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Kultur und Wissen
Walter Benjamin auf Ibiza, 1932-1933
Erfahrung und Armut
Von Endy Hagen
„Walter Benjamins Blick auf Ibiza"
Foto: Andre30c, Collage Christian Heinrici
„Bedenkt man, wie der Schmerz ein Staudamm ist, der der Erzählungsströmung widersteht, so sieht man klar, daß er durchbrochen wird, wo ihr Gefälle stark genug wird, alles, was sie auf diesem Wege trifft, ins Meer glücklicher Vergessenheit zu schwemmen. Das Streicheln zeichnet diesem Strom ein Bett.“
Dieses Kleinod und weitere Beispiele der Kunst Benjamins aus seiner Zeit auf Ibiza stellt Vicente Valero in dem literarischen Essay „Erfahrung und Armut“ vor, der nun unter dem Titel „Der Erzähler“ auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Vicente Valero, der ibizenkische Dichter und Schriftsteller, hat bisher vernachlässigtes Material zur Benjaminbiografie zusammengetragen und es in spannungsvollen Zusammenhang mit dessen schriftstellerischer Produktion gebracht.
Über neun Kapitel begleiten wir den Philosophen, Übersetzer, Literaturkritiker und Erzähler Walter Benjamin auf seinen Reisen nach Ibiza.
Im ersten Kapitel „Spelbrink und das Haus Ur“ schickt uns der Autor auf eine Reise in die Vergangenheit, bei der wir mit dem vergessenen Paradies Ibiza, vor dem ersten Hotelbau, bekannt gemacht werden. Benjamin beschreibt die arkadischen Zustände in einem Brief so:
„Ich führe ein Leben wie die Hundertjährigen es als Geheimnis den Reportern anvertrauen: aufstehen um sieben Uhr und im Meer baden... darauf, gegen einen gefügigen Stamm im Walde gelehnt, ein Sonnenbad, dessen heilsame Kräfte... auf den Kopf übergreifen und dann ein langer Tag der Enthaltung von zahllosen Dingen – weniger, weil sie das Leben verkürzen, als weil sie es gar nicht gibt oder so schlecht, dass man sie gerne beiseite lässt – elektrisches Licht und Butter, Schnäpse und fließendes Wasser, Flirt und Zeitungslektüre.“
Heutiges Ibiza-Stadt, die idyllische Seite | Foto: Forbfruit
Man vergleiche die Beschreibungen über Ibiza heutzutage und mache sich Gedanken.
Das letzte Kapitel „Cohn und die letzten Wege“ zeigt sowohl den Exilanten Benjamin als auch, dass das Jahr 1933 nicht nur das erste Gran Hotel nach Ibiza brachte, sondern auch eine Schar von Nazis, die der Idylle ein Ende bereiteten. Dazwischen wird uns anhand biografischer Abrisse von Freunden Benjamins, die mit der Insel Ibiza verbunden waren, die Landschaft und der Tourismus, das Lesen und Schreiben, die Architektur der Baleareninsel und die Kunst des Erzählens nahe gebracht.
Warum Benjamins häufige Ortswechsel als auch die mäandernden Bewegungen in seinem Denken eng mit der Liebe der Engel, also seiner Liebe zu der niederländischen Malerin Blaupot ten Cate, verwandt sind, deckt Vicente Valero in seinen Ausführungen zu der lyrisch-biografischen Erzählung „Agesilaus Santander“ auf überraschende Weise auf. Benjamins Vorstellungen über die Engelsliebe hatten laut Valero einen nicht geringen Anteil daran, dass er 1933 zwar krank aber auch verliebt Ibiza verließ und in Paris ein neues Leben begann. 1940 fand es in Portbou ein jähes Ende. (CH)
Vicente Valero
„Der Erzähler“
Walter Benjamin auf Ibiza 1932 und 1933
Parthas Verlag
Aus dem Spanischen
von Lisa Ackermann und Uwe Dehler
224 S., 22 Euro
Online-Flyer Nr. 157 vom 30.07.2008
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Kultur und Wissen
Walter Benjamin auf Ibiza, 1932-1933
Erfahrung und Armut
Von Endy Hagen
„Walter Benjamins Blick auf Ibiza"
Foto: Andre30c, Collage Christian Heinrici
Dieses Kleinod und weitere Beispiele der Kunst Benjamins aus seiner Zeit auf Ibiza stellt Vicente Valero in dem literarischen Essay „Erfahrung und Armut“ vor, der nun unter dem Titel „Der Erzähler“ auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Vicente Valero, der ibizenkische Dichter und Schriftsteller, hat bisher vernachlässigtes Material zur Benjaminbiografie zusammengetragen und es in spannungsvollen Zusammenhang mit dessen schriftstellerischer Produktion gebracht.
Über neun Kapitel begleiten wir den Philosophen, Übersetzer, Literaturkritiker und Erzähler Walter Benjamin auf seinen Reisen nach Ibiza.
Im ersten Kapitel „Spelbrink und das Haus Ur“ schickt uns der Autor auf eine Reise in die Vergangenheit, bei der wir mit dem vergessenen Paradies Ibiza, vor dem ersten Hotelbau, bekannt gemacht werden. Benjamin beschreibt die arkadischen Zustände in einem Brief so:
„Ich führe ein Leben wie die Hundertjährigen es als Geheimnis den Reportern anvertrauen: aufstehen um sieben Uhr und im Meer baden... darauf, gegen einen gefügigen Stamm im Walde gelehnt, ein Sonnenbad, dessen heilsame Kräfte... auf den Kopf übergreifen und dann ein langer Tag der Enthaltung von zahllosen Dingen – weniger, weil sie das Leben verkürzen, als weil sie es gar nicht gibt oder so schlecht, dass man sie gerne beiseite lässt – elektrisches Licht und Butter, Schnäpse und fließendes Wasser, Flirt und Zeitungslektüre.“
Heutiges Ibiza-Stadt, die idyllische Seite | Foto: Forbfruit
Man vergleiche die Beschreibungen über Ibiza heutzutage und mache sich Gedanken.
Das letzte Kapitel „Cohn und die letzten Wege“ zeigt sowohl den Exilanten Benjamin als auch, dass das Jahr 1933 nicht nur das erste Gran Hotel nach Ibiza brachte, sondern auch eine Schar von Nazis, die der Idylle ein Ende bereiteten. Dazwischen wird uns anhand biografischer Abrisse von Freunden Benjamins, die mit der Insel Ibiza verbunden waren, die Landschaft und der Tourismus, das Lesen und Schreiben, die Architektur der Baleareninsel und die Kunst des Erzählens nahe gebracht.
Warum Benjamins häufige Ortswechsel als auch die mäandernden Bewegungen in seinem Denken eng mit der Liebe der Engel, also seiner Liebe zu der niederländischen Malerin Blaupot ten Cate, verwandt sind, deckt Vicente Valero in seinen Ausführungen zu der lyrisch-biografischen Erzählung „Agesilaus Santander“ auf überraschende Weise auf. Benjamins Vorstellungen über die Engelsliebe hatten laut Valero einen nicht geringen Anteil daran, dass er 1933 zwar krank aber auch verliebt Ibiza verließ und in Paris ein neues Leben begann. 1940 fand es in Portbou ein jähes Ende. (CH)
Vicente Valero
„Der Erzähler“
Walter Benjamin auf Ibiza 1932 und 1933
Parthas Verlag
Aus dem Spanischen
von Lisa Ackermann und Uwe Dehler
224 S., 22 Euro
Online-Flyer Nr. 157 vom 30.07.2008
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