hat sich mir eingeprägt.“ Aber „natürlich“ haben sie, wie sie auf meine Nachfrage bemerken, das Buch nicht gelesen. „Gibt's denn das im Buchhandel?“ fragt die eine. „Natürlich“, sage ich. „Ach wirklich?“ blicken mich die beiden fragend an. Sie wollen das aber offensichtlich nicht vertiefen, fragen auch nicht nach meinem Namen. „Aber wenn Sie Historiker sind“, setzt die eine doch neu an, „können Sie mir sagen, was das für Blumen sind, diese hellblauen hier auf diesen beiden Kränzen, mit den verschlungenen Blüten? Solche wunderbaren Blumen habe ich noch nie gesehen.“ Ich sehe mir auf diese Frage hin die hellblauen Blumen zum ersten Mal genau an. Richtig, diese Schönheit habe ich gar nicht bemerkt... (PK)
 
Lesen Sie von Werner Rügemer in dieser Ausgabe den im Jahr 2003 in „Verzäll vun Kölle“ veröffentlichten Artikel: „Wie die Kölner Eliten auf peinliche Veröffentlichungen reagieren - Zensur op kölsche Art“.

 

Online-Flyer Nr. 156  vom 23.07.2008

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